Ich sage: Keine Zinserhöhung der US-Fed bis 2017
Von D.Selzer-McKenzie
Ich behaupte, dass es bis mindestens Januar 2017 keine
Zinserhöhung der US-FED geben wird und die Zinsen auf diesem niedrigen Niveau
bleiben werden.
Die US-Konjunktur ist zwar wieder angesprungen, aber das war
nur ein Strohfeuer, rezessive Erscheinungen sind schon wieder da.
Über kaum ein Ereignis der Finanzwelt in den vergangenen
Jahren wurde so viel spekuliert wie über die Pressekonferenz der amerikanischen
Zentralbank am 17. September 2015. Viele Marktbeobachter hielten eine Erhöhung
der Leitzinsen über die magische 0,25-Prozent-Marke für wahrscheinlich. Doch es
kam anders. Das Rätselraten über die Zinspolitik der Fed geht weiter.
Monatelang wurde auf und jenseits der Fi¬nanzmärkte
spekuliert, jede Information über die amerikanische Wirtschaft seziert und jede
noch so nebensächliche Äußerung der Beteiligten interpretiert. Im Zentrum der
Aufmerk¬samkeit steht dabei Janet Yellen, die 69-jährige Präsidentin der
amerikanischen Zentralbank, die gleichzeitig das Amt der Vorsitzenden des
Offen-marktausschusses (Federal Open Market Commit-tee) innehat. Dieser
Ausschuss, der aus den Prä¬sidenten regionaler Federal-Reserve-Banken sowie dem
Direktorium der Zentralbank besteht, kommt achtmal im Jahr zu Beratungen
zusammen, um unter anderem über die Zielgrößen für die ameri¬kanischen
Leitzinsen zu befinden.
DEN RICHTIGEN ZEITPUNKT TREFFEN
Selbstverständlich hat das andauernde Rätselraten über eine
mögliche Zinserhöhung, das mit jedem Ausbleiben einer solchen nicht weniger
wird, auch Auswirkungen auf Volkswirtschaften außerhalb der Vereinigten
Staaten. So macht die „Neue Zür¬cher Zeitung" unter dem Titel „Rätselraten
über die Fed bremst Aktivität" am 9. September 2015 die merkliche
Zurückhaltung auf dem Schweizer Kapitalmarkt auch an der ausstehenden
bezie¬hungsweise erwarteten Zinsentscheidung fest.
Warum diesem Schritt und seinem Zeitpunkt eine solch große
Bedeutung beigemessen wird, zeigt die Rückschau deutlich. Denn was beim
isolierten Blick auf die vergangenen fünf Jahre nach
reichlich Bewegung auf dem Zinsmarkt aussieht, entpuppt sich schnell als
minimales Oszillieren un-terhalb von 0,20 Prozent (siehe Grafik unten).
Be-trachtet man dagegen die Leitzinsentwicklung in den USA über einen längeren
Zeitraum, beispiels¬weise seit dem „Schwarzen Montag", dem 19. Ok¬tober
1987, wird schnell deutlich, dass eine derartig
US-LEITZINSEN
Was auf den ersten Blick wie Bewegung bei den Leitzinsen
aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Oszillieren unterhalb von
0,20 Prozent.
Stand: 22.D92015, Quelle: Board of Governors of the Federal
Reserve System
lange Phase kontinuierlich niedriger Leitzinsen nicht der
Regelfall ist. Hochzins-Phasen, wie sie Anfang der 1980er-Jahre mit Zinssätzen
knapp unter 20 Prozent (Juni 1981: 19,10 Prozent) herrschten, liegen weit
hinter uns und auch für Leitzinsen von mehr als 5,0 Prozent muss man bis 2007
zurückgehen (August 2007: 5,02 Prozent). Seit Dezember 2008 liegen sie in einem
Korridor zwischen 0,00 und 0,25 Prozent. Damals hatte die Fed in mehreren
Schritten die Leitzinsen gesenkt, um die Folgen der Subprime-Krise der Jahre
2007 und 2008 abzufedern. Eine Entscheidung, diesen Zinskorridor nach sieben
Jah-ren zu verlassen, könnte daher auch als Zeichen gewertet werden, dass diese
Krise endgültig über-wunden ist.
