Elektro-Mobilität
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/74lW_u4azGk
Elektromobilität ist ein Schlüssel, um auch künftig
nachhaltig mobil
zu bleiben. Erste Elektrofahrzeuge es bereits seit einigen Jahren
zu kaufen. Doch die hohen Anschaffungskosten und geringe Reichweite
halten derzeit noch viele Autofahrer vom Kauf eines Stromers
ab.
Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher arbeiten zusammen mit
der
Industrie an neuen Lösungen für innovative Batterien, dem
Laden
ohne Kabel sowie an kostengünstigen Antriebssystemen. Diese
Komponenten sollen helfen, Elektrowagen der kommenden
Generationen leistungsfähiger zu machen.
Mehr als ein Jahrhundert sorgte der Verbrennungsmotor für
Automobilität. Doch der Klimawandel sowie die stetig wach¬sende
Weltbevölkerung, stellen neue Anforderungen an die Mobilität. Schon jetzt
verursachen Autos, Lkws, Motorräder und Co. etwa ein Viertel der Treibhausgase
in Europa. Zudem belasten Lärm, Feinstaub und Abgase die Menschen. Anders
Elektroautos: Sie sind leise, stoßen keine Emissionen aus und verringern die
Abhängigkeit von Erdölimporten. Weiterer Vor¬teil: Fahren die Wagen mit Strom
aus erneuerbaren Energien, sind sie im Vergleich zu einem Benziner oder
Diesel-Fahrzeug deutlich umweltfreundlicher.
Doch trotz dieser Vorteile sind auf deutschen Straßen kaum
Elektrowagen unterwegs. Anfang des Jahres waren erst 19 000 reine E-Mobile und
108 000 Hybrid-Fahrzeuge zu¬gelassen — so die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts.
Vor allem die hohen Anschaffungskosten, die geringe Reichwei¬te und die
fehlende Infrastruktur schrecken viele Autofahrer ab. Auch innerhalb der
Europäischen Union sind elektrisch betriebene Fahrzeuge noch ein Nischenmarkt.
Das machen die Daten des europäischen Autoherstellerverbands ACEA deutlich: Im
1. Quartal 2015 wurden insgesamt 3,5 Millionen
Pkw neu zugelassen, davon waren lediglich 24 630 Stromer.
Doch so langsam steigt die Nachfrage nach Elektroautos an. In Europa (EU plus
Norwegen und Schweiz) wurden im erster Quartal 2015 fast doppelt so viele
Stromer verkauft (33.835) als im Vorjahreszeitraum. Spitzenreiter in Europa ist
Norwe¬gen. Dort verkauften die Autohändler — dank großzügiger staatlicher
Anreize — allein im ersten Quartal 8 099 Elektro¬autos. Das entspricht einem
Anteil von etwa 23 Prozent am norwegischen Gesamt-Automarkt.
Nachfrage steigt
Leitmarkt für E-Mobilität sind die USA mit etwa 120 000
ver¬kauften Elektro- und Plug-In-Autos im vergangenem Jahr, so der »Index
Elektromobilität« von Roland Berger Strategy Con-sultants und der
Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen. An Bedeutung gewinnt der
chinesische Markt: Mit knapp 53 000 verkauften E-Mobilen in 2014 konnte das
Lanc den Absatz gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppeln. Ten denz weiter
steigend. Ein Grund für diesen starken Aufwärts¬trend ist die massive•staatliche
Förderung. Aktuell investiert die Regierung fast 7,7 Milliarden Euro in die
E-Mobilität.
