Die Migranten
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/qPeG7SZBrGA
DAS DEUTSCHE
STAUNEN ÜBER
DEN MIGRANTEN
Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht, und sie
alle wollen zu uns, oder? Falsch. Eine Korrektur in Zahlen. J
eder von uns hat in der Schule gelernt, dass der Mensch
nicht im¬mer sesshaft ist. Die Völkerwanderung der Germanen, die deut¬sche
Auswanderung nach Amerika im 19. Jahrhundert oder die Vertreibung nach dem
Zweiten Weltkrieg gehören zum kollektiven Ge¬dächtnis. Und doch betrachten wir
diese Ereignisse wie Zeugnisse ei¬ner lange vergangenen Zeit, in der das Leben
unzivilisiert und unbarm¬herzig war. Nicht nur die Deutschen, die in der
behüteten alten Bundes¬republik aufgewachsen sind, haben eine recht statische Vorstellung
vom Zusammenleben der Völker: Kriege sollten darin nicht vorkom¬men und
Migration erst recht nicht. Wozu gibt es schließlich Grenzen?
Das ist natürlich eine ahistorische Sichtweise. Migration
gibt es, seit der moderne Mensch vor hunderttausend Jahren von Ostafrika aus
die Welt besiedelte. Nichts spricht dafür, dass sich das gerade im Zeitalter
der Globalisierung grundlegend ändern wird. Das deutsche Staunen über die
Flucht- und Wanderungswellen, die uns nun periodisch errei¬chen, ist wahrscheinlich
eine Spätfolge des Kalten Krieges. Weil der ei¬nen alten Wanderungskorridor,
den von Ost- nach Westeuropa, für ein halbes Jahrhundert verriegelte, kannten
zwei bis drei Generationen von Deutschen Migration nur noch in Form der Gestalt
des „Gastarbei¬ters" — eines Menschen, der nicht ins Land gebeten wurde,
sondern in die Fabrik. Nach getaner Arbeit sollte er wieder nach Hause. Das tat
er bekanntlich nicht.
Über das globale Migrationsgeschehen gibt es eine Zahl: 232
Millio¬nen Menschen waren im Jahr 2013 nach einer Schätzung der Vereinten
Nationen Migranten. Darunter werden Menschen verstanden, die in ei¬nem Land
leben, in dem sie nicht geboren wurden. Im Vergleich zur
Weltbevölkerung insgesamt — 7,2 Milliarden Menschen — ist
das gar k ne so große Zahl. Der Anteil der Migranten liegt bei etwas mehr als
d: Prozent. Der weit überwiegende Teil der Menschheit verbringt sein gz zes
Leben in seiner Heimat, nicht selten sogar immer am selben Ort.
Zum Gesamtbild gehört auch die Erkenntnis, dass Migration
nic nur von Süd nach Nord stattfindet. Besonders durch die Fernsehbilc vom
Mittelmeer entsteht oft der Eindruck, ganz Afrika und Asien sei auf dem Weg ins
wohlhabende und sichere Europa. Tatsächlich hab Studien ergeben, dass etwa
vierzig Prozent der weltweiten Migrati von den armen in .reiche Länder
verläuft. Gut ein Drittel findet z\ schen Ländern des Südens statt, etwas mehr
als ein Fünftel verläi von Nord nach Nord. Deutsche haben daran einen großen
Anteil, v hierzulande wenigen bekannt ist. Nach einer Untersuchung der Intern
tionalen Organisation für Migration leben 1,3 Millionen deutsche Ai wanderer in
den Vereinigten Staaten, womit sie den größten „Migre onskorridor" unter
den entwickelten Ländern geschaffen haben. Au bei der Einwanderung nach
Deutschland spielt die Migration aus ent) ekelten Ländern eine große Rolle.
Über Jahre hinweg kamen die \ATE aus meisten Menschen, die nach Deutschland
einwanderten, im Ri men der europäischen Freizügigkeit aus anderen EU-Staaten.
