Die Rohstoff-Preise fallen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/yk9WSUVloKQ
Einbruch der Rohstoffpreise
Was steckt dahinter?
Der seit vier Jahren andauernde Rückgang der Rohstoffpreise
hat zuletzt spürbar an Dynamik gewonnen. Viele Industrierohstoffe sind derzeit
so billig wie zuletzt vor sechs Jahren. Wir führen die Preisschwäche auf eine
Kombination mehrerer Faktoren wie der US-Dollar-Stärke, der Sorgen hinsichtlich
der Entwicklung in China und der spekulativen Verkäufe zurück. Dazu sind die
meisten Rohstoffmärkte aufgrund eines steigenden Angebots überversorgt. Aktuell
sehen wir bereits Anzeichen einer Übertreibung. Denn die Rohstoffnachfrage in
China ist keineswegs eingebrochen, sondern wächst nur etwas langsamer. Zudem
ist die Produktion vieler Rohstoffe bei gegenwärtigen Preisen nicht mehr
profitabel, was zu einer Einschränkung des Angebots führen sollte. Wir rechnen
daher mit einer Preiserholung bis zum Jahresende.
Seit Anfang Juli hat der bereits seit 2011 anhaltende
Preisrückgang an den Rohstoffmärkten an Dynamik gewonnen. Mittlerweile sind die
meisten Industrie-rohstoffe so günstig wie zuletzt in der Wirtschafts-und
Finanzkrise 2008/2009. Der CRB-Rohstoffindex liegt inzwischen sogar auf dem
niedrigsten Stand seit 121/2 Jahren (Grafik 1). Im Juli verzeichnete der
CRB-Index den stärksten Monatsrückgang seit fast vier Jahren. Gleich mehrere
Faktoren sind für die Preisschwäche verantwortlich. Als Erstes ist der deutlich
aufwertende US-Dollar zu nennen. Denn zwischen US-Dollar und Rohstoffpreisen
besteht seit Jahren eine recht stabile negative Korrelation. Der starke
US-Dollar kann die Schwäche der Rohstoff-preise aber nicht allein erklären.
Denn auch in Euro gerechnet liegen die Rohstoffindizes seit Jahresbe¬ginn
inzwischen im Minus. Als weiterer Belastungs¬faktor kam der Aktiencrash in
China hinzu. Seit Mitte Juni haben die wichtigsten Aktienindizes im Reich
der Mitte knapp 30 Prozent verloren. Ende Juli erlit-ten die
chinesischen Aktienmärkte sogar den stärks-ten Tageseinbruch seit acht Jahren.
Chinesische Anleger, welche am Ende des vorherigen Booms Aktien auf Kredit
gekauft hatten, dürften empfind-liche Verluste erlitten haben. In der Folge
könnte es zu Zwangsverkäufen auch bei Rohstoffen gekommen sein, um diese
Verluste auszugleichen.
Zudem haben der Absturz der chinesischen Aktien-märkte und
die Abwertung des Renmimbi die Sorgen hinsichtlich einer harten Landung der
chinesischen Wirtschaft verstärkt. Für die Rohstoffnachfrage wäre eine solche
schwerwiegend, da China bei vielen Industrierohstoffen der mit Abstand
wichtigste Nach-frager ist. So stellt China bei den meisten Metallen etwa die
Hälfte der weltweiten Nachfrage. Bei Rohöl war China in den letzten Jahren für
etwa ein Drittel des Anstiegs der weltweiten Nachfrage verantwortlich.
Von einem Einbruch der Rohstoffnachfrage, der den jüngsten
Preisverfall rechtfertigen könnte, kann aber keine Rede sein. China importierte
im ersten Halb¬jahr weiterhin große Mengen an Rohstoffen. So lagen die
Rohölimporte in den ersten sieben Monaten des Jahres gut 10 Prozent höher als
im entsprechenden Vorjahreszeitraum und erreichten zudem ein Rekord-niveau
(Grafik 2). Die Eisenerzimporte blieben im ersten Halbjahr in etwa auf dem
Niveau des Vorjahres.
