Mittwoch, 30. September 2015

Preisverfall bei Rohstoffen


Preisverfall bei Rohstoffen

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/MsxVfeOsvi0

Preisverfall stößt an Grenzen

Der starke Rückgang der Preise am Rohstoffmarkt hat bei den Minen noch zu keinen Produktionskürzungen geführt. Diese wäre aber Voraussetzung für einen neuen Aufwärtszyklus.

 

Wir leben im Zeitalter des Internets und des Computers, keine Frage, doch Basis unserer Wirtschaft sind und bleiben die Rohstoffe. Ohne diese, ohne Kupfer, Blei und Zink, ohne Erdöl und Erdgas, da sähe es düster aus in der Weltwirtschaft. Mangel hätte das Sagen, die Produktionsbänder würden stillstehen. Denn auch (und gerade) bei der Herstellung der meisten Hightech-Produkte ist man auf relativ große Men¬gen an Rohstoffen angewiesen. „So enthält ein Handy im Durchschnitt circa 8,25 Gramm Kupfer, 3,81 Gramm Kobalt, 0,17 Gramm Silber, 0,025 Gramm Gold, 0,008 Gramm Pal¬ladium. Moderne Smartphones enthalten im Schnitt sogar noch etwas mehr Edelmetalle", klärt das Bayerische Staats¬ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auf.

Wirtschaftswachstum lässt Preise steigen. Auf den Zusam-menhang von Rohstoffen und Wachstum hinzuweisen ist wichtig. Denn vor allem in Europa übersieht man dies ger¬ne, da hier nur wenige Rohstoffe gefördert und damit auch nur wenige Menschen mit den Folgen der Rohstoffproduk¬tion konfrontiert werden. Die Nickel- und Kupferminen liegen in Lateinamerika, Asi¬en und Australien; das Erd¬öl kommt aus der arabi¬schen Welt, und Erdgas aus Russland.

Dass Weltwirtschaft und Rohstoffe jedoch eng mitei¬nander verkoppelt sind, macht ein Blick auf die zu¬rückliegenden Jahre deut¬lich. Legte die Weltwirt¬schaft zu, dann stiegen auch die Preise für Rohstoffe. So kletterte das globale Brut-toinlandsprodukt (BIP) von Beginn der 1990er-Jahre bis 2007 von zwei auf über fünfeinhalb Prozent, der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ermittelte Rohstoffindex stieg im gleichen Zeitraum von rund 50 auf über 130 Punkte.

China rückt ins Blickfeld. Dass der Anstieg dabei 2004 bis 2007 stärker ausfiel als die jährliche Steigerung des Welt-BIP, könnte an China liegen. Während die Weltwirtschaft näm¬lich in diesem Zeitraum auf relativ hohem Niveau stagnier¬te, kann es in China zu einer Art Sonderkonjunktur. Wirt¬schaftsfördernde Maßnahmen seitens der Pekinger Regierung und der Zustrom an ausländischem Kapital ließen das BIP des Landes auf über 14 Prozent klettern. In der Folge avan¬cierte China bei vielen Rohstoffen zum wichtigsten Impor¬teur und/oder verzeichnete weltweit gesehen die am schnellsten wachsende Nachfrage.

Gut zu sehen ist das zum Beispiel bei Erdöl. Während sich in den USA die Nachfrage nach Öl von 2004 bis 2007 leicht rückläufig entwickelte, stieg sie in China von 6,7 Millionen Barrel am Tag auf 7,8 Millionen. Damit lag der Verbrauch in China zwar immer noch deut¬lich unter dem in den USA, doch sukzessive veränderte sich der Blickwinkel des Öl¬markts. Hing dieser in den Jahrzehnten zuvor vor allem am konjunkturellen Auf und Ab in den Vereinigten Staaten, nahm nun mehr und mehr auch China bei der Preisbil¬dung eine wichtige Funktion ein. Ein Trend, der sich bis heute nicht geändert hat, ganz im Gegenteil. Mit einem Verbrauch von täglich 11,1 Millionen Barrel hat sich die Differenz zur Nachfrage in den USA mit 19 Millionen Barrel erheblich verkleinert. China dürfte heute bei der Bildung des Ölpreises eine größere Rolle spielen als je zuvor in der Geschichte.

Rückgang beim Wachstum betastet. Das Erdöl ist aber nur ein Beispiel, ähnliche Entwicklungen sind bei nahezu allen

 

ROHSTOFFMONITOR

industriell genutzten Rohstoffen festzustellen, allen voran bei den Industrierohstoffen Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel, Zink und Zinn. Entsprechend hat sich auch in diesen Märk¬ten der Blickwinkel geändert: China ist nun eine bestim¬mende Größe. Das ist wichtig zu beachten, da nun verständ- ich wird, warum die Preise für viele Rohstoffe seit einigen Jahren so kräftig am Markt unter Druck stehen, obwohl sich die Weltwirtschaft im Ganzen einigermaßen robust entwi¬ckeln kann. Denn während Letztere seit 2011 im Bereich zwischen drei bis vier Prozent Wachstum im Jahr mehr oder weniger seitwärts tendiert, ist in China ein Rückgang von 9,3 auf 7,3 Prozent festzustellen. Damit wächst China na¬türlich immer noch weitaus kräftiger als der globale Durch¬schnitt, aber eben zwei Prozent Langsamer als zu Beginn des genannten Zeitraums.