Die Gruppe der Kriegs- und Konfliktflüchtlinge ist kleiner.
Au hierzu gibt es eine globale Zahl: Ende 2014 waren nach einer Zählu des
UN-Flüchtlingshilfswerks 60 Millionen Menschen weltweit auf c Flucht.
Allerdings waren davon 38 Millionen sogenannte Binnenv triebene, also Menschen,
die nicht ins Ausland fliehen, sondern im genen Land Schutz suchen. Damit
bleiben 22 Millionen, die von ih: Not (welcher Art auch immer) über die
Landesgrenzen hinausgetr ben werden. Das wäre etwa ein Zehntel der weltweiten
Migranten. weit diese Zahlen zuverlässig sind, sind sie ein Beleg dafür, dass
lega gesteuerte Formen der Einwanderung den weitaus größten Teil der g balen
Migration ausmachen.
Was für die Migration insgesamt gilt, trifft auch auf
Flüchtlinge Besonderen zu: Viele bleiben im Süden, nur ein Teil zieht in den N
den. Die meisten Flüchtlinge stammen aus jenem Dutzend Krisenli dem in Arabien,
Asien und Afrika, die seit Jahren instabil sind. Zi Jahresende 2014 entfielen
etwas mehr als die Hälfte auf nur drei Li der: Syrien (3,9 Millionen
Flüchtlinge), Afghanistan (2,6 Million und Somalia (1,1 Millionen). Wie so oft
im Fall von Kriegen gei Flüchtlinge erst einmal in ihre Nachbarländer. Die
Türkei war im N gangenen Jahr das Land mit der größten Flüchtlingspopulation
Welt, sie beherbergte 1,6 Millionen Menschen, fast alle Syrer.
folgten Pakistan (hauptsächlich afghanische Flüchtlinge),
der Libanon (Syrer), Iran (Afghanen) und Äthiopien (Südsudaner, Somalier,
Eri¬treer). Unter den zehn größten Aufnahmeländern der Welt war 2014 kein
einziger westlicher Staat. Die stark gestiegenen Asylbewerberzah¬len in
Deutschland sind allerdings ein Hinweis darauf, dass sich das of¬fenbar zu
ändern beginnt. Daraus könnte ein sich selbst verstärkender Trend werden. Wenn
es immer mehr Flüchtlinge nach Europa schaf¬fen, dürfte das andere dazu
ermutigen, ihnen zu folgen.
Von welchen Entwicklungen das Bild in der EU geprägt wird,
dürfte allgemein bekannt sein: Es gibt hier zum einen das Sonderphänomen
Balkan, das mit klassischer Flucht wegen Krieg und Vertreibung nichts zu tun
hat; und zum anderen besteht eine massive Häufung der Asylbe¬werber in
Deutschland und einigen wenigen anderen Staaten wie Schweden oder Österreich.
In Deutschland regt man sich nicht zu Un¬recht über den nationalen Egoismus
auf, mit dem viele europäische Re¬gierungen dem Problem begegnen. Allerdings
sollte man auch nüch¬tern analysieren, warum gerade unser Land so viele
Asylsuchende an¬zieht. Das dürfte unter anderem an der im Vergleich zu anderen
EU-Staaten großzügigen Handhabung des Asylrechts liegen.
Die deutsche Debatte über Migration wird erstaunlich stark
von zwei extremen Positionen beherrscht: Die einen trauen dem Land alles zu,
die anderen gar nichts. Vor allem auf der Linken ist weiterhin die Vor¬stellung
verbreitet, dass Deutschland im Prinzip jeden aufnehmen soll¬te, der kommen
will; die multikulturelle Gesellschaft gilt als Ideal. In et¬was
utilitaristischer Form sagen das auch Teile der Wirtschaft, die ihren
Arbeitskräftebedarf im Inland nicht mehr decken können.
