Montag, 5. Oktober 2015

Saisonale Einflussfaktoren an der Börse


Saisonale Einflussfaktoren an der Börse

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/LZjBOwBKuXE

An den internationalen Aktienmärkten kamen in der jün¬geren Vergangenheit eine ganze Reihe von Störfakto¬ren auf. Beispielhaft möchten wir an dieser Stelle die Wachstumsprobleme in China, das „death Gross" — also ein negatives Schnittmuster zwischen der 50- und der 200-Tages-Linie — bei verschiedenen Aktienbarometern sowie die scharfe Korrektur vom August ins Feld führen. Wie gut, dass die Saisonalität aktuell für einen Stabilitätsanker und ein Gegengewicht zu den genannten Negativfaktoren sorgt, denn mit dem letzten Quartal beginnt an den Aktien¬märkten traditionell die beste Phase überhaupt. Diese schein¬bare „Marktanomalie" ist für uns Anlass genug, den Faktor „Saisonalität" etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Auf Basis der DAX°-Daten von 1988 — der Geburtsstunde des deutschen Standardwertebarometers — bis Ende August 2015 haben wir die Renditen der einzelnen Kalendermonate ermittelt. Bekanntermaßen geraten die deutschen „blue chips" im August und September in schwieriges Fahrwasser, denn das sind die einzigen beiden Börsenmonate, in denen Anleger unter dem Strich sogar ein Minus verbuchen müs¬sen. Die negative Wertentwicklung von -2,45 Prozent im Urlaubsmonat August wird dabei noch durch die größeren Abschläge von im Durchschnitt -2,86 Prozent im darauffol¬genden Monat in den Schatten gestellt. Aus einem optimis¬tischen Blickwinkel heraus betrachtet, fallen die letzten drei Monate ins Auge. Diesen Zeitraum gilt es als Investor nicht zu verpassen, denn mit Kurszuwächsen von im Durchschnitt um die 2 Prozent im Oktober und November bzw. dem abso¬lut größten Plus von 2,73 Prozent im Dezember hebt sich diese Periode deutlich von anderen Drei-Monats-Zeiträumen ab. Auf Monatsbasis liefert einzig der „Dividendenmonat" April einen Wertzuwachs (2,64 Prozent) in einer ähnlichen Grö¬ßenordnung wie der Dezember. Die unten stehende Grafik 1 dürften viele von Ihnen in verschiedenen Publikationen schon mal gIn dieser Grafik haben wir die Wahrscheinlichkeit für stei¬gende Notierungen auf Basis der jeweiligen Kalendermonate untersucht. Es fällt auf, dass die schlechten Börsenmonate August und September nicht nur unter Renditegesichtspunk-ten schwierig sind, sondern Kursgewinne an sich schwierig zu realisieren sind. So liegt die Wahrscheinlich für steigende Kurse im September bei lediglich 44,4 Prozent, das heißt, die schlechte Performance zum Herbstanfang lässt sich nicht durch ein einzelnes negatives Ereignis — wie beispielsweise die Terroranschläge vom 11. September — begründen, son¬dern der DAX® musste tatsächlich in der Mehrzahl der Fälle im September Federn lassen. Andererseits muss das Jahres¬ende nochmals hervorgehoben werden: Der Dezember ist unter zweierlei Gesichtspunkten attraktiv. Schließlich weist das Jahresende nicht nur die höchste durchschnittliche Ren¬dite, sondern auch die höchste Trefferquote auf. Konkret fiel die Kursentwicklung in 77,8 Prozent aller Fälle im letzten Monat des Jahres positiv aus.

 

Anhand der Gesamtwertentwicklung der jeweiligen Kalen¬dermonate treten die Unterschiede noch klarer zutage. Wie ist die unten stehende Grafik 3 zu interpretieren? Aus einer Anfangsanlage von 1.000 EUR, die jeweils nur im Monat Juli der Jahre 1988 bis 2015 im DAX® investierte, wurden heute 1.400 EUR. In den beiden Toppmonaten April und Dezember waren Investoren sogar in der Lage, ihr Ausgangskapital zu verdoppeln. Hätten Anleger seit 1988 indes konsequent auf die schlechten Börsenmonate August und September gesetzt, wäre das Gesamtkapital jeweils auf weniger als die Hälfte zusammengeschmolzen. Anders ausgedrückt: Inves-titionen in diesem Monaten bringen jeweils einen Verlust von mehr als 50 Prozent.

Was können, was sollten Anleger nun konkret aus den drei vorgestellten Grafiken mitnehmen? Im Sinne des vorsichti¬gen Kaufmanns wollen wir zunächst mit dem Money Management beginnen. Offensichtlich weisen die Monate

 gesehen haben, weniger bekannt ist möglicherweise die Auswertung in Grafik

 

August und September kein günstiges Chance/Risiko-Profil auf. Oftmals wird das Börsenparkett im Sommer etwas rut¬schiger, wofür der Rückschlag im August 2015 wieder mal ein Lehrbuchbeispiel darstellt. Ein einfaches saisonales Money Management-System könnte deshalb bewusst die schlechten Börsenmonate August und September ausklam¬mern. Andererseits beginnt mit dem letzten Quartal nun die beste Phase am Aktienmarkt. Im Rahmen einer systemati¬schen, saisonalen Vorgehensweise ist es deshalb nahelie¬gend, auf die Entwicklung in den letzten drei Monaten eines Kalenderjahrs zu setzen. Beim DAX° bringt ein Investment vom ersten Handelstag im Oktober bis zum letzten Handels¬tag im Dezember in 23 von 27 Jahren ein Kursplus, was einer Wahrscheinlichkeit für steigende DAX®-Notierungen im letz¬ten Quartal von 85 Prozent entspricht. Da es im Umkehr¬schluss nur in vier Jahren im letzten Quartal zu Kursverlusten kam, handelt es sich um eine äußerst nervenschonende Stra¬tegie. Dies gilt insbesondere, wenn Anleger bedenken, dass diese Vorgehensweise während drei Vierteln des Jahres nicht investiert ist. Dennoch erzielt die saisonale Strategie eine ordentliche Rendite. Aus einer Anfangsinvestition von 100.000 EUR — jeweils in den letzten drei Monaten eines Jah¬res im DAX® angelegt — wären von 1988 bis 2014 631.000 EUR geworden und schneidet dabei lediglich etwas schlech¬ter als das Buy-and-hold-lnvestment während des gesamten Betrachtungszeitraums ab (788.000 EUR). In den Perfor-mancezahlen des „Q4-Investments" ist dabei keine Verzin¬sung in den ersten neun Monaten des Jahres berücksichtigt, was den Renditeunterschied weiter reduziert bzw. — in Abhängigkeit der Höhe des Zinssatzes — das Pendel sogar zugunsten der saisonalen Strategie ausschlagen lässt. In jedem Fall weist letztere eine deutlich geringere Volatilität auf, sodass Investoren nachts beruhigt schlafen können.

Der Faktor „Saisonalität" sorgt derzeit also für ein Gegenge-wicht zu der sich zuletzt verschlechterten charttechnischen Ausgangslage an den internationalen Aktienmärkten. Letztlich sind die vorgestellten Resultate allerdings auch ein Plädoyer, sich jetzt mit dem Thema Geldanlage zu beschäftigen. Eine Stichtagsbetrachtung bzw. eine strikte Kalenderjahrorientie-rung verschenkt Renditepotenziale. Möglicherweise ist es sinnvoller, das Portfolio jeweils zu Beginn des 4. Quartals auf den Prüfstand zu stellen, als dies zum Jahresultimo zu tun.



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