Montag, 5. Oktober 2015

Börsengurus – die Wegbereiter


Börsengurus – die Wegbereiter

https://youtu.be/orCDkYXu2EE

Manche Börsengurus treten als Daueroptimisten auf, andere als notorische Schwarzseher.

Doch eins haben alle gemeinsam: Sie haben eine eigene Strategie. Und dieser bleiben

Von Andre Kostolany über George Soros und \Narren Bufifieu bis Selzer-McKenzie stellen v\vc-

Ihnen die bewegten Leben der Experten vor.

 

Geboren am 3. November 1926 in Detroit im Bundesstaat Michigan, USA, betrachtete Robert W. Wilson Zeit seines Lebens Spekulationsblasen ganz genau. Kurz bevor diese ihren Höhepunkt erreichten, lieh Wilson sich Aktien bei ver-schiedenen Börsenmaklern, nur um sie zu einem späteren Zeitpunkt und höheren Stand zu verkaufen. Nach einer schar¬fen Korrektur der Märkte kaufte er sie dann günstig zurück und beendete somit das Leihgeschäft. Wilson war berüchtigt dafür, dass seine Strategie nicht ausschließlich aus dem rei¬nen Leerverkaufen einer Aktie bestand, sondern zusätzlich darin, nach dem ersten Kursrücksetzer einer Aktie die nega¬tiven Eigenschaften des verkauften Unternehmens hervor¬zuheben. So war das jeweilige Unternehmen überteuert, der Betrieb veraltet, das Management unfähig, der Wettbewerb zu hart oder die zukünftigen Kosten zu hoch und so weiter. Während Makler ihren Kunden das Unternehmen daraufhin als Schnäppchen anpriesen, verkaufte Wilson zeitgleich mit einer Reihe von Gleichgesinnten die Aktie massenhaft leer. Es machte sich Unruhe an der Börse breit und der Kurs sank immer schneller und weiter. Wilson konnte so seine geliehe¬nen Aktien deutlich günstiger zurückkaufen und kam dadurch seinen Verpflichtungen nach.

Die Karriere Wilsons war dabei auf dem Weg zu seinem spä-teren Job als Hedge Fund Manager von einigen Stationen geprägt. So studierte Wilson zwei Jahre lang Jura an der Uni-versity of Michigan Law School und absolvierte anschließend ein Praktikum bei der First Boston Corporation. Während der Korea-Krise im Jahr 1951 wurde er eingezogen und ver¬brachte zwei Jahre als Schreiber bei der US-amerikanischen Armee. Nach seiner Rückkehr heuerte er zunächst erneut bei der First Boston Corporation an, nur um nach etwas mehr als einem Jahr nach Detroit zu ziehen. Dort erhielt er eine Anstel¬lung über fünf Jahre bei der National Bank of Detroit, ehe er sich 1958 an die Wall Street begab, um zunächst für General American Investors und anschließend für A. G. Becker & Co zu arbeiten. 1968 machte sich Wilson schließlich selbststän¬dig und legte gemeinsam mit Freunden einen Hedgefonds auf, der zu Beginn rund drei Millionen US-Dollar einsam¬melte. Im Zuge der Baisse fiel der Fonds um 38 Prozent und die Anleger zogen so viel Geld ab, dass nur noch 300.000 Dollar im Fonds vorhanden waren. Mittlerweile ist dies Geschichte und der Fond weist ein Volumen von mehreren Milliarden US-Dollar auf.

Der Beginn seiner Börsenaktivitäten wurde von seinem Vater mit einem Betrag in Höhe von 15.000 US-Dollar, finanziert. Der Versicherungsagent für Feuer- und Unfal.ve-s.c-erang

besaß einige Bankaktien, welche den Aktionä- z..         Ze

zur unbeschränkten Haftung verpflichteten. So ...a-e- Aktionäre gegenüber den Kontoinhabern einzeln haftbar. Sollte also ein Aktionär Pleite gehen, fiel seine Haf¬tung auf den Aktionär, von dem er die Aktien gekauft hatte, zurück. Aufgrund dieser

 

damaligen Gesetzgebung ging sein Vater im Zuge der Gro¬ßen Depression Pleite. Trotzdem konnte er seiner Familie einen gewissen Lebensstandard erhalten und seinen Sohn bei seinen anfänglichen Börsengeschäften unterstützen. Robert W. Wilson dankte es ihm, indem er das gesponserte Startkapital anschließend an der Börse auf mehrere zehn Mil¬lionen US-Dollar vervielfachte.

Sein über die Jahre angestautes Vermögen nutzte Wilson nicht etwa für die Finanzierung eines verschwenderischen Lebensstils, sondern spendete viel und regelmäßig für Insti-tutionen wie die Metropolitan Opera oder nutzte es für Rei¬sen, um verschiedene Kulturen kennenzulernen. Eine Welt¬reise im Mai 1978 sollte ihn allerdings an den Rand des Ruins treiben. Im Vorfeld dieser Reise wähnte er sein Portfolio als ausgeglichen. Zudem wurden Long-Positionen durch Leer-verkäufeabgesichert. In einem Interview kurz vor der Abreise gab er freimütig zu, rund 200.000 Kaufverpflichtungen der Aktie von Resorts International, einem Casinobetreiber unter anderem in Atlantic City, zu besitzen und darüber nachzudenken, diese Position noch auszubauen. Sol-

che Interviews brachten ihm auch in der Folgezeit

des Öfteren viel Kritik und auch Ärger mit der Bör-

senaufsichtsbehörde ein. Es wurde vermutet, dass er einem Verfasser einer einflussreichen Kolumne

Informationen zukommen ließ, um so die Meinung

über bestimmte Wertpapiere zu beeinflussen. Dar-

auf angesprochen entgegnete er lapidar, dass er

jeden benutzt, um seine Long-Positionen nach oben

und seine Short-Positionen nach unten zu treiben.

