Stadtschloss Berlin
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/TnXjUkZ5UZk
Richtfest fürs Stadtschloss in Berlin
In Berlin wurde am io. Juni Richtfest gefeiert: Zum zweiten
Mal seit 1847 erhielt die historische
Mitte ihre Schlosskuppel. Doch die gewaltige Rekonstruktion
ist viel mehr als nur eine Kopie.
Hinter der Barockfassade entsteht ein einzigartiges
Kulturzentrum: das Humboldtforum.
Ein Bericht von Europas größter Kulturbaustelle
Unübersehbar ist das mächtige Bauwerk im vergangenen Jahr in
Berlins Mitte emporgewachsen.loo.000 Kubikmeter Beton und 20.000 Tonnen Stahl
lassen sich nicht mehr ig-norieren. Mit der Kuppel auf dem mächtigen Westportal
er-reicht das Gebäude eine Höhe von 6o Metern. Die 75o laufen¬den Fassadenmeter
umgeben eine Brutto-Geschossfläche von fast ioo.000 Quadratmetern. Der Rohbau
des neuen und zugleich alten Berliner Stadtschlosses hat sichtbar Gestalt
angenommen und lockt täglich Hunderte von Schaulustigen an. Geradezu dramatisch
war der Besucherandrang an den „Tagen der offenen Baustelle", mit denen
das Richtfest am 13. und 14. Juni gefeiert wurde. 54.000 Besucher zählte der
Förderverein Berliner Schloss e.V. Zeitweilig musste die Bau¬stelle sogar
geschlossen werden, weil es so voll war. Die Be¬sucher durften durch die
Eingangshalle, die Passage und den „Schlüterhof" im Erdgeschoss sowie die
noch luftigen Säle und Flure des 1. Obergeschosses flanieren. Die Begleitmu-sik
lieferten u.a. Künstler der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin (HEM), des
Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, des Stabsmusikkorps der Bundeswehr und
Andrej Hermlin mit seinem Swing Dance Orchestra. Musiziert wurde auf vier
Bühnen. Der Senat, die Humboldt-Universität, das Deutsche Historische Museum
und viele andere Gesellschaften, Stif-tungen und Vereine waren mit Ständen
vertreten. Das Fest ließ erahnen, was im „Humboldtforum", jenem Kunst-,
Kul¬tur- und Wissenschaftszentrum — umgeben von der Barock-kulisse der
wiedererrichteten kaiserlichen Residenz in der historischen Mitte Berlins—ab
2019 alles möglich sein wird.
Ehrenamtliche aus Begeisterung
„Ich habe das Fehlen des Schlosses immer als große Lücke im
Stadtbild empfunden und wollte den Wiederaufbau daher unbedingt begleiten. Die
Grundsteinlegung vor zwei Jahren und das Richtfest heute erlebe ich als meine
persönlichen Höhepunkte", sagt Bernd Hartwich. Er gehört seit 2007 zu den
rund 1.500 Mitgliedern des Fördervereins Berliner Schloss e.V., die sich in den
vergangenen Jahren mit erhebli-chem ehrenamtlichem Einsatz für den Wiederaufbau
einge-setzt haben. Über 5o Millionen Euro privater Spendengelder für die
Rekonstruktion der großartigen Barockfassaden hat der Förderverein seit seiner
Gründung 1992 zusammenge-tragen, eine schier unfassbare Summe. los Millionen
sollen es werden. Gemeinsam mit Hans-Georg Kasten steht Bernd Hartwich an einer
mit grobem Holz verschalten Brüstung im ersten Stock der Eingangshalle. Die
beiden blicken hi¬nunter auf die Stuhlreihen der 1.5oo Ehrengäste, die sich zum
Richtfest versammeln: Es ist Freitag, der 12. Juni, 11:30 Uhr. Auch Hans-Georg
Kasten ist im Förderverein, schon ein Jahr länger als Bernd Hartwich. Für ihn
sei der heutige Tag eine „ganz große Genugtuung". Der Aufwand in der
Freizeit habe sich gelohnt. Dieser Aufwand für die Ehrenamtlichen bedeutet
konkret: Führungen durch das Informationszent-rum der Baustelle, die
sogenannte„Humboldt Box",Vorträge und Veröffentlichungen im Netz —
mindestens vier Stunden
wöchentlich. Unten am Eingang zur Passage steht derweil Wolf
Becker und verkauft„geschmiedete Richtfestnägel" für 20 Euro das Stück zu
Gunsten des Fördervereins. Auch er ist ein Ehrenamtlicher aus Begeisterung für
das Projekt,„Berlin die verlorene Mitte wiederzugeben".
