Mittwoch, 30. September 2015

Der Diesel ist keine Dreckschleuder und hat Zukunft


Der Diesel ist keine Dreckschleuder und hat Zukunft

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/8x4aLB7952E

Trotz aller Erregung: Eine Dreckschleuder ist der moderne

Dieselmotor nicht. Daran können auch Betrügereien nichts

ändern. Deshalb wird er eine Zukunft haben.

Schäm dich, du Stinker. Schreie des Entzückens hat der Kaltstart eines Selbstzünders auch früher nie ausgelöst, weil er alle, die vor dem Auspuff stehen, gern mit einer schwarzen Wolke begrüßt und dann hef¬tig vor sich hin nagelnd die Schläfer auf¬schreckt. Das haben wir hingenommen, damals in den Achtzigern mit dem alten zum Wohnmobil umgebauten Merce-desgransporter D 206, und, nachdem die Schwedenfähre angelegt hatte, schwit¬zend darauf gehofft, dass der Vorkam-merVierzylinder nach einer Rudolf-Ge¬dächtnisminute fürs Vorglühen ansprin¬gen möge. Immerhin wurde man als voll¬wertiges Mitglied der automobilen Ge¬sellschaft wahrgenommen.

Und jetzt das. Seit ein paar Tagen traut sich der Eigner eines Diesels kaum mit seinem Gefährt aus dem Haus. Händler berichten, sie würden allen Ernstes ge¬fragt, ob es denn überhaupt richtig sei, noch einen zu kaufen. Schon fordern die ganz Schlauen, die zu allem etwas zu sa¬gen haben, Fahrverbote in den Städten. Und jeder Volkswagen erntet scheele Bli¬cke - egal, wie er befeuert wird.

Da ist etwas schiefgelaufen. Motoren¬bauer schlagen die Hände über den Köp¬fen zusammen, wenn man mit ihnen über die Folgen des Skandals spricht. Der Diesel kommt unverdient in Verruf, ist deren einhellige Meinung. Jedes Kind weiß zum Beispiel, dass der tatsächliche Kraftstoffverbrauch eines Autos auf der Straße höher ist als in der Norm ausge¬wiesen. Wobei die Abweichung der Ben-ziner fast immer höher ist als die der Die¬sel. Warum soll das beim Schadstoffaus-stoß anders sein? Dass hinten als Abgas herauskommt, was vorn als Treibstoff hineingeschoben wurde, ist eine Binsen-weisheit. Viel höhere Werte im prakti-schen Betrieb im Vergleich zu jenen, die auf dem Prüfstand ermittelt wurden, sind also keine Überraschung und auch nicht illegal, weil niemand von einem Au¬tohersteller erwarten kann, dass er Gren¬zen einhält, die der Gesetzgeber gar nicht fordert. Insofern ist es nicht schlecht, dass der geplante europäische Testzyklus näher an den Bedingungen auf der Straße sein wird als der alte. Nur lassen sich die Werte während der Fahrt nicht so genau messen.

Wenn die Ingenieure Autos so abstim¬men, dass sie bei der Typenprüfung beste¬hen, ist das ihr gutes Recht. Davon strikt zu trennen sind jene Betrügereien, die dazu dienen, den Prüfstand auszutrick¬sen, um eine bessere Einstufung zu errei¬chen. Die machen aus einem modernen Auto noch lange keine Dreckschleuder, es ist aber weniger sauber als angegeben. Also gemach, wir werden auch in Zu¬kunft Diesel fahren, für einen vorzeiti¬gen Tod ist er viel zu talentiert. Nicht nur als Antrieb fair  Schiffe und Generato¬ren, sondern gerade auch im Auto. Denn halten wir mal fest: Kein Verbrennungs¬motor ist effizienter.

Dass hoher Druck für einen sparsa-men Umgang mit dem Kraftstoff gut ist, wusste schon Rudolf Diesel, auf den die Deutschen bisher so stolz waren und der doch eigentlich in Paris geboren ist. Die¬sels Erfindung komprimiert die Luft über eine hohe Verdichtung so stark, dass sich eingespritzter Kraftstoff (an¬fangs war es Petroleum) von selbst ent¬zündet - mit der Folge einer kontinuierli¬chen Verbrennung statt der fremd gezün-deten Explosionen im Benziner. Damit erreicht der Diesel im Vergleich einen höheren Wirkungsgrad oder, anders aus¬gedrückt, er verbraucht deutlich weniger. Wenn sich Diesels Motor lange Zeit nur in Nutzfahrzeugen durchsetzen konnte, lag das am ungehobelten Laufverhalten und der im Vergleich dürftigen Leistung - während der Benzinmotor immer höhe¬re Drehzahlen erreichte, setzt dem Die¬sel hier der Verbrennungsablauf Gren¬zen. Erst seitdem es den Turbolader gibt, hat er richtig Dampf.