Zwei Prozent weniger, die sich nun auch dämpfend auf die Nachfrage nach Rohstoffen auswirken. Gut zu sehen ist das zum Beispiel bei Kupfer. Zuletzt importierte China im Zwölf-monatsdurchschnitt rund 380,000 Tonnen Kupfer und Lag damit deutlich unter dem Durchschnitt im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Was aber noch entscheidender ist: Während sich in den Vorjahren der Zwölfmonatsdurchschnitt in Zyklen stets aufwärts entwickelte und mit ständig neu¬en Rekorden auf sich aufmerksam machte, war dies während des Letzten Aufwärtsschubs nicht mehr der Fall: Im Schnitt wurden in der Spitze Mitte 2014 (Zyklus 3, siehe Grafik) kaum mehr Tonnen nachgefragt als im vorigen Aufwärts¬zyklus, der Ende 2012 seinen Scheitelpunkt erreichte (Zy¬klus 2). Das war davor noch ganz anders. Einen weiteren Aufwärtszyklus zuvor - ihn finden wir Anfang/Mitte 2010 (Zyklus 1) - lag der Zwölfmonatsdurchschnitt bei etwa 370.000 Tonnen und damit deutlich unter dem Zyklushoch Ende 2012 (Zyklus 2).

Steigende Produktion. Das ist weiter noch nicht dramatisch, wird aber dann zum Problem, wenn gleichzeitig die welt-weiten Produktionskapazitäten zulegen. Dann trifft ein steigendes Angebot auf eine stagnierende Nachfrage. Dass dann die Preise unter Druck kommen, ist einsichtig. Und genau dies ist bei Kupfer passiert. Während die Nachfrage nach Kupfer aus China stagnierte, wurde die weltweite Kupferproduktion dennoch ausgeweitet. Mit 18,7 Millionen Tonnen wurde 2014 deutlich mehr Kupfer gefördert als in den Jahren zuvor. Ebenso verhält es sich in den Vorjahren 2013 und 2012 - jedes Mal gab es bei der Produktion Zu¬wächse. Fast parallel dazu, und das wundert nun gar nicht mehr, Legte der Kupferpreis den Rückwärtsgang ein.

Grenzproduktionskosten unterschritten. Eine Entwicklung, die jedoch nicht unendlich sein kann. Denn bei der Produk- tion eines Rohstoffs fallen erhebliche Kosten an. Arbeiter und Energie, das sind die beiden großen Kostenblöcke, die ein Minenbetreiber heutzutage stemmen muss. Dazu kom¬men Ausgaben für den Umweltschutz (oft noch viel zu gering), für Lizenzen und Steuern. Können diese Kosten nicht mehr erwirtschaftet werden, wird eine Mine unren¬tabel, sie wird früher später schließen müssen.

Und einen solchen Trend sehen wir derzeit im Ansatz, da viele Rohstoffe bei ihrer Produktion unter ihre sogenannten Grenzkosten gefallen sind. Das heißt, jede Tonne an zu-sätzlichen Erzen, die gefördert wird, erwirtschaftet am Markt nicht mehr ihre Unkosten, die bei der Produktion angefallen sind. Eine Produktionsausweitung macht damit keinen Sinn mehr, ganz im Gegenteil: Um die Kosten zu reduzieren, muss die Produktion sogar eingeschränkt wer-den. Dadurch können Arbeiter entlassen, Energie eingespart werden. Eine Situation, die derzeit etwa bei Nickel vorzu-finden ist. Experten zufolge liegen die Grenzproduktions-kosten für Nickel in China etwa im Bereich von 15.000 US-Dollar je Tonne. Tatsächlich notiert Nickel aber derzeit unter 10.000 US-Dollar.

Noch wird die Produktion aufrechterhalten, etwa um be-stehende Lieferverträge zu bedienen oder weil Peking mit Subventionen kräftig nachhilft. Doch mittelfristig wird man um Produktionskürzungen nicht herumkommen. Eine Ein-schätzung, die auch von einem der weltweit führenden Nickelproduzenten anscheinend geteilt wird. Norilsk Nickel schreibt im aktuellen Halbjahresbericht: „Wir sind für die nahe Zukunft vorsichtig optimistisch für den Nickelpreis

weil über 60 Prozent der weltweiten Minen Verluste machen. [A Wir sehen einen zunehmenden Druck vor allem auf die Minen, die hohe Kosten haben, ihre Produk¬tion zu kürzen."

Fazit. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass der Roh-stoffmarkt im Allgemeinen nach wie vor gut versorgt ist, tendenziell sogar überversorgt. Noch haben die Minen ihre

 

Produktionen nicht gedrosselt, versuchen sogar hier und da, das schlechte Marktumfeld mit steigenden Produktio¬nen zu überbrücken. Das wird auf Dauer aber nicht klappen, Produktionskürzungen sind unausweichlich und dürften unmittelbar bevorstehen.

Das heißt unter dem Strich aber auch, dass das Umfeld für Rohstoffe noch eine Zeit lang schwierig bleiben wird. Es ist zu befürchten, dass auch 2016 ganz im Zeichen der Kon-solidierung stehen könnte. Dabei werden einige Rohstoffe neue Tiefs in ihrer Preisentwicklung sehen, andere haben diese eventuell schon hinter sich. Erst 2017/2018 könnte eine Phase kommen, in der ein schrumpfendes Angebot auf eine steigende Nachfrage trifft, wenn denn die Weltwirt-schaft und China „mitspielen". Erst dann wäre der Boden für einen neuen breiten Aufwärtszyklus in der Preisent¬wicklung bei Rohstoffen bereitet. Das heißt aber zusätzlich, dass sich Anleger, die Zeit und Geduld mitbringen, schon jetzt auf die Lauer legen und bei extremer Schwäche den einen oder anderen Rohstoff einsammeln können

 

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