Im Kosten- und Terminplan
Die Politbarbarei der Sprengung des im Zweiten Weltkrieg nur
teilweise ausgebrannten Hohenzollernschlosses durch das SED-Regime Ende 195o
haben viele Berliner genau wie Wolf Becker nie verwunden. Umso größer ist
nunmehr die öf¬fentliche Anteilnahme an den Vorgängen auf der geschichts-trächtigen
Baustelle, der „größten Kulturbaumaßnahme Europas", wie
Bundesbauministerin Barbara Hendricks in ihrem Grußwort beim Richtfest sagte.
„Der Tagesspiegel" warf in seiner Ausgabe vom 11.Juni den Blick weit
zurück in die Geschichte und fand das historische Gegenstück zum Richtfest 2015
am 15. Oktober 1847, als die erste Kuppel auf dem historischen Schloss
fertiggestellt wurde. Eine Feier¬stunde sei zwar nicht überliefert, doch müsse
dieser Herbst¬tag vor168 Jahren in Berlin für König Friedrich Wilhelm
ein ganz besonderer gewesen sein: Die Kuppel war genau zu
seinem 52. Geburtstag vollendet worden. Familienmit-glieder des Hauses
Hohenzollern waren diesmal zwar nicht erkennbar gegenwärtig, wohl aber das für
den letzten Mo-narchen so typische „Kaiserwetter", auf das Manfred Rettig,
der Vorstand und Sprecher der Stiftung Berliner Schloss —Humboldtforum in
seiner Ansprache hinwies. Vor allem aber betonte er, dass das Projekt bislang
hundertprozentig im Kosten- und Terminplan liege; ein Umstand, der in Berlin
durchaus erwähnenswert ist. Der Mann des Tages aber war Wilhelm von Boddien,
der Geschäftsführer des Fördervereins und maßgebliche Initiator des
VViederaufbaus. Immer wieder brandete Beifall in der hohen Eingangshalle auf,
wenn sein Name fiel. Doch er selbst ergriff nicht das Wort. Das überließ er
Michael Müller, dem Regierenden Bürgermeister, Monika Grütters, der
Kulturstaatsministerin, und Franco Stella, dem Architekten. Die Staatskapelle
Berlin unter Leitung von Dani¬el Barenboim intonierte den 2. Satz der Sinfonie
in h-Moll von Franz Schubertgenannt „Die Unvollendete" (eigentlich nicht
passend, denn der Bau wird ja vollendet),dann schwebte die Richtkrone empor und
durch das nicht geschlossene Dach hinauf bis auf die Kuppel.
Außen Schloss, innen Humboldtforum
Nach dem großen Baustellenfest werden die Bauarbeiten
fortgesetzt. „Ziel ist es", so Manfred Rettig,,,im Jahr 2015 die Fassaden
bereits so wettergeschützt herzustellen, dass ab 2016 mit dem Innenausbau
begonnen werden kann." Gleich-wohl sollen die Arbeiten an der
Schlossfassade bis 2019 fort¬gesetzt werden. 9.000 m3Sandstein,300
Schmuckelemente und 3.000 Bildhauerstücke werden dabei verarbeitet, um die
einstmals größte und bedeutendste Barockfassade Nord¬deutschlands
neyland", sagte Manfred Rettig in einem „Tagesspiegel"-I
n-terview.Vielmehr orientiere man sich akribisch am Original und baue
zeitgenössische Architektur—eine Rekonstruktion in Verbindung mit der
Moderne.,,Mit dem Schloss geschieht ein Akt der Stadtreparatur",fährt
Reuig fort.„Einst richteten sich an ihm die gesamten Proportionen des Areals
aus." Parallel zum Baufortschritt entwickeln die Stiftung Preußi¬scher
Kulturbesitz, die Stadt Berlin, die Humboldt-Univer-sität sowie die Stiftung
Berliner Schloss — Humboldtforum die inhaltliche Konzeption weiter, getreu der
Devise: außen Schloss, innen Humboldtforum. Das Richtfest war nach den Worten
des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, ein
guter Anlass, vor großem Publikum für die herausragenden Sammlungen zur Kunst und
Kultur Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Amerikas zu werben, die im Humboldtforum
nicht nur als architektonischer Abschluss der Museumsinsel ihren Platz finden
werden. Mit dem Eth¬nologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst
würden zwei Häuser von Weltrang etwa 8o Prozent des Fo¬rums bespielen. Schon
2017 werden die Sammlungen mit dem Umzug aus Dahlem beginnen. Ferner sind 4.000
Qua¬dratmeter für die Berliner Präsentation „Sprachen der Welt"
vorgesehen, weitere 1.70o Quadratmeter für die Geschichte des Bauwerkes selbst.
Und über allem schwebt die Idee eines „offenen Hauses für einen offenen Dialog
der Kulturen".
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