Kein Wunder also, dass sich Mitte September alle Augen auf
die Fed und Janet Yellen richteten. Wie auf der letzten turnusmäßigen
Pressekonferenz im Juni bestätigte sie auch im September die Kri-terien, die
der Offenmarktausschuss seinen Ent-scheidungen über eine mögliche Erhöhung der
Leitzinsen zugrunde legt: Das Gremium orientiere sich zwar an einer
gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der amerikanischen wie globalen Wirt-schaft,
vor allem aber seien es die Arbeitsmarkt-zahlen sowie die Inflationsrate,
welche die Ent-scheidungsfindung des Ausschusses leiteten.
Mit diesem Schritt hat sich die Fed den Erwartungen des
Marktes gebeugt und einen Zinsschritt weiter verschoben. Damit hat die Fed
erneut nur mit Worten agiert, während die Märkte weiter auf Taten warten
müs¬sen. Der ausgebliebene Zinsschritt be¬schneidet den Spielraum der Fed, die
Zinspolitik proaktiv zu gestalten, weil sich das Zeitfenster für einen
Zins¬schritt weiter verengt. Da die Märkte bekamen, wonach sie zuletzt verlangt
hatten, dürften die Marktreaktionen verhalten bleiben. Tendenziell sollten
Risikoanlagen leicht profitieren. Das Statement der Fed mit der Betonung der
„globalen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen" war weniger
offensiv als die anschließen¬de Pressekonferenz. In dieser betonte Janet
Yellen, dass sich grundsätzlich nichts geändert habe und eine Zinsan¬hebung im
Oktober weiterhin möglich sei. Deshalb müssen wir nun auf das nächste Treffen
des Offenmarktaus-schusses der Fed warten.
BEWEGUNG AUF DEM ARBEITSMARKT
Auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Dynamik beim
Beschäftigungswachstum verstetigt. Die Arbeits-losenquote ist im August um 0,2
Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat gesunken und beträgt 5,1 Prozent. Zu
Jahresbeginn hatte sie noch bei 5,7 Prozent gelegen, so die Zahlen des Bureau
of Labor Statistics. Insgesamt ist bei der Arbeitslosenquote eine ebenso
nachhaltige wie erfreuliche Tendenz zu losen seit 2010, als das Jahr mit einer
Quote knapp unter zehn Prozent begann, laut der offiziellen Sta-tistik fast
halbiert. Die Fed selbst hat ihre Projektion für 2015 sogar noch deutlicher
korrigiert und geht nun für das Gesamtjahr von 5,0 Prozent aus (Juni: 5,3
Prozent).
Die Inflationsrate verharrt allerdings noch unter der
langfristigen Zielmarke von 2,0 Prozent. Immer-hin, so Yellen, sei der Druck
auf die Inflationsrate durch die zuvor stark fallenden Energiepreise abge-ebbt.
Der Ausschuss werde eine Zinserhöhung erst beschließen, wenn weitere Verbesserungen
auf dem Arbeitsmarkt zu erkennen seien und er hinreichend zuversichtlich
(„reasonably convinced") sei, dass die Inflation sich mittelfristig auf
die Zielgröße von 2,0 Prozent hinbewege.
EINFLUSSFAKTOR INFLATION
Auf der folgenden Pressekonferenz stellte Yellen zudem
nochmals klar, dass ihrer Meinung nach die Glaubwürdigkeit der Fed von der
Verteidigung der Inflationsziele abhänge. Die Projektion der Fed hin¬sichtlich
der Kerninflationsrate für das Gesamtjahr 2015 haben die Zentralbanker auf 1,4
Prozent er¬höht, während sie im Juni noch von 1,3 Prozent für 2015 ausgegangen
waren. Das tatsächliche Erreichen der Ziel-Inflationsrate wird allerdings erst
für 2018 erwartet.