Bereits seit mehreren Jahren unterstützt auch die
Bundesregie¬rung den Ausbau der Elektromobilität. Ihr Ziel ist es, Deutsch¬land
zu einem Leitanbieter und Leitmarkt für Elektrofahrzeuge zu machen. Die
Fraunhofer-Gesellschaft trägt dazu bei, wichti¬ge Grundlagen für den Umstieg
auf E-Mobile zu legen. Bereits 2009 startete die Fraunhofer-Systemforschung
Elektromobi¬lität FSEM. Nur zwei Jahre später konnten die Forscherinnen und
Forscher bereits erste Lösungen demonstrieren. Derzeit werden die Aktivitäten
weitergeführt in dem Leitprojekt FSEM II (siehe Kasten). »Elektromobilität
schont nicht nur Klima, Umwelt und Ressourcen, sondern fördert auch
technologische Innovationen«, betont Professor Matthias Busse, der Sprecher des
Projekts und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fertigungs¬technik und
Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen. »Im Fokus der
Fraunhofer-Systemforschung stehen effiziente und kostengünstige Antriebskomponenten,
Leichtbau, Ener¬giespeicher, das Laden ohne Kabel sowie Lösungen für das
autonome Fahren. Hierbei arbeiten wir eng mit der Industrie zusammen«. Erste
Prototypen präsentierten die Wissenschaft¬lerinnen und Wissenschaftler auf der
diesjährigen Internatio¬nalen Automobilausstellung (IAA).
Leichte, leistungsfähige Batterien
Eine Schlüsselkomponente für das Fahren mit Strom ist das
Batteriesystem. Daran werden hohe Anforderungen ge¬stellt: Es muss nicht nur
besonders leistungsfähig, sondern auch leicht, langlebig und sicher sein.
Fraunhofer-Experten entwickelten deshalb den »Leichtbau-Energiepack«. Das
System besteht aus hochintegrierten und austauschbaren Energiekomponenten sowie
einem thermischen Puffer, der für die effektive Temperierung der Batterien
sorgt. Damit der Energiepack auch im Sommer oder bei Extremsituationen wie dem
Fahren über kurvige, steile Gebirgspässe nicht überhitzt, setzen die
Forscherinnen und Forscher das Phasenwechsel-Fluid CryoSol®Plus ein. Das
Gemisch aus Wasser und Paraffin kann dreimal so viel Wärme aufnehmen wie
Wasser. Erhitzt sich die Batterie im Betrieb, »schmelzen« die festen
Paraffin-Kügelchen und speichern die Wärme. Kühlt die Lösung ab, erstarren die
Tropfen wieder und geben dabei Wärme ab. So verzögert CryoSol®Plus im Winter
das Auskühlen der Batterie.
Damit das Energiepack leicht und dennoch sicher ist,
verwen¬den die Wissenschaftler für das Gehäuse eine Kombination aus
kostengünstigen standardisierten Leichtbaukonstruktio-nen aus hochfestem Stahl
und faserverstärktem Kunststoff mit metallischen Versteifungs- und
Verbindungsknoten. An dem Projekt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
der Fraunhofer-Institute für Lasertechnik ILT, Solare Energie-systemen ISE, für
Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und für Werkstoffmechanik IWM
beteiligt.
Überholen mit Lithium-Booster
Batterien sollen Elektrofahrzeuge möglichst lange mit
Energie versorgen. Doch kurzfristige leistungsintensive Aktivitäten wie
zum Beispiel das Überholen oder das Einfädeln auf die
Auto¬bahn benötigen viel Strom und verringern so die Reichweite. Um solche
temporären Leistungsspitzen besser auffangen zu können, arbeiten
Fraunhofer-Forscherinnen und Forscher aus dem Fraunhofer-Institut für
Siliziumtechnologie an einer besonderen Hochleistungsbatterie. Der
Lithium-Booster soll künftig für die notwendige Energie beim Überholen sorgen
und darüber hinaus Bremsenergie effektiv in das Antriebs-system einspeisen.
»Hierfür sind Lithiumakkumulatoren mit besonders hoher Leistungsdichte notwendig,
die sicher und langlebig sind. Zudem müssen sie sich schnell wieder aufladen
lassen«, beschreibt Andreas Würsig vom ISIT die Anforderungen.
