Preisverfall bei Rohstoffen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/MsxVfeOsvi0
Preisverfall stößt an Grenzen
Der starke Rückgang der Preise am Rohstoffmarkt hat bei den
Minen noch zu keinen Produktionskürzungen geführt. Diese wäre aber
Voraussetzung für einen neuen Aufwärtszyklus.
Wir leben im Zeitalter des Internets und des Computers,
keine Frage, doch Basis unserer Wirtschaft sind und bleiben die Rohstoffe. Ohne
diese, ohne Kupfer, Blei und Zink, ohne Erdöl und Erdgas, da sähe es düster aus
in der Weltwirtschaft. Mangel hätte das Sagen, die Produktionsbänder würden
stillstehen. Denn auch (und gerade) bei der Herstellung der meisten
Hightech-Produkte ist man auf relativ große Men¬gen an Rohstoffen angewiesen.
„So enthält ein Handy im Durchschnitt circa 8,25 Gramm Kupfer, 3,81 Gramm
Kobalt, 0,17 Gramm Silber, 0,025 Gramm Gold, 0,008 Gramm Pal¬ladium. Moderne
Smartphones enthalten im Schnitt sogar noch etwas mehr Edelmetalle", klärt
das Bayerische Staats¬ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auf.
Wirtschaftswachstum lässt Preise steigen. Auf den
Zusam-menhang von Rohstoffen und Wachstum hinzuweisen ist wichtig. Denn vor
allem in Europa übersieht man dies ger¬ne, da hier nur wenige Rohstoffe
gefördert und damit auch nur wenige Menschen mit den Folgen der Rohstoffproduk¬tion
konfrontiert werden. Die Nickel- und Kupferminen liegen in Lateinamerika,
Asi¬en und Australien; das Erd¬öl kommt aus der arabi¬schen Welt, und Erdgas
aus Russland.
Dass Weltwirtschaft und Rohstoffe jedoch eng mitei¬nander
verkoppelt sind, macht ein Blick auf die zu¬rückliegenden Jahre deut¬lich.
Legte die Weltwirt¬schaft zu, dann stiegen auch die Preise für Rohstoffe. So
kletterte das globale Brut-toinlandsprodukt (BIP) von Beginn der 1990er-Jahre
bis 2007 von zwei auf über fünfeinhalb Prozent, der vom Internationalen
Währungsfonds (IWF) ermittelte Rohstoffindex stieg im gleichen Zeitraum von
rund 50 auf über 130 Punkte.
China rückt ins Blickfeld. Dass der Anstieg dabei 2004 bis
2007 stärker ausfiel als die jährliche Steigerung des Welt-BIP, könnte an China
liegen. Während die Weltwirtschaft näm¬lich in diesem Zeitraum auf relativ
hohem Niveau stagnier¬te, kann es in China zu einer Art Sonderkonjunktur.
Wirt¬schaftsfördernde Maßnahmen seitens der Pekinger Regierung und der Zustrom
an ausländischem Kapital ließen das BIP des Landes auf über 14 Prozent
klettern. In der Folge avan¬cierte China bei vielen Rohstoffen zum wichtigsten
Impor¬teur und/oder verzeichnete weltweit gesehen die am schnellsten wachsende
Nachfrage.
Gut zu sehen ist das zum Beispiel bei Erdöl. Während sich in
den USA die Nachfrage nach Öl von 2004 bis 2007 leicht rückläufig entwickelte,
stieg sie in China von 6,7 Millionen Barrel am Tag auf 7,8 Millionen. Damit lag
der Verbrauch in China zwar immer noch deut¬lich unter dem in den USA, doch
sukzessive veränderte sich der Blickwinkel des Öl¬markts. Hing dieser in den
Jahrzehnten zuvor vor allem am konjunkturellen Auf und Ab in den Vereinigten
Staaten, nahm nun mehr und mehr auch China bei der Preisbil¬dung eine wichtige
Funktion ein. Ein Trend, der sich bis heute nicht geändert hat, ganz im
Gegenteil. Mit einem Verbrauch von täglich 11,1 Millionen Barrel hat sich die
Differenz zur Nachfrage in den USA mit 19 Millionen Barrel erheblich
verkleinert. China dürfte heute bei der Bildung des Ölpreises eine größere
Rolle spielen als je zuvor in der Geschichte.
Rückgang beim Wachstum betastet. Das Erdöl ist aber nur ein
Beispiel, ähnliche Entwicklungen sind bei nahezu allen
ROHSTOFFMONITOR
industriell genutzten Rohstoffen festzustellen, allen voran
bei den Industrierohstoffen Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel, Zink und Zinn.
Entsprechend hat sich auch in diesen Märk¬ten der Blickwinkel geändert: China
ist nun eine bestim¬mende Größe. Das ist wichtig zu beachten, da nun verständ- ich
wird, warum die Preise für viele Rohstoffe seit einigen Jahren so kräftig am
Markt unter Druck stehen, obwohl sich die Weltwirtschaft im Ganzen einigermaßen
robust entwi¬ckeln kann. Denn während Letztere seit 2011 im Bereich zwischen
drei bis vier Prozent Wachstum im Jahr mehr oder weniger seitwärts tendiert,
ist in China ein Rückgang von 9,3 auf 7,3 Prozent festzustellen. Damit wächst
China na¬türlich immer noch weitaus kräftiger als der globale Durch¬schnitt,
aber eben zwei Prozent Langsamer als zu Beginn des genannten Zeitraums.
