Singapore
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/9EHCG0JN-zY
Singapur wird immer attraktiver, auch für Naturfans: ein
Spaziergang durch den Regenwald, ein Feuerwerk in den Superbäumen, Frühstück
mit den Orang-Utans. In der „Löwenstadt" gehören Naturerlebnisse zum
Lifestyle.
4 Frühmorgens
dampft noch Nebel im Re¬genwald. Feucht tropft es von den Urwaldrie¬sen. Eine
Eidechse flitzt den Stamm hinauf. Irgendwo aus dem Farndickicht ruft ein
Feuerrü-ckenspecht. Javaner-Affen turnen von Ast zu Ast wie pelzige Akrobaten.
Nur der blank geputzte Holzbohlenweg passt nicht so recht in den Dschungel.
Aber gut, schließlich liegt der Pri¬märregenwald im Botanischen Garten der
Millionenstadt Singapur und die Einkaufs¬straße „Orchard Road" ist nur
einen Eichhörn-chensprung entfernt.
Es grünt so schön
Schon in den 1960er-Jahren startete die Regie¬rung
Begrünungsprojekte, um vom Hochhaus¬beton abzulenken und die Stadt lebens- und
lie¬benswerter zu machen. Daraus hat sich bis heute eine durch und durch „grüne
Politik" entwickelt.
Inzwischen sprießen Pflanzen, auf Verkehrs¬inseln und
Überführungen sowie aus Hoch¬häusern heraus. An der Autobahn drängen sich
Blumenkübel. Es gibt etwa 300 Parks und vier Naturschutzgebiete. Mit
staatlicher Ermutigung bepflanzen Einheimische Dächer und Senkrech-
ten, als wolle sich die Stadt in eine Decke aus Re-genwald
kuscheln, damit man sie irgendwann aus der Luft nicht mehr sieht. Auch die
Tierwelt darf sich in Singapur wieder ansiedeln. 100 verschiede¬ne
Reptilienarten und 360 Vogelarten wohnen in den Gärten. Sogar der — als
ausgestorben vermu-
tete — Orienthornvogel findet dort wieder rung. Einst gab es
auch Tiger, jedoch keine I Einer Legende nach glaubte aber im 14. Jal dert der
hinduistische Prinz und spätere Her Sang Nila Utama im dichten Dschungel Löwen
begegnet zu sein. Statt zu kämpfen, sie sich in die Augen, worauf das Tier von
d zog. Stark beeindruckt von dem Erlebnis nar den Ort: Singha Pur, die
Löwenstadt.
Abendliches Farbenspiel
Eine der neuesten grünen Attraktionen sii Gardens by the
Bay. Dort verschmelzen und Technik miteinander. Zwölf Superb aus Stahl ragen
wie riesige bewachsene lampen in den Himmel. In einem Sofa i 50 Meter hohen
Baumkrone lässt es sich a ten: Ein leichter Wind weht, Vögel zwits( Im Stamm
fährt ein Fahrstuhl hinauf. Garyist hier vertikaler Gärtner. Er kennt alle
Pflanzen, die an den Supertrees emporwachsen und sorgt dafür, dass sie
regelmäßig per Sprinkleranlage besprüht werden. „Die Bäume ziehen jede Menge
Vögel, Libellen und Schmetterlinge an", sagt der junge Mann mit Brille, der
eher wie ein Tech¬niker als wie ein Botaniker aussieht. Abends im Dunkeln
werden die Stahl-Baobabs in einem fan¬tastischen Zeitlupenfeuerwerk
illuminiert. Im Takt von Klavier- und Orchestermusik blinken sie nacheinander
in Pastell- und Regenbogen¬farben. Zur Kulisse gehört dann ganz ungefragt das
55-stöckige Marina Bay Sands Hotel in der unmittelbaren Nachbarschaft: Die
erleuchteten Zimmer funkeln im Hintergrund wie eine recht¬eckige Milchstraße.
Sauber und reich
Darüber hätte Stadtvater Stamford Raffles sicher gestaunt.