Eine weitere Möglichkeit die Reichenweite von Elektrowa-gen
zu erhöhen, ist der Einsatz von Brennstoffzellen als Range-Exender. Das
Fraunhofer-Institut für Chemische Tech¬nologie ICT arbeitet an verschiedenen
Varianten. Einfache Brennzellenstoffzellen mit einer elektrischen Leistung
zwi¬schen 5 kW und ca. 15 kW laden die Batterie im Betrieb nach. So kann man deutlich
mehr Kilometer mit dem Stromer zurücklegen. Diese Brennzellstoffen lassen sich
zum Bespiel mit Methanol betreiben. Noch mehr zusätzliche Energie liefert ein
wasserstoffbasierter Range Extender mit einer Leistung von mehr als 15 kW.
Damit kann der Wagen so¬gar direkt angetrieben werden.
Für kommunale Nutzfahrzeuge — wie zum Beispiel Schnee-räumer
— entwickelten Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für
Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI den Range-Extender HY2PE2R. Dieses
System wird von einem emissionsarmen und zuverlässigen Verbrennungsmo¬tor
angetrieben, um sowohl elektrische Energie als auch für den Betrieb der
Arbeitsgeräte benötigte hydraulische Energie bereitstellen zu können.
Laden ohne Kabel
Eine Herausforderung für E-Mobil-Besitzer ist derzeit noch
das Laden. Wer Strom tanken will, braucht ein Kabel und viel Zeit. Das soll
sich ändern. Fraunhofer-Experten arbeiten nicht nur an Schnellladelösungen wie
dem Batteriebus EDDA, der in 15 Sekunden mit 700 Kilowatt laden kann, sondern
auch an der kontaktlosen induktiven Energieübertragung — ähnlich wie bei der
elektronischen Zahnbürste. Beim induktiven La¬den lässt sich Strom durch
Magnetfelder quasi über die Luft übertragen. Dafür benötigt man elektrische
Spulen, die zum einen in der Straße, einem Parkplatz oder der Garage und zum
anderen im Auto verbaut sind. Bringt man die beiden Spulen im richtigen Abstand
zusammen, fließt Strom und der Akku im Fahrzeug wird geladen.
Eine vielversprechende Lösung haben Experten des
Fraun¬hofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel
entwickelt. Ihr System kombiniert nicht nur kabelgebundenes sowie induktives
Laden, sondern ermög- licht es auch, bei Bedarf den gespeicherten Strom wieder
ins öffentliche Netz einzuspeisen. So könnten die Batterien der Stromer künftig
auch als Zwischenspeicher für über¬schüssige Energie aus Sonne oder Wind
genutzt werden.
Der besondere Clou des Systems: »Wir verwenden für die
unterschiedlichen Funktionen dieselben Komponenten. So ist das neue Ladegerät
bis zur Hälfte kostengünstiger und nimmt etwa 45 Prozent weniger Raum im
Fahrzeug ein als andere Lösungen, die es im Moment in Forschung und Entwicklung
sowie konventionell gibt«, rechnet Marco Jung vom IWES vor. Das
multifunktionale, bidirektionale Ladesystem ist be¬reits zum Patent angemeldet.
Selbstfahrende Stromer
Induktives Laden ist vor allem fürs Carsharing interessant.
Im Projekt »Gemeinschaftlich-e-Mobilität: Fahrzeuge, Daten und Infrastruktur«
(GeMo) entwickelten sechs Fraunhofer-Institute eine Infrastruktur aus
induktiven Ladestationen und Cloud-basiertem Lademanagement. Die ersten
Prototypen des Ladesystems arbeiten sehr effizient: Die übertragbare
Leistung beträgt bis zu 22 kW. Damit lässt sich eine übliche
Elektrofahrzeugbatterie in weniger als einer Stunde auf 80 Prozent ihrer
Nennkapazität laden.
