Sonntag, 4. Oktober 2015

Der Ölpreis


Der Ölpreis

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/rpEmzeFCEQk

Das Überangebot bei Rohöl verringert sich nur langsam und dürfte bis weit in das kommende Jahr auf den Ölpreisen lasten. Schuld daran ist die deutlich gestiegene OPEC-Produktion, während die US-Ölproduktion seit dem Frühsommer fällt. Wir senken daher unsere Ölpreisprognose und erwarten nur noch einen Brent-Ölpreis von 55 US-Dollar je Barrel am Jahresende. Eine steigende Nachfrage und ein fallendes Nicht-OPEC-Angebot sollten dafür sorgen, dass das Über¬angebot im nächsten Jahr zurückgeht. Eine steigende Öl¬produktion des Iran könnte dies allerdings weiter verzögern. Wir erwarten einen moderaten Preisanstieg bei Brent auf 65 US-Dollar je Barrel bis Ende 2016.

Die Ölpreise waren in den Sommermonaten von einer außeror-dentlich hohen Volatilität gekennzeichnet. Fast zwei Monate lang ging es nahezu ununterbrochen abwärts. Innerhalb von acht Wochen gaben die Preise um 30 Prozent nach und markierten Ende August ein 61/2-Jahres-Tief von 42 US-Dollar je Barrel bei Brent bzw. 38 US-Dollar je Barrel bei WTI (Grafik 1). In den letzten drei Handelstagen im August kam es dann zu einer Auf¬wärtsbewegung um mehr als 25 Prozent, was dem stärksten 3-Tages-Anstieg seit 25 Jahren entsprach. Die Ölpreise schlossen im August letztlich sogar um 4 Prozent höher als im Juli. Der Preisrückgang seit Anfang August war in erster Linie auf Befürchtungen einer wegbrechenden Nachfrage in China zurück¬zuführen, nachdem der Aktienmarkt binnen weniger Wochen um 30 Prozent einbrach, eine Reihe von Konjunkturdaten ent¬täuschte und die Zentralbank die Landeswährung Renminbi überraschend abwerten ließ.

Diese Sorgen sind mit einem Blick auf die vorliegenden Daten zur Ölnachfrage in China übertrieben. Die chinesischen Ölim-porte erreichten im Juni und Juli fast wieder das Rekordniveau von April. Im August kam es zwar zu einem Rückgang um 13 Prozent gegenüber dem Vormonat. In den ersten acht Mona¬ten des Jahres lagen die Öleinfuhren in das Reich der Mitte aber10 Prozent über dem Niveau des vergleichbaren Vorjahreszeit-raums. Dies ist zwar auch - aber nicht nur - auf den Aufbau strategischer Lagerbestände zurückzuführen. Auch fragen die Raffinerien in China deutlich mehr Rohöl nach. Die Rohölverar-beitung erreichte im Juni ein Rekordniveau und liegt in diesem Jahr bisher gut 5 Prozent höher als im Vorjahr. Von daher wurden die überzogenen Nachfragesorgen wieder ausgepreist und die Ölpreise notieren wieder auf dem Niveau von Anfang August. Zuletzt reagierten die Ölpreise auch nicht mehr mit neuerlichen Abschlägen auf enttäuschende chinesi-sche Außenhandelsdaten. Offensichtlich sind die negativen Nachrichten aus China inzwischen hinreichend in den Preisen berücksichtigt. Das aktuelle Preisniveau von knapp 50 US-Dollar je Barrel bei Brent und 45 US-Dollar je Barrel bei WTI ist aber noch immer deutlich niedriger als zu Beginn des Sommers, denn schon im Juli waren die Ölpreise um 18 Prozent gefallen.

