Dienstag, 13. Oktober 2015

Elektro-Mobilität


Elektro-Mobilität

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/74lW_u4azGk

Elektromobilität ist ein Schlüssel, um auch künftig nachhaltig mobil

zu bleiben. Erste Elektrofahrzeuge   es bereits seit einigen Jahren

zu kaufen. Doch die hohen Anschaffungskosten und    geringe Reichweite

halten derzeit noch viele Autofahrer vom Kauf eines Stromers ab.

Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher arbeiten zusammen mit der

Industrie an neuen Lösungen für innovative Batterien, dem Laden

ohne Kabel sowie an kostengünstigen Antriebssystemen. Diese

Komponenten sollen helfen, Elektrowagen der kommenden

Generationen leistungsfähiger zu machen.

Mehr als ein Jahrhundert sorgte der Verbrennungsmotor für Automobilität. Doch der Klimawandel sowie die stetig wach¬sende Weltbevölkerung, stellen neue Anforderungen an die Mobilität. Schon jetzt verursachen Autos, Lkws, Motorräder und Co. etwa ein Viertel der Treibhausgase in Europa. Zudem belasten Lärm, Feinstaub und Abgase die Menschen. Anders Elektroautos: Sie sind leise, stoßen keine Emissionen aus und verringern die Abhängigkeit von Erdölimporten. Weiterer Vor¬teil: Fahren die Wagen mit Strom aus erneuerbaren Energien, sind sie im Vergleich zu einem Benziner oder Diesel-Fahrzeug deutlich umweltfreundlicher.

Doch trotz dieser Vorteile sind auf deutschen Straßen kaum Elektrowagen unterwegs. Anfang des Jahres waren erst 19 000 reine E-Mobile und 108 000 Hybrid-Fahrzeuge zu¬gelassen — so die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts. Vor allem die hohen Anschaffungskosten, die geringe Reichwei¬te und die fehlende Infrastruktur schrecken viele Autofahrer ab. Auch innerhalb der Europäischen Union sind elektrisch betriebene Fahrzeuge noch ein Nischenmarkt. Das machen die Daten des europäischen Autoherstellerverbands ACEA deutlich: Im 1. Quartal 2015 wurden insgesamt 3,5 Millionen

 

Pkw neu zugelassen, davon waren lediglich 24 630 Stromer. Doch so langsam steigt die Nachfrage nach Elektroautos an. In Europa (EU plus Norwegen und Schweiz) wurden im erster Quartal 2015 fast doppelt so viele Stromer verkauft (33.835) als im Vorjahreszeitraum. Spitzenreiter in Europa ist Norwe¬gen. Dort verkauften die Autohändler — dank großzügiger staatlicher Anreize — allein im ersten Quartal 8 099 Elektro¬autos. Das entspricht einem Anteil von etwa 23 Prozent am norwegischen Gesamt-Automarkt.

Nachfrage steigt

Leitmarkt für E-Mobilität sind die USA mit etwa 120 000 ver¬kauften Elektro- und Plug-In-Autos im vergangenem Jahr, so der »Index Elektromobilität« von Roland Berger Strategy Con-sultants und der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen. An Bedeutung gewinnt der chinesische Markt: Mit knapp 53 000 verkauften E-Mobilen in 2014 konnte das Lanc den Absatz gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppeln. Ten denz weiter steigend. Ein Grund für diesen starken Aufwärts¬trend ist die massive•staatliche Förderung. Aktuell investiert die Regierung fast 7,7 Milliarden Euro in die E-Mobilität.

Bereits seit mehreren Jahren unterstützt auch die Bundesregie¬rung den Ausbau der Elektromobilität. Ihr Ziel ist es, Deutsch¬land zu einem Leitanbieter und Leitmarkt für Elektrofahrzeuge zu machen. Die Fraunhofer-Gesellschaft trägt dazu bei, wichti¬ge Grundlagen für den Umstieg auf E-Mobile zu legen. Bereits 2009 startete die Fraunhofer-Systemforschung Elektromobi¬lität FSEM. Nur zwei Jahre später konnten die Forscherinnen und Forscher bereits erste Lösungen demonstrieren. Derzeit werden die Aktivitäten weitergeführt in dem Leitprojekt FSEM II (siehe Kasten). »Elektromobilität schont nicht nur Klima, Umwelt und Ressourcen, sondern fördert auch technologische Innovationen«, betont Professor Matthias Busse, der Sprecher des Projekts und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fertigungs¬technik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen. »Im Fokus der Fraunhofer-Systemforschung stehen effiziente und kostengünstige Antriebskomponenten, Leichtbau, Ener¬giespeicher, das Laden ohne Kabel sowie Lösungen für das autonome Fahren. Hierbei arbeiten wir eng mit der Industrie zusammen«. Erste Prototypen präsentierten die Wissenschaft¬lerinnen und Wissenschaftler auf der diesjährigen Internatio¬nalen Automobilausstellung (IAA).

