Mittwoch, 30. September 2015

Regenwald-Zerstörung durch Palmölfelder


Regenwald-Zerstörung durch Palmölfelder

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/8iKiOSObj7k

Palmöl geht uns alle an. Weil es fast überall drinsteckt. Doch seine Produktion bedroht wertvolle Lebensräume. Der WWF hat jetzt nachgefragt, wie sehr sich deutsche Unternehmen um Nachhaltigkeit kümmern

Die die französische Umweltministe-n Segolene Royal Mitte Juni ihr Volk zum Nutella-Boykott auf¬rief, war die Entrüstung groß. Nicht nur in Frankreich. Niemand woll¬te so einfach auf die Nuss-Nougat-Creme verzichten, und in Italien, dem Heimatland des Herstellers Ferrero, nahm ihr Amtskollege den süßen Auf¬strich sofort in Schutz. Dass Royal das darin enthaltene Palmöl als schädlich für die Umwelt geißelte, entfachte auch in Deutschland die Diskussion: Palmöl gilt als einer der Hauptschuldigen, wenn tro-pischer Regenwald abgeholzt und in An-baufläche verwandelt wird. In der Bun-desrepublik werden jährlich pro Kopf etwa 18,5 Kilogramm verbraucht, rund die Hälfte davon in Form von Energie. Aber wer schmiert sich schon gerne Waldverlust aufs Brot? Oder will mitver¬antwortlich sein. wenn der Lebensraum von Orang-Utan, Tiger, Schimpanse und Gorilla nebst weiteren bedrohten Spezies schwindet?

Doch ausgerechnet die Umweltschutz-organisationen Greenpeace und WWF schlugen sich auf die Seite von Ferrero und nannten das Unternehmen als eines der wenigen großen beispielhaft, gerade wenn es um den nachhaltigen Anbau und die Produktion von Palmöl gehe. Weltweit kommen davon pro Jahr rund 57 Millionen Tonnen zusammen. Allein in Indonesien wuchsen die Plantagen zwi¬schen 2006 und 201017011 4,1 auf 7,2 Millio¬nen Hektar an. In Malaysia, Süd- und Zentralamerika sowie in Afrika werden Ölpalmen ebenfalls kommerziell ange¬baut. Schätzungen zufolge könnte die glo¬bale Palmölproduktion bis zum Jahr 2050 auf 240 Millionen Tonnen steigen.

Tatsächlich ist Ferrero seit zehn Jahren Mitglied des internationalen Roundtable an Sustainable Palm Oil (RSPO), an dem sich mittlerweile 2439 Mitglieder beteili¬gen. Der italienische Süßwarenkonzern hält nicht nur die damit auferlegten Min¬deststandards ein. „Ferrero nutzt zu hun¬dert Prozent physisch segregiertes, zertifi¬ziertes Palmöl, weiß; wo es herkommt, und unterstützt unter anderem die Palm Oil limovators Group, die sich für stren¬gere soziale und ökologische Kriterien einsetzt", sagt die WWF-Referentin Ilka Petersen, die im Sommer in zahlreichen Interviews versicherte, Royals Vorstoß habe die Falschen getroffen. Das Unternehmen selbst gibt in einem kurz vor dem Nutella-Aufruhr erschienenen Be¬richt an, dass man zu 98 Prozent zurück¬verfolgen könne. von welcher Plantage die Ölfrüchte jeweils stammten. Man ach¬te auf die Lieferkette und beziehe Palmöl von insgesamt 59 Ölmühlen und 249 Plan¬tagen in Malaysia, Indonesien, Papua-Neuguinea, Brasilien und auf den Salomo¬nen-Inseln. Man setze sich fiir Kleinbau¬ern ein und gehöre der Organisation The Forest Trust an. Letzterem ist im Septem¬ber auch der französische Kosmetikher¬steller Yves Rocher beigetreten, mit den entsprechenden Auflagen zur Transpa¬renz und zum Erhalt von Regenwald und Torflandschaften. Solche Auflagen befür-wortet der WWF, der sich unter ande¬rem wünscht, dass Zulieferer und Produ¬zenten zur Legalität verpflichtet werden, damit keine Palmfrüchte verarbeitet wer¬den, die aus illegalem Anbau auf National-parkflächen stammen.