Er schuf 1822 den ersten Botanischen Garten mit exotischen Gewürzen. Danach
ent¬standen große Plantagen in ganz Singapur, denn Gewürze waren wertvoll wie
Gold. Nach dem Stadtgründer wurde auch das Hotel Raffles be¬nannt, 1887 im
Kolonialstil gebaut. An der Flur¬wand hängen Fotos der Weltstars, die hier
logier¬ten: Liz Taylor, Michael Jackson, Karl Lagerfeld. Besonders kolonial
mutet die berühmte Longbar an. Unter der Decke wedeln automatisch ange¬triebene
Fächer — einst war das der Job von Sklaven. Gäste sitzen vor ihrem Singapur
Sling und Jutesäckchen mit Erdnüssen. Die Schalen werfen sie einfach auf den
Fußboden. „Hier dür¬fen sie das, draußen auf der Straße nicht", sagt
Manager Christian Westbeld. Der gebürtige Frankfurter beschäftigt 400
Mitarbeiter, davon 20 Butler und fünf Gärtner. „Singapur ist Asien für
Anfänger. Hier gibt es so gut wie keine Kriminalität, eine leckere Küche, man
spricht viele Sprachen und die Straßen sind sauber." Selbst in der U-Bahn
liegt kein Fitzelchen Papier
herum. Kaugummi ist verboten. Die Stadt glänzt nicht nur mit
Sauberkeit, sie glitzert auch vor Reichtum, der seinen Ausdruck in etlichen
Ein¬kaufszentren mit teuren Edelläden findet. Mehr als 130.000 Millionäre leben
in Singapur.
Affenstarke Begegnung
Einer der reichsten Menschen ist Alagappasamy Chellaiyah.
Der Tierpfleger mit indischen Wur¬zeln wird wegen seines komplizierten Namens
von allen nur Sam gerufen. Er arbeitet seit 43 Jahren dort, wo Singapur am
wildesten ist: im Zoo. Sams Reichtum gründet nicht auf Geld, son¬dern auf
seiner Liebe zu den Orang-Utans. „Ich habe immer das Gefühl, dass sie mit mir
reden. Ihr Gesichtsausdruck und ihre Reaktionen sind so menschlich",
schwärmt er. Besucher kommen den Tieren nirgendwo so nah, wie beim Früh¬stück.
Brötchen und Marmelade sind allerdings schnell vergessen, wenn die
Menschenaffen sich durch die Äste vor die Nase der Gäste hangeln und die
Vogelsamen kauen, die Sam ihnen hin-schüttet. Ah Tseng spielt erst mal Memory
mit
dem Essen: Er dreht jeden Samen einzeln um, be¬fühlt und
beriecht ihn, bevor er ihn in den Mund steckt. Sams große Liebe hieß Ah Meng.
35 Jahre lang betreute er das Weibchen bis sie an Alters¬schwäche starb. Dabei
ging es nicht immer ro¬mantisch zu. Als Sam sich ihr einmal — noch jung und unerfahren
— näherte, nahm ihn ein eifer-süchtiges brunftgesteuertes Männchen in die
Beinschere. „Sie haben so viel Kraft wie zwei Menschen", meint Sam, der
noch einige Narben aus seiner Anfangszeit als Tierpfleger hat.
Nicht nur wegen der Menschenaffen ist der Singapur Zoo einer
der beliebtesten Tierparks der Welt. Zwischen den Ästen hüpfen
Delacour-Languren mit Gesichtern wie Porzellanpuppen und weißen Bärten und
schwarze Brüllaffen, die aussehen wie Bären. Sie bewegen sich scheinbar frei
über das Gelände. Zäune sieht man kaum, denn sie sind verkleidet ä la Singapur
— mit wu-chernden Grünpflanzen.
Zum Verweilen und Erholen
Selbst am Flughafen Changi grünt es aus al¬len Ritzen. Im
Terminal wachsen Palmen und eine 300 Meter brei¬te Pflanzenwand. Das reicht
aber noch lange nicht. Der Flughafen soll nicht nur eine Oase für
Durch¬reisende sein, sondern ein Reise¬ziel an sich. Im Projekt „Juwel"
ist für die nächsten Jahre ein Freizeit-und Erholungstempel mit gläser¬nem Dach
in Form eines Donuts geplant — selbstverständlich mit üppigen Gärten und
gigantischen Wasserfällen. Irgendwann wird der Pilot das Gefühl haben, er lande
tatsächlich mitten in einem Re¬genwald.
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