Saisonale Einflussfaktoren an der Börse
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/LZjBOwBKuXE
An den internationalen Aktienmärkten kamen in der jün¬geren
Vergangenheit eine ganze Reihe von Störfakto¬ren auf. Beispielhaft möchten wir
an dieser Stelle die Wachstumsprobleme in China, das „death Gross" — also
ein negatives Schnittmuster zwischen der 50- und der 200-Tages-Linie — bei
verschiedenen Aktienbarometern sowie die scharfe Korrektur vom August ins Feld
führen. Wie gut, dass die Saisonalität aktuell für einen Stabilitätsanker und
ein Gegengewicht zu den genannten Negativfaktoren sorgt, denn mit dem letzten
Quartal beginnt an den Aktien¬märkten traditionell die beste Phase überhaupt.
Diese schein¬bare „Marktanomalie" ist für uns Anlass genug, den Faktor
„Saisonalität" etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auf Basis der DAX°-Daten von 1988 — der Geburtsstunde des
deutschen Standardwertebarometers — bis Ende August 2015 haben wir die Renditen
der einzelnen Kalendermonate ermittelt. Bekanntermaßen geraten die deutschen
„blue chips" im August und September in schwieriges Fahrwasser, denn das
sind die einzigen beiden Börsenmonate, in denen Anleger unter dem Strich sogar
ein Minus verbuchen müs¬sen. Die negative Wertentwicklung von -2,45 Prozent im
Urlaubsmonat August wird dabei noch durch die größeren Abschläge von im
Durchschnitt -2,86 Prozent im darauffol¬genden Monat in den Schatten gestellt.
Aus einem optimis¬tischen Blickwinkel heraus betrachtet, fallen die letzten
drei Monate ins Auge. Diesen Zeitraum gilt es als Investor nicht zu verpassen,
denn mit Kurszuwächsen von im Durchschnitt um die 2 Prozent im Oktober und
November bzw. dem abso¬lut größten Plus von 2,73 Prozent im Dezember hebt sich
diese Periode deutlich von anderen Drei-Monats-Zeiträumen ab. Auf Monatsbasis
liefert einzig der „Dividendenmonat" April einen Wertzuwachs (2,64
Prozent) in einer ähnlichen Grö¬ßenordnung wie der Dezember. Die unten stehende
Grafik 1 dürften viele von Ihnen in verschiedenen Publikationen schon mal gIn
dieser Grafik haben wir die Wahrscheinlichkeit für stei¬gende Notierungen auf
Basis der jeweiligen Kalendermonate untersucht. Es fällt auf, dass die
schlechten Börsenmonate August und September nicht nur unter Renditegesichtspunk-ten
schwierig sind, sondern Kursgewinne an sich schwierig zu realisieren sind. So
liegt die Wahrscheinlich für steigende Kurse im September bei lediglich 44,4
Prozent, das heißt, die schlechte Performance zum Herbstanfang lässt sich nicht
durch ein einzelnes negatives Ereignis — wie beispielsweise die Terroranschläge
vom 11. September — begründen, son¬dern der DAX® musste tatsächlich in der
Mehrzahl der Fälle im September Federn lassen. Andererseits muss das
Jahres¬ende nochmals hervorgehoben werden: Der Dezember ist unter zweierlei
Gesichtspunkten attraktiv. Schließlich weist das Jahresende nicht nur die
höchste durchschnittliche Ren¬dite, sondern auch die höchste Trefferquote auf.
Konkret fiel die Kursentwicklung in 77,8 Prozent aller Fälle im letzten Monat
des Jahres positiv aus.
