Börsengurus – die Wegbereiter
https://youtu.be/orCDkYXu2EE
Manche Börsengurus treten als Daueroptimisten auf, andere
als notorische Schwarzseher.
Doch eins haben alle gemeinsam: Sie haben eine eigene
Strategie. Und dieser bleiben
Von Andre Kostolany über George Soros und \Narren Bufifieu
bis Selzer-McKenzie stellen v\vc-
Ihnen die bewegten Leben der Experten vor.
Geboren am 3. November 1926 in Detroit im Bundesstaat
Michigan, USA, betrachtete Robert W. Wilson Zeit seines Lebens
Spekulationsblasen ganz genau. Kurz bevor diese ihren Höhepunkt erreichten,
lieh Wilson sich Aktien bei ver-schiedenen Börsenmaklern, nur um sie zu einem
späteren Zeitpunkt und höheren Stand zu verkaufen. Nach einer schar¬fen
Korrektur der Märkte kaufte er sie dann günstig zurück und beendete somit das Leihgeschäft.
Wilson war berüchtigt dafür, dass seine Strategie nicht ausschließlich aus dem
rei¬nen Leerverkaufen einer Aktie bestand, sondern zusätzlich darin, nach dem
ersten Kursrücksetzer einer Aktie die nega¬tiven Eigenschaften des verkauften
Unternehmens hervor¬zuheben. So war das jeweilige Unternehmen überteuert, der
Betrieb veraltet, das Management unfähig, der Wettbewerb zu hart oder die
zukünftigen Kosten zu hoch und so weiter. Während Makler ihren Kunden das
Unternehmen daraufhin als Schnäppchen anpriesen, verkaufte Wilson zeitgleich
mit einer Reihe von Gleichgesinnten die Aktie massenhaft leer. Es machte sich
Unruhe an der Börse breit und der Kurs sank immer schneller und weiter. Wilson
konnte so seine geliehe¬nen Aktien deutlich günstiger zurückkaufen und kam
dadurch seinen Verpflichtungen nach.
Die Karriere Wilsons war dabei auf dem Weg zu seinem
spä-teren Job als Hedge Fund Manager von einigen Stationen geprägt. So
studierte Wilson zwei Jahre lang Jura an der Uni-versity of Michigan Law School
und absolvierte anschließend ein Praktikum bei der First Boston Corporation.
Während der Korea-Krise im Jahr 1951 wurde er eingezogen und ver¬brachte zwei
Jahre als Schreiber bei der US-amerikanischen Armee. Nach seiner Rückkehr
heuerte er zunächst erneut bei der First Boston Corporation an, nur um nach
etwas mehr als einem Jahr nach Detroit zu ziehen. Dort erhielt er eine
Anstel¬lung über fünf Jahre bei der National Bank of Detroit, ehe er sich 1958
an die Wall Street begab, um zunächst für General American Investors und
anschließend für A. G. Becker & Co zu arbeiten. 1968 machte sich Wilson
schließlich selbststän¬dig und legte gemeinsam mit Freunden einen Hedgefonds
auf, der zu Beginn rund drei Millionen US-Dollar einsam¬melte. Im Zuge der
Baisse fiel der Fonds um 38 Prozent und die Anleger zogen so viel Geld ab, dass
nur noch 300.000 Dollar im Fonds vorhanden waren. Mittlerweile ist dies
Geschichte und der Fond weist ein Volumen von mehreren Milliarden US-Dollar
auf.
Der Beginn seiner Börsenaktivitäten wurde von seinem Vater
mit einem Betrag in Höhe von 15.000 US-Dollar, finanziert. Der
Versicherungsagent für Feuer- und Unfal.ve-s.c-erang
besaß einige Bankaktien, welche den Aktionä- z.. Ze
zur unbeschränkten Haftung verpflichteten. So ...a-e-
Aktionäre gegenüber den Kontoinhabern einzeln haftbar. Sollte also ein Aktionär
Pleite gehen, fiel seine Haf¬tung auf den Aktionär, von dem er die Aktien
gekauft hatte, zurück. Aufgrund dieser
damaligen Gesetzgebung ging sein Vater im Zuge der Gro§en
Depression Pleite. Trotzdem konnte er seiner Familie einen gewissen
Lebensstandard erhalten und seinen Sohn bei seinen anfänglichen
Börsengeschäften unterstützen. Robert W. Wilson dankte es ihm, indem er das
gesponserte Startkapital anschließend an der Börse auf mehrere zehn Mil¬lionen
US-Dollar vervielfachte.
Sein über die Jahre angestautes Vermögen nutzte Wilson nicht
etwa für die Finanzierung eines verschwenderischen Lebensstils, sondern
spendete viel und regelmäßig für Insti-tutionen wie die Metropolitan Opera oder
nutzte es für Rei¬sen, um verschiedene Kulturen kennenzulernen. Eine Welt¬reise
im Mai 1978 sollte ihn allerdings an den Rand des Ruins treiben. Im Vorfeld
dieser Reise wähnte er sein Portfolio als ausgeglichen. Zudem wurden
Long-Positionen durch Leer-verkäufeabgesichert. In einem Interview kurz vor der
Abreise gab er freimütig zu, rund 200.000 Kaufverpflichtungen der Aktie von
Resorts International, einem Casinobetreiber unter anderem in Atlantic City, zu
besitzen und darüber nachzudenken, diese Position noch auszubauen. Sol-
che Interviews brachten ihm auch in der Folgezeit
des Öfteren viel Kritik und auch Ärger mit der Bör-
senaufsichtsbehörde ein. Es wurde vermutet, dass er einem
Verfasser einer einflussreichen Kolumne
Informationen zukommen ließ, um so die Meinung
über bestimmte Wertpapiere zu beeinflussen. Dar-
auf angesprochen entgegnete er lapidar, dass er
jeden benutzt, um seine Long-Positionen nach oben
und seine Short-Positionen nach unten zu treiben.
