Donnerstag, 3. September 2015

Die Rohstoff-Preise fallen


Die Rohstoff-Preise fallen

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/yk9WSUVloKQ

Einbruch der Rohstoffpreise

Was steckt dahinter?

Der seit vier Jahren andauernde Rückgang der Rohstoffpreise hat zuletzt spürbar an Dynamik gewonnen. Viele Industrierohstoffe sind derzeit so billig wie zuletzt vor sechs Jahren. Wir führen die Preisschwäche auf eine Kombination mehrerer Faktoren wie der US-Dollar-Stärke, der Sorgen hinsichtlich der Entwicklung in China und der spekulativen Verkäufe zurück. Dazu sind die meisten Rohstoffmärkte aufgrund eines steigenden Angebots überversorgt. Aktuell sehen wir bereits Anzeichen einer Übertreibung. Denn die Rohstoffnachfrage in China ist keineswegs eingebrochen, sondern wächst nur etwas langsamer. Zudem ist die Produktion vieler Rohstoffe bei gegenwärtigen Preisen nicht mehr profitabel, was zu einer Einschränkung des Angebots führen sollte. Wir rechnen daher mit einer Preiserholung bis zum Jahresende.

 

Seit Anfang Juli hat der bereits seit 2011 anhaltende Preisrückgang an den Rohstoffmärkten an Dynamik gewonnen. Mittlerweile sind die meisten Industrie-rohstoffe so günstig wie zuletzt in der Wirtschafts-und Finanzkrise 2008/2009. Der CRB-Rohstoffindex liegt inzwischen sogar auf dem niedrigsten Stand seit 121/2 Jahren (Grafik 1). Im Juli verzeichnete der CRB-Index den stärksten Monatsrückgang seit fast vier Jahren. Gleich mehrere Faktoren sind für die Preisschwäche verantwortlich. Als Erstes ist der deutlich aufwertende US-Dollar zu nennen. Denn zwischen US-Dollar und Rohstoffpreisen besteht seit Jahren eine recht stabile negative Korrelation. Der starke US-Dollar kann die Schwäche der Rohstoff-preise aber nicht allein erklären. Denn auch in Euro gerechnet liegen die Rohstoffindizes seit Jahresbe¬ginn inzwischen im Minus. Als weiterer Belastungs¬faktor kam der Aktiencrash in China hinzu. Seit Mitte Juni haben die wichtigsten Aktienindizes im Reich

 

der Mitte knapp 30 Prozent verloren. Ende Juli erlit-ten die chinesischen Aktienmärkte sogar den stärks-ten Tageseinbruch seit acht Jahren. Chinesische Anleger, welche am Ende des vorherigen Booms Aktien auf Kredit gekauft hatten, dürften empfind-liche Verluste erlitten haben. In der Folge könnte es zu Zwangsverkäufen auch bei Rohstoffen gekommen sein, um diese Verluste auszugleichen.

Zudem haben der Absturz der chinesischen Aktien-märkte und die Abwertung des Renmimbi die Sorgen hinsichtlich einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft verstärkt. Für die Rohstoffnachfrage wäre eine solche schwerwiegend, da China bei vielen Industrierohstoffen der mit Abstand wichtigste Nach-frager ist. So stellt China bei den meisten Metallen etwa die Hälfte der weltweiten Nachfrage. Bei Rohöl war China in den letzten Jahren für etwa ein Drittel des Anstiegs der weltweiten Nachfrage verantwortlich.

Von einem Einbruch der Rohstoffnachfrage, der den jüngsten Preisverfall rechtfertigen könnte, kann aber keine Rede sein. China importierte im ersten Halb¬jahr weiterhin große Mengen an Rohstoffen. So lagen die Rohölimporte in den ersten sieben Monaten des Jahres gut 10 Prozent höher als im entsprechenden Vorjahreszeitraum und erreichten zudem ein Rekord-niveau (Grafik 2). Die Eisenerzimporte blieben im ersten Halbjahr in etwa auf dem Niveau des Vorjahres.