Probleme bereitet dem Selbstzünder aber seit jeher ausgerechnet die Tatsa-che, dass er den Kraftstoff so gut aus-nutzt. Der Diesel arbeitet grundsätzlich mit einem Luftüberschuss, das Öl wird dabei fast vollständig verbrannt - ein Grund für seine hohe Effizienz. Die nimmt freilich bei hohen Drehzahlen und unter Volllast erheblich ab. Zugleich steigt der Partikelausstoß. Als die Ein¬spritzanlagen noch mechanisch waren, konnte man daran drehen, bis dunkler Qualm dem Auspuff entwich - Ruß, weil der Kraftstoff nicht mehr vollständig ge¬nutzt werden kann.

 

Gesundheitsschädliche urverbrannte Kohlenwasserstoffe aus dem Treibstoff und giftiges Kohlenmonoxid, die bei un¬vollständiger Verbrennung entstehen, stößt der Diesel indessen wenig aus. Der relativ niedrige Verbrauch im Normalbe¬trieb hat außerdem eine geringe Emissi¬on von Kohlendioxid zur Folge (auch wenn das Dieselöl etwas dichter ist als Benzin), das zwar nicht gesundheits¬schädlich, aber wegen des Treibhausef¬fekts als Klimakiller verrufen ist. Die Ab¬gasreinigung einmal weggedacht, emit¬tiert der Diesel deshalb von einigen Schadstoffen weniger als ein Benziner. Wenn da nicht die Stickoxide wären. Sie entstehen aus dem in der Luft enthalte-nen Stickstoff unter den hohen Tempera¬turen im Brennraum und sind verant¬wortlich für den Smog in den Städten, belasten die Bronchien der Asthmatiker und schädigen die Pflanzen. Im Benzi-ner entstehen sie ebenfalls, er profitiert aber vom geregelten Drei-Wege-Kataly¬sator, der Abgasbestandteile miteinander reagieren lässt, die der Diesel in der er-forderlichen Menge gar nicht hat. Ge-setzt den Fall, er ist richtig abgestimmt, entströmen dem Endrohr des Benziners kaum noch Schadstoffe.

Den Diesel bekommen die Techniker inzwischen genauso sauber, es ist nur viel mühsamer. Bis zu den aktuellen Abgas¬normen war es deshalb ein langer Weg. Wie ehrgeizig die Ziele sind, zeigen die Grenzwerte: Der Mercedes 3oo D mit Fünfzylindermotor beispielsweise hatte, wie der Fachliteratur zu entnehmen ist, Ende der siebziger Jahre 1,7 Gramm Stickoxide je Meile im Abgas. Der Grenz¬wert, den VW in Amerika erreichen musste, liegt bei 0,07 Gramm; für die ak¬tuelle europäische Norm Euro 6 gelten 0,08 Gramm - allerdings je Kilometer, der Zyklus ist außerdem weniger for¬dernd. Die Fahrzeuge aus dem VW-Kon¬zern, um die es nach bisherigem Wissens¬stand geht, sind in Europa als Euro 5 zu- gelassen: für sie sind recht großzügige o,i8 Gramm zulässig.

Bei den Versuchen, die Stickoxide ein¬zugrenzen. stecken die Konstrukteure in einem Dilemma: Technische Verfahren, sie zu reduzieren, führen in der Regel zu einem höheren Ausstoß von anderen Schadstoffen, vor allem von Partikeln. Einfachste Möglichkeit ist eine Art By-pass im Abgas- und Ansaugsystem: Ein Teil der Abgase wird wieder in den Brennraum zurückgeführt. Was wie das Trinken des eigenen Urins zu Therapie-zwecken anmutet, hat seinen Sinn: Durch den Anteil verbrannter Gase im Gemisch sinken die Temperaturspitzen, daher entstehen weniger Stickoxide. Al-lerdings wird dieser Vorteil mit weniger Leistung erkauft, deshalb ist die Abgas-rückführung nur im Teillastbetrieb so weit aktiv, wie sie gebraucht wird, unter Volllast schließt das Ventil ganz - mit der Folge höherer Emissionen. Der Ruf älterer Diesel, bei Vollgas zum Umwelt-schädling zu mutieren, ist alSo nicht ganz unbegründet. Moderne Motoren sind mit einer gekühlten Niederdruck-Abgas¬rückführung ausgestattet, die auch unter hoher Last aktiv ist.