Der Preisrückgang in den letzten Wochen war daher vor allem
der Angst vor einem Einbruch der chine-sischen Nachfrage geschuldet und zudem
stark spekulativ getrieben. So halten die Hedgefonds und andere Großanleger bei
vielen Rohstoffen bereits sehr große (Nettc-iShc.n-Posiüonen. setzen also auf
weiter fallende Preise. Bei WTI bestehen mittlerweile die niedrigsten
Netto-Long-Positionen seit Ende 2012, bei Kupfer die höchsten
Netto-Short-Positionen seit Frühjahr 2013 (Grafik 3). Bei Gold und Silber
bestehen die höchsten Netto-Short-Positionen seit Beginn der Datenreihe im Jahr
2006, bei Gold sogar zum ersten Mal überhaupt. In der Vergangen¬heit haben sich
diese Anleger allerdings oft sehr prozyklisch verhalten: Nahe den Preistiefs
waren sie oft zu pessimistisch, nahe den Hochs zu opti¬mistisch. Ihre
Positionierung könnte also auf eine kurzfristige Gegenbewegung bei den Preisen
hin-deuten. Einen kräftigen Aderlass gab es auch bei den börsengehandelten
Rohstofffonds und hier ins-besondere bei den Gold-ETFs. Deren Bestände sind im
Juli um gut 70 Tonnen gesunken, was dem stärks¬ten Rückgang innerhalb eines
Monats seit Dezember 2013 entsprach.
Preisverfall der meisten Rohstoffe ist fundamen¬tal
betrachtet auf ein Überangebot zurückzuführen. Besonders augenfällig ist dies
bei Rohöl. Trotz einer stärker als erwarteten Nachfrage und einer rekordho-hen
Rohölverarbeitung in den beiden größten Ver-brauchsländern USA und China
übertraf das globale Angebot die Nachfrage IEA-Schätzungen zufolge im ersten
Halbjahr um ca. 2,5 Millionen Barrel pro Tag (Grafik 4). Der Grund hierfür
liegt in der gleichzeiti¬gen deutlichen Ausweitung des Ölangebots durch die
OPEC und der bislang nur sehr schleppenden Verrin-gerung der US-Ölproduktion.
Die Aussicht auf eine Lockerung der Ölsanktionen gegen den Iran hat die
Hoffnungen auf einen schnellen Abbau des Überan-gebots zudem schwinden lassen.
Eindeutig angebots-getrieben ist auch das Überan-
gebot bei Aluminium. Im ersten
Es gibt allerdings auch Rohstoffe, wo die Preisschwä-che in
erster Linie nachfragegetrieben ist. Ein Bei¬spiel hierfür ist Kupfer. So hat
China zwischen Januar und Juli knapp 10 Prozent weniger Kupfer importiert als
im entsprechenden Vorjahreszeitraum (Grafik 5). Für die ersten vier Monate des
Jahres berichtet die International Copper Study Group vor allem aufgrund von
China einen Rückgang der globalen Kupfernach¬frage um 4 Prozent gegenüber dem
Vorjahr. Auch bei den Edelmetallen ist die negative Preisentwicklung
größtenteils auf eine schwächere Nachfrage zurück¬zuführen. In China lagen die
Goldimporte in den ersten sechs Monaten 17 Prozent niedriger als im Zudem kam
es zu den besagten Verkäufen Gold-ETFs. Platin und Palladium macht eine
schwächelnde Nachfrage in
China zu schaffen. Dort wächst
Halbjahr summierte sich die globale Aluminiumproduktion dem
International Aluminium Institute zufolge auf rekordhohe 28,592 Millionen
Tonnen. Auf China entfielen dabei fast
der Automarkt deutlich langsa-mer als in den letzten Jahren,
was sich bremsend auf die Nachfrage nach Platin und Palladium auswirken dürfte,
welche in der Produktion von
55 Prozent der produzierten
Gesamtmenge. Industriekreisen zufolge wurden in China im
ersten Halbjahr mehr als 2 Millionen Ton¬nen pro Jahr an neuen
Produktionskapazitäten in Betrieb genommen. Im zweiten Halbjahr sollen
noch¬mals 3 Millionen Tonnen p.a. hinzukommen. Die Aluminiumnachfrage in China
kann damit nicht Schritt halten, sodass China das Überangebot auf den Weltmarkt
exportiert. Auch das Überangebot bei Eisenerz ist angebotsgetrieben, da die
Produktions¬kapazitäten in Australien durch die Inbetriebnahme einer neuen Mine
und die Erweiterung bestehender Minen deutlich erweitert wurden. Zusätzlich
ange¬botssteigernd wirken die schwachen Währungen der beiden wichtigsten
Eisenerzproduzentenländer Aus¬tralien und Brasilien, was die Kostenbasis
entlastet.