Noch bequemer für den Autofahrer wäre es, wenn die E-Autos
eigenständig die nächste induktive Ladestelle anfahren könnten. Ingenieure des
Fraunhofer-Instituts für Produktions¬technik und Automatisierung IPA arbeiten
an selbstfahrenden Stromern. Ihre Idee: In einem entsprechenden ausgerüsteten
Parkhaus kann man künftig sein E-Mobil einfach auf einen beliebigen freien
Stellplatz parken. Alles Weitere erledigt das Auto allein. Es stimmt sich mit
dem zentralen Rechner ab und fährt dann automatisch zu einer freien
Stromtankstelle. Ist es aufgeladen, macht es Platz für das nächste Elektroauto.
So ließen sich die wenigen vorhandenen induktiven Ladeplätze sehr effizient
nutzen.
Praktisch wäre es auch, wenn sich die Batterie direkt beim
Fahren aufladen lassen. Dass dies tatsächlich auch funktioniert, zeigten
Forscherinnen und Forscher des IFAM und des IVI gemeinsam mit Firmen auf einer
Teststrecke im Emsland. Dort wurden direkt in die Fahrbahn Spulen eingebaut.
Fuhr man
mit einen entsprechend ausgestatteten Elektrowagen über das
Teilstück, wurden die Batterien mit Strom versorgt.
Für Stadtfahrzeuge der Zukunft entwickelten Experten aus dem
IFAM sowie aus den Fraunhofer-Instituten für Betriebsfestigkeit und
Systemzuverlässigkeit LBF und für Integrierte Systeme und Bauelemente IISB
einen innovativen Antriebsstrang. Das System besteht aus einem luftgekühl¬ten
elektrischen Radnabenmotor mit einer Spitzenleistung von 18 Kilowatt samt
integriertem Umrichter, der für eine maximale Betriebsspannung von 120 Volt
ausgelegt ist und die benötigte Spannung generiert. Über einen luftgekühlten,
bidirektionalen 500 Ampere Gleichspannungswandler wird der Antrieb mit Energie
aus einer 48 V Batterie versorgt.
Luftgekühlter E-Antriebsstrang
»Radnabenmotoren helfen die Kosten und den Energiever¬brauch
von Elektrofahrzeugen zu senken. Sie vergrößern das Platzangebot im Fahrzeug
und ermöglichen es, durch die un¬abhängige Drehmomenteinstellung an jedem
angetriebenen Rad aktive Fahrsicherheitskonzepte zu realisieren«,
erläutertFelix Horch vom IFAM. In den Motoren kommen neu ent-wickelte gegossene
Spulen aus leichtem und preiswertem Aluminium zum Einsatz. Diese lassen sich
exakt an den zur Verfügung stehenden Bauraum anpassen. Das ermöglicht hohe
Leistungen. Weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu den herkömmlichen Spulen aus
Kupfer benötigen sie keine Wasserkühlung. Stattdessen konstruierten die
Ingenieure die Felge so, dass ein zusätzlicher Luftstrom entsteht, der den
Radnarbenmotor effektiv kühlt. Da der Antrieb direkt in das Rad integriert ist,
erhöhen sich die Reifen-gefederten Massen. Deshalb setzen die Experten adaptive
Fahrwerks-komponenten ein. Smarte Schwingungsdämpfer reduzieren nicht nur die
eingetragenen Kräfte, sondern verbessern auc den Fahrkomfort.
Schlüsselkomponente: Leistungselektronik
Damit sich das E-Mobil bewegt, alle Sicherheits- und
Kom¬fortfunktionen immer betriebsbereit sind und die Batterie beim Abbremsen
des Fahrzeugs auch wieder aufgeladen werden kann, muss die elektrische Energie
intelligent und sehr effizient verteilt und gewandelt werden. An derartiger
Komponenten arbeiten Wissenschaftler des IISB seit 15 Jah¬ren. Für die
Verteilung von Energie entwickelten sie zum Be spiel einen Wandler, der das
Hochvolt-Netz von Elektrofahr-zeugen mit dem konventionellen 12 Volt und dem
künftiger 48 V Netz koppelt und einen Energietransfer in jede Richtun
ermöglicht. »Zudem arbeiten wir an einem System, mit dem sich sowohl Energie
als auch Daten kontaktlos an schnell bewegte Komponenten übertragen lassen. Wir
haben es bereits in ein Kugellager integriert«, berichtet Dr.-Ing. Bernd
Eckardt vom IISB. Der große Vorteil: Induktive Übertragung ist unempfindlich
gegenüber Erschütterungen und Umwelt-einflüssen wie Schmiermittel oder Öl.
