Montag, 14. September 2015

Franz Josef Strauss


Franz Josef Strauss

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/W4hWfS7KXIk

Am 6. September 2115, also in 100 Jahren,  würde Franz Josef Strauß 200 Jahre alt.

Nach allem, was man heute

weiß, wird der zweihun-dertste Geburtstag von Franz Josef Strauß ein gi-gantisches Fest. Man muss

sich nur anschauen, was schon zu seinem hundertsten los ist, also jetzt. Die CSU hat extra ein Programmheft gedruckt, ei¬nen Überblick über die vielen Empfange, Ausstellungen, Gottesdienste und Vorträ¬ge, nicht nur für ein paar Tage, sondern über Monate. Je länger Strauß fort ist, desto mehr scheint er zu fehlen. Darin gleicht er Sauerstoff. Also wird Strauß in zweihundert Jahren wahrscheinlich noch viel mehr vermisst als heute, und der Ge¬burtstag wird noch viel irrsinniger gefei¬ert. Das Problem ist nur, dass ich nicht mitfeiern kann. In hundert Jahren bin ich wohl tot, ich bin ja jetzt auch schon 33. Das stimmt mich traurig. Ich will wenigs¬tens eine Ahnung kriegen vom Strauß-Fieber, das im Jahre 2115 über das Land kommen wird. Dafür muss ich dorthin, te „mein großes politisches Vorbild" (Horst Seehofer), „ein Staatsmann von weltpolitischer Dimension" (noch mal Seehofer), „überall in Bayern spürbar" (Thomas Kreuzer, Fraktionschef der CSU im Bayerischen Landtag), „der größte politische Sohn Bayerns in den vergangenen hundert Jahren" (Edmund Stoiber), „Übervater" („Bayernkurier") und „schlichtweg DER Übervater der CSU" (CSU-Shop). Im CSU-Shop gibt es eine neue Abteilung nur für Strauß-Produkte. Ich bestelle mir ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck „icio Jahre FJS 1915-2015", denn wegen eines revolutionä¬ren Strickverfahrens soll es besonders lan¬ge halten; „vielleicht sogar weitere wo Jahre". Auch die CSU denkt also schon an zweihundert Jahre Strauß! Besonders heftig tut sie das, so meine Vermutung, an Straußens Geburtstag. An dem Sonn¬tag gibt es laut Programmheft einen Got¬tesdienst und einen Empfang in Rott am Inn, dem Ort, wo Strauß seine Ehefrau fand und viel später auch seine letzte Ruhe. Da muss ich hin.

Von München fährt die Bahn eine Stunde in den Wald hinein. Dann kommt Rott. Ich gehe auf den Friedhof, zur Strauß-Familiengruft. Davor sitzt eine kleine schwarze Katze im Nieselregen. Als ich sie streichle, schmiegt sie sich an meine Hand, aber dann beißt sie plötzlich zu. Ich blute. In der Gruft ist es still. Ein riesiges Gesteck mit rosafarbenen Lilien steht vor der Steintafel für Strauß. Auf dem Boden liegt ein Blatt Papier mit sei¬nem Foto, daneben steht: „Deine Augen sollen geradeaus schauen, und dein Blick richte sich nach vorn!" Sprüche, 4,25. Das Papier ist nass. Ein winziger Greis in Le¬derhosen tritt ein. Er steht vor der Grab¬platte und spricht leise zu sich selbst: „Der Franz Josef, der alte Harry" Dann nimmt er den Zweig aus dem Weihwasser-fässchen und sprengt ein paar Tropfen zur Steinplatte. Die Todesanzeige ist jetzt noch nasser. Kurz darauf kommt ein Paar. Der Mann ist blind. Zu seiner Frau ruft er: „Wo isser?" Sie führt ihn zur Steinta¬fel: "Hier links. Soll ich dir vorlesen?" Ja. Sie liest: „Franz Josef Strauß. Bayerischer Ministerpräsident." Der Mann ruft „Ahhh", so wie jemand, der einen Berg er¬klommen hat und oben tief durchatmet.

