Montag, 7. September 2015

Stadtschloss Berlin


Stadtschloss Berlin

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/TnXjUkZ5UZk

Richtfest fürs Stadtschloss in Berlin

In Berlin wurde am io. Juni Richtfest gefeiert: Zum zweiten Mal seit 1847 erhielt die historische

Mitte ihre Schlosskuppel. Doch die gewaltige Rekonstruktion ist viel mehr als nur eine Kopie.

Hinter der Barockfassade entsteht ein einzigartiges Kulturzentrum: das Humboldtforum.

Ein Bericht von Europas größter Kulturbaustelle

Unübersehbar ist das mächtige Bauwerk im vergangenen Jahr in Berlins Mitte emporgewachsen.loo.000 Kubikmeter Beton und 20.000 Tonnen Stahl lassen sich nicht mehr ig-norieren. Mit der Kuppel auf dem mächtigen Westportal er-reicht das Gebäude eine Höhe von 6o Metern. Die 75o laufen¬den Fassadenmeter umgeben eine Brutto-Geschossfläche von fast ioo.000 Quadratmetern. Der Rohbau des neuen und zugleich alten Berliner Stadtschlosses hat sichtbar Gestalt angenommen und lockt täglich Hunderte von Schaulustigen an. Geradezu dramatisch war der Besucherandrang an den „Tagen der offenen Baustelle", mit denen das Richtfest am 13. und 14. Juni gefeiert wurde. 54.000 Besucher zählte der Förderverein Berliner Schloss e.V. Zeitweilig musste die Bau¬stelle sogar geschlossen werden, weil es so voll war. Die Be¬sucher durften durch die Eingangshalle, die Passage und den „Schlüterhof" im Erdgeschoss sowie die noch luftigen Säle und Flure des 1. Obergeschosses flanieren. Die Begleitmu-sik lieferten u.a. Künstler der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin (HEM), des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, des Stabsmusikkorps der Bundeswehr und Andrej Hermlin mit seinem Swing Dance Orchestra. Musiziert wurde auf vier Bühnen. Der Senat, die Humboldt-Universität, das Deutsche Historische Museum und viele andere Gesellschaften, Stif-tungen und Vereine waren mit Ständen vertreten. Das Fest ließ erahnen, was im „Humboldtforum", jenem Kunst-, Kul¬tur- und Wissenschaftszentrum — umgeben von der Barock-kulisse der wiedererrichteten kaiserlichen Residenz in der historischen Mitte Berlins—ab 2019 alles möglich sein wird.

Ehrenamtliche aus Begeisterung

„Ich habe das Fehlen des Schlosses immer als große Lücke im Stadtbild empfunden und wollte den Wiederaufbau daher unbedingt begleiten. Die Grundsteinlegung vor zwei Jahren und das Richtfest heute erlebe ich als meine persönlichen Höhepunkte", sagt Bernd Hartwich. Er gehört seit 2007 zu den rund 1.500 Mitgliedern des Fördervereins Berliner Schloss e.V., die sich in den vergangenen Jahren mit erhebli-chem ehrenamtlichem Einsatz für den Wiederaufbau einge-setzt haben. Über 5o Millionen Euro privater Spendengelder für die Rekonstruktion der großartigen Barockfassaden hat der Förderverein seit seiner Gründung 1992 zusammenge-tragen, eine schier unfassbare Summe. los Millionen sollen es werden. Gemeinsam mit Hans-Georg Kasten steht Bernd Hartwich an einer mit grobem Holz verschalten Brüstung im ersten Stock der Eingangshalle. Die beiden blicken hi¬nunter auf die Stuhlreihen der 1.5oo Ehrengäste, die sich zum Richtfest versammeln: Es ist Freitag, der 12. Juni, 11:30 Uhr. Auch Hans-Georg Kasten ist im Förderverein, schon ein Jahr länger als Bernd Hartwich. Für ihn sei der heutige Tag eine „ganz große Genugtuung". Der Aufwand in der Freizeit habe sich gelohnt. Dieser Aufwand für die Ehrenamtlichen bedeutet konkret: Führungen durch das Informationszent-rum der Baustelle, die sogenannte„Humboldt Box",Vorträge und Veröffentlichungen im Netz — mindestens vier Stunden

 

wöchentlich. Unten am Eingang zur Passage steht derweil Wolf Becker und verkauft„geschmiedete Richtfestnägel" für 20 Euro das Stück zu Gunsten des Fördervereins. Auch er ist ein Ehrenamtlicher aus Begeisterung für das Projekt,„Berlin die verlorene Mitte wiederzugeben".

