Der
Ölpreis
Author
D.Selzer-McKenzie
Video:
https://youtu.be/rpEmzeFCEQk
Das Überangebot bei Rohöl verringert sich nur langsam und
dürfte bis weit in das kommende Jahr auf den Ölpreisen lasten. Schuld daran ist
die deutlich gestiegene OPEC-Produktion, während die US-Ölproduktion seit dem
Frühsommer fällt. Wir senken daher unsere Ölpreisprognose und erwarten nur noch
einen Brent-Ölpreis von 55 US-Dollar je Barrel am Jahresende. Eine steigende
Nachfrage und ein fallendes Nicht-OPEC-Angebot sollten dafür sorgen, dass das
Über¬angebot im nächsten Jahr zurückgeht. Eine steigende Öl¬produktion des Iran
könnte dies allerdings weiter verzögern. Wir erwarten einen moderaten
Preisanstieg bei Brent auf 65 US-Dollar je Barrel bis Ende 2016.
Die Ölpreise waren in den Sommermonaten von einer
außeror-dentlich hohen Volatilität gekennzeichnet. Fast zwei Monate lang ging
es nahezu ununterbrochen abwärts. Innerhalb von acht Wochen gaben die Preise um
30 Prozent nach und markierten Ende August ein 61/2-Jahres-Tief von 42
US-Dollar je Barrel bei Brent bzw. 38 US-Dollar je Barrel bei WTI (Grafik 1). In
den letzten drei Handelstagen im August kam es dann zu einer Auf¬wärtsbewegung
um mehr als 25 Prozent, was dem stärksten 3-Tages-Anstieg seit 25 Jahren
entsprach. Die Ölpreise schlossen im August letztlich sogar um 4 Prozent höher
als im Juli. Der Preisrückgang seit Anfang August war in erster Linie auf
Befürchtungen einer wegbrechenden Nachfrage in China zurück¬zuführen, nachdem
der Aktienmarkt binnen weniger Wochen um 30 Prozent einbrach, eine Reihe von
Konjunkturdaten ent¬täuschte und die Zentralbank die Landeswährung Renminbi
überraschend abwerten ließ.
Diese Sorgen sind mit einem Blick auf die vorliegenden Daten
zur Ölnachfrage in China übertrieben. Die chinesischen Ölim-porte erreichten im
Juni und Juli fast wieder das Rekordniveau von April. Im August kam es zwar zu
einem Rückgang um 13 Prozent gegenüber dem Vormonat. In den ersten acht
Mona¬ten des Jahres lagen die Öleinfuhren in das Reich der Mitte aber10 Prozent
über dem Niveau des vergleichbaren Vorjahreszeit-raums. Dies ist zwar auch -
aber nicht nur - auf den Aufbau strategischer Lagerbestände zurückzuführen.
Auch fragen die Raffinerien in China deutlich mehr Rohöl nach. Die
Rohölverar-beitung erreichte im Juni ein Rekordniveau und liegt in diesem Jahr
bisher gut 5 Prozent höher als im Vorjahr. Von daher wurden die überzogenen
Nachfragesorgen wieder ausgepreist und die Ölpreise notieren wieder auf dem
Niveau von Anfang August. Zuletzt reagierten die Ölpreise auch nicht mehr mit
neuerlichen Abschlägen auf enttäuschende chinesi-sche Außenhandelsdaten.
Offensichtlich sind die negativen Nachrichten aus China inzwischen hinreichend
in den Preisen berücksichtigt. Das aktuelle Preisniveau von knapp 50 US-Dollar
je Barrel bei Brent und 45 US-Dollar je Barrel bei WTI ist aber noch immer
deutlich niedriger als zu Beginn des Sommers, denn schon im Juli waren die
Ölpreise um 18 Prozent gefallen.
Wir erachten zumindest den ersten Teil des über die
Sommer-monate erfolgten Ölpreisrückgangs als gerechtfertigt. Denn an Gründen,
welche für einen niedrigeren Ölpreis als im zweitenQuartal sprechen, mangelt es
nicht. So produziert die OPEC aufgrund einer steigenden Ölproduktion in
Saudi-Arabien und dem Irak weiterhin deutlich über Bedarf. Diese beiden Länder
haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die OPEC ihr Ölange¬bot seit
Jahresbeginn um 1,5 Millionen Barrel pro Tag erhöht hat (Grafik 2). Dass sich
an der hohen OPEC-Produktion kurzfristig etwas ändert, ist nicht zu erwarten.