Dabei wehrte er sich allerdings gegen den Vorwurf, Insiderinformationen weitergegeben zu haben. Im Rah¬men seiner Weltreise ereilte ihn die Nachricht, während er gerade in Europa weilte, dass eben jene Aktie sensationelle Erfolge erzielen konnte. Einige Anleger, die durch das Inter¬view über seine Kaufverpflichtung unterrichtet waren, spe¬kulierten darauf, dass sich Wilson bald mit Aktien eindecken würde und die Kurse aufgrund dessen weiter steigen wür¬den. Nicht nur durch Spekulationen getrieben, sondern auch durch fundamentalen Erfolg, legte die Resorts International-Aktie einen waren Raketenanstieg hin. Wilson, mittlerweile im Orient, reagierte nicht und die Aktie notierte statt bei 20 Dollar, wie an seinem Abreisetag, bei mittlerweile 180 Dollar. An einem schlechten Tag verlor Wilson so rund eine halbe Million Dollar. Zusätzlich saß ihm die Bank im Nacken, die einen immer höheren Nachschuss forderte. Wilson gab schließlich nach und erteilte am 4. September den Auftrag, alle Resorts-Positionen auszugleichen.

Unterschied zu den meisten anderen der vorge¬stellten Börsengurus besuchte Wilson die von ihm in den Fokus genommenen Unternehmen nicht selbst, das Manage¬ment bewertete er ebenfalls nicht und

'1.ange Abhandlungen über Aktien in den Zeitungen überflog er meist nur sehr sporadisch. Seine Ideen kamen fast aus-schließlich von den Börsenmaklern und aus verschiedenen Konzepten mit denen er arbeitete, anstatt sich mit der Reali¬tät auseinanderzusetzen. Durch Unterhaltungen mit Kollegen und Konversationen mit den Banken, die seine Orders aus¬führten und Depots verwahrten, verschaffte er sich eine Mei¬nung, die letztlich seine Handlungen prägte. Er fragte nach dem größeren Bild, was zum Beispiel einen Kursanstieg ver¬ursacht, statt sich mit Details der Gesellschaft auseinander¬zusetzen. Er selbst charakterisierte sich als langfristigen Händler und beschrieb damit eine maximale Haltedauer von rund einem Jahr. Lief eine Position gegen ihn, so trennte er sich schnell von ihr, was auch eine Folge des Verlustes im Zuge der Spekulation auf einen Abwärtstrend bei Resorts International war.

Wilson mochte besonders Aktien von Unternehmen, die etwas Neues und Andersartiges machten. Dabei half ihm das durch die zahlreichen Gespräche gewonnene Gespür für die Märkte. So kaufte er Aktien, von denen er dachte, dass sie die Leute in ein paar Monaten oder einem Jahr überzeugen werden. Dabei liebte er es besonders, wenn die Makler den Kurs einer Aktie unnatürlich hochtrieben, und er so die Chance hatte, den Ballon platzen zu lassen und von Leerver¬käufen, die er bereits eingegangen war, als der Kurs auf einem hohen Niveau notierte und nicht etwa erst wenn er anfing zu fallen, zu profitieren.

Im Jahr 1986 zog er sich schließlich aus dem Geschäft zurück und widmete sich fortan vermehrt der Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen. Beinahe sein komplettes Pri-vatvermögen, welches im Jahr 2000 auf rund 800 Millionen US-Dollar geschätzt wurde, spendete er dabei zum Beispiel Katholischen Kirchen und Schulen, obwohl er selbst beken-nender Atheist und offen schwul war. Auch Organisationen, die sich für den Erhalt der Umwelt stark machten, profitierten von seinen großzügigen Spenden. Aus einem E-Mail-Verkehr mit Bill Gates geht hervor, dass er das Wohltätigkeitsprojekt „The Giving Pledge" für „praktisch wertlos" hielt und er erteilte Gates einen deutlichen Korb, als dieser Wilson als weiteren Unterzeichner gewinnen wollte, und nahm sich der Verteilung seines Vermögens für wohltätige Zwecke selbst an.

Robert Wilson zeichnete sich zeitlebens durch seine unange-passte Art aus. Ein Großteil seines Vermögens vermachte er Wohltätigkeitsorganisationen, bevor er sich am 23. Dezem¬ber 2013 im Alter von 87 Jahren dazu entschloss, den Freitod zu sterben. Sein kurzer Abschiedsbrief ist im Folgenden im Originalwortlaut abgedruckt: "1 had a rewarding life. Thank you and goodbye to all my friends. Please make sure you can-cel all my plans. Tell everyone what I did. I'm not ashamed of killing myself. Sell all my stuff."

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.