mit einen entsprechend ausgestatteten Elektrowagen über das
Teilstück, wurden die Batterien mit Strom versorgt.
Für Stadtfahrzeuge der Zukunft entwickelten Experten aus dem
IFAM sowie aus den Fraunhofer-Instituten für Betriebsfestigkeit und
Systemzuverlässigkeit LBF und für Integrierte Systeme und Bauelemente IISB
einen innovativen Antriebsstrang. Das System besteht aus einem luftgekühl¬ten
elektrischen Radnabenmotor mit einer Spitzenleistung von 18 Kilowatt samt integriertem
Umrichter, der für eine maximale Betriebsspannung von 120 Volt ausgelegt ist
und die benötigte Spannung generiert. Über einen luftgekühlten, bidirektionalen
500 Ampere Gleichspannungswandler wird der Antrieb mit Energie aus einer 48 V
Batterie versorgt.
Luftgekühlter E-Antriebsstrang
»Radnabenmotoren helfen die Kosten und den Energiever¬brauch
von Elektrofahrzeugen zu senken. Sie vergrößern das Platzangebot im Fahrzeug
und ermöglichen es, durch die un¬abhängige Drehmomenteinstellung an jedem
angetriebenen Rad aktive Fahrsicherheitskonzepte zu realisieren«, erläutert
Doch funktionieren die Komponenten auch im Fahrbetrieb?
Arbeiten die Systeme im Verbund zusammen? Diese und weitere Fragen untersuchen
derzeit Wissenschaftler des IISB. Sie wollen überprüfen, ob die von ihnen
gemeinsam mit der Automobilindustrie entwickelten Komponenten wie elektrische
Antriebssysteme, integrierte Umrichter, Ladege¬räte und Batteriespeichersysteme
dem Praxistest standhalter Deshalb haben die Experten verschiedene Systeme in
das Erprobungs- und Demonstrationsfahrzeug »IISB-ONE« ein¬gebaut. Dort sollen
die Komponenten auch beim Fahren im Straßenverkehr ihre Leistungsfähigkeit
unter Beweis stellen. »Unser Ziel war es, eine flexible alltagstaugliche
Forschungs¬plattform zu schaffen«, betont Eckardt. Das Fahrzeug ist für die
Straße zugelassen.
Der Umstieg auf Elektromobilität stellt Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft und Verbraucher nicht nur vor große Heraus¬forderungen, sondern
bietet auch neue Chancen. Mit seiner Innovationen für die automobile
Wertschöpfung der Zukuni legt Fraunhofer wichtige Grundlagen für die
erfolgreiche Etablierung der Elektromobilität in Deutschland. ■
Lange Staus gehören in der Stadt längst zum Alltag. Oft ist
man mit dem Fahrrad schneller am Ziel als mit dem Auto. Obendrein belas¬ten die
vielen Fahrzeuge die Luft, treiben die Feinstaubwerte in die Höhe und schaden
dem Klima. Besserung ist nicht in Sicht: Bald werden zwei von drei Menschen in
der Stadt leben, es entstehen immer mehr Megastädte und die Zahl der Autos
nimmt rapide zu. Der städti¬sche Verkehr, das steht fest, braucht dringend eine
Zäsur. Vier Fraunhofer-Institute und drei Institute des Karlsruher Instituts
für Technologie (KIT) sowie zahlreiche Unternehmen haben sich deshalb 2011 zu
dem Innovationscluster »Regi¬onal Eco Mobility 2030« zusammengeschlossen, um
neue Wege der individuellen Mobilität aufzuzeigen, ergänzend zum öffentlichen
Nah¬verkehr. Das von der Fraunhofer-Gesellschaft, Landesministerien von
Baden-Württemberg und Industrieunternehmen geförderte Projekt hat einen Etat
von etwa 12 Millionen Euro und läuft Ende 2015 aus.
