Mittwoch, 2. September 2015

Home Office


Home Office

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/rwQBPCA15nE

Ins Büro fahren nervt. Im „Home Office" kann man in Ruhe produktiv sein. Wenn man ein paar Regeln beachtet.

Für viele gehört er zum Höhepunkt der Woche. Endlich Zeit, den Morgenkaffee ganz in Ruhe zu trinken, statt ihn eilig aus einem Pappbecher hinunterstür¬zen zu müssen. Der Tag fängt am Früh-stückstisch zu Hause an und nicht am Steuer oder in der überfüllten Bahn. Das Einzige, was einem jetzt noch die gute Laune verderben könnte, ist der Gedan¬ke an den Montagmorgen.

Denn der sieht für die große Mehr-heit der Deutschen ganz anders aus: Der Tag beginnt mit dem Weg zur Ar-beit. Und ob mit dem Auto oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, das tägliche Hin und Her kostet in jedem Fall Zeit. Das allein sei aber noch nicht einmal das Schlimmste, erklärt der Ver¬haltensökonom Dan Ariely in seinem neuen Buch. „Wenn wir wüssten, dass wir das Haus jeden Tag um 7.3o Uhr ver¬lassen können, um dann stets um 8.55 Uhr im Büro anzukommen, wäre Pen¬deln kein Problem." Es wäre dann vor¬aussehbar, und wir könnten uns daran gewöhnen. Voraussehbar ist aber eigent¬lich nur eins: Der nächste Bahnstreik kommt bestimmt, und die alltäglichen Staus und Bahnverspätungen machen Pendlern auch ohne Totalausfall das Le¬ben schwer. Gerade diese Ungewissheit macht den Arbeitsweg so nervenaufrei¬bend, so Ariely. Der Tag beginnt mit Stress, Sorgen und Zeitdruck.

Dabei muss das gar nicht sein. Wäh-rend ich diese Zeilen_schrPibe, liege ich im Bett. Es ist Montagmorgen. Mein zweiter Kaffee duftet neben mir. Pen¬deln - für mich heißt das, nach dem Auf¬stehen vom Schlafzimmer in die Küche zu gehen, um mir das Frühstück vorzube¬reiten. Denn ich arbeite von zu Hause aus. Sie werden jetzt vielleicht denken: Die Journalistin hat leicht reden. Und zu¬gegeben, die Bäckereiverkäuferin und der Busfahrer können wirklich schlecht von zu Hause arbeiten. Aber tatsächlich gibt es immer mehr Berufe, die zumin¬dest teilweise am Küchentisch, auf dem Sofa und sogar im Bett erledigt werden können. Hochschullehrer und Lehrer sind traditionell ganz weit vorn, wenn es darum geht, zu Hause zu bleiben. Aber selbst bei Kindergärtnerinnen ist das

 

möglich. Auch sie verbringen nur einen Teil ihrer Arbeit direkt mit dem Kind, der Organisations- und Verwaltungs-kram muss ja auch erledigt werden. Und den gibt es eigentlich in fast jedem Be¬ruf. Manager, Vertreter, Psychologen und Steuerberater, alle könnten sie dafür zu Hause bleiben. Muss ja nicht gleich den ganzen Tag sein. Wer abends plant, was morgens daheim alles machbar ist, fährt danach ganz entspannt ins Büro.

Selbst der deutschen Industrie wird langsam klar: Viele ihrer Mitarbeiter müssten eigentlich gar nicht jeden Tag zur Arbeit kommen - solange sie trotz-dem Ergebnisse abliefern. So hat BMW zum Beispiel 2014 die sogenannte „Mobil-arbeit" eingeführt: Für alle Aufgaben, die außerhalb des Büros erledigt werden können, dürfen sich die Angestellten ih¬ren Arbeitsplatz nun selbst auswählen.