Im Zuge der verschärften Abgasvor-schriften sind weitere Reinigungssyste-me notwendig worden: So werden im Oxidationskatalysator Kohlenmonoxid und unverbrannte Kohlenwasserstoffe nachverbrannt, Stickoxide kann er nicht beseitigen. Katalysatoren haben außer-dem das Problem, dass sie erst auf Be-triebstemperatur kommen müssen, aber die Abgastemperatur des Diesels ist weit niedriger als die des Benziners. Der Kata¬lysator wird deshalb nahe am Auspuff¬krümmer im Motorraum angebracht, wo nicht viel Platz ist. Dahinter ist in moder¬nen Dieselfahrzeugen ein Partikelfilter mit einer porösen Struktur angeordnet, der die festen Bestandteile im Abgas sam-melt. Sie werden entweder auf Langstre-cken oder durch Zufuhr einer zusätzli¬ gelassen; für sie sind recht großzügige o,18 Gramm zulässig.

Bei den Versuchen, die Stickoxide ein-zugrenzen. stecken die Konstrukteure in einem Dilemma: Technische Verfahren, sie zu reduzieren, führen in der Regel zu einem höheren Ausstoß von anderen Schadstoffen, vor allem von Partikeln. Einfachste i löglichkeit ist eine Art By¬pass im Abgas- und Ansaugsystem: Ein Teil der Abgase wird wieder in den Brennraum zurückgefiihrt. Was wie das Trinken des eigenen Urins zu Therapie-zwecken anmutet, hat seinen Sinn: Durch den Anteil verbrannter Gase im Gemisch sinken die Temperaturspitzen, daher entstehen weniger Stickoxide. Al¬lerdings wird dieser Vorteil mit weniger Leistung erkauft, deshalb ist die Abgas-rückführung nur im Teillastbetrieb so weit aktiv, wie sie gebraucht wird, unter Volllast schließt das Ventil ganz - mit der Folge höherer Emissionen. Der Ruf älterer Diesel, bei Vollgas zum Umwelt¬schädling zu mutieren, ist alSo nicht ganz unbegründet. Moderne Motoren sind mit einer gekühlten Niederdruck-Abgas¬rückführung ausgestattet, die auch unter hoher Last aktiv ist.

Im Zuge der verschärften Abgasvor¬schriften sind weitere Reinigungssyste¬me notwendig worden: So werden im Oxidationskatalysator Kohlenmonoxid und unverbrannte Kohlenwasserstoffe nachverbrannt, Stickoxide kann er nicht beseitigen. Katalysatoren haben außer¬dem das Problem, dass sie erst auf Be-triebstemperatur kommen müssen, aber die Abgastemperatur des Diesels ist weit niedriger als die des Benziners. Der Kata¬lysator wird deshalb nahe am Auspuff¬krümmer im Motorraum angebracht, wo nicht viel Platz ist. Dahinter ist in moder¬nen Dieselfahrzeugen ein Partikelfilter mit einer porösen Struktur angeordnet, der die festen Bestandteile im Abgas sam¬melt. Sie werden entweder auf Langstre¬cken oder durch Zufuhr einer zusätzli- wer¬den. Stellschrauben sind neben der Ab-gasrückführung unter anderem Druck, Zeitpunkt und Dauer der Einspritzung sowie die Nacheinspritzung, mit der eine gezielte Menge unverbrannten Kraft¬stoffs in den Auslasstrakt geführt wird. Außerdem die Regelung und Regenerati¬on von Katalysator und Partikelfilter so¬wie die Einspritzung von AdBlue.

Möglichkeiten, die Messung während der Typenzulassung auszutricksen, gibt es deshalb einige. Dazu muss die Soft-. ware erkennen, dass sich das Auto nicht auf der Straße, sondern auf einem Prüf-stand befmdet - zum Beispiel daran, dass sich eine Achse oder die Lenkung nicht bewegt. Dann kann sie nicht nur den Mix der angestrebten Ziele vorüberge¬hend verschieben, sondern auch den nächsten Fahrzustand vorhersehen, weil der Testzyklus bekannt ist, und sämtliche Systeme ohne die sonst unvermeidliche kleine Verzögerung darauf einregeln. Das ist fast wie beim Abitur: Wer die Fra¬gen vorab kennt, ist im Vorteil. Wichtige Komponenten für den Betrug dürften die Ad-Blue-Einspritzung und der Spei-cherkatalysator sein. Dessen Regenerati¬on könne von der Software auf die Zeit nach dem Zyklus verschoben werden.

Wie großzügig mit der Harnstofflö-sung umgegangen wird, entscheidet die Fahrzeugelektronik nicht nur auf dem Prüfstand. Besonders bei Vollgas auf der Autobahn wird viel verbraucht. Und wer will schon ständig nachtanken?

 

 

 

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