Der Preisrückgang in den letzten Wochen war daher vor allem der Angst vor einem Einbruch der chine-sischen Nachfrage geschuldet und zudem stark spekulativ getrieben. So halten die Hedgefonds und andere Großanleger bei vielen Rohstoffen bereits sehr große (Nettc-iShc.n-Posiüonen. setzen also auf weiter fallende Preise. Bei WTI bestehen mittlerweile die niedrigsten Netto-Long-Positionen seit Ende 2012, bei Kupfer die höchsten Netto-Short-Positionen seit Frühjahr 2013 (Grafik 3). Bei Gold und Silber bestehen die höchsten Netto-Short-Positionen seit Beginn der Datenreihe im Jahr 2006, bei Gold sogar zum ersten Mal überhaupt. In der Vergangen¬heit haben sich diese Anleger allerdings oft sehr prozyklisch verhalten: Nahe den Preistiefs waren sie oft zu pessimistisch, nahe den Hochs zu opti¬mistisch. Ihre Positionierung könnte also auf eine kurzfristige Gegenbewegung bei den Preisen hin-deuten. Einen kräftigen Aderlass gab es auch bei den börsengehandelten Rohstofffonds und hier ins-besondere bei den Gold-ETFs. Deren Bestände sind im Juli um gut 70 Tonnen gesunken, was dem stärks¬ten Rückgang innerhalb eines Monats seit Dezember 2013 entsprach.

Preisverfall der meisten Rohstoffe ist fundamen¬tal betrachtet auf ein Überangebot zurückzuführen. Besonders augenfällig ist dies bei Rohöl. Trotz einer stärker als erwarteten Nachfrage und einer rekordho-hen Rohölverarbeitung in den beiden größten Ver-brauchsländern USA und China übertraf das globale Angebot die Nachfrage IEA-Schätzungen zufolge im ersten Halbjahr um ca. 2,5 Millionen Barrel pro Tag (Grafik 4). Der Grund hierfür liegt in der gleichzeiti¬gen deutlichen Ausweitung des Ölangebots durch die OPEC und der bislang nur sehr schleppenden Verrin-gerung der US-Ölproduktion. Die Aussicht auf eine Lockerung der Ölsanktionen gegen den Iran hat die Hoffnungen auf einen schnellen Abbau des Überan-gebots zudem schwinden lassen. Eindeutig angebots-getrieben ist auch das Überan-

gebot bei Aluminium. Im ersten

 

Es gibt allerdings auch Rohstoffe, wo die Preisschwä-che in erster Linie nachfragegetrieben ist. Ein Bei¬spiel hierfür ist Kupfer. So hat China zwischen Januar und Juli knapp 10 Prozent weniger Kupfer importiert als im entsprechenden Vorjahreszeitraum (Grafik 5). Für die ersten vier Monate des Jahres berichtet die International Copper Study Group vor allem aufgrund von China einen Rückgang der globalen Kupfernach¬frage um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch bei den Edelmetallen ist die negative Preisentwicklung größtenteils auf eine schwächere Nachfrage zurück¬zuführen. In China lagen die Goldimporte in den ersten sechs Monaten 17 Prozent niedriger als im Zudem kam es zu den besagten Verkäufen Gold-ETFs. Platin und Palladium macht eine

schwächelnde Nachfrage in

             China zu schaffen. Dort wächst

 

Halbjahr summierte sich die globale Aluminiumproduktion dem International Aluminium Institute zufolge auf rekordhohe 28,592 Millionen Tonnen. Auf China entfielen dabei fast

 

der Automarkt deutlich langsa-mer als in den letzten Jahren, was sich bremsend auf die Nachfrage nach Platin und Palladium auswirken dürfte, welche in der Produktion von

 

55 Prozent der produzierten

Gesamtmenge. Industriekreisen zufolge wurden in China im ersten Halbjahr mehr als 2 Millionen Ton¬nen pro Jahr an neuen Produktionskapazitäten in Betrieb genommen. Im zweiten Halbjahr sollen noch¬mals 3 Millionen Tonnen p.a. hinzukommen. Die Aluminiumnachfrage in China kann damit nicht Schritt halten, sodass China das Überangebot auf den Weltmarkt exportiert. Auch das Überangebot bei Eisenerz ist angebotsgetrieben, da die Produktions¬kapazitäten in Australien durch die Inbetriebnahme einer neuen Mine und die Erweiterung bestehender Minen deutlich erweitert wurden. Zusätzlich ange¬botssteigernd wirken die schwachen Währungen der beiden wichtigsten Eisenerzproduzentenländer Aus¬tralien und Brasilien, was die Kostenbasis entlastet.

