Mittwoch, 9. September 2015

Singapore


Singapore

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/9EHCG0JN-zY

Singapur wird immer attraktiver, auch für Naturfans: ein Spaziergang durch den Regenwald, ein Feuerwerk in den Superbäumen, Frühstück mit den Orang-Utans. In der „Löwenstadt" gehören Naturerlebnisse zum Lifestyle.

 

4         Frühmorgens dampft noch Nebel im Re¬genwald. Feucht tropft es von den Urwaldrie¬sen. Eine Eidechse flitzt den Stamm hinauf. Irgendwo aus dem Farndickicht ruft ein Feuerrü-ckenspecht. Javaner-Affen turnen von Ast zu Ast wie pelzige Akrobaten. Nur der blank geputzte Holzbohlenweg passt nicht so recht in den Dschungel. Aber gut, schließlich liegt der Pri¬märregenwald im Botanischen Garten der Millionenstadt Singapur und die Einkaufs¬straße „Orchard Road" ist nur einen Eichhörn-chensprung entfernt.

Es grünt so schön

Schon in den 1960er-Jahren startete die Regie¬rung Begrünungsprojekte, um vom Hochhaus¬beton abzulenken und die Stadt lebens- und lie¬benswerter zu machen. Daraus hat sich bis heute eine durch und durch „grüne Politik" entwickelt.

 

Inzwischen sprießen Pflanzen, auf Verkehrs¬inseln und Überführungen sowie aus Hoch¬häusern heraus. An der Autobahn drängen sich Blumenkübel. Es gibt etwa 300 Parks und vier Naturschutzgebiete. Mit staatlicher Ermutigung bepflanzen Einheimische Dächer und Senkrech-

ten, als wolle sich die Stadt in eine Decke aus Re-genwald kuscheln, damit man sie irgendwann aus der Luft nicht mehr sieht. Auch die Tierwelt darf sich in Singapur wieder ansiedeln. 100 verschiede¬ne Reptilienarten und 360 Vogelarten wohnen in den Gärten. Sogar der — als ausgestorben vermu-

 

tete — Orienthornvogel findet dort wieder rung. Einst gab es auch Tiger, jedoch keine I Einer Legende nach glaubte aber im 14. Jal dert der hinduistische Prinz und spätere Her Sang Nila Utama im dichten Dschungel Löwen begegnet zu sein. Statt zu kämpfen, sie sich in die Augen, worauf das Tier von d zog. Stark beeindruckt von dem Erlebnis nar den Ort: Singha Pur, die Löwenstadt.

Abendliches Farbenspiel

Eine der neuesten grünen Attraktionen sii Gardens by the Bay. Dort verschmelzen und Technik miteinander. Zwölf Superb aus Stahl ragen wie riesige bewachsene lampen in den Himmel. In einem Sofa i 50 Meter hohen Baumkrone lässt es sich a ten: Ein leichter Wind weht, Vögel zwits( Im Stamm fährt ein Fahrstuhl hinauf. Garyist hier vertikaler Gärtner. Er kennt alle Pflanzen, die an den Supertrees emporwachsen und sorgt dafür, dass sie regelmäßig per Sprinkleranlage besprüht werden. „Die Bäume ziehen jede Menge Vögel, Libellen und Schmetterlinge an", sagt der junge Mann mit Brille, der eher wie ein Tech¬niker als wie ein Botaniker aussieht. Abends im Dunkeln werden die Stahl-Baobabs in einem fan¬tastischen Zeitlupenfeuerwerk illuminiert. Im Takt von Klavier- und Orchestermusik blinken sie nacheinander in Pastell- und Regenbogen¬farben. Zur Kulisse gehört dann ganz ungefragt das 55-stöckige Marina Bay Sands Hotel in der unmittelbaren Nachbarschaft: Die erleuchteten Zimmer funkeln im Hintergrund wie eine recht¬eckige Milchstraße.

