Mittwoch, 16. September 2015

Mittelmeer-Küste zwischen Canakkale und Antalya


Mittelmeer-Küste zwischen Canakkale und Antalya

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/UVs1x_1AfmI

Über 2500 Kilometer erstreckt sich die türkische Mittelmeerküste zwischen Canakkale und Antalya. Ein besonders schöner Abschnitt liegt zwischen Izmir und Antalya und kann gut per Auto erkundet werden.

4         Was wurde hier früher gebaut! Allein dieses Ephesos! 3000 Jahre alt und noch immer viel beein-druckender als alles, was heutzutage an dieser Küste an Neubauten hingestellt wird. Ephesos war früher eine echte Metropole, Dreh- und Angel¬punkt der kleinasiatischen Welt und Heimat von 250.000 Menschen. Da wundert man sich nicht, dass die vier oder fünf Busladungen Nebensaison-Touristen heute nicht wirklich auffallen. Die meis¬ten bleiben gleich im Amphitheater. Dabei ist Ephesos viel größer und man muss aufpassen, dass man sich nicht verläuft. Und die vielen Katzen wol¬len auch alle gekrault werden.

Ihre Nichten und Neffen warten dann später im Fischrestaurant in Kusadasi. Tagsüber sind hier ziemlich viele Kreuzfahrttouristen unterwegs, aber abends essen sie alle auf ihren Schiffen. An Land bleiben nur die Einheimischen, und bis zum Ein-treffen der nächsten Kreuzfahrtschiffe am nächsten Morgen ist Kusadasi eine ganz normale türkische Stadt. Der Mond steigt auf, das Meer knabbert an der Kaimauer, und alles ist gut, alles.

Von Kusadasi nach Bodrum

Die Fahrt hinaus aus Kusadasi ist am nächs¬ten Morgen wie ein Abstecher in einen riesigen

 

Garten. Wie grün das hier ist! Wiesen und Weiden, Obstbaumplantagen, Gemüsebeete, und zwischen-drin immer wieder Rapsfelder in Textmarkergelb. Dass hier alles so prächtig gedeiht, liegt am nähr-stoffhaltigen Mutterboden, den ein Fluss mit dem schönen Namen Mäander angeschwemmt hat. Die Erde stammte von den Bergen ringsum, die lange Jahrhunderte kahl waren - jene Leute, die man heute „die alten Griechen" nennt, hatten nämlich sämtliche Bäume für den Bau ihrer Kriegs- und Handelsflotten abgeholzt. Deshalb spülte jeder Regenschauer Mutterboden von den entwaldeten Hängen Richtung Flusstal. Irgendwann war dann die große Meeresbucht komplett versandet, und all die schönen Schiffe nutzten nichts mehr, weil die Hafenstädte von einst nur noch unbekannte Orte irgendwo im Landesinnern waren.

Priene zum Beispiel - schon mal gehört? Ich auch nicht. Alle anderen anscheinend ebenfalls nicht. Kein Mensch will an diesem Morgen dorthin, der Ticketverkäufer schläft auf einer Bank, ein paar Schritte neben ihm knuspern Ziegen die sorgsam gepflanzte Begrünung weg. Zuerst scheint es, als bestehe Priene bloß aus ein paar alten Mauerresten, aber dann ist da ein Weg einen Hügel hinauf, und am Ende des Weges liegt eine komplette Stadt in Trümmern: Tempel, Theater, Wohnhäuser, alles.

 

Kas besitzt einen winzigen Ortskern mit kleinen Gassen und liebevoll gepflegten Häusern.

Es ist, als sei man durch ein Zeitloch ins erste Jahrtausend vor Christi gefallen und zwei Tagt nach einem schlimmen Erdbeben in einer verlasse. nen Stadt gelandet. Und wenn man auch nur eir klein wenig offen ist für die Geschichten der Ver. gangenheit, dann kann man ihr Flüstern unc Raunen an einem Ort wie Priene deutlich hören Man muss nur leise sein und horchen.

Von Bodrum nach Datca

Heute geht es an der Küste entlang weiter auf ei ner kleinen Straße, die auf der Landkarte einge zeichnet ist. Herrlich ist das. All die kleiner Dörfer! All die idyllischen Gärten! Und das Meer so nah! Wäre ich Reiseführer, würde ich glatt be haupten: Nur wer an der Küste entlang trödelt lernt die wahre Türkei kennen. Anfangs ist aucl noch alles ganz eindeutig beschriftet. Irgendwani später - so nach 17, 18, 19 Kilometern volle Kurven, Schlaglöcher und schlafender Hunde ii der Fahrbahnmitte - plötzlich nicht mehr.