Leichte, leistungsfähige Batterien

Eine Schlüsselkomponente für das Fahren mit Strom ist das Batteriesystem. Daran werden hohe Anforderungen ge¬stellt: Es muss nicht nur besonders leistungsfähig, sondern auch leicht, langlebig und sicher sein. Fraunhofer-Experten entwickelten deshalb den »Leichtbau-Energiepack«. Das System besteht aus hochintegrierten und austauschbaren Energiekomponenten sowie einem thermischen Puffer, der für die effektive Temperierung der Batterien sorgt. Damit der Energiepack auch im Sommer oder bei Extremsituationen wie dem Fahren über kurvige, steile Gebirgspässe nicht überhitzt, setzen die Forscherinnen und Forscher das Phasenwechsel-Fluid CryoSol®Plus ein. Das Gemisch aus Wasser und Paraffin kann dreimal so viel Wärme aufnehmen wie Wasser. Erhitzt sich die Batterie im Betrieb, »schmelzen« die festen Paraffin-Kügelchen und speichern die Wärme. Kühlt die Lösung ab, erstarren die Tropfen wieder und geben dabei Wärme ab. So verzögert CryoSol®Plus im Winter das Auskühlen der Batterie.

Damit das Energiepack leicht und dennoch sicher ist, verwen¬den die Wissenschaftler für das Gehäuse eine Kombination aus kostengünstigen standardisierten Leichtbaukonstruktio-nen aus hochfestem Stahl und faserverstärktem Kunststoff mit metallischen Versteifungs- und Verbindungsknoten. An dem Projekt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Lasertechnik ILT, Solare Energie-systemen ISE, für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und für Werkstoffmechanik IWM beteiligt.

Überholen mit Lithium-Booster

Batterien sollen Elektrofahrzeuge möglichst lange mit Energie versorgen. Doch kurzfristige leistungsintensive Aktivitäten wie

 

zum Beispiel das Überholen oder das Einfädeln auf die Auto¬bahn benötigen viel Strom und verringern so die Reichweite. Um solche temporären Leistungsspitzen besser auffangen zu können, arbeiten Fraunhofer-Forscherinnen und Forscher aus dem Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie an einer besonderen Hochleistungsbatterie. Der Lithium-Booster soll künftig für die notwendige Energie beim Überholen sorgen und darüber hinaus Bremsenergie effektiv in das Antriebs-system einspeisen. »Hierfür sind Lithiumakkumulatoren mit besonders hoher Leistungsdichte notwendig, die sicher und langlebig sind. Zudem müssen sie sich schnell wieder aufladen lassen«, beschreibt Andreas Würsig vom ISIT die Anforderungen.

Eine weitere Möglichkeit die Reichenweite von Elektrowa-gen zu erhöhen, ist der Einsatz von Brennstoffzellen als Range-Exender. Das Fraunhofer-Institut für Chemische Tech¬nologie ICT arbeitet an verschiedenen Varianten. Einfache Brennzellenstoffzellen mit einer elektrischen Leistung zwi¬schen 5 kW und ca. 15 kW laden die Batterie im Betrieb nach. So kann man deutlich mehr Kilometer mit dem Stromer zurücklegen. Diese Brennzellstoffen lassen sich zum Bespiel mit Methanol betreiben. Noch mehr zusätzliche Energie liefert ein wasserstoffbasierter Range Extender mit einer Leistung von mehr als 15 kW. Damit kann der Wagen so¬gar direkt angetrieben werden.

Für kommunale Nutzfahrzeuge — wie zum Beispiel Schnee-räumer — entwickelten Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI den Range-Extender HY2PE2R. Dieses System wird von einem emissionsarmen und zuverlässigen Verbrennungsmo¬tor angetrieben, um sowohl elektrische Energie als auch für den Betrieb der Arbeitsgeräte benötigte hydraulische Energie bereitstellen zu können.