Sauber und reich

Darüber hätte Stadtvater Stamford Raffles sicher gestaunt. Er schuf 1822 den ersten Botanischen Garten mit exotischen Gewürzen. Danach ent¬standen große Plantagen in ganz Singapur, denn Gewürze waren wertvoll wie Gold. Nach dem Stadtgründer wurde auch das Hotel Raffles be¬nannt, 1887 im Kolonialstil gebaut. An der Flur¬wand hängen Fotos der Weltstars, die hier logier¬ten: Liz Taylor, Michael Jackson, Karl Lagerfeld. Besonders kolonial mutet die berühmte Longbar an. Unter der Decke wedeln automatisch ange¬triebene Fächer — einst war das der Job von Sklaven. Gäste sitzen vor ihrem Singapur Sling und Jutesäckchen mit Erdnüssen. Die Schalen werfen sie einfach auf den Fußboden. „Hier dür¬fen sie das, draußen auf der Straße nicht", sagt Manager Christian Westbeld. Der gebürtige Frankfurter beschäftigt 400 Mitarbeiter, davon 20 Butler und fünf Gärtner. „Singapur ist Asien für Anfänger. Hier gibt es so gut wie keine Kriminalität, eine leckere Küche, man spricht viele Sprachen und die Straßen sind sauber." Selbst in der U-Bahn liegt kein Fitzelchen Papier

 

herum. Kaugummi ist verboten. Die Stadt glänzt nicht nur mit Sauberkeit, sie glitzert auch vor Reichtum, der seinen Ausdruck in etlichen Ein¬kaufszentren mit teuren Edelläden findet. Mehr als 130.000 Millionäre leben in Singapur.

Affenstarke Begegnung

Einer der reichsten Menschen ist Alagappasamy Chellaiyah. Der Tierpfleger mit indischen Wur¬zeln wird wegen seines komplizierten Namens von allen nur Sam gerufen. Er arbeitet seit 43 Jahren dort, wo Singapur am wildesten ist: im Zoo. Sams Reichtum gründet nicht auf Geld, son¬dern auf seiner Liebe zu den Orang-Utans. „Ich habe immer das Gefühl, dass sie mit mir reden. Ihr Gesichtsausdruck und ihre Reaktionen sind so menschlich", schwärmt er. Besucher kommen den Tieren nirgendwo so nah, wie beim Früh¬stück. Brötchen und Marmelade sind allerdings schnell vergessen, wenn die Menschenaffen sich durch die Äste vor die Nase der Gäste hangeln und die Vogelsamen kauen, die Sam ihnen hin-schüttet. Ah Tseng spielt erst mal Memory mit

 

dem Essen: Er dreht jeden Samen einzeln um, be¬fühlt und beriecht ihn, bevor er ihn in den Mund steckt. Sams große Liebe hieß Ah Meng. 35 Jahre lang betreute er das Weibchen bis sie an Alters¬schwäche starb. Dabei ging es nicht immer ro¬mantisch zu. Als Sam sich ihr einmal — noch jung und unerfahren — näherte, nahm ihn ein eifer-süchtiges brunftgesteuertes Männchen in die Beinschere. „Sie haben so viel Kraft wie zwei Menschen", meint Sam, der noch einige Narben aus seiner Anfangszeit als Tierpfleger hat.

Nicht nur wegen der Menschenaffen ist der Singapur Zoo einer der beliebtesten Tierparks der Welt. Zwischen den Ästen hüpfen Delacour-Languren mit Gesichtern wie Porzellanpuppen und weißen Bärten und schwarze Brüllaffen, die aussehen wie Bären. Sie bewegen sich scheinbar frei über das Gelände. Zäune sieht man kaum, denn sie sind verkleidet ä la Singapur — mit wu-chernden Grünpflanzen.

Zum Verweilen und Erholen

Selbst am Flughafen Changi grünt es aus al¬len Ritzen. Im Terminal wachsen Palmen und eine 300 Meter brei¬te Pflanzenwand. Das reicht aber noch lange nicht. Der Flughafen soll nicht nur eine Oase für Durch¬reisende sein, sondern ein Reise¬ziel an sich. Im Projekt „Juwel" ist für die nächsten Jahre ein Freizeit-und Erholungstempel mit gläser¬nem Dach in Form eines Donuts geplant — selbstverständlich mit üppigen Gärten und gigantischen Wasserfällen. Irgendwann wird der Pilot das Gefühl haben, er lande tatsächlich mitten in einem Re¬genwald.






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