Donnerstag, 3. September 2015

Vision der Kapitalmarktunion


Vision der Kapitalmarktunion

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/_qF_8XkAA3Y

Kapitalmarktunion:

Große Vision, kleiner Fortschritt

Die EU plant eine Kapitalmarktunion, um Investitionen und Finanzierungen zu erleichtern und damit das Wachstum zu stärken. Dabei soll ein echter Binnenmarkt für Kapital geschaffen und für kleine und mittlere Unternehmen der Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht werden. Zudem sollen neue Produkte etabliert werden. Werden diese Pläne umgesetzt, würde dies die Effizienz des europäischen Kapitalmarkts sicherlich verbessern und sich damit positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Ein nennenswerter Wachstumsschub ist aber wohl kaum zu erwarten.

 

Unter dem Eindruck eines seit Jahren enttäuschen¬den Wirtschaftswachstums hat die EU im Februar ein neues Großprojekt auf die Startrampe geschoben: die Kapitalmarktunion. Diese soll einen echten Bin-nenmarkt für Kapital schaffen, wo bisher oft länder-spezifische Einzelmärkte dominieren oder Märkte überhaupt noch in den Kinderschuhen stecken. Dies würde die Aufnahme von Mitteln am Kapitalmarkt erleichtern, vor allem für kleinere und mittlere Unter-nehmen (KMU), grenzüberschreitende Investitions-möglichkeiten verbessern und die Finanzierungs-quellen diversifizieren und damit das Finanzsystem stabilisieren.

Die Kapitalmarktunion würde damit die Bankenunion ergänzen, die mit dem Ziel der Finanzstabilität eine gemeinsame Bankenaufsicht seitens der EZB sowie einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus für marode Banken umfasst. Gleichzeitig sollen an der Kapitalmarktunion alle 28 EU-Staaten teilnehmen, nicht nur die Länder des Euroraums.

Kapitalmarkt: Breiter, tiefer, effizienter

Die von der EU geplanten Maßnahmen lassen sich grob in drei Gruppen einteilen:

1. Ein Binnenmarkt für Kapital

Um den Kapitalfluss über die Landesgrenzen zu ver-stärken, sollen Daten- und Meldestandards, Anleger-rechte, Insolvenzvorschriften und Steuerregelungen EU-weit vereinheitlicht werden. Die Emission von

 

Unternehmensschuldverschreibungen soll standardi-siert und der Markt für gedeckte Schuldverschreibun-gen durch einen einheitlichen Rahmen integriert werden.

Um die Bereitschaft zu grenzüberschreitenden Investitionen zu erhöhen, sollen die Rechte von Minderheitsaktionären besser geschützt und Diskriminierungen ausländischer Anleger abgebaut werden. Reformen des Gesellschaftsrechts sollen die Hemmnisse für die Niederlassung und Geschäftstä-tigkeit von Unternehmen in anderen Mitgliedsstaaten beseitigen. Gleichzeitig wird eine größere Rechtssi-cherheit bei der grenzüberschreitenden Übertragung von Forderungen angestrebt.

2. Besserer Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

Ein weiteres Ziel ist ein besserer Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zum Kapitalmarkt. So haben KMU oft Schwierigkeiten, eine breitere Basis von Anlegern zu erreichen, da außerhalb von Banken kaum Informationen über sie verfügbar sind. Kurz-fristig soll eine Verbesserung der Kreditinformatio¬nen helfen, einen entsprechenden Kapitalmarkt für KMU aufzubauen. Längerfristig könnte ein auf kleine Unternehmen zugeschnittener spezieller Rechnungs-legungsstandard für mehr Transparenz und Ver-gleichbarkeit sorgen und die Attraktivität solcher Unternehmen für international tätige Anleger erhö-hen. KMU würden auch in besonderer Weise davon

profitieren, wenn — wie in dem Grünbuch angedacht — für manche Wertpapiere ein vereinfachter Prospekt ausreichen würde oder ganz auf den Prospekt ver¬zichtet werden könnte und das Genehmigungsverfah¬ren gestrafft würde.

3. Förderung neuer Finanzierungswege

Darüber hinaus will die EU neue Produkte etablieren. Einfache, transparente und standardisierte Ver-briefungsinstrumente sollen eine Brücke zwischen Banken und Kapitalmärkten schlagen. Europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF) sollen den An-legern Möglichkeiten für langfristige Investitionen in Unternehmen und Infrastrukturprojekte eröffnen. Die EU will außerdem europäische Märkte für Privat-platzierungen entwickeln, also Wertpapieremissionen außerhalb der öffentlichen Märkte, und damit die Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen ver-breitern. Schließlich sollen die Chancen alternativer Finanzierungsformen wie Peer-to-Peer-Darlehen (Kredite unter Privatpersonen) und Crowdfunding ausgelotet werden.

