Wohin entwickelt sich die Fotographie?
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/EV-ECYT1o3g
Immer mehr Bilder, aber immer weniger verkaufte Kameras.
Das bereitet der Fotoindustrie Sorgen. -Wie wehrt sie sich
am
besten gegen die Konkurrenz der smarten Mobilgeräte, die
Bilder machen können
beiden Nachrichten schlu¬gen fast gleichzeitig auf: Gera-.
de schaffte es der Streaming-Dienst Spotify bis in die Radio¬nachrichten mit
der Mitteilung, dass er sich auf dem -Wege einer Änderung sei¬ner
Nutzungsbedingungen als Datenkra¬ke neu erfinde. Da hatte der in Frankfurt
ansässige deutsche Photoindustrie-Ver¬band am schicken Düsseldorfer Hafen einer
Handvoll Fachjournalisten bereits erläutert, wie er die Zukunft des
„Ima-ging" sehe.
Das klang in einer Erklärung des Vor¬standsvorsitzenden Rainer
Führes unter der Überschrift „Die Rückkehr der Bil¬der-Hoheit" im Auszug
so: „Wir gehen davon aus, dass in Zukunft nicht nur die technischen
Aufnahmedaten von Bildern, die sogenannten Exif-Dateien, gespei¬chert werden,
sondern dass auf Kommu¬nikationsplattformen wie Facebook, Ins-tagram oder
Google relevante Bildinhalte erkannt und analysiert werden können. Dadurch wird
es möglich sein, Profile über die Autoren der Bilder zu erstellen, Vorlieben zu
identifizieren, Vernetzun-gen mit anderen Personen zu erkennen und dadurch
letztlich Konsum- und Ver¬haltensmuster zu definieren - ähnlich wie sie
Plattformen wie Paypal über das Kauf¬verhalten der Menschen anlegen. Dies
be¬deutet: Wer die Hoheit über die Bilder ¬und damit deren Daten - hat, der
verfügt über ein enormes Wertschöpfungspoten-tial. Wir sind davon überzeugt,
dass die Imagingbranche wesentliche Teile der Bil¬der-Hoheit zurückerlangen
wird, da sie über die notwendigen Ideen, Technolo¬gien und Erfahrungen verfügt,
um den Konsumenten attraktive Bildservices an¬zubieten und um die Bilddaten
qualifi¬ziert zu analysieren." Hallo, willkommen im Club der Datenkraken?
Einige kurze Erläuterungen: Der Pho¬toindustrie-Verband ist
ein eingetragener Verein mit etwa fünfzig Mitgliedern. Ver¬treten sind nicht
nur die in dieser Zahl kaum mehr existierende deutsche fotogra¬fische
Industrie, sondern ebenso die den Markt dominierenden fernöstlichen Her¬steller
sowie einheimische Zubehöranbie¬ter und Dienstleister. Der
Photoindus¬trie-Verband ist Träger der in Köln nächs¬tes Jahr wieder
stattfindenden Messe Pho-tokina, die beansprucht, für die ganze Welt die
Leitmesse der Branche zu sein, die sich auch auf Deutsch mit dem Be¬griff
Imaging schmückt. Der im Mai ge-wählte Vorstandsvorsitzende des
Photoin-dustrieLVerbands Rainer Führes ist im Hauptberuf seit Jahresbeginn
Geschäfts¬führer von Canon Deutschland. Canon ist bei Kameras mit
-Wechselobjektiven seit elf Jahren Marktführer.
Obwohl noch nie so viele Fotos von so vielen Menschen
gemacht und in der Weltgeschichte herumgereicht wurden wie heute, sieht sich
vor allem die klassi¬sche, die Kameras und Objektive bauen¬de Fotoindustrie
sinkenden Zahlen gegenŸber. Am graviereruken ist das bei den Allerweltskameras
der Kompaktklasse, aus der sich manche Hersteller bereits so gut wie
vollständig zurückgezogen haben: 2010 wurden noch ro8 Millionen Kameras ohne
Wechseloptik gebaut, 2014 waren es nur noch 29 Millionen, ein Rückgang um 73
Prozent. Bei Spiegelreflexkameras (DSLR) und spiegellosen Systemkameras (DSLM)
lag der Peak mit 21 Millionen produzierter Gehäuse im Jahr 2012, aber im
vergangenen Jahr sank die Zahl auf 13 Millionen Einheiten. Nimmt man alle
Ka¬meras zusammen, dann betrug allein der Rückgang der Produktion von 2013 zu
2014 31 Prozent. Bei den DSLM blieb der Absatz mit vier Millionen Einheiten im
gleichen Zeitraum konstant und ist gegenŸber den vier Millionen im Jahr 2012
nur leicht gesunken. Allerdings bleibt er sehr weit hinter den noch 2012
gemachten Pro¬gnosen zurück, die für 2014 dreizehn Mil¬lionen verkaufte DSLM
erwartet hatten. Um knapp ein Viertel gingen im vergan¬genen Jahr die Verkäufe
von Spiegelreflex¬kameras zurück. Es ist nur logisch, dass auch Produktion und
Absatz von Wechsel-objektiven rückläufig sind.