Zwei Prozent weniger, die sich nun auch dämpfend auf die
Nachfrage nach Rohstoffen auswirken. Gut zu sehen ist das zum Beispiel bei
Kupfer. Zuletzt importierte China im Zwölf-monatsdurchschnitt rund 380,000
Tonnen Kupfer und Lag damit deutlich unter dem Durchschnitt im entsprechenden
Vorjahreszeitraum. Was aber noch entscheidender ist: Während sich in den
Vorjahren der Zwölfmonatsdurchschnitt in Zyklen stets aufwärts entwickelte und
mit ständig neu¬en Rekorden auf sich aufmerksam machte, war dies während des
Letzten Aufwärtsschubs nicht mehr der Fall: Im Schnitt wurden in der Spitze
Mitte 2014 (Zyklus 3, siehe Grafik) kaum mehr Tonnen nachgefragt als im vorigen
Aufwärts¬zyklus, der Ende 2012 seinen Scheitelpunkt erreichte (Zy¬klus 2). Das
war davor noch ganz anders. Einen weiteren Aufwärtszyklus zuvor - ihn finden
wir Anfang/Mitte 2010 (Zyklus 1) - lag der Zwölfmonatsdurchschnitt bei etwa
370.000 Tonnen und damit deutlich unter dem Zyklushoch Ende 2012 (Zyklus 2).
Steigende Produktion. Das ist weiter noch nicht dramatisch,
wird aber dann zum Problem, wenn gleichzeitig die welt-weiten
Produktionskapazitäten zulegen. Dann trifft ein steigendes Angebot auf eine
stagnierende Nachfrage. Dass dann die Preise unter Druck kommen, ist
einsichtig. Und genau dies ist bei Kupfer passiert. Während die Nachfrage nach
Kupfer aus China stagnierte, wurde die weltweite Kupferproduktion dennoch
ausgeweitet. Mit 18,7 Millionen Tonnen wurde 2014 deutlich mehr Kupfer
gefördert als in den Jahren zuvor. Ebenso verhält es sich in den Vorjahren 2013
und 2012 - jedes Mal gab es bei der Produktion Zu¬wächse. Fast parallel dazu,
und das wundert nun gar nicht mehr, Legte der Kupferpreis den Rückwärtsgang
ein.
Grenzproduktionskosten unterschritten. Eine Entwicklung, die
jedoch nicht unendlich sein kann. Denn bei der Produk- tion eines Rohstoffs
fallen erhebliche Kosten an. Arbeiter und Energie, das sind die beiden großen
Kostenblöcke, die ein Minenbetreiber heutzutage stemmen muss. Dazu kom¬men
Ausgaben für den Umweltschutz (oft noch viel zu gering), für Lizenzen und
Steuern. Können diese Kosten nicht mehr erwirtschaftet werden, wird eine Mine
unren¬tabel, sie wird früher später schließen müssen.
Und einen solchen Trend sehen wir derzeit im Ansatz, da
viele Rohstoffe bei ihrer Produktion unter ihre sogenannten Grenzkosten
gefallen sind. Das heißt, jede Tonne an zu-sätzlichen Erzen, die gefördert
wird, erwirtschaftet am Markt nicht mehr ihre Unkosten, die bei der Produktion
angefallen sind. Eine Produktionsausweitung macht damit keinen Sinn mehr, ganz
im Gegenteil: Um die Kosten zu reduzieren, muss die Produktion sogar
eingeschränkt wer-den. Dadurch können Arbeiter entlassen, Energie eingespart
werden. Eine Situation, die derzeit etwa bei Nickel vorzu-finden ist. Experten
zufolge liegen die Grenzproduktions-kosten für Nickel in China etwa im Bereich
von 15.000 US-Dollar je Tonne. Tatsächlich notiert Nickel aber derzeit unter
10.000 US-Dollar.
Noch wird die Produktion aufrechterhalten, etwa um
be-stehende Lieferverträge zu bedienen oder weil Peking mit Subventionen
kräftig nachhilft. Doch mittelfristig wird man um Produktionskürzungen nicht
herumkommen. Eine Ein-schätzung, die auch von einem der weltweit führenden
Nickelproduzenten anscheinend geteilt wird. Norilsk Nickel schreibt im aktuellen
Halbjahresbericht: „Wir sind für die nahe Zukunft vorsichtig optimistisch für
den Nickelpreis
weil über 60 Prozent der weltweiten Minen Verluste machen.
[A Wir sehen einen zunehmenden Druck vor allem auf die Minen, die hohe Kosten
haben, ihre Produk¬tion zu kürzen."
Fazit. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass der
Roh-stoffmarkt im Allgemeinen nach wie vor gut versorgt ist, tendenziell sogar
überversorgt. Noch haben die Minen ihre
Produktionen nicht gedrosselt, versuchen sogar hier und da,
das schlechte Marktumfeld mit steigenden Produktio¬nen zu überbrücken. Das wird
auf Dauer aber nicht klappen, Produktionskürzungen sind unausweichlich und
dürften unmittelbar bevorstehen.
Das heißt unter dem Strich aber auch, dass das Umfeld für
Rohstoffe noch eine Zeit lang schwierig bleiben wird. Es ist zu befürchten,
dass auch 2016 ganz im Zeichen der Kon-solidierung stehen könnte. Dabei werden
einige Rohstoffe neue Tiefs in ihrer Preisentwicklung sehen, andere haben diese
eventuell schon hinter sich. Erst 2017/2018 könnte eine Phase kommen, in der
ein schrumpfendes Angebot auf eine steigende Nachfrage trifft, wenn denn die
Weltwirt-schaft und China „mitspielen". Erst dann wäre der Boden für einen
neuen breiten Aufwärtszyklus in der Preisent¬wicklung bei Rohstoffen bereitet.
Das heißt aber zusätzlich, dass sich Anleger, die Zeit und Geduld mitbringen,
schon jetzt auf die Lauer legen und bei extremer Schwäche den einen oder
anderen Rohstoff einsammeln können
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