Dreirad-Motorräder
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/JxInOzKgksw
Fahrtwind um die Nase und ein handliches Gefährt zwischen
den Beinen - Motorradfahren hat einiges für sich. Für Leute,
die das Gefühl mögen, sich aber nicht aufs Zweirad trauen
oder es mangels Führerschein nicht fahre
Dreiräder an
Du hast ja wohl ein Rad ab. Das ist nicht immer ein
Kompli¬ment, kann aber ein Kompro-miss sein. Was soll denn ein homo
automobiliensis machen, der sich unter jene mischen möchte, die glücklich in
der Sommersonne den Fahrtwind ge¬nießen und einspurig von Kurve zu Kur¬ve
schwingen - allein, es fehlt die Fahrer¬laubnis? Da gibt es vielleicht eine
Lö¬sung in Form einer Gruppe von Fahrzeu¬gen, die nicht genau wissen, was sie
sein wollen; mehrspurig zwar, aber zum Auto fehlt ihnen ein Reifen, und manche
le¬gen sich zwar zur Seite, für ein Motorrad ist aber einer zu viel dran. Der
Gesetzge¬ber weiß es auch nicht und hat sich des¬halb bis vor kurzem nicht
recht darum gekümmert. Das lässt sich nutzen.
Wir haben also ein paar Kollegen aufs Dreirad gebracht. Zwei
davon einge¬fleischte Automobilisten, Zweiräder ken¬nen sie bisher nur mit
Pedalen, ein weite¬rer ist vor Ewigkeiten mal mit viel Begeis¬terung, aber
wenig Glück Motorrad ge¬fahren. Und außer Konkurrenz die zwei Schräglagenspezialisten,
die uns erklären sollen, wie ein Kompromiss von der an¬deren Seite aussieht;
kann ein Motorrad¬fahrer mit so etwas glücklich werden? Vorab regiert die
Skepsis: Aus der Küche wissen wir, dass ein Dreibein leicht kip¬pelt.
Wahrscheinlich vereinigt solch ein Dreirad nur die Nachteile von Auto und
Motorrad in sich.
Da stehen sie nun auf dem ADAC-Platz in Gründau, die fünf
Kandidaten. Die mit den zwei Beinen und die mit den drei Rädern. Nur dass,
einer dar¬unter sogar vier hat, wovon noch die Rede sein wird. Die könnten
unterschied¬licher nicht sein, schauen wir mal, wer sich auf welches Vehikel
traut.
Das Entspannte
Einem Auto am ähnlichsten ist wohl das Trike von Rewaco. Ein
Hingucker, man¬che Leute mögen das und fragen, ob sie ein Foto machen dürfen.
Vorn Dennis Hoppers chromblitzender Chopper aus Easy Rider, hinten die prallen
Rundun¬gen von Kim. Mit Kofferraum und sogar einer Anhängerkupplung. Ein fixer
Wohnzimmersessel - verstellen lässt sich nur der Hirschgeweihlenker mit den
arm¬dicken Griffen - und ein zweiter etwas er¬höht dahinter für den Sozius. Die
Füße ruhen ausgestreckt auf verchromten Git¬tern. Saubequem, solange der Belag
eben ist und keine Wespen ins Hosenbein flie¬gen. Eine Automatik, die fast
unmerklich schaltet, im Sportmodus gibt es Handbe¬dienung mit einem Drehring.
Kein Pro¬blem für alle, die Autos gewohnt sind, ur¬teilt die Kollegin, um
Kurven räubern hat ihr richtig Spaß gemacht. Das geht er¬staunlich flott,
jedenfalls kommt es dem Fahrer so vor. Aber irgendwie wirke das
Trike etwas lieblos zusammengeschus¬tert, sagt sie. Einfach
zu beherrschen, meint auch der autofahrende Kollege. Nur das ausladende
Hinterteil wird gern vergessen und grüßt die Bordsteine. Das Dickschiff im
Rückwärtsgang einzupar¬ken ist auch kein Vergnügen. Den Lenker einschlagen,
schon sind die Rückspiegel weg. Vom Wind gebeutelt sagt er, eine
Wahnsinnserfahrung sei das, welche Kräf¬te bei hoher Geschwindigkeit einwirken,
und empfiehlt sanftes Dahingleiten bei mäßigem Tempo. Das Trike sei gut für
Leute, die auffallen wollen, aber der Sound sei erbärmlich. Der Motorrad
fah¬rende Kollege sieht das ganz anders. Sat¬te Musik, schön garniert mit dem
Zi¬schen und Pfeifen des Blow-off-Ventils. So verschieden sind die Geschmäcker.
