Montag, 14. September 2015

Japans Abernomics auf dem Prüfstand


Japans Abernomics auf dem Prüfstand

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/aFxANAN-SPE

Im ersten Quartal dieses Jahres wuchs Japans Wirtschaft überraschend deutlich. Während der Yen vor allem gegenüber dem Dollar

an Wert verloren hat, steigen die Kurse an Nippons Aktienmarkt. Der Nikkei 225 notiert auf einem Mehrjahreshoch. Eine Bestands¬aufnahme.

Auf ihrem Treffen Anfang August entschied die Bank of Japan (BoJ) mit klarer Mehrheit, ihre sehr lockere Geldpolitik fortzu¬setzen. Das „Quantitative and Qualitative Easing"-Programm ( QQE) hat also weiter Bestand. Nichts anderes hatten die Markt¬teilnehmer erwartet. Schließlich hat Japan mit der Politik der Abenomics der Deflation den Kampf angesagt.

In den ersten Monaten des Jahres mehrten sich die positiven Sig¬nale. Japans Bruttoinlandsprodukt war im ersten Quartal 2015 deutlicher gewachsen, als von den meisten Marktbeobachtern vorausgesagt. Der Zuwachs belief sich aufs Jahr hochgerechnet auf 3,9 Prozent. Im Vorjahr war die Wirtschaftsleistung des Landes leicht geschrumpft, unter anderem, weil die Regierung die Ver¬brauchssteuern erhöht hatte.

Die guten Nachrichten hielten zunächst an. Im Mai waren die Be-stellungen im Maschinenbausektor den dritten Monat in Folge ge-stiegen. Im Juni markierten die Exporte ein Fünfmonatshoch. Auf Yen-Basis hatten die Ausfuhren um knapp 10 Prozent zu¬gelegt und den Mai-Wert nochmals übertroffen. Der vielbeachtete Nikkei/Markit Flash-Manufactu¬ring Purchasing Managers Index (PMI) stieg schließlich im Juli auf 51,4. Ein Wert über 50 im verarbeitenden Gewerbe deutet auch bei diesem Index auf Expansion hin.

Für das zweite Quartal allerdings ver¬meldete die japanische Regierung einen Rückgang, der das für 2015 erwartete Wirtschafts¬wachstum auf 1,6 Prozent dämpfen würde. Ursache seien vor allem die nachlas-senden Exporte nach China. Da die Ökonomen aber mit einem noch stärkeren Wirt¬schaftsrückgang gerechnet hatten, reagierte die Tokioter Börse gelassen. Viel hängt nun davon ab, wie sich der private Konsum entwickeln wird. Unter der anhaltenden Deflation litten viele Jahre lang auch die Löhne. Erst in letzter Zeit ist ein leichter Anstieg der Reallöhne zu verzeichnen, der auch auf die annä¬hernde Vollbeschäftigung zurückgeführt wird. Japan zählt 65,5 Millionen Erwerbstätige, die Arbeitslosenrate liegt bei 3,7 Pro¬zent.

SCHWÄCHERER YEN GIBT RÜCKENWIND

Mit der Politik der Abenomics sollte auch der Yen geschwächt werden. Jahrelang hatte sich Japans Währung als äußerst stabil erwiesen. Doch seit etwa zweieinhalb Jahren hat sich das Blatt ge-wendet. Ende 2012 kostete beispielsweise ein Dollar weniger als 80 Yen. Inzwischen ist der Kurs auf etwa 124 Yen je Dollar gestiegen.

Auch gegenüber dem chinesischen Yuan (CNY) hat sich der Yen massiv verbilligt. Aktuell kostet ein Yuan rund 20 Yen. Im Herbst 2012 notierte der Yuan noch bei gut 12 japanischen Yen. Diese Entwicklung hat eine enorme Bedeutung. Schließlich ist China schon seit Jahren der wichtigste Handelspartner Japans (siehe auch Kasten Seite 32). Neben dem Wechselkurs spielt daher auch die Konjunktur im Reich der Mitte eine wichtige Rolle für Japan.

 

