Home Office
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/rwQBPCA15nE
Ins Büro fahren nervt. Im „Home Office" kann man in
Ruhe produktiv sein. Wenn man ein paar Regeln beachtet.
Für viele gehört er zum Höhepunkt der Woche. Endlich Zeit,
den Morgenkaffee ganz in Ruhe zu trinken, statt ihn eilig aus einem Pappbecher
hinunterstür¬zen zu müssen. Der Tag fängt am Früh-stückstisch zu Hause an und
nicht am Steuer oder in der überfüllten Bahn. Das Einzige, was einem jetzt noch
die gute Laune verderben könnte, ist der Gedan¬ke an den Montagmorgen.
Denn der sieht für die große Mehr-heit der Deutschen ganz
anders aus: Der Tag beginnt mit dem Weg zur Ar-beit. Und ob mit dem Auto oder
mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, das tägliche Hin und Her kostet in jedem
Fall Zeit. Das allein sei aber noch nicht einmal das Schlimmste, erklärt der
Ver¬haltensökonom Dan Ariely in seinem neuen Buch. „Wenn wir wüssten, dass wir
das Haus jeden Tag um 7.3o Uhr ver¬lassen können, um dann stets um 8.55 Uhr im
Büro anzukommen, wäre Pen¬deln kein Problem." Es wäre dann vor¬aussehbar,
und wir könnten uns daran gewöhnen. Voraussehbar ist aber eigent¬lich nur eins:
Der nächste Bahnstreik kommt bestimmt, und die alltäglichen Staus und
Bahnverspätungen machen Pendlern auch ohne Totalausfall das Le¬ben schwer.
Gerade diese Ungewissheit macht den Arbeitsweg so nervenaufrei¬bend, so Ariely.
Der Tag beginnt mit Stress, Sorgen und Zeitdruck.
Dabei muss das gar nicht sein. Wäh-rend ich diese
Zeilen_schrPibe, liege ich im Bett. Es ist Montagmorgen. Mein zweiter Kaffee
duftet neben mir. Pen¬deln - für mich heißt das, nach dem Auf¬stehen vom
Schlafzimmer in die Küche zu gehen, um mir das Frühstück vorzube¬reiten. Denn
ich arbeite von zu Hause aus. Sie werden jetzt vielleicht denken: Die
Journalistin hat leicht reden. Und zu¬gegeben, die Bäckereiverkäuferin und der
Busfahrer können wirklich schlecht von zu Hause arbeiten. Aber tatsächlich gibt
es immer mehr Berufe, die zumin¬dest teilweise am Küchentisch, auf dem Sofa und
sogar im Bett erledigt werden können. Hochschullehrer und Lehrer sind
traditionell ganz weit vorn, wenn es darum geht, zu Hause zu bleiben. Aber
selbst bei Kindergärtnerinnen ist das
möglich. Auch sie verbringen nur einen Teil ihrer Arbeit
direkt mit dem Kind, der Organisations- und Verwaltungs-kram muss ja auch
erledigt werden. Und den gibt es eigentlich in fast jedem Be¬ruf. Manager,
Vertreter, Psychologen und Steuerberater, alle könnten sie dafür zu Hause bleiben.
Muss ja nicht gleich den ganzen Tag sein. Wer abends plant, was morgens daheim
alles machbar ist, fährt danach ganz entspannt ins Büro.
Selbst der deutschen Industrie wird langsam klar: Viele
ihrer Mitarbeiter müssten eigentlich gar nicht jeden Tag zur Arbeit kommen -
solange sie trotz-dem Ergebnisse abliefern. So hat BMW zum Beispiel 2014 die
sogenannte „Mobil-arbeit" eingeführt: Für alle Aufgaben, die außerhalb des
Büros erledigt werden können, dürfen sich die Angestellten ih¬ren Arbeitsplatz
nun selbst auswählen.
Ganz allgemein gilt: Immer mehr Menschen sitzen den Großteil
ihrer Ar-beitszeit vor dem Computer. Dank Inter¬net und Laptop könnten sie das
überall machen, auch zu Hause. Tun sie aber nicht. Zumindest hierzulande nicht.