Wir erachten zumindest den ersten Teil des über die Sommer-monate erfolgten Ölpreisrückgangs als gerechtfertigt. Denn an Gründen, welche für einen niedrigeren Ölpreis als im zweitenQuartal sprechen, mangelt es nicht. So produziert die OPEC aufgrund einer steigenden Ölproduktion in Saudi-Arabien und dem Irak weiterhin deutlich über Bedarf. Diese beiden Länder haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die OPEC ihr Ölange¬bot seit Jahresbeginn um 1,5 Millionen Barrel pro Tag erhöht hat (Grafik 2). Dass sich an der hohen OPEC-Produktion kurzfristig etwas ändert, ist nicht zu erwarten. So hat Saudi-Arabien verlau¬ten lassen, an seinem aktuellen Fördervolumen bis zum Jahres¬ende festhalten zu wollen. Die Ölproduktion der OPEC könnte im nächsten Jahr sogar deutlich steigen, wenn der Iran seine Ankün¬digung wahr macht, die Ölförderung im Falle der Aufhebung der Sanktionen unverzüglich und ohne Rücksicht auf das Preisniveau um bis zu 1 Million Barrel pro Tag zu steigern.

Darüber hinaus erwies sich die Ölproduktion außerhalb der OPEC und hier insbesondere die US-(Schiefer-)Ölproduk-tion in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres gegen das niedrige Preisniveau offenbar als immun. Bis Juni stieg diese gemäß Wochendaten der US-Energiebehörde EIA trotz eines deutlichen Rückgangs der Bohraktivität immer weiter an und erreichte bei gut 9,6 Millionen Barrel pro Tag ein 44-Jahres-Hoch. Die genaue-ren Monatsdaten wurden von der EIA Mitte Mai deutlich nach oben revidiert. Die steigende US-Ölproduktion trug neben der hohen OPEC-Produktion zum beträchtlichen Überangebot im ersten Halbjahr bei und ließ die OECD-Lagerbestände im Juni sowohl absolut betrachtet als auch im Vergleich zum 5-Jahres-Durchschnitt auf ein Rekordniveau anschwellen.

Wir gehen dennoch davon aus, dass die Preise am Jahresende höher liegen werden als aktuell. Denn es gibt gute Argumente für eine Preiserholung. Die weltweite Ölnachfrage entwickelt sich deutlich dynamischer als erwartet und steht zudem auf breiteren Füßen. In diesem Jahr rechnet die Internationale Energieagentur IEA mit einem Anstieg um 1,7 Millionen Barrel pro Tag, was dem stärksten Zuwachs seit dem Nachkrisenjahr 2010 entspricht (siehe Grafik 3). Anfang des Jahres ging die IEA noch von einem Nachfrageanstieg von lediglich 900.000 Barrel pro Tag aus. Der Großteil der Aufwärtsrevision entfiel dabei auf die Nachfrage in den OECD-Ländern und hier insbesondere auf Nordamerika und Europa. Schwellenländer wie China leisteten dagegen nur einen geringeren Beitrag.

Ein weiteres Argument für höhere Preise ist, dass das Ölangebot aus den USA neuen Daten der US-Energiebehörde EIA zufolge offensichtlich überschätzt worden ist. Ende August überraschte die EIA mit einer deutlichen Abwärtsrevision ihrer Schätzungen für die monatliche US-Rohölproduktion im ersten Halbjahr 2015.

 

Das Produktionsmaximum wurde demnach schon im April erreicht und lag knapp 80.000 Barrel pro Tag niedriger als bislang geschätzt. Der Produktionsrückgang in den beiden Monaten danach fiel zudem deutlich stärker aus als bislang unterstellt. Die Juni-Schätzung liegt inzwischen bei 9,3 Millionen Barrel pro Tag und damit knapp 250.000 Barrel pro Tag unter dem bisher geschätzten Niveau. Dies machte eine Prognosesenkung der EIA für die restlichen Monate in diesem Jahr und für das kom¬mende Jahr erforderlich. Die US-Rohölproduktion fällt demnach zwischen Juli 2015 und Dezember 2016 um durchschnittlich 140.000 Barrel pro Tag niedriger aus als bislang erwartet (Gra¬fik 4). Der Tiefpunkt der Produktion wird im August 2016 bei gut 8,6 Millionen Barrel pro Tag erwartet, was einem Rückgang um ca. 1 Million Barrel pro Tag von der Spitze im April 2015 entspricht.

