Regenwald-Zerstörung durch Palmölfelder
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/8iKiOSObj7k
Palmöl geht uns alle an. Weil es fast überall drinsteckt.
Doch seine Produktion bedroht wertvolle Lebensräume. Der WWF hat jetzt
nachgefragt, wie sehr sich deutsche Unternehmen um Nachhaltigkeit kümmern
Die die französische Umweltministe-n Segolene Royal Mitte
Juni ihr Volk zum Nutella-Boykott auf¬rief, war die Entrüstung groß. Nicht nur
in Frankreich. Niemand woll¬te so einfach auf die Nuss-Nougat-Creme verzichten,
und in Italien, dem Heimatland des Herstellers Ferrero, nahm ihr Amtskollege
den süßen Auf¬strich sofort in Schutz. Dass Royal das darin enthaltene Palmöl
als schädlich für die Umwelt geißelte, entfachte auch in Deutschland die
Diskussion: Palmöl gilt als einer der Hauptschuldigen, wenn tro-pischer
Regenwald abgeholzt und in An-baufläche verwandelt wird. In der Bun-desrepublik
werden jährlich pro Kopf etwa 18,5 Kilogramm verbraucht, rund die Hälfte davon
in Form von Energie. Aber wer schmiert sich schon gerne Waldverlust aufs Brot?
Oder will mitver¬antwortlich sein. wenn der Lebensraum von Orang-Utan, Tiger,
Schimpanse und Gorilla nebst weiteren bedrohten Spezies schwindet?
Doch ausgerechnet die Umweltschutz-organisationen Greenpeace
und WWF schlugen sich auf die Seite von Ferrero und nannten das Unternehmen als
eines der wenigen großen beispielhaft, gerade wenn es um den nachhaltigen Anbau
und die Produktion von Palmöl gehe. Weltweit kommen davon pro Jahr rund 57
Millionen Tonnen zusammen. Allein in Indonesien wuchsen die Plantagen zwi¬schen
2006 und 201017011 4,1 auf 7,2 Millio¬nen Hektar an. In Malaysia, Süd- und
Zentralamerika sowie in Afrika werden Ölpalmen ebenfalls kommerziell ange¬baut.
Schätzungen zufolge könnte die glo¬bale Palmölproduktion bis zum Jahr 2050 auf
240 Millionen Tonnen steigen.
Tatsächlich ist Ferrero seit zehn Jahren Mitglied des
internationalen Roundtable an Sustainable Palm Oil (RSPO), an dem sich
mittlerweile 2439 Mitglieder beteili¬gen. Der italienische Süßwarenkonzern hält
nicht nur die damit auferlegten Min¬deststandards ein. „Ferrero nutzt zu
hun¬dert Prozent physisch segregiertes, zertifi¬ziertes Palmöl, weiß; wo es
herkommt, und unterstützt unter anderem die Palm Oil limovators Group, die sich
für stren¬gere soziale und ökologische Kriterien einsetzt", sagt die
WWF-Referentin Ilka Petersen, die im Sommer in zahlreichen Interviews
versicherte, Royals Vorstoß habe die Falschen getroffen. Das Unternehmen selbst
gibt in einem kurz vor dem Nutella-Aufruhr erschienenen Be¬richt an, dass man
zu 98 Prozent zurück¬verfolgen könne. von welcher Plantage die Ölfrüchte
jeweils stammten. Man ach¬te auf die Lieferkette und beziehe Palmöl von
insgesamt 59 Ölmühlen und 249 Plan¬tagen in Malaysia, Indonesien,
Papua-Neuguinea, Brasilien und auf den Salomo¬nen-Inseln. Man setze sich fiir
Kleinbau¬ern ein und gehöre der Organisation The Forest Trust an. Letzterem ist
im Septem¬ber auch der französische Kosmetikher¬steller Yves Rocher
beigetreten, mit den entsprechenden Auflagen zur Transpa¬renz und zum Erhalt
von Regenwald und Torflandschaften. Solche Auflagen befür-wortet der WWF, der
sich unter ande¬rem wünscht, dass Zulieferer und Produ¬zenten zur Legalität
verpflichtet werden, damit keine Palmfrüchte verarbeitet wer¬den, die aus
illegalem Anbau auf National-parkflächen stammen.
Der Nutella-Zwist deutet nur an, wie komplex das Thema
insgesamt ist. Es be-trifft praktisch jeden, denn gut die Hälfte aller
Supermarktwaren enthalten Palmöl oder dessen Fraktionen und Derivate wie
Pahnitin- und Stearinsäure. In Cremes, in Frittierfett, Keksen, Kerzen, Seifen
und Waschmitteln ist in irgendeiner Form Palmöl. Der Kunde weiß nur häu¬fig
nichts davon. Bei Lebensmitteln im¬merhin muss inzwischen angegeben wer¬den,
was für eine Art von Pflanzenöl ver¬wendet wurde. Um den Verbrauchern noch mehr
Einblick zu gewähren und um ihnen ein Kaufkriterium an die Hand zu geben, fragt
der WWF seit 2009 alle zwei Jahre bei Unternehmen nach, wie es um ihre
Bezugsquellen steht.
