Japans Abernomics auf dem Prüfstand
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/aFxANAN-SPE
Im ersten Quartal dieses Jahres wuchs Japans Wirtschaft
überraschend deutlich. Während der Yen vor allem gegenüber dem Dollar
an Wert verloren hat, steigen die Kurse an Nippons
Aktienmarkt. Der Nikkei 225 notiert auf einem Mehrjahreshoch. Eine
Bestands¬aufnahme.
Auf ihrem Treffen Anfang August entschied die Bank of Japan
(BoJ) mit klarer Mehrheit, ihre sehr lockere Geldpolitik fortzu¬setzen. Das
„Quantitative and Qualitative Easing"-Programm ( QQE) hat also weiter
Bestand. Nichts anderes hatten die Markt¬teilnehmer erwartet. Schließlich hat
Japan mit der Politik der Abenomics der Deflation den Kampf angesagt.
In den ersten Monaten des Jahres mehrten sich die positiven
Sig¬nale. Japans Bruttoinlandsprodukt war im ersten Quartal 2015 deutlicher
gewachsen, als von den meisten Marktbeobachtern vorausgesagt. Der Zuwachs
belief sich aufs Jahr hochgerechnet auf 3,9 Prozent. Im Vorjahr war die
Wirtschaftsleistung des Landes leicht geschrumpft, unter anderem, weil die
Regierung die Ver¬brauchssteuern erhöht hatte.
Die guten Nachrichten hielten zunächst an. Im Mai waren die
Be-stellungen im Maschinenbausektor den dritten Monat in Folge ge-stiegen. Im
Juni markierten die Exporte ein Fünfmonatshoch. Auf Yen-Basis hatten die
Ausfuhren um knapp 10 Prozent zu¬gelegt und den Mai-Wert nochmals übertroffen.
Der vielbeachtete Nikkei/Markit Flash-Manufactu¬ring Purchasing Managers Index
(PMI) stieg schließlich im Juli auf 51,4. Ein Wert über 50 im verarbeitenden
Gewerbe deutet auch bei diesem Index auf Expansion hin.
Für das zweite Quartal allerdings ver¬meldete die japanische
Regierung einen Rückgang, der das für 2015 erwartete Wirtschafts¬wachstum auf 1,6
Prozent dämpfen würde. Ursache seien vor allem die nachlas-senden Exporte nach
China. Da die Ökonomen aber mit einem noch stärkeren Wirt¬schaftsrückgang
gerechnet hatten, reagierte die Tokioter Börse gelassen. Viel hängt nun davon
ab, wie sich der private Konsum entwickeln wird. Unter der anhaltenden
Deflation litten viele Jahre lang auch die Löhne. Erst in letzter Zeit ist ein
leichter Anstieg der Reallöhne zu verzeichnen, der auch auf die annä¬hernde
Vollbeschäftigung zurückgeführt wird. Japan zählt 65,5 Millionen Erwerbstätige,
die Arbeitslosenrate liegt bei 3,7 Pro¬zent.
SCHWÄCHERER YEN GIBT RÜCKENWIND
Mit der Politik der Abenomics sollte auch der Yen geschwächt
werden. Jahrelang hatte sich Japans Währung als äußerst stabil erwiesen. Doch
seit etwa zweieinhalb Jahren hat sich das Blatt ge-wendet. Ende 2012 kostete
beispielsweise ein Dollar weniger als 80 Yen. Inzwischen ist der Kurs auf etwa
124 Yen je Dollar gestiegen.
Auch gegenüber dem chinesischen Yuan (CNY) hat sich der Yen
massiv verbilligt. Aktuell kostet ein Yuan rund 20 Yen. Im Herbst 2012 notierte
der Yuan noch bei gut 12 japanischen Yen. Diese Entwicklung hat eine enorme
Bedeutung. Schließlich ist China schon seit Jahren der wichtigste
Handelspartner Japans (siehe auch Kasten Seite 32). Neben dem Wechselkurs
spielt daher auch die Konjunktur im Reich der Mitte eine wichtige Rolle für
Japan.