 

Zudem will die EU institutionelle Anleger. Kleinanle-ger und internationale Investoren anlocken. Für ins-titutionelle Anleger sollen beispielsweise die Kosten für die Auflegung und den grenzüberschreitenden Vertrieb von Fonds verringert werden. Finanzie-rungsmöglichkeiten für Venture Capital und Private Equity sollen verbessert und der Ausstieg aus diesen Anlagen erleichtert werden. Außerdem sollen Hinder-nisse für Investitionen in Infrastruktur beseitigt wer-den. Für Kleinsparer sollen der Anlegerschutz und das Wissen über Finanzthemen verbessert werden. Außerdem soll eine größere Transparenz von Infra-strukturvorhaben diese für private Anleger attraktiver machen.

Vollständige Umsetzung unwahrscheinlich... Bisher liegt zur Kapitalmarktunion nur ein sogenann¬tes »Grünbuch« vor, in dem die Zielrichtung grob umrissen wird. Als nächsten Schritt will die Kommis-sion im September einen Aktionsplan vorstellen. Zieldatum für den Start der Kapitalmarktunion ist das Jahr 2019.

Eine vollständige Umsetzung der Pläne erscheint uns dabei unwahrscheinlich. Denn die Einzelstaaten werden bei vielen Punkten nur ungern Kompetenzen an Brüssel abgeben. Dies gilt vor allem für Rechts-normen wie etwa das Insolvenzrecht und steuerliche Maßnahmen, beispielsweise Korrekturen an der Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremd-kapital.

...Wachstumseffekt wahrscheinlich begrenzt Aber nicht nur wegen des zu erwartenden Wider¬stands der Mitgliedsländer dürfte die Kapitalmarkt¬union kaum den erhofften Wachstumsschub bringen. Denn diese Hoffnung beruht zu einem Großteil auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre, in denen sich die US-Wirtschaft schneller von der Finanzkrise und der Rezession 2008/2009 erholt hat. Ein Grund hierfür wird in den Unterschieden am Kapitalmarkt gesehen. Dieser ist in Europa kleiner als in den USA, weil hier die Banken die zentrale Rolle spielen.

Damit wird wieder einmal ein Einzelaspekt einer gerade relativ erfolgreichen Volkswirtschaft auf andere Länder projiziert. Ähnlich galt in den Achtzigerjahren eine clevere Steuerung der japanischen Wirtschaft durch das Handels- und Industrieministerium MITI als entscheidender Erfolgsfaktor, später wurde die Dienstleistungsorientierung der US-Wirtschaft

 

 

gepriesen. Und seit die eher industrieorientierte deutsche Volkswirtschaft wieder relativ gut dasteht, ist eine Reindustrialisierung wieder in Mode. Dabei war vor 30 Jahren das damals außergewöhnlich kräf-tige Wachstum der japanischen Wirtschaft eher einer Blase zuzuschreiben, und die deutsche Wirtschaft profitierte in den letzten Jahren in erster Linie von den Wirtschaftsreformen zu Beginn der Nullerjahre sowie dem Umstand, dass Deutschland seine Über-treibungen bei der Verschuldung des privaten Sek¬tors bereits in den Neunzigerjahren hatte und diese inzwischen korrigiert sind. Hinzu kommt die für deutsche Verhältnisse viel zu expansive Geldpolitik.

Fazit: Wir halten es für fraglich, ob ein »amerikanischer« Kapitalmarkt auf kontinentaleuropäischem Terrain floriert. Die schwache Belebung im Euroraum dürfte nur zu einem geringen Teil Folge der unterschiedlichen Kapitalmarkt¬strukturen sein. Vielmehr ist die gedämpfte Kreditentwick¬lung im Euroraum eher Folge einer geringen Nachfrage seitens der Unternehmen und weniger das Ergebnis eines zu geringen Angebots.

Zudem behindern ineffiziente Rechtssysteme und Beschäf-tigungsgesetze in vielen europäischen Ländern das Unter-nehmenswachstum. Hierdurch wird die Wirtschaft noch mehr von kleinen Unternehmen dominiert, die weniger kapitalmarktaffin sind. An diesen Rahmenbedingungen würden auch die im Rahmen der Kapitalmarktunion geplan¬ten Maßnahmen wenig ändern. Damit könnte es dem Pro¬jekt der EU-Kommission ähnlich ergehen wie den Reformer etwa des italienischen Arbeitsmarkts. Diese ähneln sehr den Maßnahmen in Deutschland. Allerdings hat es nicht gereicht, Rechtsnormen zu übertragen, da es an der Koope¬rationsbereitschaft der Tarifparteien fehlt und der entstan¬dene Spielraum daher ungenutzt bleibt.

Außerdem bietet eine stärkere Finanzierung über den Markt aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht nur Vorteile. Schließlich war die verstärkte Verbriefung von Forderungen durch die Banken (Securitization) eine wichtige Zutat bei der Finanzkrise. Die Kapitalmarktunion kollidiert außerdem mit einem anderen Projekt. Während die EU-Kommission die Kapitalmärkte beleben will, zielt die diskutierte Einfüh¬rung einer Finanztransaktionssteuer gerade darauf ab, »Sand ins Getriebe« zu streuen.

 


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