An diesem Wochenende veröffentlicht die Organisation in
Deutschland nun ih¬ren aktuellen Palmöl-Check. Die Liste, in der die
Einkaufspolitik von zweihun¬dert deutschen Käufern und Verarbeitern von Palmöl
bewertet wird, liegt der Sonn-tagszeitung vor. Vertreten sind die Bran¬chen
Lebensmittel; Wasch- und Reini-gungsmittel, Kosmetik, Groß- und Ein-zelhandel.
Erstmals wurden auch Konzer-ne der Pharma- und Futtermittelindus-trie
angeschrieben, die bisher nicht im Fo¬kus der Öffentlichkeit standen. Nach
ei¬ner Marktstudie aus dem Jahr 2013 tragen sie mit 131 000 beziehungsweise 40
000 Tonnen zum Gesamtverbrauch von 1,364 Millionen Tonnen Palmöl in
Deutsch¬land bei; vom Pahnkernöl wurden insge¬samt rund 130 000 Tonnen
verarbeitet.
„Wenn wir schon Palmöl nutzen, sollte es wenigstens aus
nachhaltigem Anbau stammen", meint Ilka Petersen. Mit dem Palmöl-Check
wolle man einerseits ermit-teln, wie sich der Absatz von zertifizier¬tem Öl
entwickelt. „Andererseits erlaubt uns jetzt die neue, verfeinerten Methode,
zwischen den Lieferketten zu unterschei-den. Also ob zum Beispiel vor allem Zerti-fikate
gekauft wurden oder zertifizierte Ware, die sich später physisch im Pro¬dukt
wiederfindet." Die Unternehmen sollen möglichst auf Letzteres umsteigen,
verlangt der WWF, wie es auch der RSPO von seinen Mitgliedern fordert. Oder
wenn das wie im Bereich von Kos¬metika sowie Wasch- und Reinigungsmit¬teln kaum
praktikabel ist, wenigstens über solche Zertifikate ihren Derivate-Einkauf
abdecken, die Kleinbauern zugu-tekommen. Wer seine Lieferkette im Griff hat,
hätte die entscheidenden Fak ten leicht liefern können. Von den befrag¬ten
Unternehmen blieben jedoch 75 eine Rückmeldung schuldig. WWF-Referen-tin
Petersen kritisiert vor allem, dass sich sämtliche angeschriebenen Firmen der
Pharma- und Futtermittelbranche in Schweigen hüllen: „Hier ist der Zertifizie-rungsanteil
noch sehr gering, wie die Marktanalyse annehmen lässt. Im Lebens-mittelbereich
wird diese Forderung eher erfüllt - eben dort, wo die Verbraucher längst
genauer hinschauen." Auf Nachfra-ge der Sonntagszeitung bei Boehringer
In-gelheim teilte die Firmensprecherin Julia Löffelsend mit, das Unternehmen
bezie¬he „derzeit kein Palmöl, sondern nur che¬misch weiterverarbeitete
Auszüge. Auch in den Kantinen unseres Hauses kommt kein Palmöl zum
Einsatz." Über Her-kunft und Anbau sei allerdings nichtsbe-kannt: „Da wir
nur weiterverarbeitete Pro-dukte erhalten, liegen üns keine weiteren Details
vor." Je mehr Transparenz ein Unterneh-men zeigte und je besser es eine
physi-schen Lieferkette nachweisen konnte, desto mehr Punkte gab es. Auch eine
Mitgliedschaft in Vereinigungen wie dem RSPO oder dem in Berlin gegründe¬ten
„Forum nachhaltiges Palmöl" (FO-NAP) wurde berücksichtigt. Mit zwan¬zig
Punkten erreichten die Agrarfrost GmbH und die Daabon Europa GmbH die volle
Punktzahl. Nur knapp dahinter lagen Milupa und Rapunzel Naturkost. Für den WWF
sind das Belege, dass die Anforderungen zu erfüllen sind. Zumal sich immer mehr
Unternehmen mit der Herkunft auseinandersetzen; 2013 nutz¬ten 20 Unternehmen
ausschließlich, zerti¬fiziertes Palmöl, heute sind es bereits 62. Auch Groß-
und Einzelhändler wie Ede-ka und Rewe achten bei ihren Eigenmar-ken vermehrt
auf Nachhaltigkeit und er-reichten 16 beziehungsweise 15 Punkte.