Selbst gegenüber dem Euro, der zuletzt selbst schwächelte, verlor der Yen auf Sicht von zwei bis drei Jahren spürbar an Boden. Die schwache Währung hat zweierlei Effekte. Zum einen beschert sie der Exportindustrie Wettbewerbsvorteile. Zum anderen verteuert aber vor allem die Schwäche gegenüber dem Dollar auch die Importpreise. Denn genau wie Deutschland ist Japan arm an Rohstoffen. Das Land der aufgehenden Sonne muss Energie und Lebensmittel in beachtlichem Umfang einführen. Seit dem Fukushima-Unglück vom März 2011 importiert Japan auch einen großen Teil seines Stroms. Nachdem damals ein Tsunami ein Atomkraftwerk zerstörte und rund 20.000 Menschenleben for¬derte, entschied die Regierung, den Großteil der Meiler abzu¬schalten. Der zusätzliche Energiebedarf wird seither durch fossile Brennstoffe wie verflüssigtes Erdgas (LNG) und Rohöl gedeckt. Die japanische Handelsbilanz ist aufgrund dessen seit 2011 negativ, während der Leistungsbilanzsaldo positiv ist. Mit der Politik der Abenomics, die nach dem seit 2012 amtieren¬den Premierminister Shinzo Abe benannt ist, versucht Japan durch eine Politik der wirtschaftspolitischen Expansion den Weg aus der langjährigen Deflation zu finden. Seit Mitte der 1990er Jahre ist das Preisniveau im Land meist gesunken. Nur in wenigen Jahren zogen die Konsumentenpreise leicht an. 2014 betrug die Inflationsrate nach Angaben des Internationalen Währungsfonds immerhin 2,7 Prozent. Für 2015 rechnet der IWF mit einer Teuerung von rund 1 Prozent.

Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirt¬schaft, vor Deutschland. Mit einer Fläche von 377.915 Quadrat¬kilometern ist der Inselstaat nur unwesentlich größer als Deutsch¬land, hat aber 127 Millionen Einwohner, gut 60 Prozent mehr als Deutschland.

Klassisches Merkmal für die japanische Wirtschaftskultur ist —auf marktwirtschaftlicher Basis — die enge Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft, wobei seit den 1950er Jahren der Fokus auf dem Ausbau einer stark automatisierten Industrie liegt. Im Jahr 2000 setzte eine vorsichtige Deregulierungs- und Privatisierungs¬politik ein, von der insbesondere der Finanzsektor betroffen ist.

Insgesamt zeichnet sich die japanische Industrie durch hohe Ef¬fizienz aus, in vielen Bereichen, so im Automobilbau und der Elektronik, gilt sie als weltweit führend — eine Stellung, die sie ebenso sehr dem Einsatz von Hochtechnologie verdankt wie einer gut ausgebildeten, motivierten Arbeitnehmerschaft.

Die japanische Wirtschaftsleistung schrumpfte 2014 leicht. In diesem und im nächsten Jahr sollte es nach IWF-Schätzung zu einem Plus von jeweils gut einem Prozent kommen. Ob es den Abenomics gelingt, nachhaltig für Wachstum zu sorgen, bleibt abzuwarten. Der Markt für Staatsanleihen wird nach Angaben des Auswärtigen Amtes längst von Aufkäufen der Notenbank dominiert, die über 70 Prozent der Neuemissionen in ihre Bilanz übernimmt.

Auch der fiskalpolitische Spielraum ist begrenzt. Jahr für Jahr ist der Haushalt defizitär. Die öffentlichen Schulden belaufen sich mittlerweile auf mehr als 210 Prozent des BIP. An Steuersenkun¬gen als Impuls ist also kaum zu denken. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Mehrwertsteuererhöhung des vergangenen Jahres zeigt.

DIE GESCHICHTE JAPANS

Symptomatisch für die Geschichte Japans ist eine relative Isola¬tion, bedingt vor allem durch die Insellage. Sie führte zu einer eigenständigen kulturellen und religiösen Entwicklung und zu ei¬ner weitgehenden ethnischen Homogenität. Doch das heißt nicht, dass Japan gänzlich frei von äußeren Einflüssen war. So stammen etwa Schrift und Sprache aus China, auch der Konfuzianismus ist in Japan verbreitet.

Nach 200 Jahren Isolation zwangen letztlich Ausländer Japan 1854 dazu, sich zu öffnen und zu modernisieren. Nur dadurch konnte das japanische Kaiserreich eine Industrienation werden. Rasch rüstete das Land auf, agierte seinerseits als Kolonialmacht und versuchte, den Pazifikraum unter seine Kontrolle zu bringen. Japan nahm an beiden Weltkriegen teil und griff 1941 mit dem Überfall auf Pearl Harbor sogar die USA an. Das Militär kapitu¬lierte nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. 1945 wurde Japan von den Vereinigten Staaten besetzt.

Die Amerikaner demokratisierten das Land, Kriegskonzerne wur¬den aufgelöst und 1947 eine auf den Grundsätzen eines demo¬kratischen Rechtsstaats basierende Verfassung verabschiedet. Die Besatzer reformierten auch das (Hoch-)Schulwesen. Das Militär wurde wie in Deutschland auf eine Verteidigungsarmee reduziert. 1951 schlossen im Friedensvertrag von San Francisco 48 Staaten offiziell wieder Frieden mit Japan, die Besatzung endete 1952.