Diese Position unterschätzt allerdings die wirtschaftlichen
und kultu¬rellen Anpassungsschwierigkeiten, die mit Migration einhergehen. Man
findet Spuren davon in der Statistik: Selbst im Wirtschaftswunder¬land
Deutschland ist die Arbeitslosigkeit von Ausländern zweieinhalb¬mal so hoch wie
die von Deutschen; in der Kriminalitätsstatistik liegt der Anteil der
ausländischen Tatverdächtigen ebenfalls zweieinhalb¬mal so hoch wie ihr Anteil
an der Gesamtbevölkerung. Und die Organi¬sation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung hat kürz¬lich darauf hingewiesen, dass ein
Drittel der im Ausland geborenen Ju¬gendlichen Deutsch nur schlecht lesen und
schreiben kann. Das sind Hinweise auf ernste Integrationsprobleme.
Die Gegenposition im politischen Diskurs lautet, dass
Deutschland kein Einwanderungsland sei oder sein wolle. Sie wurde lange von der
Union vertreten, hat mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit aber nicht mehr
viel zu tun. Im Jahr 2014 hatten in Deutschland 20 Prozent der
Einwohner einen Migrationshintergrund. Das heißt zwar, dass
Deu sche ohne ausländische Wurzeln immer noch den weitaus größten Te der
Bevölkerung stellen. Wenn aber jeder Fünfte einen familiären B( zug zu einem
anderen Land hat, dann hat faktisch schon viel Einwand( rung stattgefunden.
Das Land ist damit besser zurechtgekommen, als viele
Skeptiker e wartet hatten. Die deutsche Gesellschaft hat schon in der Verganger
heit eine große Integrationskraft bewiesen, wie etwa die geglückte Au nahme
polnischer Arbeiter im Ruhrgebiet oder von Vertriebenen nac dem Zweiten Weltkrieg
gezeigt hat. In Großstädten wie Frankfurt, i denen ein Viertel der Einwohner
eine ausländische Staatsangehör4 keit hat, verläuft das Zusammenleben im Alltag
in der Regel ohne gri ßere Probleme. Vermutlich kommt Deutschland hier zugute,
dass es e nige Fehler anderer europäischer Länder vermieden hat. Man hat M
granten nicht in isolierten Vorstädten konzentriert wie in Frankreicl Sie
wurden auch nicht einem relativ rigiden Klassensystem überlasse wie in
Großbritannien. Viele deutsche Institutionen, von der Schul über die Lehre bis
zum Verein, können Integration befördern.
Trotzdem wird auch Deutschland nicht über Jahre hinweg eine
ung( regelte Masseneinwanderung über das Asylsystem verkraften könne] Zuzüge im
Umfang mehrerer Großstädte werden die öffentlichen Hau halte und den
Wohnungsmarkt auf Dauer spürbar belasten. Hinzu kon men politische und
kulturelle Spannungen, die heute auch in klass schen Einwanderungsländern
auftreten. Die jüngsten Bewegungen ai der Rechten, von der AfD bis Pegida,
zeigen, dass nicht zuletzt in Os deutschland die Akzeptanz der Bevölkerung für
steigende Einwand( rerzahlen gering ist. Man sollte nicht darauf vertrauen,
dass rechtsp( pulistische Politiker weiter so ungeschickt agieren wie bisher.