Die Drogeriemarktkette dm legte seit der Erhebung 2013
deutlich zu und zeigt als eines von 43 FONAP-Mitgliedern den Willen zur
Veränderung, auch wenn 94 Prozent des Verbrauchs nur indirekt über „Book and
Claim" zertifiziert sind. Von der Rossmann GmH erhielt der \V\VF keine
Angaben, auf Nachfrage antwortete ein Firmensprecher der Sonntagszeitung, man
sei sich der Problematik bewusst und verfolge das Ziel, Palmöl oder Palm-kernöl
als Inhaltsstoff bei allen Produkten auszutauschen. Wo dies nicht möglich sei,
„forcieren wir die Umstellung auf den Bezug aus nachhaltigen Quellen".
Palmöl ist deshalb so beliebt, weil es sich ideal für eine
breite Verwendung eig¬net und sich in einigen Produkten tatsäch¬lich nicht so
einfach ersetzen lässt. Was wäre die bessere Alternative? Mit Kokos-öl
verlagere man das Problem nur, sagt Ilka Petersen, bei Sojaöl müsse man sich
zudem mit dem Thema Gentechnik aus-einandersetzen. Auf die Anbaufläche
be¬zogen, sei keine Ölpflanze so ergiebig wie die Ölpalme. Auf rund 17
Millionen Hektar weltweit stehen Palmen, die mehr als zwanzig Jahre lang reiche
Ernten lie-fern können. Während Raps bei etwa 1,33 Tonnen pro Hektar liegt und
Soja bei 0,77, wird der durchschnittliche Jahreser-trag der Palmen mit rund 3,5
Tonnen an-gegeben. Bessere Bewirtschaftung der Plantagen steigert die Erträge,
auch lie¬fern neue Züchtungen mehr 01. Forscher glauben, dass ri bis 18 Tonnen
zu erzielen wären. Gentechnik spielt im Feld noch
keine Rolle, bisher setzt man vor allem auf frühe Selektion,
weniger auf Manipu¬lation. Das könnte sich ändern.
Die heute in Südostasien verbreitete Elaeis guineensis
stammt ursprünglich aus Afrika, wo man die Früchte der bis zu 18 Meter hohen
Palmen schon seit Jahrtau-senden nutzt. Die in Süd- und Zentral-amerika
beheimatete E. oleifera liefert nur einen Bruchteil des Öls, zeichnet sich
je¬doch durch niedrigeren Wuchs und Resis¬tenzen aus. Züchter experimentieren
des¬halb unter anderem mit Hybriden beider Arten. Mit der Auslese ergiebiger
Sorten von E. guineensis hatte man bereits begon-nen,als Anfang des 20.
Jahrhundert
Anbau im großen Stil vorangetrieben -
de: französische und malaysische -
tun-sprogr. ammen berichteten von 7f--- -Prozent mehr
Produkiivität pro Dekade_
Man unterscheidet bei der Zucht drei Phänotypen, nämlich
„dura-, „pisifera-und „tenera", für die ein Gen verantwort-lich ist - so
werden weibliche Blüten ge¬zielt bestäubt. In der Saatglitproduktion kommen
heute meist Elterripflanzer_
Einsatz. deren LIspnmg aniein paar
rüge Individuen Individuen zurückgeht. So stammen die „Deli
dura", beliebte Mutterpalmen. beispielsweise von vier Exemplaren ab, die
1848 im Botanischen, Garten von Bo-gor auf Java gepflanzt wurden. Eine einzi¬ge
„Django tenera"-Palme aus Kongo zeugte die „AVROS
pisiferas"-Nachkom-men, mit denen in Indonesien, Malaysia, Papua-Neuguinea
und Costa Rica häufig Samen produziert werden. Entsprechend schmal sei die
genetische Basis der kom¬merziell genutzten „teneras", erklärten
brasilianische Wissenschaftler im März in den Frontiers in Plant Science. Viele
Züch¬ter würden mittlerweile nach neuem Ma¬terial suchen, um künftig mehr
geneti¬sche Variabilität nutzen zu können. Auch biete sich die gentechnische
Veränderung an, um bestimmte Merkmale zu fördern. Für den WWF wäre das freilich
kaum ak¬zeptabel.'
Seit
2013 liegt ein Referenzgenom der Ölpalme vor, was die Suche nach besonde¬ren
Eigenschaften erleichtert. Zum Bei¬spiel nach Genen, die den Wuchs so
be-einflussen, dass sich die Früchte einfacher ernten lassen. Oder nach
Erbanlagen, die für mehr Kältetoleranz sorgen. Das bis¬her auf die Tropen
beschränkte Anbauge¬biet ließe sich dann in andere Regionen verlagern. In
Südchina hat man bereits erste
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