Vier Jahre später nahm Japan diplomatische Beziehungen zu Russland (der Sowjetunion) und der Volksrepublik China auf, 1956 trat das Land den Vereinten Nationen bei. Japan ist ein Mehrparteienstaat, in dem aber seit 1955 die Liberaldemokrati-sche Partei (LPD) die dominante Kraft ist, sie stellte die Regierung bis 1993 allein, seit 1996 ist sie an diversen Koalitionsregierungen beteiligt.

Außenpolitisch agierte Japan zurückhaltend; das Land betrieb vielmehr seinen wirtschaftlichen Aufstieg. Es exportierte Autos, Schiffe, Elektronik und gehörte bald zur Gruppe der G8-Staaten. Das japanische Wirtschaftswachstum hielt drei Jahrzehnte an: In den 1960ern wurde ein Durchschnitt von 10 Prozent erzielt, in

 

den 1970ern dann 5 Prozent und 4 Prozent schließlich in den 1980ern. Erst Mitte der achtziger Jahre wurde der Yen am Devisenmarkt freigegeben.

Das führte zu einer Aufwertung der japanischen Währung ge¬genüber dem US-Dollar. Dadurch verringerte sich das japanische Wirtschaftswachstum, da Japan hauptsächlich in die USA expor¬tierte. In den 1990er Jahren geriet Japan in eine tiefe Wirtschafts¬krise und in eine Deflationsspirale, die keine der Regierungen seither wirklich bewältigen konnte. Ob die seit 2013 im niedrigen Bereich positiven Inflationswerte von Dauer sein werden, ist der¬zeit nicht absehbar.

INVESTIEREN IN JAPAN

Der bekannteste Aktienindex Japans, der Nikkei 225, wird von der Zeitung Nihon Keizai Shimbun berechnet und fasst 225 aus¬gesuchte Aktien der Tokioter Börse zusammen. Er notiert nach dem deutlichen Anstieg der zurückliegenden beiden Jahre auf ei¬nem Mehrjahreshoch. Goldman Sachs bietet zur Zeit Bonus-Zer¬tifikate mit und ohne Cap auf den Nikkei 225 an. Darüber hinaus finden risikobereite Anleger Call- und Put-Optionsscheine auf Nippons Leitindex.

Auch im Devisenbereich stehen zahlreiche Hebelprodukte zur Auswahl. Auf die Währungspaare Euro/Yen und Dollar/Yen fin¬den Anleger Call- und Put-Optionsscheine sowie Mini-Futures Long und Short. Damit können sie gehebelt auf einen steigenden oder fallenden Euro bzw. Dollar gegenüber dem Yen setzen.

Das Besondere an Call- und Put-Optionsscheinen sowie Mini-Futures ist ihre Hebelwirkung. An Bewegungen des Basiswerts nehmen Inhaber dieser Produkte in der Regel überproportional, das heißt gehebelt, teil. Mit Call-Warrants und Mini-Futures Long setzen Anleger auf steigende Kurse des Basiswerts. Bei dem Währungspaar EUR/JPY hieße das beispielsweise, auf einen stei¬genden Euro und damit auf mehr Yen pro Euro zu setzen.

Bei Puts oder Mini-Futures Short hingegen rechnen Anleger mit einem fallenden Kurs des Euro, also einem stärkeren Yen, das heißt, dass weniger Yen für einen Euro zu bezahlen sind. Mini- Futures sind Hebelprodukte mit prinzipiell unbegrenzter Laufzeit und mit Knock-out-Barriere. Der Hebeleffekt wirkt genau wie bei Optionsscheinen in beide Marktrichtungen, sodass ein Anle¬ger nicht nur höhere Gewinnchancen hat, sondern auch ein größeres Verlustrisiko eingeht. Schlimmstenfalls ist der Totalver¬lust möglich.

Mini-Futures sind durch zwei Kursschwellen gekennzeichnet: zum einen durch den Basispreis und zum anderen durch die Knock-out-Barriere, die jeweils zwischen Basispreis und dem ak¬tuellen Kurs des Basiswerts liegt. Der Basispreis liegt bei Mini-Futures Long unter dem aktuellen Kurs des Basiswerts, bei Mi¬ni-Futures Short liegt er darüber. Je geringer der Abstand zwi¬schen Basispreis und aktuellem Basiswertkurs ist, desto geringer ist der Anleger müssen jedoch beachten, dass bei Erreichen der Knock¬out-Barriere die Laufzeit des Mini-Futures sofort endet. Die Emit-tentin stellt dann den Restwert fest, wobei dem Anleger in diesem Fall regelmäßig Verluste entstehen. Der Restwert kann auch null betragen — schlimmstenfalls kann also der Totalverlust des ein¬gesetzten Kapitals eintreten.Wert des Minis und desto größer ist sein Hebel.

 

 





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