Devisenmarkt – mal mehr – mal weniger
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/2mY5pGPGxtY
Der Devisenmarkt schläft nie, das wird zumindest behauptet.
Jedoch zeigt der Marktverlauf von vergangenem und diesem Jahr enorme
Unterschiede auf. Während der Währungsmarkt 2014 teilweise in einen
Halbschlafmodus fiel, war seit Anfang 2015 so einiges los.
Die Halbjahre könnten kaum unterschiedlicher sein.
Prä-sentierte sich die erste Jahreshälfte 2014 an den Wäh-rungsmärkten eher als
ein Fest der gepflegten Langeweile — abgesehen von leichter Unruhe bei den
Emerging Mar-kets-Währungen im Januar und Februar 2014 — ging es 2015 gleich
vom Startschuss weg ordentlich zur Sache. Zum Beispiel handelte der Euro gegen
den US-Dollar zwischen dem 03. März und dem 11. Mai 2015 nicht ein einziges Mal
zwei Tage hintereinander in einer Tages-Handelsspanne von weniger als einem
Prozent. 2014 dauerte es bis zum 03. Oktober, bis sich dieses Währungspaar erstmalig
über¬haupt zwei Tage hintereinander in einerTrading Range von mehr als einem
Prozent bewegte.
Etwas hat sich jedoch nicht geändert, nämlich dass die
Märkte im Bann der Zentralbanken und derer Zinsent¬scheide beziehungsweise
geldpolitischer Maßnahmen ste¬hen. Dabei ist die Strategie der EZB ziemlich
eindeutig. Bis mindestens Ende September 2016 werden monatlich Anlei¬hen im
Gegenwert von 60 Milliarden Euro angekauft mit der Absicht, die Inflationsrate
wieder in Richtung des wie ein „Heiliger Gral" von den Zentralbanken vor
sich hergetra¬genen Zielwertes von zwei Prozent zu bewegen.
Zinserhöhung ja — aber wann?
Wesentlich unklarer ist die Situation in den USA. Selbst die
Experten können sich nicht einigen: Werden zehn Analysten gefragt, gibt es
gefühlt zwanzig verschiedene Meinungen über den Zeitpunkt der ersten
Zinserhöhung der Fed. Die aktuellsten Prognosen changieren zwischen September
2015 (bis dahin könnten allerdings die Konjunkturdaten in den USA noch zu
schwach sein), Dezember 2015 (hier könnte es ein Liquiditätsproblem geben, da
viele Investoren ihre Bücher wegen des nahenden Jahresendes schon
geschlossen haben) und März 2016. Da die Mitglieder des
Offenmarktausschusses der Federal Reserve Bank sich rhe-torisch alle
Möglichkeiten offen halten wollen, tappen hier die Märkte etwas im Dunkeln. Das
könnte in diesem Wäh-rungspaar weiterhin stärkere Kursschwankungen bedeuten.
Dabei wechselt die Richtung für den Euro. Bei schwachen Konjunkturdaten aus den
USA oder „taubenhaften" Ansa¬gen eines Vertreters der Fed bewegt sich der
Euro aufwärts. Umgekehrt bei starken US-Daten oder einem „falkenhaften"
Auftritt eines Fed-Vertreters geht es für die Gemeinschafts-währung abwärts.
Schlaftablette USD/JPY
Absolut uninteressant handelte jedoch fast das ganze erste
Halbjahr hindurch ein anderes Währungspaar, nämlich der US-Dollar gegen den
Japanischen Yen. Als wäre hier tonnenweise Baldrian verabreicht oder zwischen
der Marke von 120 Yen pro US-Dollar und 125 Yen pro US-Dollar ein riesiger
Magnet installiert worden, bewegte sich dieses Währungspaar in den vergangenen
Monaten so gut wie gar nicht. Meistens war es daher ein klarer Fall für
Inline-Optionsscheine. Erstaunlich ist, dass derYen im Gegensatz zum Euro sich
kaum gegen den US-Dollar bewegte, als sich die Erwartungen hinsichtlich der
Geldpolitik der US-Noten¬bank mal wieder verschoben hatten. Daher ist es
fraglich, was diesem Währungspaar überhaupt wieder richtiges Leben einhauchen
könnte.