Die Kirche brummt wie an Heilig-abend. Zwei alte Frauen rücken für mich zusammen. Eine flüstert mir zu: "Meine Tochter ist mit der Monika zur Erstkom¬munion gegangen!" Da läuft gerade Mo nika Hohlmeier, die Strauß-Tochter, mit ihren Brüdern vorbei. Ich kann leider kei¬ne persönliche Verbindung zu Strauß vor¬weisen, so dass die Frauen bald das Inter¬esse an mir verlieren. Der Pfarrer kün¬digt an, dass heute weder die Heiligspre¬chung von Strauß stattfinde noch das Jüngste Gericht. Beides werde nicht in Rott entschieden, sagt er mit feinem Lä¬cheln, „jedenfalls nicht in der Kirche". Ich denke bis zum Ende des Gottesdiens¬tes darüber nach, was das bedeuten könn¬te. Dann ziehen alle auf den Friedhof, und Seehofer besucht die Gruft. Wir sin¬gen erst die Bayernhymne, anschließend die Nationalhymne. Die Wolken lassen jetzt Sonne durch.

Sodann Mittagessen im „Landgasthof Stechl"; hier hat Strauß seine Hochzeit ge¬feiert Der;DT spielt Märsche, weiß aber nicht, wie die heißen. Er kennt nur den Namen der PlayliSt, „Blasmusik 1-15", die CSU hat sie ihm -zusammengestellt. Die Partei ist anscheinend ziemlich gut darin,

rieh TP hcli-har      mci-hpn•     hpifirtan" (so nennt ihn heute sc an er „Münchner Merkur"). Hauptsache, noch da. Folgerichtig sägt Seehofer im Gast¬hof: „Wir als CSU sind zukunftsstark, weil wir wie Strauß traditionsstark sind." Mancher Gast wird melancholisch. So auch Florian Baier, Hauptmann der Ge-birgsschützen-Kompanie Tegernsee, der seine Tracht so selbstverständlich trägt wie Frankfurter Banker ihren Anzug. Die Tracht ist aber schöner. Baier denkt sich oft, dass es nicht schlecht wäre, wenn Strauß „von seiner Wolke runterkäme und den Politikern von heute mal Be¬scheid sagt". Außerdem erinnert er sich an Zeiten, als er, weil seine Schwester seit jeher mit „der Moni" befreundet ist, oft bei Strauß zu Hause war. Wie sagt man da zu dem berühmten Mann? Wehmut liegt in Baiers Blick: „Ich hab' Franz Josef zu ihm gesagt." ,

Ein Mann spricht mich an, weil er mitgekriegt hat, dass ich von der Zei-tung bin. Er versucht es erst zweimal auf Bairisch, dann enttäuscht auf Hoch¬deutsch. Ich soll aufschreiben, dass er, Georg Ganslmaier, mit 23 in die CSU eingetreten ist, wegen Strauß. Jetzt ist er 61. Außerdem hat er Strauß einmal die Hand gegeben, das war im Wahlkampf in Rosenheim. Seine Einschätzung des Politikers Strauß: „Ein tragender Staats¬mann, aber regional. Nicht wie Napole¬on." Dennoch werde man "mit Sicher¬heit" noch in hundert Jahren Strauß fei¬ern. So sehen es auch die Alten Herren der Studentenverbindung Tuiskonia. Dort war Strauß Mitglied. Weil in der Verbindung Duz-Comment gilt, sagten alle Franz Josef zu Strauß. Ein Alter Herr berichtet, dass er einmal mit Franz Josef in der Messe gewesen sei, und da sei von der Empore ein Holzstückl abge¬brochen und runtergefallen. Alle Leib¬wächter seien sofort aufgesprungen, aber Franz Josef sei sitzengeblieben. Je¬der hier kennt solche Geschichten; Strauß zieht sich durch sie hindurch wie ein Faden, der die Erzähler vernetzt. Und so gehen die Leute auch miteinander um: Buben bringen Alten die Fleischpflanzerl an den Platz, und als ein Fenster auffliegt und ein Bierglas zu Boden fegt, heben gleich drei Männer die Scherben auf, be¬vor eine Kellnerin überhaupt was merken kann. Die Strauß-Kinder laufen herum und lachen ihr großes Strauß-Lachen, das sie alle geerbt haben.