Laden ohne Kabel

Eine Herausforderung für E-Mobil-Besitzer ist derzeit noch das Laden. Wer Strom tanken will, braucht ein Kabel und viel Zeit. Das soll sich ändern. Fraunhofer-Experten arbeiten nicht nur an Schnellladelösungen wie dem Batteriebus EDDA, der in 15 Sekunden mit 700 Kilowatt laden kann, sondern auch an der kontaktlosen induktiven Energieübertragung — ähnlich wie bei der elektronischen Zahnbürste. Beim induktiven La¬den lässt sich Strom durch Magnetfelder quasi über die Luft übertragen. Dafür benötigt man elektrische Spulen, die zum einen in der Straße, einem Parkplatz oder der Garage und zum anderen im Auto verbaut sind. Bringt man die beiden Spulen im richtigen Abstand zusammen, fließt Strom und der Akku im Fahrzeug wird geladen.

Eine vielversprechende Lösung haben Experten des Fraun¬hofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel entwickelt. Ihr System kombiniert nicht nur kabelgebundenes sowie induktives Laden, sondern ermög- licht es auch, bei Bedarf den gespeicherten Strom wieder ins öffentliche Netz einzuspeisen. So könnten die Batterien der Stromer künftig auch als Zwischenspeicher für über¬schüssige Energie aus Sonne oder Wind genutzt werden.

Der besondere Clou des Systems: »Wir verwenden für die unterschiedlichen Funktionen dieselben Komponenten. So ist das neue Ladegerät bis zur Hälfte kostengünstiger und nimmt etwa 45 Prozent weniger Raum im Fahrzeug ein als andere Lösungen, die es im Moment in Forschung und Entwicklung sowie konventionell gibt«, rechnet Marco Jung vom IWES vor. Das multifunktionale, bidirektionale Ladesystem ist be¬reits zum Patent angemeldet.

Selbstfahrende Stromer

Induktives Laden ist vor allem fürs Carsharing interessant. Im Projekt »Gemeinschaftlich-e-Mobilität: Fahrzeuge, Daten und Infrastruktur« (GeMo) entwickelten sechs Fraunhofer-Institute eine Infrastruktur aus induktiven Ladestationen und Cloud-basiertem Lademanagement. Die ersten Prototypen des Ladesystems arbeiten sehr effizient: Die übertragbare

 

Leistung beträgt bis zu 22 kW. Damit lässt sich eine übliche Elektrofahrzeugbatterie in weniger als einer Stunde auf 80 Prozent ihrer Nennkapazität laden.

Noch bequemer für den Autofahrer wäre es, wenn die E-Autos eigenständig die nächste induktive Ladestelle anfahren könnten. Ingenieure des Fraunhofer-Instituts für Produktions¬technik und Automatisierung IPA arbeiten an selbstfahrenden Stromern. Ihre Idee: In einem entsprechenden ausgerüsteten Parkhaus kann man künftig sein E-Mobil einfach auf einen beliebigen freien Stellplatz parken. Alles Weitere erledigt das Auto allein. Es stimmt sich mit dem zentralen Rechner ab und fährt dann automatisch zu einer freien Stromtankstelle. Ist es aufgeladen, macht es Platz für das nächste Elektroauto. So ließen sich die wenigen vorhandenen induktiven Ladeplätze sehr effizient nutzen.

Praktisch wäre es auch, wenn sich die Batterie direkt beim Fahren aufladen lassen. Dass dies tatsächlich auch funktioniert, zeigten Forscherinnen und Forscher des IFAM und des IVI gemeinsam mit Firmen auf einer Teststrecke im Emsland. Dort wurden direkt in die Fahrbahn Spulen eingebaut. Fuhr man

mit einen entsprechend ausgestatteten Elektrowagen über das Teilstück, wurden die Batterien mit Strom versorgt.

Für Stadtfahrzeuge der Zukunft entwickelten Experten aus dem IFAM sowie aus den Fraunhofer-Instituten für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF und für Integrierte Systeme und Bauelemente IISB einen innovativen Antriebsstrang. Das System besteht aus einem luftgekühl¬ten elektrischen Radnabenmotor mit einer Spitzenleistung von 18 Kilowatt samt integriertem Umrichter, der für eine maximale Betriebsspannung von 120 Volt ausgelegt ist und die benötigte Spannung generiert. Über einen luftgekühlten, bidirektionalen 500 Ampere Gleichspannungswandler wird der Antrieb mit Energie aus einer 48 V Batterie versorgt.