Power im Pfund
Neben dem Schweizer Franken gab es Anfang Juni immer¬hin noch
eine andere Währung, die gegen den mächtigen US-Dollar im Jahresverlauf 2015
zulegen konnte: Das Britische Pfund. Dieses hatte zwar auch von Januar bis
Mitte April gegen den Greenback deutlich an Wert verloren, im Vorfeld der
Parlamentswahl in Großbritannien und insbe-sondere nach dem unerwartet deutlich
ausgefallenen Wahl-ergebnis, legte es jedoch außerordentlich zu und überschritt
damit sein Jahresanfangsniveau. Ab Mitte Mai geriet es aber wieder etwas außer
Puste und schwächelte. Auch hier dreht sich vieles um die geldpolitischen
Maßnahmen der britischen Notenbank, der Bank of England. Nachdem die jährliche
Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr einerseits erstmals seit 1960 wieder in
den negativen Bereich rutschte, andererseits der Effekt der schwachen
Rohölpreise im Jah¬resverlauf auslaufen könnte (so dass die Inflationsraten
dann quasi von selbst wieder steigen werden), rechnen die meisten
Marktbeobachter nun mit einer ersten Zinserhö¬hung der Bank of England im
Frühjahr 2016. Der Zeitpunkt der Anhebung wäre damit etwas später, als dies von
der Federal Reserve Bank erwartet wird.
Unterschiedliche Notenbankpolitik
Geldpolitische Maßnahmen der Zentralbanken könnten auch in
Schweden und Norwegen auf der Agenda stehen. Allerdings sind dort keine Zinserhöhungen
anzunehmen, sondern eher zusätzlich expansive Maßnahmen. Ähnliches gilt für den
Australischen Dollar (hier könnte der Zinssen-kungszyklus hingegen bereits an
seinem Ende angelangt sein) und den Neuseeländischen Dollar (hier werden von
vielen Analysten noch zwei Zinssenkungen in diesem Som¬mer erwartet). Diese
beiden Währungen haben gemein, dass sie den jeweiligen dortigen Nationalbanken
als zu teuer erscheinen, so dass diese den Außenwert ihrer Währungen lieber
weiter nachgeben sehen würden. Somit wären hier
sich jedoch in den ersten Monaten des Jahres 2015 eher
graduell, still und heimlich — vielleicht aber auch gerade deswegen umso
nachhaltiger. Die Ratio, die hier hinter den Kursbewegungen steckt, heißt, dass
die absolute Mehrheit der Großanleger bei steigenden Renditen für
US-Staats¬anleihen eher mit einem „sicheren Zins" im US-Dollar zufrieden
wäre, als mit einem immer noch (zum Beispiel in Brasilien, Russland oder
Südafrika) deutlich höherem Zins in einer Währung, die tendenziell abwertungsgefährdet
ist. Insbesondere dann, wenn die Zinswende in den USA nun doch wirklich
stattfindet. Zusätzlich verkompliziert wird das Ganze dadurch, dass viele
Schuldner in diesen Emerging-Markets-Ländern Kredite in US-Dollar aufgenommen
haben beziehungsweise sich in US-Dollar verschuldet haben, ihre Einnahmen aber
in der Landeswährung erzielen. Schuldner haben daher höhere Verpflichtungen,
wenn ihre Landes¬währung, wie geschehen, gegen den US-Dollar abwertet. In
vielen Währungen aus dieser Gruppe der „Schwellenlän-derwährungen" gegen
den US-Dollar oder Euro könnte und sollte weiterhin ordentlich Bewegung
angesagt sein, und zwar je nachdem, ob die Federal Reserve Bank früher oder
später in den ersten Zinserhöhungszyklus seit fast einer Dekade einsteigen wird.
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