Ganz allgemein gilt: Immer mehr Menschen sitzen den Großteil ihrer Ar-beitszeit vor dem Computer. Dank Inter¬net und Laptop könnten sie das überall machen, auch zu Hause. Tun sie aber nicht. Zumindest hierzulande nicht. Denn die technischen Möglichkeiten ha¬ben sich zwar verändert, die Einstellung der Deutschen zum Home Office aber offenbar noch nicht. Während in Schwe¬den, Dänemark und Island etwa ein Vier¬tel der Arbeitnehmer mindestens hin und wieder zu Hause arbeitet, sind es in Deutschland nur acht Prozent. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung_hervor_Nach einem kurzen Hoch werden es seit zoo8 sogar wieder weniger Deutsche, die Be¬rufliches zu Hause erledigen.

In den Niederlanden dagegen gilt seit Neuestem ein Gesetz, das ein Recht auf Heimarbeit vorschreibt. Wer sich um pflegebedürftige Angehörige oder kranke Kinder kümmern muss, kann nur noch in Ausnahmefällen ins Büro beordert wer¬den. Durch das Gesetz wurde die Beweis¬last umgekehrt: Jetzt ist es Aufgabe des Arbeitgebers, zu beweisen, dass die Ar¬beit auf keinen Fall zu Hause erledigt wer¬den kann. Wenn er das nicht kann, darf der Arbeitnehmer vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten. Deutschland geht derweil andere Wege, um die Verein¬barkeit von Kindern und Karriere zu ver-

 

 

 

Pantoffeln statt Pumps: Das "Home Office" ei

bessern: Hier wird stattdessen über 24-Stunden-Kitas diskutiert Dabei kann gerade für Eltern die Möglichkeit, auch mal von zu Hause zu arbeiten, eine enor¬me Entlastung sein. Denn für sie bedeu¬tet Pendeln oft nicht nur einmal hin- und her: Zuhause, Kita, Schule und Arbeits¬platz, alles-muss verbunden werden.

Fiele davon eine Strecke weg, könnte das schon eine große zeitliche Entlas-tung bedeuten. Jedenfalls theoretisch, denn in der Summe kommt es natürlich darauf an, wie viel dann zu Hause gear-beitet wird. Und eine Studie der Univer¬sität Stanford zeigt, dass, wer nicht im Büro, sondern in der eigenen Wohnung arbeitet, am Ende sogar mehr schafft. Die Angestellten arbeiten sowohl konzen¬trierter als auch länger als die Kollegen im Büro. Und das auch noch mit weni¬ger Pausen. Von wegen Schlendrian.

Von zu Hause aus noch mehr malo-chen? So bringt die Idee vom Home Of¬fice natürlich nur dem Arbeitgeber was. Das klingt eher nach einer Zeitspar-Stra-tegie der grauen Herren in Michael En- Lösung für eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie loben, klagen die anderen über das genaue Gegenteil. Wenn die Trennung von Heim und Büro wegfällt, ist auch die gedankliche Trennung schwierig: Die Arbeit frisst sich ins Privatleben hinein. Zusätzliche Flexibilität kann deshalb sowohl Fluch als auch Segen für die Work-Life-Balance sein.

Wer durch die Arbeit von zu Hause aus zufriedener werden und gleichzeitig Zeit gewinnen will, muss sich deshalb klare Grenzen setzen. Das verlangt eine gewisse Selbstdisziplin - gerade beim Aufhören. Dabei kann die Erstellung von klaren Etappenzielen helfen: Wenn die To-do-Liste für den Tag abgehakt ist, ist abends Schluss. Dem einen reicht es dann, den Computer zuzuldappen. Andere müssen sich ein extra Arbeits¬zimmer einrichten, um die Tür hinter sich und der Arbeit zumachen zu kön¬nen. Eines ist jedenfalls ganz wichtig: Auch außerhalb des Büros muss es ei¬nen Zapfenstreich geben. In diesem Sin¬ne mache ich jetzt Feierabend.

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