Anfang des Jahres gingen wir ebenso wie die Mehrheit der Marktbeobachter von einem Abbau des Überangebots bis zum Ende dieses Jahres aus. Diese Erwartung hatten wir bereits vor zwei Monaten in das nächste Jahr verschoben. Mittlerweile zeichnet sich allerdings ab, dass die Marktbereinigung nochmals länger dauern wird und wohl erst Ende 2016 abgeschlossen sein dürfte. Bereits vor den unlängst nach unten revidierten US-Pro¬duktionszahlen rechnete die Internationale Energieagentur mit einem Abbau des Überangebots erst gegen Ende 2016. In die-sem Jahr wird das Nicht-OPEC-Angebot zwar bereits deutlichlangsamer steigen als im letzten Jahr und sogar etwas weniger als die weltweite Nachfrage. Dies reicht aber nicht, um den Bedarf an OPEC-Öl deutlich wachsen zu lassen. Letzterer soll im vierten Quartal 2015 bei 30,6 Millionen Barrel pro Tag liegen und könnte wegen der zu erwartenden Abwärtsrevision des Nicht-OPEC-Angebots sogar noch etwas höher liegen. An die derzeitige OPEC-Produktion von 32 Millionen Barrel pro Tag wird

             er aber auch dann bei wei-

tem nicht herankommen.

Im nächsten Jahr soll die globale Ölnachfrage laut IEA-Schätzung nochmals um 1,4 Millionen Barrel pro Tag steigen, das Nicht-OPEC-Angebot dagegen sogar um 0,5 Millionen Bar¬rel pro Tag zurückgehen. Der Bedarf an OPEC-Öl steigt daraufhin auf jahresdurchschnittlich 31,3 Millionen Barrel pro Tag und ist damit im nächsten Jahr sogar etwas höher als im Jahr 2013 (Gra¬fik 5). Bei einer weiteren Abwärtsrevision der US-Ölproduktion dürfte das Nicht-OPEC-Angebot noch stärker fallen und der Bedarf an OPEC-Öl entsprechend höher ausfallen. Die Strategie der OPEC, mittels niedriger Preise das Nicht-OPEC-Angebot einzudämmen und auf diese Weise Marktanteile zurückzuge¬winnen, scheint damit - wenn auch etwas später als erwartet -

 

aufzugehen. Für Ende 2016 beziffert die IEA den Bedarf an OPEC-Öl sogar auf 32,2 Millionen Barrel pro Tag, was in etwa der derzeitigen OPEC-Produktion entspricht. Falls der Iran wie angekündigt seine Produktion im nächsten Jahr deutlich steigert, würde sich der Abbau des Überangebots allerdings weiter ver¬zögern. Denn es ist unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabien sein Angebot zugunsten des Erzfeindes Iran zurückführt.

Wir senken aufgrund des voraussichtlich bis weit in das nächste Jahr bestehenden Überangebots unsere Ölpreisprognose für Ende 2015 um 10 US-Dollar auf 55 US-Dollar je Barrel. Bis Ende 2016 dürfte der Brent-Ölpreis auf 65 US-Dollar je Barrel steigen, was ebenfalls einer Abwärtsrevision gegenüber der bisherigen Prognose um 10 US-Dollar je Barrel entspricht. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Nicht-OPEC-Angebot wegen einer fallenden US-Ölproduktion schrumpft und dies zu einem allmäh¬lichen Abbau des Überangebots im Verlauf des nächsten Jahres führen wird. Ein Abwärtsrisiko für diese Prognose stellt die Rück¬kehr des Iran an den Ölmarkt dar. Sollte es dem Iran gelingen, seine Ölproduktion im nächsten Jahr nach einer Aufhebung der Sanktionen deutlich zu steigern, bliebe der Markt länger über¬versorgt und die Preiserholung würde sich weiter verzögern. Ein Anstieg der iranischen Ölproduktion um ca. 500.000 Barrel pro Tag sollte weitgehend eingepreist sein. Denn auch die längerlau-fenden Terminpreise sind in den letzten drei Monaten merklich gefallen, was die gedämpften Preiserwartungen widerspiegelt.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.