Der Animatische
Der Spyder von Can Am ist der glatte Gegenentwurf. Geduckt
mit zwei Rä¬dern vorn und einem dicken hinten, sieht er entzückend aus, wie ein
böses In¬sekt. Auf den Sitz kauern, der ist ange¬nehmer als gedacht, und den
Dreizylin¬der anwerfen. Der dröhnt mit sattem Boi¬lern los und wartet mit jeder
Faser dar¬auf, die ganze Fuhre vehement nach vorn zu reißen. Mit einem kernigen
Klack bricht die Halbautomatik den Gang hinein, der Reifen quietscht, der
Daumen kommt mit dem Schalten kaum nach - auch im Eco-Modus, der in der Stadt die
Nerven schont. Überraschung in der Kurve: Ups, der hebt gleich das in¬nere Rad.
Ist aber harmlos, nach kurzer Übung wedelt der Spyder flink um die Pylonen. Ein
Fahrgefiihl wie auf dem Schneemobil. Wenn der Fahrer es zu toll treibt, wird er
von der Elektronik fast un-merklich in einen sanften Drift einge-bremst. D er
Spyder trainiert die Mus¬keln. Die der Arme, weil er am Lenker zerrt, die der
Hüften, weil der Pilot in die Kurve abknickt. Und die im Gesicht, weil er immer
so grinsen muss. Der Spy-der ist am Ende der heimliche Liebling der
Autofahrerfraktion. Aggressiv fmdet die Kollegin ihn, Kritik ist das nicht.
Pfif¬fig sei das Ding, wertet auch der Kolle¬ge, das sei kein Angeber-Teil,
sondern ein Sportgerät. Einer unserer Zweirad fah¬renden Kollegen konnte
freilich vor fünf Jahren dem Vorgängermodell nicht viel abgewinnen - zu wenig
Motorrad. Zu be¬mäkeln gib es heute noch ein paar De¬tails: Die Verarbeitung
dürfte etwas bes¬ser sein, der Rückwärtsgang hakelt. Wer Motorrad fährt,
vermisst vielleicht einen Handbremshebel, das könnte dem Fah¬rer die etwas
krampfige Habachthaltung des Fußes in der Stadt ersparen. Der Stauraum ist mit
dem Warndreieck schon voll, aber es gibt den Spyder ja auch mit Packtaschen an
der Seite. Und, ganz ehrlich, wenn man mal unbeschei-
den sein darf: Der wäre doch auch für noch mehr Leistung
gut.
Die Amerikanische
Welch ein Trumm. Harley-Fahrer wol¬len das, alle anderen
blicken mit Ehr¬furcht auf das Gerät. Diese war so groß, dass sich unsere
Autofahrer erst gar nicht auf die Tri Glide gewagt haben. Bis zum Rücksitz ist
sie nichts als ein Motorrad, Kupplungsgriff links und Fußschaltung mit dicker
Wippe. Hinten erinnert sie an die Kindheit. Damals, als wir mit Stützrä-dern
das Fahrradfahren lernen sollten und das erst geklappt hat, als sie abmon¬tiert
waren. Nur dass das Rad in der Mit¬te fehlt und die Stützräder angetrieben
sind. Sieht von hinten aus wie ein Kran¬kenfahrstuhl, meint einer. Dass das
Ding unter normalen Bedingungen nicht um-kippt, muss indessen kein Nachteil
sein. Dann landet man auch nicht unter ei¬nem Eisenhaufen von weit mehr als
ei¬ner halben Tonne Leergewicht. Mit zwei Töpfen von der Dimension eines
bayeri¬schen Bierkrugs stampft und scheppert das Dreirad los, erster Gang, es
kracht, und ellenlanges Spiel im Antriebsstrang. Zweiter, dritter, vierter -
geht doch, alles gar nicht so schlimm. Dann der Schreck in der ersten Kurve:
Außen drücken, in¬nen ziehen. Elender Bock, komm end¬lich rum. Wie auf dem
Motorrad willst du dich in die Kurve legen, geht nicht. Achtung, gleich werden
wir kentern, es bleibt aber beim mulmigen Gefühl. Drauf wetten, dass das immer
so ist, wol¬len wir nicht. Jede Unebenheit bringt die Fuhre ins Wanken, in
langen Kurven wird das Innenrad leicht. Ein Gefühl wie mit einem Seitenwagen,
der viel zu schmal ist. Wer mag so etwas? Alle, die nichts als Harley fahren
wollen und das mangels Führerschein nicht dürfen oder mangels Muskelmasse nicht
können. Und die vor allem geradeaus fahren wol¬len, dabei entspannt die Gegend
genie§en und sich von der beeindruckenden Musikanlage berieseln lassen. Oder
dem Navi folgen und sich vorstellen, im Dis-play könnte gerade ein Spielfilm
laufen. Fast könnten wir uns dran gewöhnen.
Der Doppelroller
Allmählich nähern wir uns dem echtem Zweirad-Fahrgefühl.
Nicht nur mit der vorderen Hälfte wie auf der Harley, son¬dern mit dem ganzen
Mobil in echter Schräglage. -Von hinten sieht der Piaggio MP3 aus wie ein
stinknormaler Motor¬roller, aber vorn rollt er mit rechts und mit links. Die
beiden Räder sind über ei¬nen Kippmechanismus schwenkbar mit-einander
verbunden. Das ist genial und wirkungsvoll - zwei Räder führen und bremsen nun
mal besser als eines. Die Technik ist seit einem Jahrzehnt auf dem Markt und
ausgereift, beim Fahren ist sie so gut wie nicht zu spüren.