Selbst gegenüber dem Euro, der zuletzt selbst schwächelte,
verlor der Yen auf Sicht von zwei bis drei Jahren spürbar an Boden. Die
schwache Währung hat zweierlei Effekte. Zum einen beschert sie der
Exportindustrie Wettbewerbsvorteile. Zum anderen verteuert aber vor allem die
Schwäche gegenüber dem Dollar auch die Importpreise. Denn genau wie Deutschland
ist Japan arm an Rohstoffen. Das Land der aufgehenden Sonne muss Energie und
Lebensmittel in beachtlichem Umfang einführen. Seit dem Fukushima-Unglück vom
März 2011 importiert Japan auch einen großen Teil seines Stroms. Nachdem damals
ein Tsunami ein Atomkraftwerk zerstörte und rund 20.000 Menschenleben for¬derte,
entschied die Regierung, den Großteil der Meiler abzu¬schalten. Der zusätzliche
Energiebedarf wird seither durch fossile Brennstoffe wie verflüssigtes Erdgas
(LNG) und Rohöl gedeckt. Die japanische Handelsbilanz ist aufgrund dessen seit
2011 negativ, während der Leistungsbilanzsaldo positiv ist. Mit der Politik der
Abenomics, die nach dem seit 2012 amtieren¬den Premierminister Shinzo Abe
benannt ist, versucht Japan durch eine Politik der wirtschaftspolitischen
Expansion den Weg aus der langjährigen Deflation zu finden. Seit Mitte der
1990er Jahre ist das Preisniveau im Land meist gesunken. Nur in wenigen Jahren
zogen die Konsumentenpreise leicht an. 2014 betrug die Inflationsrate nach
Angaben des Internationalen Währungsfonds immerhin 2,7 Prozent. Für 2015
rechnet der IWF mit einer Teuerung von rund 1 Prozent.
Japan ist nach den USA und China die drittgrößte
Volkswirt¬schaft, vor Deutschland. Mit einer Fläche von 377.915
Quadrat¬kilometern ist der Inselstaat nur unwesentlich größer als Deutsch¬land,
hat aber 127 Millionen Einwohner, gut 60 Prozent mehr als Deutschland.
Klassisches Merkmal für die japanische Wirtschaftskultur ist
—auf marktwirtschaftlicher Basis — die enge Zusammenarbeit von Staat und
Wirtschaft, wobei seit den 1950er Jahren der Fokus auf dem Ausbau einer stark
automatisierten Industrie liegt. Im Jahr 2000 setzte eine vorsichtige
Deregulierungs- und Privatisierungs¬politik ein, von der insbesondere der
Finanzsektor betroffen ist.
Insgesamt zeichnet sich die japanische Industrie durch hohe
Ef¬fizienz aus, in vielen Bereichen, so im Automobilbau und der Elektronik,
gilt sie als weltweit führend — eine Stellung, die sie ebenso sehr dem Einsatz
von Hochtechnologie verdankt wie einer gut ausgebildeten, motivierten
Arbeitnehmerschaft.
Die japanische Wirtschaftsleistung schrumpfte 2014 leicht.
In diesem und im nächsten Jahr sollte es nach IWF-Schätzung zu einem Plus von
jeweils gut einem Prozent kommen. Ob es den Abenomics gelingt, nachhaltig für
Wachstum zu sorgen, bleibt abzuwarten. Der Markt für Staatsanleihen wird nach
Angaben des Auswärtigen Amtes längst von Aufkäufen der Notenbank dominiert, die
über 70 Prozent der Neuemissionen in ihre Bilanz übernimmt.
Auch der fiskalpolitische Spielraum ist begrenzt. Jahr für
Jahr ist der Haushalt defizitär. Die öffentlichen Schulden belaufen sich
mittlerweile auf mehr als 210 Prozent des BIP. An Steuersenkun¬gen als Impuls
ist also kaum zu denken. Das Gegenteil ist der Fall, wie die
Mehrwertsteuererhöhung des vergangenen Jahres zeigt.
DIE GESCHICHTE JAPANS
Symptomatisch für die Geschichte Japans ist eine relative
Isola¬tion, bedingt vor allem durch die Insellage. Sie führte zu einer
eigenständigen kulturellen und religiösen Entwicklung und zu ei¬ner
weitgehenden ethnischen Homogenität. Doch das heißt nicht, dass Japan gänzlich
frei von äußeren Einflüssen war. So stammen etwa Schrift und Sprache aus China,
auch der Konfuzianismus ist in Japan verbreitet.
Nach 200 Jahren Isolation zwangen letztlich Ausländer Japan
1854 dazu, sich zu öffnen und zu modernisieren. Nur dadurch konnte das
japanische Kaiserreich eine Industrienation werden. Rasch rüstete das Land auf,
agierte seinerseits als Kolonialmacht und versuchte, den Pazifikraum unter
seine Kontrolle zu bringen. Japan nahm an beiden Weltkriegen teil und griff 1941
mit dem Überfall auf Pearl Harbor sogar die USA an. Das Militär kapitu¬lierte
nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. 1945 wurde Japan von
den Vereinigten Staaten besetzt.
Die Amerikaner demokratisierten das Land, Kriegskonzerne wur¬den
aufgelöst und 1947 eine auf den Grundsätzen eines demo¬kratischen Rechtsstaats
basierende Verfassung verabschiedet. Die Besatzer reformierten auch das
(Hoch-)Schulwesen. Das Militär wurde wie in Deutschland auf eine
Verteidigungsarmee reduziert. 1951 schlossen im Friedensvertrag von San
Francisco 48 Staaten offiziell wieder Frieden mit Japan, die Besatzung endete
1952.