Der Nutella-Zwist deutet nur an, wie komplex das Thema insgesamt ist. Es be-trifft praktisch jeden, denn gut die Hälfte aller Supermarktwaren enthalten Palmöl oder dessen Fraktionen und Derivate wie Pahnitin- und Stearinsäure. In Cremes, in Frittierfett, Keksen, Kerzen, Seifen und Waschmitteln ist in irgendeiner Form Palmöl. Der Kunde weiß nur häu¬fig nichts davon. Bei Lebensmitteln im¬merhin muss inzwischen angegeben wer¬den, was für eine Art von Pflanzenöl ver¬wendet wurde. Um den Verbrauchern noch mehr Einblick zu gewähren und um ihnen ein Kaufkriterium an die Hand zu geben, fragt der WWF seit 2009 alle zwei Jahre bei Unternehmen nach, wie es um ihre Bezugsquellen steht.

 

An diesem Wochenende veröffentlicht die Organisation in Deutschland nun ih¬ren aktuellen Palmöl-Check. Die Liste, in der die Einkaufspolitik von zweihun¬dert deutschen Käufern und Verarbeitern von Palmöl bewertet wird, liegt der Sonn-tagszeitung vor. Vertreten sind die Bran¬chen Lebensmittel; Wasch- und Reini-gungsmittel, Kosmetik, Groß- und Ein-zelhandel. Erstmals wurden auch Konzer-ne der Pharma- und Futtermittelindus-trie angeschrieben, die bisher nicht im Fo¬kus der Öffentlichkeit standen. Nach ei¬ner Marktstudie aus dem Jahr 2013 tragen sie mit 131 000 beziehungsweise 40 000 Tonnen zum Gesamtverbrauch von 1,364 Millionen Tonnen Palmöl in Deutsch¬land bei; vom Pahnkernöl wurden insge¬samt rund 130 000 Tonnen verarbeitet.

„Wenn wir schon Palmöl nutzen, sollte es wenigstens aus nachhaltigem Anbau stammen", meint Ilka Petersen. Mit dem Palmöl-Check wolle man einerseits ermit-teln, wie sich der Absatz von zertifizier¬tem Öl entwickelt. „Andererseits erlaubt uns jetzt die neue, verfeinerten Methode, zwischen den Lieferketten zu unterschei-den. Also ob zum Beispiel vor allem Zerti-fikate gekauft wurden oder zertifizierte Ware, die sich später physisch im Pro¬dukt wiederfindet." Die Unternehmen sollen möglichst auf Letzteres umsteigen, verlangt der WWF, wie es auch der RSPO von seinen Mitgliedern fordert. Oder wenn das wie im Bereich von Kos¬metika sowie Wasch- und Reinigungsmit¬teln kaum praktikabel ist, wenigstens über solche Zertifikate ihren Derivate-Einkauf abdecken, die Kleinbauern zugu-tekommen. Wer seine Lieferkette im Griff hat, hätte die entscheidenden Fak ten leicht liefern können. Von den befrag¬ten Unternehmen blieben jedoch 75 eine Rückmeldung schuldig. WWF-Referen-tin Petersen kritisiert vor allem, dass sich sämtliche angeschriebenen Firmen der Pharma- und Futtermittelbranche in Schweigen hüllen: „Hier ist der Zertifizie-rungsanteil noch sehr gering, wie die Marktanalyse annehmen lässt. Im Lebens-mittelbereich wird diese Forderung eher erfüllt - eben dort, wo die Verbraucher längst genauer hinschauen." Auf Nachfra-ge der Sonntagszeitung bei Boehringer In-gelheim teilte die Firmensprecherin Julia Löffelsend mit, das Unternehmen bezie¬he „derzeit kein Palmöl, sondern nur che¬misch weiterverarbeitete Auszüge. Auch in den Kantinen unseres Hauses kommt kein Palmöl zum Einsatz." Über Her-kunft und Anbau sei allerdings nichtsbe-kannt: „Da wir nur weiterverarbeitete Pro-dukte erhalten, liegen üns keine weiteren Details vor." Je mehr Transparenz ein Unterneh-men zeigte und je besser es eine physi-schen Lieferkette nachweisen konnte, desto mehr Punkte gab es. Auch eine Mitgliedschaft in Vereinigungen wie dem RSPO oder dem in Berlin gegründe¬ten „Forum nachhaltiges Palmöl" (FO-NAP) wurde berücksichtigt. Mit zwan¬zig Punkten erreichten die Agrarfrost GmbH und die Daabon Europa GmbH die volle Punktzahl. Nur knapp dahinter lagen Milupa und Rapunzel Naturkost. Für den WWF sind das Belege, dass die Anforderungen zu erfüllen sind. Zumal sich immer mehr Unternehmen mit der Herkunft auseinandersetzen; 2013 nutz¬ten 20 Unternehmen ausschließlich, zerti¬fiziertes Palmöl, heute sind es bereits 62. Auch Groß- und Einzelhändler wie Ede-ka und Rewe achten bei ihren Eigenmar-ken vermehrt auf Nachhaltigkeit und er-reichten 16 beziehungsweise 15 Punkte.