All diese Ortsnamen sind mir völlig unbekannt und meiner Landkarte auch, aber es gibt ja nu diese eine Straße, und es gibt ja nur dieses ein Meer, immer rechts, immer da. Bis die Straß plötzlich in einem großen Erdwall endet. Wahr scheinlich wäre es über die Autobahn docl schneller gegangen nach Datca. Das ist nämlicl das nächste Etappenziel: hinter Marmaris, wei draußen auf der Halbinsel Resadive. Auf der Stre cke hinaus fährt man durch eine menschenleer Küstenlandschaft, bis sich irgendwann Datca der Straße in den Weg legt. Hier gibt es einen kleinen Hafen, an dem vier oder fünf kleine Restaurants Platz haben. Und hinter dem Hafen ist man schon wieder raus aus dem Ort und wieder mit¬tendrin in dieser menschenleeren Küstenland¬schaft. Das ist natürlich wunderhübsch anzuse¬hen, aber eher unpraktisch, wenn man einen Riesenhunger hat. Dann kehrt man besser um, und bestellt diese wunderbar knusprigen Sar¬dinen, welche die Restaurantbesitzer am Hafen auf ihren Kreidetafeln anpreisen.

Von Datca nach Fethiye

Die Luft klar, die Brise kräftig, das Licht streichelt die Dinge weich: Fethiye sieht am nächsten Tag aus wie frisch gewaschen. Auch die Felsengräber, die es hier überall gibt. Man weiß nicht viel über die Menschen, die sie vor 3000 Jahren in die Berg¬wände gehauen haben, außer, dass diese Lykier of¬fenbar ein Faible für luxuriöse Grabstätten hatten. Die Gräber von Fethiye sind vom Rest der Stadt nur durch ein Geländer getrennt, an dem sich die Alten den Berg hinaufziehen, wenn sie nach Hause wollen. Alle zehn, 20 Meter bleiben sie stehen, schnaufen durch und schauen zu den pompösen Portalen hinüber. Dann gehen sie wieder zehn oder 20 Meter weiter. Ich gehe auch — und zwar gerade¬wegs zum Abendessen in die „Hamsi Bar" unten am Hafen. Links klappern die Leinen der Segel¬schiffe, vorne plärrt ein Fußballreporter aus dem Fernseher. Der Wirt bringt einen Vorspeisentellerdas Brot kommt frisch vom Grill, „man muss abends was Warmes im Bauch haben", sagt er. Draußen knirschen die Yachten im Wind, und man möchte sie einpacken, die „Hamsi Bar", und zu Hause all diesen charakterlosen Fließband-etablissements mit ihren ahnungslosen „Haben Sie schon gewählt?"-Bedienungen vor die Nase setzen, oh ja, das möchte man.

Ich war übrigens schon einmal hier, vor 25 Jahren. Menschen, die alle zwei oder drei Jahre an der lykischen Küste Urlaub machen, werden das wahrscheinlich nicht bemerken, aber nach über zwei Jahrzehnten ist man dann doch ab und an verwundert, wie stark sich das Land an manchen Stellen verändert hat.

Von Fethiye nach Kas

Etwa 20 Autominuten südöstlich von Fethiye zum Beispiel, am Vorzeigestrand der Türkei, Ölüdeniz. Nicht, dass es hier in der Nebensaison irgendwie voll wäre, überhaupt nicht, da liegen nur vier Menschlein in der zaghaften Sonne am Strand. Hinter diesem aber hat sich ein raumgrei¬fender Ort gebildet, mit Hotels und Kneipen und Supermärkten, bis zum nächsten Berg reichen die Häuser und Straßen.

Zum Glück kommt als nächstes dann Kas, und das wird sofort zum Lieblingsort der türkischen Ägäis-küste ernannt. Der Ortskern ist winzig, ein kleiner Hafen, ein paar autofreie Gassen mit liebevoll ge-pflegten Häusern, die inmitten der Palmen und Blüten und Kakteen zu verschwinden scheinen. Jeder Barbetreiber und Restaurantbesitzer hat sich Details einfallen lassen, um sich von den Mitbe-werbern abzuheben, ein aufgestelltes Ruderboot, Stühle in allen möglichen Farben, Tischdecken in sieben unterschiedlichen Blautönen. Zauberhaft ist das, ganz zauberhaft.

Von Kas nach Antalya

Am Hafen von Ücagiz freut sich ein älterer Kapi¬tän darüber, dass er einen Besucher durch die Bucht von Kekova schippern kann. Er hat seine Frau mit an Bord gebracht, sie sitzt im Heck, schält Kartoffeln und singt leise, als wir übers Meer brot-teln. Die Inselwelt um Kekova gehört zu den ma-gischsten Ecken der lykischen Küste. Das Wasser ist blau wie ein Hustenbonbon und glasklar, man kann die Reste einer versunkenen Stadt am Meeresboden sehen, über die Schwärme klei¬ner Fische treiben. Ein paar hundert Meter über dem Wasser liegt Simena, eine Inselstadt mit mächtiger Burg und kleinen weißen Booten im Hafen. Auf der anderen Seite öffnet sich die kleine, schmale Bucht zum großen, weiten Mittelmeer.

Es ist ein bisschen so, als habe die türkische Küste an einem Ort wie diesem ihre ganze Schönheit gebündelt. Als wolle sie zeigen, wie viel es an ihr zu entdecken gibt. Wenn man denn mehr Zeit hätte. Bis zum östlichen Ende der türkischen Küste sind es von Antalya, dem heutigen Etap¬penziel, noch immer 750 Kilometer.

 





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