Dabei wehrte er sich allerdings gegen den Vorwurf,
Insiderinformationen weitergegeben zu haben. Im Rah¬men seiner Weltreise
ereilte ihn die Nachricht, während er gerade in Europa weilte, dass eben jene
Aktie sensationelle Erfolge erzielen konnte. Einige Anleger, die durch das
Inter¬view über seine Kaufverpflichtung unterrichtet waren, spe¬kulierten
darauf, dass sich Wilson bald mit Aktien eindecken würde und die Kurse aufgrund
dessen weiter steigen wür¬den. Nicht nur durch Spekulationen getrieben, sondern
auch durch fundamentalen Erfolg, legte die Resorts International-Aktie einen
waren Raketenanstieg hin. Wilson, mittlerweile im Orient, reagierte nicht und
die Aktie notierte statt bei 20 Dollar, wie an seinem Abreisetag, bei
mittlerweile 180 Dollar. An einem schlechten Tag verlor Wilson so rund eine
halbe Million Dollar. Zusätzlich saß ihm die Bank im Nacken, die einen immer
höheren Nachschuss forderte. Wilson gab schließlich nach und erteilte am 4.
September den Auftrag, alle Resorts-Positionen auszugleichen.
Unterschied zu den meisten anderen der vorge¬stellten
Börsengurus besuchte Wilson die von ihm in den Fokus genommenen Unternehmen
nicht selbst, das Manage¬ment bewertete er ebenfalls nicht und
'1.ange Abhandlungen über Aktien in den Zeitungen überflog
er meist nur sehr sporadisch. Seine Ideen kamen fast aus-schließlich von den
Börsenmaklern und aus verschiedenen Konzepten mit denen er arbeitete, anstatt
sich mit der Reali¬tät auseinanderzusetzen. Durch Unterhaltungen mit Kollegen
und Konversationen mit den Banken, die seine Orders aus¬führten und Depots
verwahrten, verschaffte er sich eine Mei¬nung, die letztlich seine Handlungen
prägte. Er fragte nach dem größeren Bild, was zum Beispiel einen Kursanstieg
ver¬ursacht, statt sich mit Details der Gesellschaft auseinander¬zusetzen. Er
selbst charakterisierte sich als langfristigen Händler und beschrieb damit eine
maximale Haltedauer von rund einem Jahr. Lief eine Position gegen ihn, so
trennte er sich schnell von ihr, was auch eine Folge des Verlustes im Zuge der
Spekulation auf einen Abwärtstrend bei Resorts International war.
Wilson mochte besonders Aktien von Unternehmen, die etwas
Neues und Andersartiges machten. Dabei half ihm das durch die zahlreichen
Gespräche gewonnene Gespür für die Märkte. So kaufte er Aktien, von denen er
dachte, dass sie die Leute in ein paar Monaten oder einem Jahr überzeugen
werden. Dabei liebte er es besonders, wenn die Makler den Kurs einer Aktie
unnatürlich hochtrieben, und er so die Chance hatte, den Ballon platzen zu
lassen und von Leerver¬käufen, die er bereits eingegangen war, als der Kurs auf
einem hohen Niveau notierte und nicht etwa erst wenn er anfing zu fallen, zu
profitieren.
Im Jahr 1986 zog er sich schließlich aus dem Geschäft zurück
und widmete sich fortan vermehrt der Unterstützung von
Wohltätigkeitsorganisationen. Beinahe sein komplettes Pri-vatvermögen, welches
im Jahr 2000 auf rund 800 Millionen US-Dollar geschätzt wurde, spendete er
dabei zum Beispiel Katholischen Kirchen und Schulen, obwohl er selbst
beken-nender Atheist und offen schwul war. Auch Organisationen, die sich für
den Erhalt der Umwelt stark machten, profitierten von seinen großzügigen
Spenden. Aus einem E-Mail-Verkehr mit Bill Gates geht hervor, dass er das
Wohltätigkeitsprojekt „The Giving Pledge" für „praktisch wertlos"
hielt und er erteilte Gates einen deutlichen Korb, als dieser Wilson als
weiteren Unterzeichner gewinnen wollte, und nahm sich der Verteilung seines
Vermögens für wohltätige Zwecke selbst an.
Robert Wilson zeichnete sich zeitlebens durch seine
unange-passte Art aus. Ein Großteil seines Vermögens vermachte er
Wohltätigkeitsorganisationen, bevor er sich am 23. Dezem¬ber 2013 im Alter von
87 Jahren dazu entschloss, den Freitod zu sterben. Sein kurzer Abschiedsbrief
ist im Folgenden im Originalwortlaut abgedruckt: "1 had a rewarding life.
Thank you and goodbye to all my friends. Please make sure you can-cel all my
plans. Tell everyone what I did. I'm not ashamed of killing myself. Sell all my
stuff."
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