Mittelmeer-Küste zwischen Canakkale und Antalya
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/UVs1x_1AfmI
Über 2500 Kilometer erstreckt sich die türkische
Mittelmeerküste zwischen Canakkale und Antalya. Ein besonders schöner Abschnitt
liegt zwischen Izmir und Antalya und kann gut per Auto erkundet werden.
4 Was wurde
hier früher gebaut! Allein dieses Ephesos! 3000 Jahre alt und noch immer viel
beein-druckender als alles, was heutzutage an dieser Küste an Neubauten
hingestellt wird. Ephesos war früher eine echte Metropole, Dreh- und
Angel¬punkt der kleinasiatischen Welt und Heimat von 250.000 Menschen. Da
wundert man sich nicht, dass die vier oder fünf Busladungen
Nebensaison-Touristen heute nicht wirklich auffallen. Die meis¬ten bleiben
gleich im Amphitheater. Dabei ist Ephesos viel größer und man muss aufpassen,
dass man sich nicht verläuft. Und die vielen Katzen wol¬len auch alle gekrault
werden.
Ihre Nichten und Neffen warten dann später im
Fischrestaurant in Kusadasi. Tagsüber sind hier ziemlich viele
Kreuzfahrttouristen unterwegs, aber abends essen sie alle auf ihren Schiffen.
An Land bleiben nur die Einheimischen, und bis zum Ein-treffen der nächsten
Kreuzfahrtschiffe am nächsten Morgen ist Kusadasi eine ganz normale türkische
Stadt. Der Mond steigt auf, das Meer knabbert an der Kaimauer, und alles ist
gut, alles.
Von Kusadasi nach Bodrum
Die Fahrt hinaus aus Kusadasi ist am nächs¬ten Morgen wie
ein Abstecher in einen riesigen
Garten. Wie grün das hier ist! Wiesen und Weiden,
Obstbaumplantagen, Gemüsebeete, und zwischen-drin immer wieder Rapsfelder in
Textmarkergelb. Dass hier alles so prächtig gedeiht, liegt am
nähr-stoffhaltigen Mutterboden, den ein Fluss mit dem schönen Namen Mäander angeschwemmt
hat. Die Erde stammte von den Bergen ringsum, die lange Jahrhunderte kahl waren
- jene Leute, die man heute „die alten Griechen" nennt, hatten nämlich
sämtliche Bäume für den Bau ihrer Kriegs- und Handelsflotten abgeholzt. Deshalb
spülte jeder Regenschauer Mutterboden von den entwaldeten Hängen Richtung
Flusstal. Irgendwann war dann die große Meeresbucht komplett versandet, und all
die schönen Schiffe nutzten nichts mehr, weil die Hafenstädte von einst nur
noch unbekannte Orte irgendwo im Landesinnern waren.
Priene zum Beispiel - schon mal gehört? Ich auch nicht. Alle
anderen anscheinend ebenfalls nicht. Kein Mensch will an diesem Morgen dorthin,
der Ticketverkäufer schläft auf einer Bank, ein paar Schritte neben ihm
knuspern Ziegen die sorgsam gepflanzte Begrünung weg. Zuerst scheint es, als
bestehe Priene bloß aus ein paar alten Mauerresten, aber dann ist da ein Weg
einen Hügel hinauf, und am Ende des Weges liegt eine komplette Stadt in
Trümmern: Tempel, Theater, Wohnhäuser, alles.
Kas besitzt einen winzigen Ortskern mit kleinen Gassen und
liebevoll gepflegten Häusern.
Es ist, als sei man durch ein Zeitloch ins erste Jahrtausend
vor Christi gefallen und zwei Tagt nach einem schlimmen Erdbeben in einer
verlasse. nen Stadt gelandet. Und wenn man auch nur eir klein wenig offen ist
für die Geschichten der Ver. gangenheit, dann kann man ihr Flüstern unc Raunen
an einem Ort wie Priene deutlich hören Man muss nur leise sein und horchen.
Von Bodrum nach Datca
Heute geht es an der Küste entlang weiter auf ei ner kleinen
Straße, die auf der Landkarte einge zeichnet ist. Herrlich ist das. All die
kleiner Dörfer! All die idyllischen Gärten! Und das Meer so nah! Wäre ich
Reiseführer, würde ich glatt be haupten: Nur wer an der Küste entlang trödelt
lernt die wahre Türkei kennen. Anfangs ist aucl noch alles ganz eindeutig
beschriftet. Irgendwani später - so nach 17, 18, 19 Kilometern volle Kurven,
Schlaglöcher und schlafender Hunde ii der Fahrbahnmitte - plötzlich nicht mehr.