In einer Welt, die von Migration geprägt ist, muss die
Politik deshal versuchen, diese besser zu steuern. Der moderne Staat hat dafür
Instri mente geschaffen, die es früher nicht gab, zumindest nicht in ihr(
hochdifferenzierten Form: Grenzsicherung, Einreisebestimmunge:
Aufenthaltsregelungen sowie die Mittel der Außen-, Sicherheits- ur
Entwicklungspolitik, mit denen direkt auf die Herkunfts- und Transi länder
Einfluss genommen werden kann. Damit lässt sich nicht jec Wanderungsbewegung
lenken, aber doch einiges erreichen. Wie die; Instrumente besser eingesetzt
werden können, sollte Gegenstand ein, ehrlichen politischen Debatte werden
DIE
GELASSENE
NATION
Die meisten Deutschen machen sich zwar Sorgen, ob ihr Land
die neuen Flüchtlinge verkraftet. Von einer breiten Feindseligkeit gegen
Ausländer aber kann keine Rede sein
In Deutschland misstraut man der eigenen Bevölkerung
schnell. Ei¬nige Monate lang erleben die Pegida-Demonstrationen Zulauf, die AfD
verzeichnet regionale Erfolge, und es kommt zu Anschlägen militanter Gruppen
auf Asylbewerberunterkünfte — und schon hört man den Generalverdacht, es gebe
in Deutschland eine epidemisch um sich ereifende Ausländerfeindlichkeit. Die
kontinuierlich durchgeführ¬ten repräsentativen Umfragen vermitteln ein völlig
anderes Bild. Tat¬sächlich gibt es in Europa nur sehr wenige andere Länder, die
auf Zu¬wanderung und den Zustrom an Flüchtlingen zurzeit derart gelassen und
mit einer vergleichbaren Hilfsbereitschaft reagieren, wie das in Deutschland
der Fall ist.
Das gilt nicht nur für die Regierung und sämtliche im
Parlament ver¬tretenen Parteien, sondern auch für die Bevölkerung. Siebzig
Prozent davon befürworten grundsätzlich die Aufnahme von Flüchtlingen in
Deutschland; dabei gibt es allerdings gravierende Unterschiede zwi¬schen alten
und neuen Bundesländern: 74 Prozent der westdeutschen, 53 Prozent der
ostdeutschen Bevölkerung unterstützen grundsätzlich die Aufnahme von
Flüchtlingen; 13 Prozent der Westdeutschen, 29 Pro¬zent der Ostdeutschen äußern
sich grundsätzlich ablehnend.
Knapp jeder Dritte plädiert allerdings dafür, möglichst
wenig Flücht¬linge aufzunehmen, während sich 37 Prozent dafür aussprechen, so
vie¬le aufzunehmen, wie sich nur unterbringen und versorgen lassen. Die¬ser
letzte Anteil ist interessanterweise in den letzten Monaten, in de¬nen sich die
Probleme in vielen Kommunen zugespitzt haben, nicht ge¬
sunken, sondern angestiegen. Vor vier Monaten plädierten
erst 31 Pro¬zent dafür, so viele Flüchtlinge aufzunehmen wie nur möglich.
Aller¬dings wachsen angesichts der Probleme in vielen Kommunen Zweifel in der
Bevölkerung, ob Deutschlands Aufnahmekapazitäten nicht all¬mählich erschöpft
sind. Mittlerweile berichten 76 Prozent der Bürger, dass in ihrer Region
Flüchtlinge untergebracht sind; in 38 Prozent der Fälle macht die Unterbringung
größere Probleme.
Der rasche Anstieg der Flüchtlingszahlen stimmt die
Bevölkerung besorgt, und viel wird davon abhängen, ob die Politik auf allen
Ebenen erfolgreich Maßnahmen ergreift, um die Probleme zu beherrschen. Die¬se
Besorgnis ist jedoch etwas völlig anderes als eine wachsende
Auslän¬derfeindlichkeit und Radikalisierung. Dass hier in der öffentlichen
Dis¬kussion zu wenig differenziert wird, ist schädlich. Die große Mehrheit
macht sich Sorgen, bekundet aber gleichzeitig Verständnis für die Not¬lage
derjenigen, die aus Kriegs- und Krisengebieten fliehen. Die Mehr¬heit hält
sogar mehr Kriterien für die Gewährung von Asyl für begrün¬det, als es der
Rechtslage entspricht.