Luftgekühlter E-Antriebsstrang

»Radnabenmotoren helfen die Kosten und den Energiever¬brauch von Elektrofahrzeugen zu senken. Sie vergrößern das Platzangebot im Fahrzeug und ermöglichen es, durch die un¬abhängige Drehmomenteinstellung an jedem angetriebenen Rad aktive Fahrsicherheitskonzepte zu realisieren«, erläutertFelix Horch vom IFAM. In den Motoren kommen neu ent-wickelte gegossene Spulen aus leichtem und preiswertem Aluminium zum Einsatz. Diese lassen sich exakt an den zur Verfügung stehenden Bauraum anpassen. Das ermöglicht hohe Leistungen. Weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu den herkömmlichen Spulen aus Kupfer benötigen sie keine Wasserkühlung. Stattdessen konstruierten die Ingenieure die Felge so, dass ein zusätzlicher Luftstrom entsteht, der den Radnarbenmotor effektiv kühlt. Da der Antrieb direkt in das Rad integriert ist, erhöhen sich die Reifen-gefederten Massen. Deshalb setzen die Experten adaptive Fahrwerks-komponenten ein. Smarte Schwingungsdämpfer reduzieren nicht nur die eingetragenen Kräfte, sondern verbessern auc den Fahrkomfort.

Schlüsselkomponente: Leistungselektronik

Damit sich das E-Mobil bewegt, alle Sicherheits- und Kom¬fortfunktionen immer betriebsbereit sind und die Batterie beim Abbremsen des Fahrzeugs auch wieder aufgeladen werden kann, muss die elektrische Energie intelligent und sehr effizient verteilt und gewandelt werden. An derartiger Komponenten arbeiten Wissenschaftler des IISB seit 15 Jah¬ren. Für die Verteilung von Energie entwickelten sie zum Be spiel einen Wandler, der das Hochvolt-Netz von Elektrofahr-zeugen mit dem konventionellen 12 Volt und dem künftiger 48 V Netz koppelt und einen Energietransfer in jede Richtun ermöglicht. »Zudem arbeiten wir an einem System, mit dem sich sowohl Energie als auch Daten kontaktlos an schnell bewegte Komponenten übertragen lassen. Wir haben es bereits in ein Kugellager integriert«, berichtet Dr.-Ing. Bernd Eckardt vom IISB. Der große Vorteil: Induktive Übertragung ist unempfindlich gegenüber Erschütterungen und Umwelt-einflüssen wie Schmiermittel oder Öl.

 

mit einen entsprechend ausgestatteten Elektrowagen über das Teilstück, wurden die Batterien mit Strom versorgt.

Für Stadtfahrzeuge der Zukunft entwickelten Experten aus dem IFAM sowie aus den Fraunhofer-Instituten für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF und für Integrierte Systeme und Bauelemente IISB einen innovativen Antriebsstrang. Das System besteht aus einem luftgekühl¬ten elektrischen Radnabenmotor mit einer Spitzenleistung von 18 Kilowatt samt integriertem Umrichter, der für eine maximale Betriebsspannung von 120 Volt ausgelegt ist und die benötigte Spannung generiert. Über einen luftgekühlten, bidirektionalen 500 Ampere Gleichspannungswandler wird der Antrieb mit Energie aus einer 48 V Batterie versorgt.

Luftgekühlter E-Antriebsstrang

»Radnabenmotoren helfen die Kosten und den Energiever¬brauch von Elektrofahrzeugen zu senken. Sie vergrößern das Platzangebot im Fahrzeug und ermöglichen es, durch die un¬abhängige Drehmomenteinstellung an jedem angetriebenen Rad aktive Fahrsicherheitskonzepte zu realisieren«, erläutert

 

Doch funktionieren die Komponenten auch im Fahrbetrieb? Arbeiten die Systeme im Verbund zusammen? Diese und weitere Fragen untersuchen derzeit Wissenschaftler des IISB. Sie wollen überprüfen, ob die von ihnen gemeinsam mit der Automobilindustrie entwickelten Komponenten wie elektrische Antriebssysteme, integrierte Umrichter, Ladege¬räte und Batteriespeichersysteme dem Praxistest standhalter Deshalb haben die Experten verschiedene Systeme in das Erprobungs- und Demonstrationsfahrzeug »IISB-ONE« ein¬gebaut. Dort sollen die Komponenten auch beim Fahren im Straßenverkehr ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. »Unser Ziel war es, eine flexible alltagstaugliche Forschungs¬plattform zu schaffen«, betont Eckardt. Das Fahrzeug ist für die Straße zugelassen.