 

Katalysatoren verwendet wer-den. China importierte im ersten Halbjahr bereits deutlich weniger Palladium als im Vorjahr. Eine Aus-nahme bei den Edelmetallen stellt Silber dar. Das Silver Institute geht für 2015 von einem Nachfrage-anstieg in fast allen relevanten Bereichen aus.

Während der Preisrückgang der letzten Jahre mit dem schwächeren Nachfragewachstum und der star¬ken Angebotsausweitung im Einklang stand, erachten wir die jüngste negative Preisdynamik als übertrie¬ben. Viele Rohstoffpreise sind mittlerweile so niedrig, dass ein signifikanter Teil der Produktion bereits unprofitabel ist. Eigentlich müssten die Preise lang¬liche Produktion. Denn die Rohstoffnachfrage steicr. nahezu ausnahmslos jedes Jahr. das heißt. es wird stets neue Produktion von Stahl. Kupfer. Platin oder Rohöl benötigt. Der Abstand der Preise zu den Grenz-produktionskosten bei einigen Rohstoffen ist aktuell bereits so hoch, dass dieser durch Effizienzsteige-rung und Ausgabenkürzungen nicht mehr gedeckt werden kann. Ein Paradebeispiel dafür sind Nickel oder Platin, bei denen die gesamten Produktionskos¬ten teilweise um 30 bis 40 Prozent höher als die aktu¬ellen Preise liegen dürften (Grafik 6). Zwar können die Rohstoffproduzenten sich über einen bestimmten Zeitraum gegen fallende Preise absichern und auch für eine gewisse Zeit operative Verluste ertragen. Auf Dauer geht dies allerdings nicht, sofern nicht wie im Falle der Aluminiumproduzenten in China großzügige staatliche Subventionen gewährt werden.

Es dürfte daher bei vielen Rohstoffen in den kom-menden Monaten zu umfangreichen Produktions-kürzungen kommen. Bei Nickel sind bereits erste negative Auswirkungen bei der Nickelroheisenpro-duktion in China sichtbar. Aus diesem Grund haben sich die chinesischen Nickelimporte zwischen April

 

und Juni gegenüber dem Vorquartal mehr als verdrei-facht. Bei Platin dürfte es wegen der niedrigen Preise zu weiteren Minenschließungen in Südafrika kom-men. Die Gewerkschaften werden dies kaum wider-spruchslos akzeptieren, sodass in der südafrikani-schen Minenindustrie neuerliche Arbeitskämpfe und Produktionsausfälle drohen. Südafrika stellt 75 Pro-zent des weltweiten Minenangebots von Platin. Auch bei der US-Rohölproduktion zeigen sich inzwischen sichtbare Bremsspuren. Diese ist Mitte Juli so stark gefallen wie seit Jahren nicht, wenn man von kurzzei-tigen wetterbedingten Rückgängen in den Vorjahren absieht (Grafik 7). Denn seit Jahresbeginn ist die Zahl der aktiven Ölbohrungen in den USA um mehr als die Hälfte gesunken. Das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie schätzte unlängst, dass von der Ölindust-rie seit Mitte 2014 Projekte im Wert von 200 Milliar-den US-Dollar verschoben oder gestrichen wurden. Dies dürfte sich in den kommenden Monaten und Jahren in einem deutlich geringeren Anstieg der Ölförderung niederschlagen und zu einer Markt-einengung beitragen.

Wir gehen aufgrund des Abebbens der übertriebenen Sorgen hinsichtlich der chinesischen Nachfrage und der zu erwartenden Eindeckung von spekulativen Short-Positionen mittelfristig von steigenden Roh-stoffpreisen aus. Die sich abzeichnende Einschrän-kung des Angebots sollte den Preisanstieg ebenfalls unterstützen. Am Ende des Jahres dürften die meis-ten Rohstoffe deshalb auf einem höheren Preisniveau notieren als aktuell. Kurzfristig könnte der Druck auf die Rohstoffpreise bestehen bleiben. Dazu könnten auch eigennützige Maßnahmen der Rohstoffprodu¬zenten beitragen, das heimische Überangebot mittels Preisnachlässen, der gezielten Abwertung der jewei¬ligen Währungen und der Gewährung von Exportsub¬ventionen auf den bereits überversorgten Weltmarkt zu bringen.

 





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