Angesichts dieser im Mai von der Zeit¬schrift „Fotomagazin"
veröffentlichten Zahlen gibt es eine klare Schuldzuwei¬sung und überwiegend
eher unoriginell ausfallende Rezepte dafür, die Richtung der Entwicklung
umzukehren. Schließ-lich sind vor allem die Hersteller der Hardware nicht etwa
müßig, sondern bringen in immer kürzeren Abständen
Die Typenbezeichnungen der OM-D-Serie von Olympus werden
immer
läncrer Narl-i(lAm eine 7vL 4r TT
immer raffiniertere optische Digitaltecr nik auf den Markt.
Die soll beispielsweis mit zeitlich befristeten Rabattaktion wie den
Cashback-Kampagnen dem Käs fer aufgenötigt werden. Und Schuld der ganzen Misere
soll das Smartphon als allgegenwärtiger Kameraersatz sein Es war sicher eher
ein ironischer Akzen aber eben nicht nur dies, dass Canon-M nager Führes
während der erwähnten Ve: anstaltung die Runde der Journaliste mit der
Panoramafunktion seines Smar phones ablichtete. Er dagegen wurde n türlich mit
ausgewachsenen Digitaltram ras fotografiert, bekannte aber frennüti, dass er
das Breitwand-Knipsen mit der Smartphone einfach möge - auch wen die
Bildqualität eher bescheiden sei.
Diese Überlegenheit dezidierter Kr meras, die heute längst
nicht mehr s groß ist wie zu der Zeit, als das Smart phone aufkam, ist ein
weiterer Ansatz punkt
Entwicklung einerseits den sich rasch etablie-renden und
ebenso rasch wechselnden Moden der iGeneration hinterher und versucht
andererseits durch stetiges Kom-plexerwerden der Geräte den Abstand zum
Smartphone in etwa gleich zu hal-ten. Wohin genau der Photoindustrie-Ver-band
bei der für 2016 angekündigten Neu-ausrichtung der Photokina will, sagte
Füh-res leider nicht. Es blieb ebenso unklar, welche neuen Dienste, abgesehen
von si-cheren Cloud-Speichern und dem - bei Profis längst üblichen - Verleih
von teu-rem Equipment auch an Hobbyfotogra-fen unter der Überschrift „Sharing
Eco-nomy", das beschworene „Imaging-Öko-system" bilden könnten.
Olaf Kreuter leitet bei Olympus das Consumer Marketing in
der D-A-CH-Re-gion. Auch er sieht wie Canon-Manager Führes die Industrie in der
Pflicht, sich zu bewegen: Sie soll die kreative Fotogra-fie erlebbar machen.
Und so bemüht sich Olympus schon seit mehreren Jahren zu vermitteln, dass
Fotografieren etwas ganz anderes ist als das schnelle Bildermachen und
-verbreiten mit dem Handy. Neben Workshops, Schulungen in Zusammen-hang mit dem
Handel, Internetforen und leibhaftigen Begegnungen mit Benutzern sind ein
wesentliches Instrument die in ' Metropolen als „Photography Play-ground"
veranstalteten interaktiven Kunstausstellungen. Mit diesen Events hat Olympus
im vergangenen Jahr über izo 000 überwiegend jüngere Menschen in Städten wie
Hamburg, Berlin, Amster-dam und Zürich erreicht.
Der
Eintritt ist frei. Die Besucher bekommen
für die Dauer des Ausstellungsbesuchs
eine Kamera geliehen, natürlich eine von
— Olympus, und zwar eine bessere, und sie
Inehmen anschließend die Speicherkarte mit ihren Bildern mit
nach Hause. An den einzelnen Stationen gibt ein Team — Hilfestellung, erklärt
die Kamerabedie-
nung und macht Vorschläge, welche Funktionen der Kamera man
bei dem je-weiligen Kunstobjekt ausprobieren sollte. Jeder Playground hat seine
eigene The-
' matik und jeweils neue Installationen.
Gerade hat mitten in München (im Mixed Munich Arts,
Katharina-von-Bora-Straße 8a) eine solche fotografische Spielwiese eröffnet.
Vor der Vernissage präsentiert Olympus noch flink der Fach-presse eine neue
Kamera (siehe nebenan) unter dem Siegel der Verschwiegenheit bis zum nächsten
Morgen, und dann ist Party. Der Hauptunterschied zu einer an¬deren Vernissage
ist der, dass die Handy-knipser in der absoluten Minderheit sind.
„Es geht uns darum, die Besucher et¬was Schönes mit unseren
Kameras erle¬ben zu lassen", sagt Olaf Kreuter. „Sie sollen kennenlernen,
wie es sich anfühlt, wenn sie wirklich tolle Fotos machen können. Sie begreifen
dann schnell, dass mit einer kreativen Ansprüchen genügen¬den Kamera komplett
andere Ergebnis¬se als mit dem Handy erzielt werden. Dieses Erlebnis ist der
sicherste Weg, sie zu überzeugen, dass Fotografieren et-was anderes ist als
sein Smartphone hochhalten und abdrücken. Wer aber das erst einmal erlebt hat,
der bekommt auch zu seinen Bildern ein völlig neues Verhältnis - Wertschätzung
tritt an die Stelle der Beliebigkeit von schnell ge-schossenen, geposteten und
ebenso schnell vergessenen Bildern."
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