Der Widerstand gegen die Einrichtung von Wohnheimen für Asylbe¬werber
ist heute signifikant geringer als Anfang der neunziger Jahre, als Deutschland
ebenfalls mit einer großen Flüchtlingswelle konfron¬tiert war. Damals
tendierten 37 Prozent der Bürger dazu, Unterschrif¬tenaktionen gegen solche
Wohnheime in ihrer Gemeinde zu unterstüt¬zen; heute sind es 23 Prozent. Die
Mehrheit, 58 Prozent, schließt dies für sich, kategorisch aus. Gegenläufig ist
die Bereitschaft gestiegen, sich für Wohnheime zu engagieren.
Auch abseits der Flüchtlingsproblematik haben sich die Einstellun-gen
zur Zuwanderung verändert. Die Überzeugung, dass Deutschland von Zuwanderung
profitiert und sie angesichts der demographischen Entwicklung und der robusten
Verfassung des deutschen Arbeitsmark¬tes auch braucht, ist über die vergangenen
zehn oder zwölf Jahre hin¬weg kontinuierlich gestiegen. Die vor der
Flüchtlingswelle stark gestie¬gene Zuwanderung nach Deutschland, vorwiegend aus
Ländern der EU mit einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage, ist von der
Mehrheit zwar durchaus zur Kenntnis genommen worden, hat aber nicht einmal
ansatzweise zu verstärkten Ressentiments geführt.
Inmitten einer Phase starker Zuwanderung und rasch
steigender Flüchtlingszahlen sind die Pegida-Demonstrationen abgeflaut und ist
der Rückhalt für Parteien gesunken, die jeglicher Zuwanderung kri-tisch
gegenüberstehen. Die AfD notiert seit ihren internen Querelen unter fünf
Prozent. Der Rückhalt für die Parteien der großen Koalition ist dagegen
vollkommen stabil. Bei einem politischen Kurs, der sich der
Flüchtlingsproblematik weitaus mehr und offener stellt, als
dies für die meisten anderen Regierungen Europas gilt, wäre dieser stabile
Rück¬halt kaum möglich, wenn die Mehrheit der Bürger eine radikal andere
Position bezöge.
Die Gelassenheit der großen Mehrheit zeigt sich auch in den
Einstel¬lungen zu Europa. Europa und insbesondere die Währungsunion begeg¬nen
den Bürgern in der täglichen Nachrichtenlage seit der Eskalation in
Griechenland 2011 permanent als Problem- und Krisenzone. Auch nach der
vorläufigen Beruhigung der Situation glaubt nur jeder dritte Bürger, dass es
gelingen wird, die griechischen Probleme wirklich in den Griff zu bekommen. Die
Mehrheit sieht die fortgesetzten Hilfen für Griechenland kritisch und
bezweifelt, ob es richtig ist, alles zu tun, um Griechenland in der Eurozone zu
halten. Dieser offenkundige Dissens mit dem Kurs der großen Koalition hat
jedoch den Rückhalt für Regie¬rung und Kanzlerin nicht angegriffen und auch die
Grundhaltung der Bevölkerung zu Europa nicht nennenswert verändert.
Drei Viertel der deutschen Bevölkerung stehen der
europäischen Inte¬gration grundsätzlich positiv gegenüber. Die Europäische
Union hat in den Augen der Mehrheit zwar viele Schwächen, insbesondere ein
Über¬maß an Bürokratie, Verschwendung und Regulierungswut. Gleichzeitig sieht
die große Mehrheit die EU jedoch als Garanten des Friedens, als notwendigen
Zusammenschluss, um sich gegen Länder wie Amerika und China zu behaupten, und
als großen Wirtschaftsraum mit erhebli¬chen Chancen für die nationalen
Volkswirtschaften. Auch die Mitglied¬schaft in der Eurozone wird immer weniger
in Frage gestellt. Die Bevöl¬kerung hat zwar nur schwer Abschied von der
nationalen Währung ge¬nommen; eine Währung ist aber auch eine Frage der
Gewöhnung, und der Anteil der Bürger, die eine Rückkehr zur D-Mark wünschen,
macht seit längerem eine Minderheit aus, die kontinuierlich kleiner wird.