Im alten Kloster gegenüber läuft eine Ausstellung über Strauß' Leben. Schautaein. erzählen von den Stationen, u zwar in einem Ton, der auch schon den zweihundertsten Geburtstag zig Also ehrfürchtigst, was wenig verwi dert, weil die Schau von der CSU r der Harms-Seidel-Stiftung organisi wurde, und die ist fast so CSU-nah die CSU selbst. Über die „Spiegel"-A re erfährt man wenig, außer dass sie der „oft gnadenlos geführten Pressek pagnen" war und dass Strauß dem M zin „trotz aller Angriffe und Skandal rungsversuche" immer wieder Intervj gab. Zum Thema Skandale steht Lehrreiches in der aktuellen Ausgabe „Bayernkurier" (Gründungsherausgt Strauß). Dort schreibt der Histu Horst Möller, dass heute von den Ska len um Strauß „nur Skandalisieru durch einzelne Medien" übrig seiet hundert Jahren ist bestimmt noch ger übrig, womöglich ausschließlich was im „Bayernkurier" stand.

Aber was sagen CSU-Leute

Cr-ran« Air. ihn nip kpnnpncrplerni Jahre alt war, als Strauß starb: Step ner, Jahrgang 1986, Landesgesch rer der Jungen Union in Bayern. fen uns im Franz-Josef-Strauß-}L CSU-Zentrale in München, aber Ebner nicht bleiben. Er will auc ins „Franz Josef", das Gasthaus

dran, sondern steuert auf ein F

Caf6 zu. Da gibt es schwarzen Kai

einer kleinen Glaskaraffe. Ein bärti rista spricht erklärende Worte zu nenart. Ist Strauß' Erbe hier in Händen? Ebner lächelt reserviert, ihn frage, ob er auch ein Strauß-Pc seinem Kinderzimmer gehabt ha wie Markus Söder. Nein, aber er 1 ein Original-Strauß-Autogramm, auch sichtbar in seiner Wohnung hängt habe. Ein Geschenk ehemalig beitskollegen.

Ebner ging zur Jungen Union, N Edmund Stoiber verehrte, nicht S Zum Thema Strauß will er etwas z Auf seinem iPad ruft er die Seite ein ternetshops auf, der so eine Art „A factum" für Münchner ist, mit Mün Wodka und besonders schönen Hin derhosen. Dort gibt es auch ein T-mit dem Foto von Franz Josef Strat Che-Guevara-Style. Ebner glaubt, Strauß eben Teil von Bayern sei, und ern wiederum eine Marke, die heut trem beliebt sei. Auf CSU-Deutsch: rückbesinnung auf einen sehr mode Heimatbegriff". Außerdem helfe der liche Abstand zu Strauß vielen Le ihm mit mehr Sympathie zu hege! Ebner rechnet mit Feierlichkeitei Strauß' zweihundertstem Gebun will sich aber bei der Einschätzun! Umfangs nicht genau festlegen.

Die Zeit bis dahin überdauern auf alle Fälle die Strauß-Büste, die Bildhauer Nikolai Tregor schuf. Es mehrere Abgüsse, einer steht in Bayerischen Staatskanzlei. Tregor er habe sich Strauß vorgenommen, ich ihn gut fand". Erst arbeitete er einer Fotovorlage. Dann durfte Strauß auch treffen, eine halbe St lang. Die Büste wurde erst fertig Strauß schon tot war.

 

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