Mensch vs Maschine in der Fondsindustrie
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/jayIqZMb_1M
Die fortschreitende Technik hat die Fondsindustrie
verändert. Sie beeinflusst das Informations-, Kommunikations-, Order- und
Kontrollverhalten der Anleger ebenso wie das Fondsmanagement. Warum das so ist
und welche aktuellen Trends die Digitalisierung unter anderem mit sich bringt.
Der Webstuhl, die Dampfmaschi-
ne, das Automobil, die Glüh-
birne, der Computer und das Internet, der technische
Fortschritt hat unsere Welt immer wieder verändert. Im Verlauf dieser Evolution
passt sich der Mensch den Entwicklungen mehr oder weniger begeistert an oder
droht von der Gruppendynamik versklavt zu werden. Schaut man genauer hin,
han-delt es sich dabei um einen fortlaufen-den Prozess, der mal mit größerer
und mal mit kleinerer Dynamik verläuft.
Lässt man die vergangenen 20 Jahre in der Finanzindustrie im
Allgemeinen und der Fondsbranche im Speziellen Revue passieren, lassen sich die
Spuren des technischen Fortschritts auch hier unschwer erkennen. Man denke
bei-spielhaft nur an die Herausforderung Ende des letzten Jahrhunderts, mit
einem Taschenrechner, dem Kursteil einer überregionalen Tageszeitung und den
letzten Kontoauszügen verschie-dener Lagerstellen einen ungefähren Kassensturz für
seinen Wertpapierbe-
sitz bewerkstelligen zu wollen. Heute ist der Anleger von
dieser Leistung nur einen Knopfdruck entfernt.
Man kann es drehen und wenden wie man will, die beiden
wichtigsten tech-nischen Treiber der vergangenen Jahr-zehnte sind für die
Finanzbranche wie auch für den Rest der Dienstleistungs-industrie der Computer
und das Inter-net. Ihre 24/7-Verfügbarkeit - mitt-lerweile auch mobil -,
Rechenleistung und Vernetzung haben die Art, wieman sich über Wertpapiere
informiert, sie handelt und managt, förmlich re-volutioniert. Insbesondere von
daher, als die Universalität und die Geschwin-digkeit der
Informationsverarbeitung und -verbreitung Transparenz schaf¬fen und die Akteure
damit unter Leis-tungs- und Preisdruck setzen. Kein Wunder, dass die
unterschiedlichen Marktteilnehmer einerseits enorme Chancen ausmachen, sich
aber ande-rerseits auch vor große Herausforde-rungen gestellt sehen. Wie immer
hat auch diese Medaille zwei Seiten. So kann man beispielsweise als Anbieter
seine Zielgruppen spezifischer und schneller ansprechen, muss aber auch damit
leben, dass es immer weniger Marktnischen gibt, in denen man sich verstecken
kann und dass auch die eigenen Leistungen messbarer und vergleichbarer werden.
NÄCHSTE RUNDE EINGELÄUTET Sind Fondsplattformen und die
Mög¬lichkeit des Online-Bankings mittler¬weile der Fortschritt von gestern, ma-
chen derzeit vor allem Schlagworte wie „FinTechs" von
sich reden und läuten die nächste Runde ein. Sie bieten auch branchenfremden
Eindringlingen die Möglichkeit, ihren Hut in den Ring zu werfen und bergen die
Kraft, die Wert-schöpfungskette aufzubrechen, neue Geschäftsmodelle entstehen
zu lassen und andere zu substituieren. Umso mehr, als die Digitalisierung nicht
im sprichwörtlichen luftleeren Raum fortschreitet, sondern von anderen
Markttreibern wie beispielsweise der gesetzlichen Regulierung und verän-derten
Kapitalmarktbedingungen be-gleitet wird.
Der sich verschärfende Wettbewerb kommt dabei vor allem den
Verbrau-chern zugute. Schließlich profitieren sie von den diversen
Möglichkeiten, Angebote zu hinterfragen, den Ver¬lauf ihrer Anlagen zu
verfolgen, sich mit Gleichgesinnten über gesammelte Erfahrungen auszutauschen
und kos-teneffiziente Orderwege zu nutzen. Und so beobachtet die Politik diese
Entwicklungen denn auch mit einem gewissen Wohlwollen, erfreut sich des
härteren Wettbewerbs, der besseren Vergleichbarkeit und der sinkenden Margen
und Kostenbelastungen und gedenkt lediglich da einzugreifen, wo „FinTechs"
versucht sein könnten, infolge von Teildienstleistungen die
Finanzmarktregulierung zu umgehen und auszuhöhlen. Zudem wird aus Sicht des
Gesetzgebers das Thema der „gesammelten Daten" immer wichti¬ger: wie
werden sie erhoben, wie ge¬schützt, welche Formen der Auswer¬tung sind
zulässig?
Schaut man sich an, wie die Digitalisie-rung andere Branchen
- wie z.B. den stationären Einzelhandel, den Buch-handel, die Unterhaltungs-
und Reise-branche - schon verändert hat, ist der Weg, den die
Finanzdienstleistungs-industrie in den kommenden Jahren insbesondere im
Breiten- und Massen-geschäft nehmen wird, vorgezeichnet. Die zeitliche
Verzögerung dürfte sich unter anderem mit der Komplexität
und staatlichen Regulierung der Fi-nanzdienstleistungen
erklären.
Die Digitalisierung verändert aber nicht nur das Informations-
und Kom-munikations-Verhalten und die Distri-butionskanäle, sondern auch das
Asset Management selbst. Mit Schnittmenge zur Fondsbranche lassen sich derzeit
unter anderem die folgenden aktuel¬len Trends erkennen: „Smart-Beta", als
quantitative Optimierung von In-dexinvestments, „Robo-Advice", also die
von Algorithmen gestützte Port-foliogestaltung mittels künstlicher Intelligenz,
und das „Social-Investing" unter Ausnutzung des Erfahrungsaus-tauschs und
der Schwarmintelligenz.
TIMING DER TRENDS SCHWIERIG Wie immer in derartigen Fällen
kann man die Richtung des Trends unschwer erkennen, ist aber in der Prognose
der Ausgestaltungen und dem Timing der Entwicklungen und Trends überfor-dert.
Es ist schwer zu sagen, auf wel¬che Akzeptanz beispielsweise alterna¬tive
Beratungsformen via Podcast und Bildtelefonie stoßen und welches Po-tenzial sie
besitzen. Wie viele Selbst-entscheider gibt es in Deutschland über die
verschiedenen Generationen hinweg betrachtet? Welches „FinTech" hat das
Zeug zur sogenannten „Killer-applikation", die neue Standards setzt und
die Branche dominieren kann? Welches verschwindet genauso schnell wieder wie es
kam? Und was vielleicht noch wichtiger ist: welche Gegenbewe-gungen sind
vorstellbar, welche Stör-faktoren können die Entwicklungen beeinflussen?
Die Marktintermediäre, gleich ob An-bieter, Berater,
Vermögensverwalter, Presse oder Service-Dienstleister, wer-den sich mit der
Thematik und diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Sie werden prüfen müssen,
was dazu ge-eignet ist, ihre eigenen Geschäftsmo-delle zu ersetzen und was, um
sie zu veredeln. Und zwar schon bald. Wer zu spät kommt, den bestraft
bekanntlich das Leben!
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