Denn die technischen Möglichkeiten ha¬ben sich zwar verändert, die Einstellung
der Deutschen zum Home Office aber offenbar noch nicht. Während in Schwe¬den,
Dänemark und Island etwa ein Vier¬tel der Arbeitnehmer mindestens hin und
wieder zu Hause arbeitet, sind es in Deutschland nur acht Prozent. Das geht aus
einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung_hervor_Nach einem
kurzen Hoch werden es seit zoo8 sogar wieder weniger Deutsche, die Be¬rufliches
zu Hause erledigen.
In den Niederlanden dagegen gilt seit Neuestem ein Gesetz,
das ein Recht auf Heimarbeit vorschreibt. Wer sich um pflegebedürftige
Angehörige oder kranke Kinder kümmern muss, kann nur noch in Ausnahmefällen ins
Büro beordert wer¬den. Durch das Gesetz wurde die Beweis¬last umgekehrt: Jetzt
ist es Aufgabe des Arbeitgebers, zu beweisen, dass die Ar¬beit auf keinen Fall
zu Hause erledigt wer¬den kann. Wenn er das nicht kann, darf der Arbeitnehmer
vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten. Deutschland geht derweil andere Wege,
um die Verein¬barkeit von Kindern und Karriere zu ver-
Pantoffeln statt Pumps: Das "Home Office" ei
bessern: Hier wird stattdessen über 24-Stunden-Kitas
diskutiert Dabei kann gerade für Eltern die Möglichkeit, auch mal von zu Hause
zu arbeiten, eine enor¬me Entlastung sein. Denn für sie bedeu¬tet Pendeln oft
nicht nur einmal hin- und her: Zuhause, Kita, Schule und Arbeits¬platz,
alles-muss verbunden werden.
Fiele davon eine Strecke weg, könnte das schon eine große
zeitliche Entlas-tung bedeuten. Jedenfalls theoretisch, denn in der Summe kommt
es natürlich darauf an, wie viel dann zu Hause gear-beitet wird. Und eine
Studie der Univer¬sität Stanford zeigt, dass, wer nicht im Büro, sondern in der
eigenen Wohnung arbeitet, am Ende sogar mehr schafft. Die Angestellten arbeiten
sowohl konzen¬trierter als auch länger als die Kollegen im Büro. Und das auch
noch mit weni¬ger Pausen. Von wegen Schlendrian.
Von zu Hause aus noch mehr malo-chen? So bringt die Idee vom
Home Of¬fice natürlich nur dem Arbeitgeber was. Das klingt eher nach einer Zeitspar-Stra-tegie
der grauen Herren in Michael En- Lösung für eine gute Vereinbarkeit von Beruf
und Familie loben, klagen die anderen über das genaue Gegenteil. Wenn die
Trennung von Heim und Büro wegfällt, ist auch die gedankliche Trennung
schwierig: Die Arbeit frisst sich ins Privatleben hinein. Zusätzliche
Flexibilität kann deshalb sowohl Fluch als auch Segen für die Work-Life-Balance
sein.
Wer durch die Arbeit von zu Hause aus zufriedener werden und
gleichzeitig Zeit gewinnen will, muss sich deshalb klare Grenzen setzen. Das
verlangt eine gewisse Selbstdisziplin - gerade beim Aufhören. Dabei kann die
Erstellung von klaren Etappenzielen helfen: Wenn die To-do-Liste für den Tag
abgehakt ist, ist abends Schluss. Dem einen reicht es dann, den Computer zuzuldappen.
Andere müssen sich ein extra Arbeits¬zimmer einrichten, um die Tür hinter sich
und der Arbeit zumachen zu kön¬nen. Eines ist jedenfalls ganz wichtig: Auch
außerhalb des Büros muss es ei¬nen Zapfenstreich geben. In diesem Sin¬ne mache
ich jetzt Feierabend.
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