Schon jetzt können die Forscherinnen und Forscher eine ganze
Reihe von Ergebnissen vorweisen. Besonderes Highlight des Verbund¬projekts ist
ein innovatives Elektrofahrzeug. Ziel
Demonstratorfahrzeug: Im Projekt REM 2030 wurde unter
anderem ein innovatives Elektroautokonzept entwickelt. © Fraunhofer
war es, ein Stadtfahrzeug zu entwickeln, das noch in 15
Jahren allen Ansprüchen genügt. Deshalb erfassten die Experten zunächst, welche
Anforderungen ein Auto künftig erfüllen solle, und kamen dabei auf folgende
Vorgaben: vier Türen, vier Sitze, relativ leicht (maximal 1200 Kilogramm),
nicht zu groß (maximal vier Meter lang) und ausreichende Zuladungsfähigkeit
(etwa 350 Kilo). Mit dem Zukunftsauto soll man mindestens 80 Kilometer ohne
Nachladen fah¬ren können — Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für System-
und Innovationsforschung ISI haben ergeben, dass kaum jemand täglich weiter
fährt. Allerdings wollen die Forscher das Fahrzeug auch für längere Fahrten
rüsten. Deshalb ist ein ein »Range Extender« intergriert, der die Reichweite
bei Bedarf auf mehr als 200 Kilometer erweitert.
Abwärme nutzen
Das E-Mobil der Wissenschaftler erfüllt alle diese Vorgaben.
Der Wagen entstand auf dem Chassis eines Audi Al Sportsback. In seinem Inneren
stecken zahlreiche Innovationen — wie etwa ein intelligentes Wärmemanagement.
Überall, wo Wärme entsteht, ob im Elektro-
motor, in der Leistungselektronik oder der Batterie, wird
sie entnommen und dorthin geführt, wo sie gebraucht wird. Bisher wird die
Abwärme von elektrischen Antriebskomponen¬ten nicht genutzt. Bei einem
Wirkungsgrad von bis zu 97 Prozent, so die Philosophie, lohne sich das kaum.
Der Nachteil: Die Fahrgastzelle muss im Winter mit Akku-Strom beheizt werden,
was den Aktionsradius des Autos erheblich einschränkt. Und wenn man bei Frost
die Traktionsbatterie nicht erwärmt, wird das Auto zur lahmen Ente. Bei 20
Minusgraden kann es 40 Prozent seiner Leistung verlieren, wenn nicht sogar die
Batterie Schaden nimmt. Im REM-2030-Technologieträger gibt es solche Proble¬me
nicht. Die Traktionsbatterie, ein etwa 130 Kilogramm schweres
Hochleistungsaggregat, das die Partner eigens entwickelt haben, wird —falls
nötig — vor dem Losfahren auf Temperatur gebracht. Meist muss man sie aber
kühlen, das heißt, sie gibt nutzbare Wärme ab.
Die Experten entwickelten auch einen beson-ders kompakten
Elektromotor. Möglich machte diese Miniaturisierung eine neuartige Wicklung der
Spule. Die Ingenieure nutzen einen flachen Draht und nicht wie üblich einen
runden. Daserhöht die Packungsdichte. Zudem verlaufen zwischen den Drähten
Kühlleitungen, so dass die Abwärme sofort abfließen kann. So lässt die
Motorleistung selbst bei hoher Belastung nicht nach und die Magnetmaterialien
der permanen¬terregten Synchronmaschine werden nicht be¬schädigt. Dank der
kompakten Bauweise lassen sich höhere Drehzahlen realisieren. So kommt der
kleine und leichte Motor auf die gleiche Leistung von 50 kW Dauerleistung (80
kW Peak) wie ein herkömmlicher Elektromotor.