Der Umstieg auf Elektromobilität stellt Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbraucher nicht nur vor große Heraus¬forderungen, sondern bietet auch neue Chancen. Mit seiner Innovationen für die automobile Wertschöpfung der Zukuni legt Fraunhofer wichtige Grundlagen für die erfolgreiche Etablierung der Elektromobilität in Deutschland.

Lange Staus gehören in der Stadt längst zum Alltag. Oft ist man mit dem Fahrrad schneller am Ziel als mit dem Auto. Obendrein belas¬ten die vielen Fahrzeuge die Luft, treiben die Feinstaubwerte in die Höhe und schaden dem Klima. Besserung ist nicht in Sicht: Bald werden zwei von drei Menschen in der Stadt leben, es entstehen immer mehr Megastädte und die Zahl der Autos nimmt rapide zu. Der städti¬sche Verkehr, das steht fest, braucht dringend eine Zäsur. Vier Fraunhofer-Institute und drei Institute des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie zahlreiche Unternehmen haben sich deshalb 2011 zu dem Innovationscluster »Regi¬onal Eco Mobility 2030« zusammengeschlossen, um neue Wege der individuellen Mobilität aufzuzeigen, ergänzend zum öffentlichen Nah¬verkehr. Das von der Fraunhofer-Gesellschaft, Landesministerien von Baden-Württemberg und Industrieunternehmen geförderte Projekt hat einen Etat von etwa 12 Millionen Euro und läuft Ende 2015 aus.

Schon jetzt können die Forscherinnen und Forscher eine ganze Reihe von Ergebnissen vorweisen. Besonderes Highlight des Verbund¬projekts ist ein innovatives Elektrofahrzeug. Ziel

 

Demonstratorfahrzeug: Im Projekt REM 2030 wurde unter anderem ein innovatives Elektroautokonzept entwickelt. © Fraunhofer

war es, ein Stadtfahrzeug zu entwickeln, das noch in 15 Jahren allen Ansprüchen genügt. Deshalb erfassten die Experten zunächst, welche Anforderungen ein Auto künftig erfüllen solle, und kamen dabei auf folgende Vorgaben: vier Türen, vier Sitze, relativ leicht (maximal 1200 Kilogramm), nicht zu groß (maximal vier Meter lang) und ausreichende Zuladungsfähigkeit (etwa 350 Kilo). Mit dem Zukunftsauto soll man mindestens 80 Kilometer ohne Nachladen fah¬ren können — Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI haben ergeben, dass kaum jemand täglich weiter fährt. Allerdings wollen die Forscher das Fahrzeug auch für längere Fahrten rüsten. Deshalb ist ein ein »Range Extender« intergriert, der die Reichweite bei Bedarf auf mehr als 200 Kilometer erweitert.

Abwärme nutzen

Das E-Mobil der Wissenschaftler erfüllt alle diese Vorgaben. Der Wagen entstand auf dem Chassis eines Audi Al Sportsback. In seinem Inneren stecken zahlreiche Innovationen — wie etwa ein intelligentes Wärmemanagement. Überall, wo Wärme entsteht, ob im Elektro-

 

motor, in der Leistungselektronik oder der Batterie, wird sie entnommen und dorthin geführt, wo sie gebraucht wird. Bisher wird die Abwärme von elektrischen Antriebskomponen¬ten nicht genutzt. Bei einem Wirkungsgrad von bis zu 97 Prozent, so die Philosophie, lohne sich das kaum. Der Nachteil: Die Fahrgastzelle muss im Winter mit Akku-Strom beheizt werden, was den Aktionsradius des Autos erheblich einschränkt. Und wenn man bei Frost die Traktionsbatterie nicht erwärmt, wird das Auto zur lahmen Ente. Bei 20 Minusgraden kann es 40 Prozent seiner Leistung verlieren, wenn nicht sogar die Batterie Schaden nimmt. Im REM-2030-Technologieträger gibt es solche Proble¬me nicht. Die Traktionsbatterie, ein etwa 130 Kilogramm schweres Hochleistungsaggregat, das die Partner eigens entwickelt haben, wird —falls nötig — vor dem Losfahren auf Temperatur gebracht. Meist muss man sie aber kühlen, das heißt, sie gibt nutzbare Wärme ab.

