Donnerstag, 3. September 2015

Bergwandern auf den Philippinen


Bergwandern auf den Philippinen

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/MRMsN0FmOEU

Die Philippinen sind vor allem wegen ihrer Traumstrände beliebt. Dabei bieten die zahlrei¬chen bis zu knapp 3.000 Meter hohen Berggipfel für Naturfreunde lohnende Ziele - für den Ein¬stieg empfiehlt sich eine moderate Route, denn Wandern in den Tropen folgt anderen Gesetzen

ulma muss lachen: Mein „Magadang Umaga" (Guten Morgen

auf Filipino) - hat sie nicht erwartet. Nicht von mir, einem

Fremden, nicht hier in den Ausläufern der Sierra Madre, des längsten Gebirgszugs der Philippinen. Jetzt grinst sie mich aus dem Fenster ihres kleinen Ladens freundlich an, umgeben von Tütensup¬pen, Zigaretten und Süßigkeiten. Dass Wanderer hier haltmachen und sich stärken, ist nichts Neues - im Gegenteil: Seit es immer mehr floriert auch Julmas Laden, der direkt an einer beliebten Trek-kingroute liegt und neben Getränken auch schmackhaften Reis¬kuchen auf Bananenblättern anbietet. Aber ein Tourist aus Euro¬pa, das ist auch für Julma eine Premiere, wie sie auf Englisch versichert.

Ein Inlandsflug zu einer der über 7.000 Inseln des Landes ein Jahr zuvor brachte mich auf die Idee, die philippinische Bergwelt nä¬her zu erkunden: Aus schier endlosen Regenwäldern ragen Berg¬gipfel wie Nadeln aus einem Moosbett, Vulkane erheben sich mächtig aus dem grünen Pflanzenmeer. Über Facebook und die Webseite www.pinoymountaineer.com (ein Blog mit wertvollen Informationen über das Wandern und Bergsteigen auf den Philip¬pinen) verabrede ich mich mit den Einheimischen Jaypoy und Larry zu einer Zweitagestour auf der Hauptinsel Luzon, unweit der Hauptstadt Manila. Obwohl unser Ziel, der Mount Marana, keine 50 km entfernt von der Zwölf-Millionen-Metropole liegt, ist um drei Uhr morgens die Nacht vorbei. Wer auf den Philippinen wandert, muss früh aus den Federn, denn wegen des tropischen Klimas wird es tagsüber sehr heiß. Außerdem hält sich das Ver¬kehrschaos der Mega-City in den frühen Morgenstunden noch in Grenzen. Angereist wird mit dem Bus und den landestypischen „Jeepneys": alte umgebaute Militär-Jeeps der Amerikaner und wichtigstes öffentliches Verkehrsmittel des Landes.

 

Als die Sonne über die Berge klettert, leuchtet das Grün des Ur¬walds satt und frisch - was für ein Kontrast zu Manila! Der Mo¬loch verbirgt sich am Horizont unter einer gelblichen Dunstglo¬cke, Hochhäuser ragen wie schwarzlöchrige Zähne aus dem Smog. Wandern auf den Philippinen heißt ausgetretene Pfade verlassen, im wahrsten Sinne des Wortes. Bevor wir starten, bil¬den wir einen Kreis, und es wird gebetet - für die streng katholi¬schen Filipinos die normalste Sache der Welt. Dann geht es vorbei an einfachen Hütten in traditioneller Holzbauweise aus dem Ort hinaus. Wäsche hängt zum Trocknen über dem Zaun, Hühner mit ihrem flaumigen Nachwuchs bringen sich in Sicherheit. Ein riesi¬ges schwarzes Schwein liegt unter einer Palme und hebt träge den Kopf - Landleben auf den Philippinen. Dass wir mitten durch Vor¬gärten spazieren, stört niemanden.

Ohne meine Begleiter wäre ich hilflos: Ein Netz an Trampelpfaden durchzieht die Landschaft, Wegweiser oder Hinweisschilder: Fehlanzeige. Wo müssen wir lang? „Immer den Berg hoch", er¬widert Japoy. Gras und Büsche werden mannshoch, ein Tunnel aus Pflanzen verschluckt uns. Die Regenzeit ist längst vorbei, die Natur ist trotzdem noch vollgesogen mit Nässe, die sie jetzt über zahlreiche kleine Bäche abgibt. Das macht den Aufstieg nicht ein¬facher. Im Gegenteil. Der Steig verwandelt sich in eine Matsch-wüste, schwer klebt die dunkelrote Erde an den Schuhen.

Larry und Japoy tauschen ihre Wanderschuhe gegen Flip-Flops. Kurz darauf verscheuchen sie mit einem Stock eine Giftschlange, jetzt bin ich froh über meine Trekkingschuhe.

Nach zwei Stunden strammen Marschs dann die Pause bei Jul-mas Jausenstation. Die Sonne brennt vom Himmel, der Schweiß fließt in Strömen. "Magadang Umaga", Wanderer passieren den kleinen Laden, auch hier auf den Philippinen grüßt man sich in den Bergen. „Picture, please!" - ein Erinnerungsfoto mit einem

Wer auf den Philippinen wandert,

muss früh aus den Federn

Europäer ist ein willkommenes Souvenir. Beeindruckend ist die Blütenpracht um uns herum. Grünzeug, das in unseren Stuben ein bescheidenes Topfpflanzen-Dasein fristet, entfaltet hier in seiner Heimat ein exotisches Farbenfeuerwerk.