Vier Jahre später nahm Japan diplomatische Beziehungen zu
Russland (der Sowjetunion) und der Volksrepublik China auf, 1956 trat das Land
den Vereinten Nationen bei. Japan ist ein Mehrparteienstaat, in dem aber seit
1955 die Liberaldemokrati-sche Partei (LPD) die dominante Kraft ist, sie
stellte die Regierung bis 1993 allein, seit 1996 ist sie an diversen
Koalitionsregierungen beteiligt.
Außenpolitisch agierte Japan zurückhaltend; das Land betrieb
vielmehr seinen wirtschaftlichen Aufstieg. Es exportierte Autos, Schiffe,
Elektronik und gehörte bald zur Gruppe der G8-Staaten. Das japanische
Wirtschaftswachstum hielt drei Jahrzehnte an: In den 1960ern wurde ein
Durchschnitt von 10 Prozent erzielt, in
den 1970ern dann 5 Prozent und 4 Prozent schließlich in den
1980ern. Erst Mitte der achtziger Jahre wurde der Yen am Devisenmarkt
freigegeben.
Das führte zu einer Aufwertung der japanischen Währung
ge¬genüber dem US-Dollar. Dadurch verringerte sich das japanische
Wirtschaftswachstum, da Japan hauptsächlich in die USA expor¬tierte. In den
1990er Jahren geriet Japan in eine tiefe Wirtschafts¬krise und in eine
Deflationsspirale, die keine der Regierungen seither wirklich bewältigen
konnte. Ob die seit 2013 im niedrigen Bereich positiven Inflationswerte von
Dauer sein werden, ist der¬zeit nicht absehbar.
INVESTIEREN IN JAPAN
Der bekannteste Aktienindex Japans, der Nikkei 225, wird von
der Zeitung Nihon Keizai Shimbun berechnet und fasst 225 aus¬gesuchte Aktien
der Tokioter Börse zusammen. Er notiert nach dem deutlichen Anstieg der
zurückliegenden beiden Jahre auf ei¬nem Mehrjahreshoch. Goldman Sachs bietet
zur Zeit Bonus-Zer¬tifikate mit und ohne Cap auf den Nikkei 225 an. Darüber
hinaus finden risikobereite Anleger Call- und Put-Optionsscheine auf Nippons
Leitindex.
Auch im Devisenbereich stehen zahlreiche Hebelprodukte zur
Auswahl. Auf die Währungspaare Euro/Yen und Dollar/Yen fin¬den Anleger Call-
und Put-Optionsscheine sowie Mini-Futures Long und Short. Damit können sie
gehebelt auf einen steigenden oder fallenden Euro bzw. Dollar gegenüber dem Yen
setzen.
Das Besondere an Call- und Put-Optionsscheinen sowie
Mini-Futures ist ihre Hebelwirkung. An Bewegungen des Basiswerts nehmen Inhaber
dieser Produkte in der Regel überproportional, das heißt gehebelt, teil. Mit
Call-Warrants und Mini-Futures Long setzen Anleger auf steigende Kurse des
Basiswerts. Bei dem Währungspaar EUR/JPY hieße das beispielsweise, auf einen
stei¬genden Euro und damit auf mehr Yen pro Euro zu setzen.
Bei Puts oder Mini-Futures Short hingegen rechnen Anleger
mit einem fallenden Kurs des Euro, also einem stärkeren Yen, das heißt, dass
weniger Yen für einen Euro zu bezahlen sind. Mini- Futures sind Hebelprodukte
mit prinzipiell unbegrenzter Laufzeit und mit Knock-out-Barriere. Der
Hebeleffekt wirkt genau wie bei Optionsscheinen in beide Marktrichtungen,
sodass ein Anle¬ger nicht nur höhere Gewinnchancen hat, sondern auch ein
größeres Verlustrisiko eingeht. Schlimmstenfalls ist der Totalver¬lust möglich.
Mini-Futures sind durch zwei Kursschwellen gekennzeichnet:
zum einen durch den Basispreis und zum anderen durch die Knock-out-Barriere,
die jeweils zwischen Basispreis und dem ak¬tuellen Kurs des Basiswerts liegt.
Der Basispreis liegt bei Mini-Futures Long unter dem aktuellen Kurs des
Basiswerts, bei Mi¬ni-Futures Short liegt er darüber. Je geringer der Abstand
zwi¬schen Basispreis und aktuellem Basiswertkurs ist, desto geringer ist der Anleger
müssen jedoch beachten, dass bei Erreichen der Knock¬out-Barriere die Laufzeit
des Mini-Futures sofort endet. Die Emit-tentin stellt dann den Restwert fest,
wobei dem Anleger in diesem Fall regelmäßig Verluste entstehen. Der Restwert
kann auch null betragen — schlimmstenfalls kann also der Totalverlust des
ein¬gesetzten Kapitals eintreten.Wert des Minis und desto größer ist sein
Hebel.
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