Aber beim Anhalten. Im Schritttempo piept der N1133, mittels
Schieber lässt sich die Hebelei zwischen den Rädern zum Dreibein einrasten, die
Füße können oben bleiben. Beim Anfahren piept er abermals und schwenkt dann
automatisch wieder, die Pieperei geht einem freilich alsbald auf die Nerven.
Die drei Räder machen sich auch sonst wohltuend be¬merkbar: Wäre das ABS nicht,
ließe sich mit blockierenden Vorderrädern brem¬sen, was einem Zweirad
unversehrt nur einmal gelingt. Der Piaggio wuselt um die Ecken und an den Kolonnen
vorbei, Gasgeben und Bremsen, einfacher geht's nicht. Und, wäre das was für die
Autofah¬rer? Erste Versuche auf engem Raum sind eher niederschmetternd, wer
motori¬sierte Zweiräder nicht kennt, muss sich erst an das Kippeln gewöhnen.
Angst, beim Losfahren die Füße hochzuneh¬men, sagt die Kollegin. Nach etwas
Übung meint sie, der Roller wäre viel¬leicht gar etwas für sie. Es braucht ein
paar Meter und mehr als Schrittgeschwin-digkeit, um die Balance zu finden, sagt
auch der Kollege. Hat sich das Gleichge¬wicht erst einmal eingestellt, beginnt
der Spaß - vorausgesetzt, der Autofahrer ohne Motorradführerschein ist nicht
nur am Fahrtwind interessiert, sondern am Motorrad-Glücksgefühl mit flotter
Kur¬venneigung. Das kann der Piaggio wie kein anderer unter den fünfen.
Der Seltsame
Und dann wäre da noch ein Gefährt, das eigentlich gar nicht
dabei sein dürfte. Das ist eine Neuentwicklung, in Ermange¬lung eines
Gattungsbegriffs taufen wir so etwas versuchsweise Autoller. Der Her¬steller
nennt sein Produkt Quadro 4. Der hat, wie schon der Name vermuten lässt, vier
Räder statt drei, und alle reichen im¬mer bis zum Boden. Ein Quad ist der
Quadro trotzdem nicht, denn alle viere neigen sich in Kurven parallel wie die
vor¬deren des Piaggio. Die hinteren sind bei¬de über Zahnriemen angetrieben,
dazwi-schen hängt sogar ein Differential - das beschert dem Hinterherfahrenden
einen bis dato nicht gekannten Anblick. Die
Spur vorn ist et¬was breiter als hinten. Es erin¬nert an die
BMW Isetta aus unseren Kindertagen, den nannten wir damals ein
Schlagloch-Suchgerät. Davon ist der Quadro weit entfernt: Eine Hydraulik
ver¬bindet die Räder untereinander, sie sorgt für hohen Fahrkomfort und eine
beachtliche Steifigkeit. In Zeitlupe neigt sich das Gerät in die Kurve, mit
etwas Gleichgewichts¬gefühl kann der Fahrer das Gefährt im Stand
ausbalancieren, ohne die Füße vom Trittbrett zu nehmen. Sonst wird einfach ein
Hebel umgelegt, und die Fuhre ruht in sich. Ganz langsam lässt sich mit
Lenk-einschlag die Kurve fahren, das Gefühl er¬innert an ein Quad. Mit
zunehmender Geschwindigkeit denkt der Fahrer dann eher an den trägen Jetski aus
dem letzten Türkei-Urlaub. Der zähe 'Widerstand soll dem Autofahrer die Angst
vor dem Kip¬peln nehmen, erklärt der Hersteller. Die Meinung in der Redaktion war
geteilt: Ausgerechnet die Begeisterung des auto¬fahrenden Volkes hielt sich in
Grenzen. Sie wäre in der Autobahnausfahrt fast ge¬radeaus gefahren, berichtet
die Kollegin, nie wieder setze sie sich auf das Ding. Und der Kollege stellt
nüchtern fest, das sei nicht seines. Jene mit Motorraderfah-rung sehen das
anders. Sie loben das Si-cherheitsgefühl - wie auf Schienen, der Quadro walzt
stur über alle Unebenhei-ten hinweg. Vollbremsungen sind selbst auf Schotter
möglich, auch ohne ABS. Den Körpereinsatz für die Kurvennei-gung fmden sie gar
nicht so schlimm. Zum Durchschlängeln im Stau sei der Quadro gerade noch schmal
genug, aber längst nicht so handlich wie der Piaggio.
Jedem das Seine. Wir meinen, wer ein Spaßgerät sucht, das er
mit seinem Auto¬führerschein fahren darf, soll es auspro¬bieren und sich dabei
nach den Neigun¬gen richten - je nachdem, wie viel Schräglage er mag.
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