Die Drogeriemarktkette dm legte seit der Erhebung 2013 deutlich zu und zeigt als eines von 43 FONAP-Mitgliedern den Willen zur Veränderung, auch wenn 94 Prozent des Verbrauchs nur indirekt über „Book and Claim" zertifiziert sind. Von der Rossmann GmH erhielt der \V\VF keine Angaben, auf Nachfrage antwortete ein Firmensprecher der Sonntagszeitung, man sei sich der Problematik bewusst und verfolge das Ziel, Palmöl oder Palm-kernöl als Inhaltsstoff bei allen Produkten auszutauschen. Wo dies nicht möglich sei, „forcieren wir die Umstellung auf den Bezug aus nachhaltigen Quellen".

Palmöl ist deshalb so beliebt, weil es sich ideal für eine breite Verwendung eig¬net und sich in einigen Produkten tatsäch¬lich nicht so einfach ersetzen lässt. Was wäre die bessere Alternative? Mit Kokos-öl verlagere man das Problem nur, sagt Ilka Petersen, bei Sojaöl müsse man sich zudem mit dem Thema Gentechnik aus-einandersetzen. Auf die Anbaufläche be¬zogen, sei keine Ölpflanze so ergiebig wie die Ölpalme. Auf rund 17 Millionen Hektar weltweit stehen Palmen, die mehr als zwanzig Jahre lang reiche Ernten lie-fern können. Während Raps bei etwa 1,33 Tonnen pro Hektar liegt und Soja bei 0,77, wird der durchschnittliche Jahreser-trag der Palmen mit rund 3,5 Tonnen an-gegeben. Bessere Bewirtschaftung der Plantagen steigert die Erträge, auch lie¬fern neue Züchtungen mehr 01. Forscher glauben, dass ri bis 18 Tonnen zu erzielen wären. Gentechnik spielt im Feld noch

 

keine Rolle, bisher setzt man vor allem auf frühe Selektion, weniger auf Manipu¬lation. Das könnte sich ändern.

Die heute in Südostasien verbreitete Elaeis guineensis stammt ursprünglich aus Afrika, wo man die Früchte der bis zu 18 Meter hohen Palmen schon seit Jahrtau-senden nutzt. Die in Süd- und Zentral-amerika beheimatete E. oleifera liefert nur einen Bruchteil des Öls, zeichnet sich je¬doch durch niedrigeren Wuchs und Resis¬tenzen aus. Züchter experimentieren des¬halb unter anderem mit Hybriden beider Arten. Mit der Auslese ergiebiger Sorten von E. guineensis hatte man bereits begon-nen,als Anfang des 20. Jahrhundert

Anbau im großen Stil vorangetrieben         -

de: französische und malaysische     -

tun-sprogr. ammen berichteten von 7f--- -Prozent mehr Produkiivität pro Dekade_

Man unterscheidet bei der Zucht drei Phänotypen, nämlich „dura-, „pisifera-und „tenera", für die ein Gen verantwort-lich ist - so werden weibliche Blüten ge¬zielt bestäubt. In der Saatglitproduktion kommen heute meist Elterripflanzer_

Einsatz. deren LIspnmg aniein paar

rüge Individuen Individuen zurückgeht. So stammen die „Deli dura", beliebte Mutterpalmen. beispielsweise von vier Exemplaren ab, die 1848 im Botanischen, Garten von Bo-gor auf Java gepflanzt wurden. Eine einzi¬ge „Django tenera"-Palme aus Kongo zeugte die „AVROS pisiferas"-Nachkom-men, mit denen in Indonesien, Malaysia, Papua-Neuguinea und Costa Rica häufig Samen produziert werden. Entsprechend schmal sei die genetische Basis der kom¬merziell genutzten „teneras", erklärten brasilianische Wissenschaftler im März in den Frontiers in Plant Science. Viele Züch¬ter würden mittlerweile nach neuem Ma¬terial suchen, um künftig mehr geneti¬sche Variabilität nutzen zu können. Auch biete sich die gentechnische Veränderung an, um bestimmte Merkmale zu fördern. Für den WWF wäre das freilich kaum ak¬zeptabel.'
Seit 2013 liegt ein Referenzgenom der Ölpalme vor, was die Suche nach besonde¬ren Eigenschaften erleichtert. Zum Bei¬spiel nach Genen, die den Wuchs so be-einflussen, dass sich die Früchte einfacher ernten lassen. Oder nach Erbanlagen, die für mehr Kältetoleranz sorgen. Das bis¬her auf die Tropen beschränkte Anbauge¬biet ließe sich dann in andere Regionen verlagern. In Südchina hat man bereits erste


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.