Vision der Kapitalmarktunion
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/_qF_8XkAA3Y
Kapitalmarktunion:
Große Vision, kleiner Fortschritt
Die EU plant eine Kapitalmarktunion, um Investitionen und
Finanzierungen zu erleichtern und damit das Wachstum zu stärken. Dabei soll ein
echter Binnenmarkt für Kapital geschaffen und für kleine und mittlere
Unternehmen der Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht werden. Zudem sollen neue
Produkte etabliert werden. Werden diese Pläne umgesetzt, würde dies die
Effizienz des europäischen Kapitalmarkts sicherlich verbessern und sich damit
positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Ein nennenswerter Wachstumsschub
ist aber wohl kaum zu erwarten.
Unter dem Eindruck eines seit Jahren enttäuschen¬den
Wirtschaftswachstums hat die EU im Februar ein neues Großprojekt auf die
Startrampe geschoben: die Kapitalmarktunion. Diese soll einen echten
Bin-nenmarkt für Kapital schaffen, wo bisher oft länder-spezifische
Einzelmärkte dominieren oder Märkte überhaupt noch in den Kinderschuhen
stecken. Dies würde die Aufnahme von Mitteln am Kapitalmarkt erleichtern, vor
allem für kleinere und mittlere Unter-nehmen (KMU), grenzüberschreitende
Investitions-möglichkeiten verbessern und die Finanzierungs-quellen
diversifizieren und damit das Finanzsystem stabilisieren.
Die Kapitalmarktunion würde damit die Bankenunion ergänzen,
die mit dem Ziel der Finanzstabilität eine gemeinsame Bankenaufsicht seitens
der EZB sowie einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus für marode Banken
umfasst. Gleichzeitig sollen an der Kapitalmarktunion alle 28 EU-Staaten
teilnehmen, nicht nur die Länder des Euroraums.
Kapitalmarkt: Breiter, tiefer, effizienter
Die von der EU geplanten Maßnahmen lassen sich grob in drei
Gruppen einteilen:
1. Ein Binnenmarkt für Kapital
Um den Kapitalfluss über die Landesgrenzen zu ver-stärken,
sollen Daten- und Meldestandards, Anleger-rechte, Insolvenzvorschriften und
Steuerregelungen EU-weit vereinheitlicht werden. Die Emission von
Unternehmensschuldverschreibungen soll standardi-siert und
der Markt für gedeckte Schuldverschreibun-gen durch einen einheitlichen Rahmen
integriert werden.
Um die Bereitschaft zu grenzüberschreitenden Investitionen
zu erhöhen, sollen die Rechte von Minderheitsaktionären besser geschützt und
Diskriminierungen ausländischer Anleger abgebaut werden. Reformen des
Gesellschaftsrechts sollen die Hemmnisse für die Niederlassung und
Geschäftstä-tigkeit von Unternehmen in anderen Mitgliedsstaaten beseitigen.
Gleichzeitig wird eine größere Rechtssi-cherheit bei der grenzüberschreitenden
Übertragung von Forderungen angestrebt.
2. Besserer Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittlere
Unternehmen (KMU)
Ein weiteres Ziel ist ein besserer Zugang kleiner und
mittlerer Unternehmen zum Kapitalmarkt. So haben KMU oft Schwierigkeiten, eine
breitere Basis von Anlegern zu erreichen, da außerhalb von Banken kaum
Informationen über sie verfügbar sind. Kurz-fristig soll eine Verbesserung der
Kreditinformatio¬nen helfen, einen entsprechenden Kapitalmarkt für KMU
aufzubauen. Längerfristig könnte ein auf kleine Unternehmen zugeschnittener
spezieller Rechnungs-legungsstandard für mehr Transparenz und Ver-gleichbarkeit
sorgen und die Attraktivität solcher Unternehmen für international tätige
Anleger erhö-hen. KMU würden auch in besonderer Weise davon
profitieren, wenn — wie in dem Grünbuch angedacht — für
manche Wertpapiere ein vereinfachter Prospekt ausreichen würde oder ganz auf
den Prospekt ver¬zichtet werden könnte und das Genehmigungsverfah¬ren gestrafft
würde.
3. Förderung neuer Finanzierungswege
Darüber hinaus will die EU neue Produkte etablieren.
Einfache, transparente und standardisierte Ver-briefungsinstrumente sollen eine
Brücke zwischen Banken und Kapitalmärkten schlagen. Europäische langfristige
Investmentfonds (ELTIF) sollen den An-legern Möglichkeiten für langfristige
Investitionen in Unternehmen und Infrastrukturprojekte eröffnen. Die EU will
außerdem europäische Märkte für Privat-platzierungen entwickeln, also
Wertpapieremissionen außerhalb der öffentlichen Märkte, und damit die
Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen ver-breitern. Schließlich sollen die
Chancen alternativer Finanzierungsformen wie Peer-to-Peer-Darlehen (Kredite
unter Privatpersonen) und Crowdfunding ausgelotet werden.