Getriebe mit zwei Gängen
Eine weitere Innovation ist das Zwei-Gang-Getriebe, das mit
dem Elektromotor eine Einheit bildet. Bislang haben E-Fahrzeuge nur einen Gang.
Der Nachteil: Bei hohen Geschwin¬digkeiten nimmt der Wirkungsgrad ab. Anders
beim REM-Mobil. Es schaltet ab 80 Stundenki¬lometer einfach in den zweiten Gang
hoch —und bleibt effizient und agil. Obendrein ist ein neuartiger Stromwandler eingebaut,
der für eine stabile Antriebsspannung sorgt. Bei herkömmlichen Elektroautos
sinkt die Span-nung mit zunehmender Entladung der Batte¬rie und macht das
Fahrzeug müde.
Um die Reichweite des Stroms bei Bedarf zu er¬höhen, haben
die Ingenieure eine Brennstoffzel¬le eingebaut. Sie wird mit einem
Methanol-Was¬ser-Gemisch betrieben, das aus herkömmlichen Zapfsäulen fließen
kann und im Auto keinen speziellen Speicher erfordert. Ein handlicher Reformer
erzeugt daraus den nötigen Wasser¬stoff. Bei Fahrtantritt springt die
Brennstoffzelle an und speist mit einer konstanten Leistung von knapp 5 kW den
Akku. Das genügt, um die Reichweite auf bis zu 250 Kilometer zu erhöhen. Doch
das beste Elektrofahrzeug nutzt nichts, wenn es keine Käufer findet. Wie kann man
Autofahrer für Stromer begeistern? Auch das haben die Forscher untersucht. Das
Ergebnis: »Die Akzeptanz steigt mit der Nutzung«, sagt der Koordinator des
Projekts REM 2030 Profes¬sor Martin Wietschel, Leiter des Geschäftsfelds
Energiewirtschaft am ISI.
Arbeiten von ISI-Psychologen zeigen, dass nicht nur der hohe
Preis der E-Mobile abschreckt, sondern auch falsche Vorstellungen. »Wer einmal
einen Elektrowagen ausprobiert hat, ist begeistert«, berichtet Wietschel. »Wir
empfehlen Politkern deshalb, E-Fahrzeuge zu Testzwecken zur Verfügung zu
stellen.«
Im Projekt REM 2030 arbeiten Experten an der Konzeption
ganzheitlicher Mobilitäts-lösungen. rem2030
Das Elektroauto ist nur eines der Ergebnisse des
Innovationsclusters. Die interdisziplinäre Zusam¬menarbeit hat noch weitere
Lösungen erbracht, wie etwa das automatische Fahren ins Parkhaus. Mit diesem
Kniff kann man die Wagen viel dichter stellen und die Kapazität der Parkhäuser
erhöhen. »Zusätzlich zu den rein technischen In¬novationen sollen auch neue
Organisationslösun gen helfen, die Effektivität der urbanen Mobilität zu
verbessern«, betont Wietschel. »Wir verfolger einen neuen Mobilitätsansatz, der
sich aus dem Zusammenspiel dreier Fahrzeugkonzepte ergibt: Dabei kommen
elektrische Fahrräder auf kürze¬ren Strecken, speziell für die Stadt
entwickelte Kleinst-Elektrofahrzeuge sowie herkömmliche Autos für weitere
Strecken zum Einsatz.«
Damit sich die unterschiedlichen Fahrzeuge effektiv nutzen
lassen, müssen diese durch Software noch besser untereinander sowie mit
Carsharing-Angeboten und dem öffentlichen Nahverkehr verbunden werden. Erst
diese intelligente Vernetzung kann dazu führen, dass die Nutzer die
verschiedenen Mobilitätssysteme akzeptieren und auch kombinieren.
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