All diese Ortsnamen sind mir völlig unbekannt und meiner
Landkarte auch, aber es gibt ja nu diese eine Straße, und es gibt ja nur dieses
ein Meer, immer rechts, immer da. Bis die Straß plötzlich in einem großen
Erdwall endet. Wahr scheinlich wäre es über die Autobahn docl schneller gegangen
nach Datca. Das ist nämlicl das nächste Etappenziel: hinter Marmaris, wei
draußen auf der Halbinsel Resadive. Auf der Stre cke hinaus fährt man durch
eine menschenleer Küstenlandschaft, bis sich irgendwann Datca der Straße in den
Weg legt. Hier gibt es einen kleinen Hafen, an dem vier oder fünf kleine
Restaurants Platz haben. Und hinter dem Hafen ist man schon wieder raus aus dem
Ort und wieder mit¬tendrin in dieser menschenleeren Küstenland¬schaft. Das ist
natürlich wunderhübsch anzuse¬hen, aber eher unpraktisch, wenn man einen
Riesenhunger hat. Dann kehrt man besser um, und bestellt diese wunderbar
knusprigen Sar¬dinen, welche die Restaurantbesitzer am Hafen auf ihren
Kreidetafeln anpreisen.
Von Datca nach Fethiye
Die Luft klar, die Brise kräftig, das Licht streichelt die
Dinge weich: Fethiye sieht am nächsten Tag aus wie frisch gewaschen. Auch die
Felsengräber, die es hier überall gibt. Man weiß nicht viel über die Menschen,
die sie vor 3000 Jahren in die Berg¬wände gehauen haben, außer, dass diese
Lykier of¬fenbar ein Faible für luxuriöse Grabstätten hatten. Die Gräber von
Fethiye sind vom Rest der Stadt nur durch ein Geländer getrennt, an dem sich
die Alten den Berg hinaufziehen, wenn sie nach Hause wollen. Alle zehn, 20
Meter bleiben sie stehen, schnaufen durch und schauen zu den pompösen Portalen
hinüber. Dann gehen sie wieder zehn oder 20 Meter weiter. Ich gehe auch — und
zwar gerade¬wegs zum Abendessen in die „Hamsi Bar" unten am Hafen. Links
klappern die Leinen der Segel¬schiffe, vorne plärrt ein Fußballreporter aus dem
Fernseher. Der Wirt bringt einen Vorspeisentellerdas Brot kommt frisch vom
Grill, „man muss abends was Warmes im Bauch haben", sagt er. Draußen
knirschen die Yachten im Wind, und man möchte sie einpacken, die „Hamsi
Bar", und zu Hause all diesen charakterlosen Fließband-etablissements mit
ihren ahnungslosen „Haben Sie schon gewählt?"-Bedienungen vor die Nase
setzen, oh ja, das möchte man.
Ich war übrigens schon einmal hier, vor 25 Jahren. Menschen,
die alle zwei oder drei Jahre an der lykischen Küste Urlaub machen, werden das
wahrscheinlich nicht bemerken, aber nach über zwei Jahrzehnten ist man dann
doch ab und an verwundert, wie stark sich das Land an manchen Stellen verändert
hat.
Von Fethiye nach Kas
Etwa 20 Autominuten südöstlich von Fethiye zum Beispiel, am
Vorzeigestrand der Türkei, Ölüdeniz. Nicht, dass es hier in der Nebensaison
irgendwie voll wäre, überhaupt nicht, da liegen nur vier Menschlein in der
zaghaften Sonne am Strand. Hinter diesem aber hat sich ein raumgrei¬fender Ort gebildet,
mit Hotels und Kneipen und Supermärkten, bis zum nächsten Berg reichen die
Häuser und Straßen.
Zum Glück kommt als nächstes dann Kas, und das wird sofort
zum Lieblingsort der türkischen Ägäis-küste ernannt. Der Ortskern ist winzig,
ein kleiner Hafen, ein paar autofreie Gassen mit liebevoll ge-pflegten Häusern,
die inmitten der Palmen und Blüten und Kakteen zu verschwinden scheinen. Jeder
Barbetreiber und Restaurantbesitzer hat sich Details einfallen lassen, um sich
von den Mitbe-werbern abzuheben, ein aufgestelltes Ruderboot, Stühle in allen
möglichen Farben, Tischdecken in sieben unterschiedlichen Blautönen. Zauberhaft
ist das, ganz zauberhaft.
Von Kas nach Antalya
Am Hafen von Ücagiz freut sich ein älterer Kapi¬tän darüber,
dass er einen Besucher durch die Bucht von Kekova schippern kann. Er hat seine
Frau mit an Bord gebracht, sie sitzt im Heck, schält Kartoffeln und singt
leise, als wir übers Meer brot-teln. Die Inselwelt um Kekova gehört zu den
ma-gischsten Ecken der lykischen Küste. Das Wasser ist blau wie ein
Hustenbonbon und glasklar, man kann die Reste einer versunkenen Stadt am
Meeresboden sehen, über die Schwärme klei¬ner Fische treiben. Ein paar hundert
Meter über dem Wasser liegt Simena, eine Inselstadt mit mächtiger Burg und
kleinen weißen Booten im Hafen. Auf der anderen Seite öffnet sich die kleine,
schmale Bucht zum großen, weiten Mittelmeer.
Es ist ein bisschen so, als habe die türkische Küste an
einem Ort wie diesem ihre ganze Schönheit gebündelt. Als wolle sie zeigen, wie
viel es an ihr zu entdecken gibt. Wenn man denn mehr Zeit hätte. Bis zum
östlichen Ende der türkischen Küste sind es von Antalya, dem heutigen
Etap¬penziel, noch immer 750 Kilometer.
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