Der Verbraucherpreisindex — eine weitere Beur¬teilungsgröße
für die Inflation — betrug nach Mittei¬lung des US-Arbeitsministeriums im
August 1,8 Prozent. Auch wenn sich die Fed bei der Messung der Inflation vor
allem auf die privaten Konsumaus¬gaben ohne Energie und Nahrungsmittel bezieht,
ist dies ein positives Zeichen. Die wirtschaftliche Lage, so Yellen weiter,
habe sich verbessert und der Ausschuss gehe unverändert davon aus, dass das
Bruttoinlandsprodukt weiterwachse und der Anstieg der Beschäftigung und die
niedrigeren Energiepreise den privaten Konsum stimulierten. Beim realen Bruttoinlandsprodukt
hat das Bureau of Economic Analysis die Schätzungen der Wachs¬tumsrate für das
zweite Quartal 2015 nach Vorlie¬
gen einer breiteren Datengrundlage auf 3,7 Prozent erhöht.
Im August war die Behörde noch von le¬diglich 2,3 Prozent ausgegangen.
Schließlich warnte die Fed-Chefin ausdrücklich davor, den
Zeitpunkt der Leitzinserhöhung über¬zubewerten, da davon auszugehen sei, dass
sich die Geldpolitik der Notenbank für geraume Zeit („for quite some
time") sehr flexibel gestalten wer¬de, damit die angestrebten Ziele einer
möglichst hohen Beschäftigungsrate („maximum employ-ment rate") sowie
einer Inflationsrate von zwei Prozent langfristig erreicht würden.
WIE GEHT ES WEITER?
Die nächste Sitzung des Offenmarktausschusses ist für den
27. und 28. Oktober 2015 terminiert —allerdings ist eine Pressekonferenz, die
für die Ver¬kündung einer Änderung in der Leitzinspolitik genutzt wird, bisher
nicht vorgesehen. Auf entspre-chende Nachfrage bestätigte Yellen, dass der
Aus¬schuss sich auf jeder Sitzung entscheiden könne, eine Änderung der
Zinspolitik vorzunehmen, das gelte auch für die Sitzung Ende Oktober. Eine
Zins¬korrektur sei möglich („So, yes, October remains a possibility"). In
diesem Fall würde eine Pressekon¬ferenz kurzfristig einberufen.
Wie immer die Entscheidung der Fed aber aus¬fällt, sie wird
Konsequenzen für die Märkte haben. Am Tag darauf, dem 29. Oktober, analysiert
>
Sollte auch im Oktober keine Entscheidung hinsichtlich einer
Erhöhung der Leitzinsen auf einen Zinssatz von über 0,25 Prozent fallen,
besteht in diesem Jahr letztmalig am 15. und 16. Dezember die Möglichkeit einer
Zinsanpassung durch die amerikanische Notenbank.
ZERTIFIKATE AUF DEN US-AKTIENMARKT
Anleger, die ähnlich wie die Fed von einer grund-sätzlich
positiven Entwicklung der US-Wirtschaft ausgehen, können mit
Discount-Zertifikaten auf
die bekanntesten und größten US-Indizes breit diversifiziert
am amerikanischen Aktienmarkt par-tizipieren. Discount-Zertifikate ermöglichen
die Teilnahme an der Wertentwicklung des Basiswerts. Durch den Discount—den
Preisabschlag beim Kauf des Zertifikates gegenüber dem Kurs des Basis-wertes
—fallen eventuelle Kursverluste im Vergleich zum Basiswert gedämpfter aus.
Dafür verzichtet der Anleger auf eine unbegrenzte Teilnahme an einer positiven
Wertentwicklung des Index. Wer sich gegen eventuelle Wechselkursschwankungen
des Dollar zum Euro absichern möchte, kann mit Quanto-Zertifikaten auf den
jeweiligen Basiswert zugreifen.
Als Basiswert empfiehlt sich beispielsweise der Dow Jones
Industrial Average, der die Wert-entwicklung 30 bedeutender amerikanischer
Un-ternehmen abbildet, die in ihrem jeweiligen In-dustriezweig eine führende
Rolle einnehmen. Feste Aufnahmekriterien bestehen aber nicht. Jüngstes
Indexmitglied ist Apple — der Technik¬konzern aus Cupertino wurde erst im März
dieses Jahres aufgenommen —, das älteste, General Elec-tric, wird bereits seit
1907 im Index geführt. DieBerechnung des Barometers erfolgt durch Dow Jones
& Company, die für die Zusammensetzung des Index sowie für die Gewichtung
seiner Be¬standteile verantwortlich sind. Durch die Konzen¬tration auf
lediglich 30 Blue Chips ist der Dow Jones Industrial Average zudem ein
besonders liquider Index.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.