Die Experten entwickelten auch einen beson-ders kompakten Elektromotor. Möglich machte diese Miniaturisierung eine neuartige Wicklung der Spule. Die Ingenieure nutzen einen flachen Draht und nicht wie üblich einen runden. Daserhöht die Packungsdichte. Zudem verlaufen zwischen den Drähten Kühlleitungen, so dass die Abwärme sofort abfließen kann. So lässt die Motorleistung selbst bei hoher Belastung nicht nach und die Magnetmaterialien der permanen¬terregten Synchronmaschine werden nicht be¬schädigt. Dank der kompakten Bauweise lassen sich höhere Drehzahlen realisieren. So kommt der kleine und leichte Motor auf die gleiche Leistung von 50 kW Dauerleistung (80 kW Peak) wie ein herkömmlicher Elektromotor.

Getriebe mit zwei Gängen

Eine weitere Innovation ist das Zwei-Gang-Getriebe, das mit dem Elektromotor eine Einheit bildet. Bislang haben E-Fahrzeuge nur einen Gang. Der Nachteil: Bei hohen Geschwin¬digkeiten nimmt der Wirkungsgrad ab. Anders beim REM-Mobil. Es schaltet ab 80 Stundenki¬lometer einfach in den zweiten Gang hoch —und bleibt effizient und agil. Obendrein ist ein neuartiger Stromwandler eingebaut, der für eine stabile Antriebsspannung sorgt. Bei herkömmlichen Elektroautos sinkt die Span-nung mit zunehmender Entladung der Batte¬rie und macht das Fahrzeug müde.

 

Um die Reichweite des Stroms bei Bedarf zu er¬höhen, haben die Ingenieure eine Brennstoffzel¬le eingebaut. Sie wird mit einem Methanol-Was¬ser-Gemisch betrieben, das aus herkömmlichen Zapfsäulen fließen kann und im Auto keinen speziellen Speicher erfordert. Ein handlicher Reformer erzeugt daraus den nötigen Wasser¬stoff. Bei Fahrtantritt springt die Brennstoffzelle an und speist mit einer konstanten Leistung von knapp 5 kW den Akku. Das genügt, um die Reichweite auf bis zu 250 Kilometer zu erhöhen. Doch das beste Elektrofahrzeug nutzt nichts, wenn es keine Käufer findet. Wie kann man Autofahrer für Stromer begeistern? Auch das haben die Forscher untersucht. Das Ergebnis: »Die Akzeptanz steigt mit der Nutzung«, sagt der Koordinator des Projekts REM 2030 Profes¬sor Martin Wietschel, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am ISI.

Arbeiten von ISI-Psychologen zeigen, dass nicht nur der hohe Preis der E-Mobile abschreckt, sondern auch falsche Vorstellungen. »Wer einmal einen Elektrowagen ausprobiert hat, ist begeistert«, berichtet Wietschel. »Wir empfehlen Politkern deshalb, E-Fahrzeuge zu Testzwecken zur Verfügung zu stellen.«

 

Im Projekt REM 2030 arbeiten Experten an der Konzeption ganzheitlicher Mobilitäts-lösungen. rem2030

Das Elektroauto ist nur eines der Ergebnisse des Innovationsclusters. Die interdisziplinäre Zusam¬menarbeit hat noch weitere Lösungen erbracht, wie etwa das automatische Fahren ins Parkhaus. Mit diesem Kniff kann man die Wagen viel dichter stellen und die Kapazität der Parkhäuser erhöhen. »Zusätzlich zu den rein technischen In¬novationen sollen auch neue Organisationslösun gen helfen, die Effektivität der urbanen Mobilität zu verbessern«, betont Wietschel. »Wir verfolger einen neuen Mobilitätsansatz, der sich aus dem Zusammenspiel dreier Fahrzeugkonzepte ergibt: Dabei kommen elektrische Fahrräder auf kürze¬ren Strecken, speziell für die Stadt entwickelte Kleinst-Elektrofahrzeuge sowie herkömmliche Autos für weitere Strecken zum Einsatz.«

Damit sich die unterschiedlichen Fahrzeuge effektiv nutzen lassen, müssen diese durch Software noch besser untereinander sowie mit Carsharing-Angeboten und dem öffentlichen Nahverkehr verbunden werden. Erst diese intelligente Vernetzung kann dazu führen, dass die Nutzer die verschiedenen Mobilitätssysteme akzeptieren und auch kombinieren.

 

 








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