Weiter geht's! Schlagartig ändert sich die Umgebung: Dichter Dschungel weicht offenem Grasland und lässt den Blick weit über dunkelgrüne Bergkämme schweifen. Menschenleeres Land. Fast. Männer mit nacktem Oberkörper passieren uns talwärts, auf Kopf und Rücken schwere Säcke balancierend, gefüllt mit Holz¬kohle, die (illegal) in den Urwäldern gewonnen und in den Dör¬fern als Brennmaterial verkauft wird. Die Philippinen zählen zu den artenreichsten Regionen der Erde - trotz fortschreitender Umweltzerstörung. Meine Hoffnung, eine der endemischen Säu-getierarten wie Hirsche oder Affen zu Gesicht zu bekommen, er¬füllt sich nicht - dafür sind die bunten, handtellergroßen Schmetterlinge, die in der flirrenden Luft auf und ab schaukeln, hübsch anzusehen.

Das Tagessziel liegt auf der anderen Seite einer Schlucht. „Nichts anfassen!", warnen meine Führer - gar nicht so einfach, auf demschlüpfrigen Steig, der sich weit in die Tiefe windet. Baumstämme und herabhängende Äste versprechen zwar Halt, aber die Gefahr, in ein giftiges Insekt zu greifen oder sich an messerscharfen Dornen zu verletzen, ist zu groß. Die Kletterei in der schwülen Mittags¬hitze schlaucht gewaltig, endlich erreichen wir das Flussufer, wo die nächste Herausfor¬derung wartet: Eine Brücke gibt es nicht, stattdessen überspannt eine windige Seilkon¬struktion mit Flaschenzug den Abgrund. Auf der anderen Uferseite ist inzwischen unser Gastgeber Tatay Nestor aufgetaucht. Doch zunächst gilt es, Gepäck und uns selbst sicher über den Abgrund zu befördern. Das klappt bei Japoy und Larry ganz gut. Dann bin ich an der Reihe, schlinge mir das Seil um die Oberschenkel, noch ein dicker Gurt zur Siche¬rung um den Bauch, und los geht's. Eine Hand vor die nächste greifend, ziehe ich mich häppchenweise auf die andere Seite. Dort wartet Tatay Nestor in kurzen Hosen, olivfar¬benem Unterhemd und Gummistiefeln auf mich. In seinem Gürtel steckt ein großes Buschmesser. Er hat sich aus der Enge von Manila ausgeklinkt und lebt lieber mit seiner Frau Juliet in einer einfachen Hütte am Berg Maranat. Flott und wendig führt er uns am Rand eines Wasserfalls hoch in sein Reich.

Die Philippinen zählen zu den

artenreichsten Regionen der Erde

Schnell wird klar, warum Nestor von allen liebevoll „Tatay", Papa, genannt wird. Wer immer den beschwerlichen Weg durch den Dschungel auf sich nimmt, den Fluss über¬quert und die Schlucht hochsteigt, ist willkommen, sein Zelt bei ihm aufzuschlagen. Ein Wanderer döst in einer Hängematte. Eine philippinische Gruppe macht sich daran, einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Dazwischen wuseln Hühner, die nach Essbarem picken, ein paar Hunde begrüßen lautstark jeden Neuankömmling Ganz schön viel los am Berg. Wir machen uns aus dem Staub und kühlen unsere müden Glieder im nahen Wasserlauf. Smaragdgrüne Gumpen, umrahmt von baumhohen Farnen und knorrigen Urwaldrie¬sen, laden zum Baden ein. So müssen sich die ersten Menschen im Garten Eden gefühlt haben. Und wo geht's jetzt zum Gipfel? „Dort!", meine Begleiter zeigen auf eine Berg¬flanke, die wie in grünem Samt eingeschlagen in der Abendsonne leuchtet und auf hal¬ber Höhe in dichten Wolken verschwindet. Heute ist das nicht mehr zu bewältigen, und wegen des nahenden Wetterumschwungs werden wir am nächsten Tag gleich absteigen. Aufgrund der dichten Vegetation soll die Sicht sowieso sehr eingeschränkt sein. Dann lieber Abendessen. Die philippinische Gastfreundschaft ist sprichwörtlich. Gekocht wird, was wir hochgeschleppt haben: Gemüse, Fleisch aus der Dose und Reis natürlich. Alle packen mit an, alles wird geteilt, und am Ende ist auf dem Holztisch kein Platz mehr für einen weiteren Teller. Hungrig stürzen wir uns auf das Essen.

Unvermittelt ist es dunkel geworden. Die Nacht hat die träge Hitze aus dem Urwald ver¬scheucht, der jetzt vielstimmig zu neuem Leben erwacht. Filipinos sind trinkfest und lassen auch gerne eine Trekkingtour mit Hochprozentigem ausklingen. Eine Flasche Emperador Brandy macht die Runde, jemand spielt auf einer Gitarre, ich versuche sen¬timentale Liebeslieder mitzusingen. Kaum zu glauben: Heute Morgen kannte ich noch keinen von ihnen, jetzt fühle ich mich in ihrer Gegenwart sauwohl, erlebe den besten "Hüttenabend" meines Lebens. Und natürlich machen sie ihre Späßchen mit mir: Als Betthupferl gibt es „Sisig", einen beliebten philippinischen Snack, der hauptsächlich aus Schweinekopf-Bestandteilen gemacht und sauer-scharf mit Calamansi und Chili-pfeffer gewürzt wird. Nachdem ich mir beherzt einen Löffel von dem weißen Glibber-zeug in den Mund geschoben habe, gehöre ich endgültig zu ihnen - denn das hatten sie nicht erwartet, nicht von mir, einem Europäer, hier im Dschungel der Philippinen

 






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