Zudem will die EU institutionelle Anleger. Kleinanle-ger und
internationale Investoren anlocken. Für ins-titutionelle Anleger sollen
beispielsweise die Kosten für die Auflegung und den grenzüberschreitenden
Vertrieb von Fonds verringert werden. Finanzie-rungsmöglichkeiten für Venture
Capital und Private Equity sollen verbessert und der Ausstieg aus diesen
Anlagen erleichtert werden. Außerdem sollen Hinder-nisse für Investitionen in
Infrastruktur beseitigt wer-den. Für Kleinsparer sollen der Anlegerschutz und
das Wissen über Finanzthemen verbessert werden. Außerdem soll eine größere
Transparenz von Infra-strukturvorhaben diese für private Anleger attraktiver
machen.
Vollständige Umsetzung unwahrscheinlich... Bisher liegt zur
Kapitalmarktunion nur ein sogenann¬tes »Grünbuch« vor, in dem die Zielrichtung
grob umrissen wird. Als nächsten Schritt will die Kommis-sion im September
einen Aktionsplan vorstellen. Zieldatum für den Start der Kapitalmarktunion ist
das Jahr 2019.
Eine vollständige Umsetzung der Pläne erscheint uns dabei
unwahrscheinlich. Denn die Einzelstaaten werden bei vielen Punkten nur ungern
Kompetenzen an Brüssel abgeben. Dies gilt vor allem für Rechts-normen wie etwa
das Insolvenzrecht und steuerliche Maßnahmen, beispielsweise Korrekturen an der
Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremd-kapital.
...Wachstumseffekt wahrscheinlich begrenzt Aber nicht nur
wegen des zu erwartenden Wider¬stands der Mitgliedsländer dürfte die
Kapitalmarkt¬union kaum den erhofften Wachstumsschub bringen. Denn diese
Hoffnung beruht zu einem Großteil auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre, in
denen sich die US-Wirtschaft schneller von der Finanzkrise und der Rezession
2008/2009 erholt hat. Ein Grund hierfür wird in den Unterschieden am
Kapitalmarkt gesehen. Dieser ist in Europa kleiner als in den USA, weil hier
die Banken die zentrale Rolle spielen.
Damit wird wieder einmal ein Einzelaspekt einer gerade
relativ erfolgreichen Volkswirtschaft auf andere Länder projiziert. Ähnlich
galt in den Achtzigerjahren eine clevere Steuerung der japanischen Wirtschaft
durch das Handels- und Industrieministerium MITI als entscheidender
Erfolgsfaktor, später wurde die Dienstleistungsorientierung der US-Wirtschaft
gepriesen. Und seit die eher industrieorientierte deutsche
Volkswirtschaft wieder relativ gut dasteht, ist eine Reindustrialisierung
wieder in Mode. Dabei war vor 30 Jahren das damals außergewöhnlich kräf-tige
Wachstum der japanischen Wirtschaft eher einer Blase zuzuschreiben, und die
deutsche Wirtschaft profitierte in den letzten Jahren in erster Linie von den
Wirtschaftsreformen zu Beginn der Nullerjahre sowie dem Umstand, dass
Deutschland seine Über-treibungen bei der Verschuldung des privaten Sek¬tors bereits
in den Neunzigerjahren hatte und diese inzwischen korrigiert sind. Hinzu kommt
die für deutsche Verhältnisse viel zu expansive Geldpolitik.
Fazit: Wir halten es für fraglich, ob ein »amerikanischer«
Kapitalmarkt auf kontinentaleuropäischem Terrain floriert. Die schwache
Belebung im Euroraum dürfte nur zu einem geringen Teil Folge der
unterschiedlichen Kapitalmarkt¬strukturen sein. Vielmehr ist die gedämpfte
Kreditentwick¬lung im Euroraum eher Folge einer geringen Nachfrage seitens der
Unternehmen und weniger das Ergebnis eines zu geringen Angebots.
Zudem behindern ineffiziente Rechtssysteme und
Beschäf-tigungsgesetze in vielen europäischen Ländern das
Unter-nehmenswachstum. Hierdurch wird die Wirtschaft noch mehr von kleinen
Unternehmen dominiert, die weniger kapitalmarktaffin sind. An diesen
Rahmenbedingungen würden auch die im Rahmen der Kapitalmarktunion geplan¬ten
Maßnahmen wenig ändern. Damit könnte es dem Pro¬jekt der EU-Kommission ähnlich
ergehen wie den Reformer etwa des italienischen Arbeitsmarkts. Diese ähneln
sehr den Maßnahmen in Deutschland. Allerdings hat es nicht gereicht,
Rechtsnormen zu übertragen, da es an der Koope¬rationsbereitschaft der
Tarifparteien fehlt und der entstan¬dene Spielraum daher ungenutzt bleibt.
Außerdem bietet eine stärkere Finanzierung über den Markt
aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht nur Vorteile. Schließlich war die
verstärkte Verbriefung von Forderungen durch die Banken (Securitization) eine
wichtige Zutat bei der Finanzkrise. Die Kapitalmarktunion kollidiert außerdem
mit einem anderen Projekt. Während die EU-Kommission die Kapitalmärkte beleben
will, zielt die diskutierte Einfüh¬rung einer Finanztransaktionssteuer gerade
darauf ab, »Sand ins Getriebe« zu streuen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.