Anhand der Gesamtwertentwicklung der jeweiligen
Kalen¬dermonate treten die Unterschiede noch klarer zutage. Wie ist die unten
stehende Grafik 3 zu interpretieren? Aus einer Anfangsanlage von 1.000 EUR, die
jeweils nur im Monat Juli der Jahre 1988 bis 2015 im DAX® investierte, wurden
heute 1.400 EUR. In den beiden Toppmonaten April und Dezember waren Investoren
sogar in der Lage, ihr Ausgangskapital zu verdoppeln. Hätten Anleger seit 1988
indes konsequent auf die schlechten Börsenmonate August und September gesetzt,
wäre das Gesamtkapital jeweils auf weniger als die Hälfte zusammengeschmolzen.
Anders ausgedrückt: Inves-titionen in diesem Monaten bringen jeweils einen
Verlust von mehr als 50 Prozent.
Was können, was sollten Anleger nun konkret aus den drei
vorgestellten Grafiken mitnehmen? Im Sinne des vorsichti¬gen Kaufmanns wollen
wir zunächst mit dem Money Management beginnen. Offensichtlich weisen die
Monate
gesehen haben,
weniger bekannt ist möglicherweise die Auswertung in Grafik
August und September kein günstiges Chance/Risiko-Profil
auf. Oftmals wird das Börsenparkett im Sommer etwas rut¬schiger, wofür der
Rückschlag im August 2015 wieder mal ein Lehrbuchbeispiel darstellt. Ein
einfaches saisonales Money Management-System könnte deshalb bewusst die
schlechten Börsenmonate August und September ausklam¬mern. Andererseits beginnt
mit dem letzten Quartal nun die beste Phase am Aktienmarkt. Im Rahmen einer
systemati¬schen, saisonalen Vorgehensweise ist es deshalb nahelie¬gend, auf die
Entwicklung in den letzten drei Monaten eines Kalenderjahrs zu setzen. Beim
DAX° bringt ein Investment vom ersten Handelstag im Oktober bis zum letzten
Handels¬tag im Dezember in 23 von 27 Jahren ein Kursplus, was einer
Wahrscheinlichkeit für steigende DAX®-Notierungen im letz¬ten Quartal von 85
Prozent entspricht. Da es im Umkehr¬schluss nur in vier Jahren im letzten
Quartal zu Kursverlusten kam, handelt es sich um eine äußerst nervenschonende
Stra¬tegie. Dies gilt insbesondere, wenn Anleger bedenken, dass diese
Vorgehensweise während drei Vierteln des Jahres nicht investiert ist. Dennoch
erzielt die saisonale Strategie eine ordentliche Rendite. Aus einer
Anfangsinvestition von 100.000 EUR — jeweils in den letzten drei Monaten eines
Jah¬res im DAX® angelegt — wären von 1988 bis 2014 631.000 EUR geworden und
schneidet dabei lediglich etwas schlech¬ter als das Buy-and-hold-lnvestment
während des gesamten Betrachtungszeitraums ab (788.000 EUR). In den
Perfor-mancezahlen des „Q4-Investments" ist dabei keine Verzin¬sung in den
ersten neun Monaten des Jahres berücksichtigt, was den Renditeunterschied
weiter reduziert bzw. — in Abhängigkeit der Höhe des Zinssatzes — das Pendel
sogar zugunsten der saisonalen Strategie ausschlagen lässt. In jedem Fall weist
letztere eine deutlich geringere Volatilität auf, sodass Investoren nachts
beruhigt schlafen können.
Der Faktor „Saisonalität" sorgt derzeit also für ein
Gegenge-wicht zu der sich zuletzt verschlechterten charttechnischen
Ausgangslage an den internationalen Aktienmärkten. Letztlich sind die
vorgestellten Resultate allerdings auch ein Plädoyer, sich jetzt mit dem Thema
Geldanlage zu beschäftigen. Eine Stichtagsbetrachtung bzw. eine strikte
Kalenderjahrorientie-rung verschenkt Renditepotenziale. Möglicherweise ist es
sinnvoller, das Portfolio jeweils zu Beginn des 4. Quartals auf den Prüfstand
zu stellen, als dies zum Jahresultimo zu tun.
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