Mittwoch, 30. September 2015

Mensch vs Maschine in der Fondsindustrie


Mensch vs Maschine in der Fondsindustrie

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/jayIqZMb_1M

Die fortschreitende Technik hat die Fondsindustrie verändert. Sie beeinflusst das Informations-, Kommunikations-, Order- und Kontrollverhalten der Anleger ebenso wie das Fondsmanagement. Warum das so ist und welche aktuellen Trends die Digitalisierung unter anderem mit sich bringt.

Der Webstuhl, die Dampfmaschi-

ne, das Automobil, die Glüh-

birne, der Computer und das Internet, der technische Fortschritt hat unsere Welt immer wieder verändert. Im Verlauf dieser Evolution passt sich der Mensch den Entwicklungen mehr oder weniger begeistert an oder droht von der Gruppendynamik versklavt zu werden. Schaut man genauer hin, han-delt es sich dabei um einen fortlaufen-den Prozess, der mal mit größerer und mal mit kleinerer Dynamik verläuft.

 

Lässt man die vergangenen 20 Jahre in der Finanzindustrie im Allgemeinen und der Fondsbranche im Speziellen Revue passieren, lassen sich die Spuren des technischen Fortschritts auch hier unschwer erkennen. Man denke bei-spielhaft nur an die Herausforderung Ende des letzten Jahrhunderts, mit einem Taschenrechner, dem Kursteil einer überregionalen Tageszeitung und den letzten Kontoauszügen verschie-dener Lagerstellen einen ungefähren Kassensturz für seinen Wertpapierbe-

 

sitz bewerkstelligen zu wollen. Heute ist der Anleger von dieser Leistung nur einen Knopfdruck entfernt.

Man kann es drehen und wenden wie man will, die beiden wichtigsten tech-nischen Treiber der vergangenen Jahr-zehnte sind für die Finanzbranche wie auch für den Rest der Dienstleistungs-industrie der Computer und das Inter-net. Ihre 24/7-Verfügbarkeit - mitt-lerweile auch mobil -, Rechenleistung und Vernetzung haben die Art, wieman sich über Wertpapiere informiert, sie handelt und managt, förmlich re-volutioniert. Insbesondere von daher, als die Universalität und die Geschwin-digkeit der Informationsverarbeitung und -verbreitung Transparenz schaf¬fen und die Akteure damit unter Leis-tungs- und Preisdruck setzen. Kein Wunder, dass die unterschiedlichen Marktteilnehmer einerseits enorme Chancen ausmachen, sich aber ande-rerseits auch vor große Herausforde-rungen gestellt sehen. Wie immer hat auch diese Medaille zwei Seiten. So kann man beispielsweise als Anbieter seine Zielgruppen spezifischer und schneller ansprechen, muss aber auch damit leben, dass es immer weniger Marktnischen gibt, in denen man sich verstecken kann und dass auch die eigenen Leistungen messbarer und vergleichbarer werden.

NÄCHSTE RUNDE EINGELÄUTET Sind Fondsplattformen und die Mög¬lichkeit des Online-Bankings mittler¬weile der Fortschritt von gestern, ma-

 

chen derzeit vor allem Schlagworte wie „FinTechs" von sich reden und läuten die nächste Runde ein. Sie bieten auch branchenfremden Eindringlingen die Möglichkeit, ihren Hut in den Ring zu werfen und bergen die Kraft, die Wert-schöpfungskette aufzubrechen, neue Geschäftsmodelle entstehen zu lassen und andere zu substituieren. Umso mehr, als die Digitalisierung nicht im sprichwörtlichen luftleeren Raum fortschreitet, sondern von anderen Markttreibern wie beispielsweise der gesetzlichen Regulierung und verän-derten Kapitalmarktbedingungen be-gleitet wird.

Der sich verschärfende Wettbewerb kommt dabei vor allem den Verbrau-chern zugute. Schließlich profitieren sie von den diversen Möglichkeiten, Angebote zu hinterfragen, den Ver¬lauf ihrer Anlagen zu verfolgen, sich mit Gleichgesinnten über gesammelte Erfahrungen auszutauschen und kos-teneffiziente Orderwege zu nutzen. Und so beobachtet die Politik diese Entwicklungen denn auch mit einem gewissen Wohlwollen, erfreut sich des härteren Wettbewerbs, der besseren Vergleichbarkeit und der sinkenden Margen und Kostenbelastungen und gedenkt lediglich da einzugreifen, wo „FinTechs" versucht sein könnten, infolge von Teildienstleistungen die Finanzmarktregulierung zu umgehen und auszuhöhlen. Zudem wird aus Sicht des Gesetzgebers das Thema der „gesammelten Daten" immer wichti¬ger: wie werden sie erhoben, wie ge¬schützt, welche Formen der Auswer¬tung sind zulässig?

Schaut man sich an, wie die Digitalisie-rung andere Branchen - wie z.B. den stationären Einzelhandel, den Buch-handel, die Unterhaltungs- und Reise-branche - schon verändert hat, ist der Weg, den die Finanzdienstleistungs-industrie in den kommenden Jahren insbesondere im Breiten- und Massen-geschäft nehmen wird, vorgezeichnet. Die zeitliche Verzögerung dürfte sich unter anderem mit der Komplexität

 

und staatlichen Regulierung der Fi-nanzdienstleistungen erklären.

Die Digitalisierung verändert aber nicht nur das Informations- und Kom-munikations-Verhalten und die Distri-butionskanäle, sondern auch das Asset Management selbst. Mit Schnittmenge zur Fondsbranche lassen sich derzeit unter anderem die folgenden aktuel¬len Trends erkennen: „Smart-Beta", als quantitative Optimierung von In-dexinvestments, „Robo-Advice", also die von Algorithmen gestützte Port-foliogestaltung mittels künstlicher Intelligenz, und das „Social-Investing" unter Ausnutzung des Erfahrungsaus-tauschs und der Schwarmintelligenz.

TIMING DER TRENDS SCHWIERIG Wie immer in derartigen Fällen kann man die Richtung des Trends unschwer erkennen, ist aber in der Prognose der Ausgestaltungen und dem Timing der Entwicklungen und Trends überfor-dert. Es ist schwer zu sagen, auf wel¬che Akzeptanz beispielsweise alterna¬tive Beratungsformen via Podcast und Bildtelefonie stoßen und welches Po-tenzial sie besitzen. Wie viele Selbst-entscheider gibt es in Deutschland über die verschiedenen Generationen hinweg betrachtet? Welches „FinTech" hat das Zeug zur sogenannten „Killer-applikation", die neue Standards setzt und die Branche dominieren kann? Welches verschwindet genauso schnell wieder wie es kam? Und was vielleicht noch wichtiger ist: welche Gegenbewe-gungen sind vorstellbar, welche Stör-faktoren können die Entwicklungen beeinflussen?

Die Marktintermediäre, gleich ob An-bieter, Berater, Vermögensverwalter, Presse oder Service-Dienstleister, wer-den sich mit der Thematik und diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Sie werden prüfen müssen, was dazu ge-eignet ist, ihre eigenen Geschäftsmo-delle zu ersetzen und was, um sie zu veredeln. Und zwar schon bald. Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben!

 

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