Im Kosten- und Terminplan

Die Politbarbarei der Sprengung des im Zweiten Weltkrieg nur teilweise ausgebrannten Hohenzollernschlosses durch das SED-Regime Ende 195o haben viele Berliner genau wie Wolf Becker nie verwunden. Umso größer ist nunmehr die öf¬fentliche Anteilnahme an den Vorgängen auf der geschichts-trächtigen Baustelle, der „größten Kulturbaumaßnahme Europas", wie Bundesbauministerin Barbara Hendricks in ihrem Grußwort beim Richtfest sagte. „Der Tagesspiegel" warf in seiner Ausgabe vom 11.Juni den Blick weit zurück in die Geschichte und fand das historische Gegenstück zum Richtfest 2015 am 15. Oktober 1847, als die erste Kuppel auf dem historischen Schloss fertiggestellt wurde. Eine Feier¬stunde sei zwar nicht überliefert, doch müsse dieser Herbst¬tag vor168 Jahren in Berlin für König Friedrich Wilhelm

ein ganz besonderer gewesen sein: Die Kuppel war genau zu seinem 52. Geburtstag vollendet worden. Familienmit-glieder des Hauses Hohenzollern waren diesmal zwar nicht erkennbar gegenwärtig, wohl aber das für den letzten Mo-narchen so typische „Kaiserwetter", auf das Manfred Rettig, der Vorstand und Sprecher der Stiftung Berliner Schloss —Humboldtforum in seiner Ansprache hinwies. Vor allem aber betonte er, dass das Projekt bislang hundertprozentig im Kosten- und Terminplan liege; ein Umstand, der in Berlin durchaus erwähnenswert ist. Der Mann des Tages aber war Wilhelm von Boddien, der Geschäftsführer des Fördervereins und maßgebliche Initiator des VViederaufbaus. Immer wieder brandete Beifall in der hohen Eingangshalle auf, wenn sein Name fiel. Doch er selbst ergriff nicht das Wort. Das überließ er Michael Müller, dem Regierenden Bürgermeister, Monika Grütters, der Kulturstaatsministerin, und Franco Stella, dem Architekten. Die Staatskapelle Berlin unter Leitung von Dani¬el Barenboim intonierte den 2. Satz der Sinfonie in h-Moll von Franz Schubertgenannt „Die Unvollendete" (eigentlich nicht passend, denn der Bau wird ja vollendet),dann schwebte die Richtkrone empor und durch das nicht geschlossene Dach hinauf bis auf die Kuppel.

Außen Schloss, innen Humboldtforum

Nach dem großen Baustellenfest werden die Bauarbeiten fortgesetzt. „Ziel ist es", so Manfred Rettig,,,im Jahr 2015 die Fassaden bereits so wettergeschützt herzustellen, dass ab 2016 mit dem Innenausbau begonnen werden kann." Gleich-wohl sollen die Arbeiten an der Schlossfassade bis 2019 fort¬gesetzt werden. 9.000 m3Sandstein,300 Schmuckelemente und 3.000 Bildhauerstücke werden dabei verarbeitet, um die einstmals größte und bedeutendste Barockfassade Nord¬deutschlands neyland", sagte Manfred Rettig in einem „Tagesspiegel"-I n-terview.Vielmehr orientiere man sich akribisch am Original und baue zeitgenössische Architektur—eine Rekonstruktion in Verbindung mit der Moderne.,,Mit dem Schloss geschieht ein Akt der Stadtreparatur",fährt Reuig fort.„Einst richteten sich an ihm die gesamten Proportionen des Areals aus." Parallel zum Baufortschritt entwickeln die Stiftung Preußi¬scher Kulturbesitz, die Stadt Berlin, die Humboldt-Univer-sität sowie die Stiftung Berliner Schloss — Humboldtforum die inhaltliche Konzeption weiter, getreu der Devise: außen Schloss, innen Humboldtforum. Das Richtfest war nach den Worten des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, ein guter Anlass, vor großem Publikum für die herausragenden Sammlungen zur Kunst und Kultur Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Amerikas zu werben, die im Humboldtforum nicht nur als architektonischer Abschluss der Museumsinsel ihren Platz finden werden. Mit dem Eth¬nologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst würden zwei Häuser von Weltrang etwa 8o Prozent des Fo¬rums bespielen. Schon 2017 werden die Sammlungen mit dem Umzug aus Dahlem beginnen. Ferner sind 4.000 Qua¬dratmeter für die Berliner Präsentation „Sprachen der Welt" vorgesehen, weitere 1.70o Quadratmeter für die Geschichte des Bauwerkes selbst. Und über allem schwebt die Idee eines „offenen Hauses für einen offenen Dialog der Kulturen".

 

 





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