Katalysatoren verwendet wer-den. China importierte im ersten
Halbjahr bereits deutlich weniger Palladium als im Vorjahr. Eine Aus-nahme bei
den Edelmetallen stellt Silber dar. Das Silver Institute geht für 2015 von
einem Nachfrage-anstieg in fast allen relevanten Bereichen aus.
Während der Preisrückgang der letzten Jahre mit dem
schwächeren Nachfragewachstum und der star¬ken Angebotsausweitung im Einklang
stand, erachten wir die jüngste negative Preisdynamik als übertrie¬ben. Viele
Rohstoffpreise sind mittlerweile so niedrig, dass ein signifikanter Teil der
Produktion bereits unprofitabel ist. Eigentlich müssten die Preise lang¬liche
Produktion. Denn die Rohstoffnachfrage steicr. nahezu ausnahmslos jedes Jahr.
das heißt. es wird stets neue Produktion von Stahl. Kupfer. Platin oder Rohöl
benötigt. Der Abstand der Preise zu den Grenz-produktionskosten bei einigen
Rohstoffen ist aktuell bereits so hoch, dass dieser durch Effizienzsteige-rung
und Ausgabenkürzungen nicht mehr gedeckt werden kann. Ein Paradebeispiel dafür
sind Nickel oder Platin, bei denen die gesamten Produktionskos¬ten teilweise um
30 bis 40 Prozent höher als die aktu¬ellen Preise liegen dürften (Grafik 6).
Zwar können die Rohstoffproduzenten sich über einen bestimmten Zeitraum gegen
fallende Preise absichern und auch für eine gewisse Zeit operative Verluste
ertragen. Auf Dauer geht dies allerdings nicht, sofern nicht wie im Falle der
Aluminiumproduzenten in China großzügige staatliche Subventionen gewährt
werden.
Es dürfte daher bei vielen Rohstoffen in den kom-menden
Monaten zu umfangreichen Produktions-kürzungen kommen. Bei Nickel sind bereits
erste negative Auswirkungen bei der Nickelroheisenpro-duktion in China
sichtbar. Aus diesem Grund haben sich die chinesischen Nickelimporte zwischen
April
und Juni gegenüber dem Vorquartal mehr als verdrei-facht.
Bei Platin dürfte es wegen der niedrigen Preise zu weiteren Minenschließungen
in Südafrika kom-men. Die Gewerkschaften werden dies kaum wider-spruchslos
akzeptieren, sodass in der südafrikani-schen Minenindustrie neuerliche
Arbeitskämpfe und Produktionsausfälle drohen. Südafrika stellt 75 Pro-zent des
weltweiten Minenangebots von Platin. Auch bei der US-Rohölproduktion zeigen
sich inzwischen sichtbare Bremsspuren. Diese ist Mitte Juli so stark gefallen
wie seit Jahren nicht, wenn man von kurzzei-tigen wetterbedingten Rückgängen in
den Vorjahren absieht (Grafik 7). Denn seit Jahresbeginn ist die Zahl der
aktiven Ölbohrungen in den USA um mehr als die Hälfte gesunken. Das
Beratungsunternehmen Wood Mackenzie schätzte unlängst, dass von der
Ölindust-rie seit Mitte 2014 Projekte im Wert von 200 Milliar-den US-Dollar
verschoben oder gestrichen wurden. Dies dürfte sich in den kommenden Monaten
und Jahren in einem deutlich geringeren Anstieg der Ölförderung niederschlagen
und zu einer Markt-einengung beitragen.
Wir gehen aufgrund des Abebbens der übertriebenen Sorgen
hinsichtlich der chinesischen Nachfrage und der zu erwartenden Eindeckung von
spekulativen Short-Positionen mittelfristig von steigenden Roh-stoffpreisen
aus. Die sich abzeichnende Einschrän-kung des Angebots sollte den Preisanstieg
ebenfalls unterstützen. Am Ende des Jahres dürften die meis-ten Rohstoffe
deshalb auf einem höheren Preisniveau notieren als aktuell. Kurzfristig könnte
der Druck auf die Rohstoffpreise bestehen bleiben. Dazu könnten auch
eigennützige Maßnahmen der Rohstoffprodu¬zenten beitragen, das heimische
Überangebot mittels Preisnachlässen, der gezielten Abwertung der jewei¬ligen
Währungen und der Gewährung von Exportsub¬ventionen auf den bereits
überversorgten Weltmarkt zu bringen.
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