Zwar ist die EU und besonders die Währungsunion in erster
Linie ein Elitenprojekt. Umfragen unter Führungskräften aus Wirtschaft und
Poli¬tik zeigen regelmäßig einen breiten Konsens darüber, dass die Zukunft
Deutschlands im Verbund mit den anderen europäischen Staaten liegt. Die Eliten
sprechen sich auch mit überwältigender Mehrheit für die Wei¬terentwicklung der
EU und Etablierung einer gemeinsamen Wirt-schafts- und Finanzpolitik aus;
dieses Ziel wird von weiten Kreisen der Bevölkerung mit Skepsis gesehen. Die
Bürger werden jedoch auch die¬sen Schritt tolerieren — solange sie nicht den
Eindruck gewinnen, dass ihnen daraus unmittelbar direkte und spürbare Nachteile
erwachsen.
Ein wesentlicher Grund für die Gelassenheit der großen
Mehrheit liegt in der nun seit zehn Jahren andauernden Prosperitätsphase, die
im- mer mehr Breitenwirkung entfaltet. Vor zehn Jahren stand die Bevöll rung
ganz unter dem Eindruck der mehrjährigen Wachstumsschwäcl hoher
Arbeitslosigkeit und der staatlichen Reformen, die Einschnitte das soziale Netz
mit sich brachten und weit über diese Eingriffe türm zur Verunsicherung
führten, wie verlässlich staatliche Sicherheitsgar tien noch sind. Viele waren
damals überzeugt, dass Deutschland sein Zenit überschritten habe und in zehn
Jahren wirtschaftlich noch sch cher sein würde. Zu diesem Zeitpunkt stand die
Bevölkerung auch je cher Zuwanderung wesentlich ablehnender gegenüber.
Heute schätzt die große Mehrheit der Erwerbstätigen das
wirtschaf che Umfeld in Deutschland positiv ein. Die Sorgen um die Sicherh des
eigenen Arbeitsplatzes bewegen sich auf einem Tiefpunkt, und niedrigere
Arbeitslosigkeit und höheren Tarifabschlüsse führen da dass die Zufriedenheit
mit der eigenen wirtschaftlichen Lage in denk ten Jahren kontinuierlich
zugenommen hat. Wirtschaftliche Risik spielen heute in den Befürchtungen der
Bürger eine ungleich gering( Rolle als noch vor wenigen Jahren. So stuften noch
vor sechs Jahren Prozent einen möglichen Anstieg der Arbeitslosigkeit als
großes Risi für Deutschland ein, jetzt nur noch 25 Prozent. Und die Sorgen,
dass Staat mit Reformen seine Sicherheitsgarantien beschneiden könnte, t ren in
den letzten zwei Jahrzehnten noch nie so gering wie heute.
Die machtvollen ökonomischen Trends wie insbesondere die
Glob; sierung werden zwar auch in der gegenwärtigen Prosperitätsphase t( weise
mit Unbehagen verfolgt. Die überwältigende Mehrheit der Bün weiß, dass sich die
Wirtschaft unter dem Einfluss der Globalisieru gravierend verändert. Weitaus
mehr als andere europäische Staaten hen die Deutschen Globalisierung jedoch
nicht nur als Quelle von R ken, sondern auch als Chance — gerade auch für die
Unternehmen.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen Krisenherde wird den
Bürg( noch mehr bewusst, dass sie zurzeit in einem ökonomisch und politi:
besonders stabilen Land leben, das seinen Bürgern eine hohe Lebe qualität
bietet. Neunzig Prozent stufen die Lebensqualität in Deuts land als hoch ein.
Die Zukunftsperspektiven der jungen Generati sieht die überwältigende Mehrheit
positiv. Deutschland gilt bei den B gern auch als Land, dessen Lebensqualität,
robuster Arbeitsmarkt i Stabilität nach außen ausstrahlt und es für Zuwanderer
attraktiv mac Diese politische und ökonomische Stabilität ist der wesentliche
Gn für die bemerkenswerte Gelassenheit der Bü+rger
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