So hat Saudi-Arabien verlau¬ten lassen, an seinem aktuellen Fördervolumen bis
zum Jahres¬ende festhalten zu wollen. Die Ölproduktion der OPEC könnte im
nächsten Jahr sogar deutlich steigen, wenn der Iran seine Ankün¬digung wahr
macht, die Ölförderung im Falle der Aufhebung der Sanktionen unverzüglich und
ohne Rücksicht auf das Preisniveau um bis zu 1 Million Barrel pro Tag zu
steigern.
Darüber hinaus erwies sich die Ölproduktion außerhalb der
OPEC und hier insbesondere die US-(Schiefer-)Ölproduk-tion in den ersten sechs
Monaten des laufenden Jahres gegen das niedrige Preisniveau offenbar als immun.
Bis Juni stieg diese gemäß Wochendaten der US-Energiebehörde EIA trotz eines
deutlichen Rückgangs der Bohraktivität immer weiter an und erreichte bei gut
9,6 Millionen Barrel pro Tag ein 44-Jahres-Hoch. Die genaue-ren Monatsdaten
wurden von der EIA Mitte Mai deutlich nach oben revidiert. Die steigende
US-Ölproduktion trug neben der hohen OPEC-Produktion zum beträchtlichen
Überangebot im ersten Halbjahr bei und ließ die OECD-Lagerbestände im Juni
sowohl absolut betrachtet als auch im Vergleich zum 5-Jahres-Durchschnitt auf
ein Rekordniveau anschwellen.
Wir gehen dennoch davon aus, dass die Preise am Jahresende
höher liegen werden als aktuell. Denn es gibt gute Argumente für eine
Preiserholung. Die weltweite Ölnachfrage entwickelt sich deutlich dynamischer
als erwartet und steht zudem auf breiteren Füßen. In diesem Jahr rechnet die
Internationale Energieagentur IEA mit einem Anstieg um 1,7 Millionen Barrel pro
Tag, was dem stärksten Zuwachs seit dem Nachkrisenjahr 2010 entspricht (siehe
Grafik 3). Anfang des Jahres ging die IEA noch von einem Nachfrageanstieg von
lediglich 900.000 Barrel pro Tag aus. Der Großteil der Aufwärtsrevision entfiel
dabei auf die Nachfrage in den OECD-Ländern und hier insbesondere auf
Nordamerika und Europa. Schwellenländer wie China leisteten dagegen nur einen
geringeren Beitrag.
Ein weiteres Argument für höhere Preise ist, dass das
Ölangebot aus den USA neuen Daten der US-Energiebehörde EIA zufolge
offensichtlich überschätzt worden ist. Ende August überraschte die EIA mit
einer deutlichen Abwärtsrevision ihrer Schätzungen für die monatliche
US-Rohölproduktion im ersten Halbjahr 2015.
Das Produktionsmaximum wurde demnach schon im April erreicht
und lag knapp 80.000 Barrel pro Tag niedriger als bislang geschätzt. Der
Produktionsrückgang in den beiden Monaten danach fiel zudem deutlich stärker
aus als bislang unterstellt. Die Juni-Schätzung liegt inzwischen bei 9,3
Millionen Barrel pro Tag und damit knapp 250.000 Barrel pro Tag unter dem
bisher geschätzten Niveau. Dies machte eine Prognosesenkung der EIA für die
restlichen Monate in diesem Jahr und für das kom¬mende Jahr erforderlich. Die
US-Rohölproduktion fällt demnach zwischen Juli 2015 und Dezember 2016 um
durchschnittlich 140.000 Barrel pro Tag niedriger aus als bislang erwartet (Gra¬fik
4). Der Tiefpunkt der Produktion wird im August 2016 bei gut 8,6 Millionen
Barrel pro Tag erwartet, was einem Rückgang um ca. 1 Million Barrel pro Tag von
der Spitze im April 2015 entspricht.
Anfang des Jahres gingen wir ebenso wie die Mehrheit der Marktbeobachter
von einem Abbau des Überangebots bis zum Ende dieses Jahres aus. Diese
Erwartung hatten wir bereits vor zwei Monaten in das nächste Jahr verschoben.
Mittlerweile zeichnet sich allerdings ab, dass die Marktbereinigung nochmals
länger dauern wird und wohl erst Ende 2016 abgeschlossen sein dürfte. Bereits
vor den unlängst nach unten revidierten US-Pro¬duktionszahlen rechnete die
Internationale Energieagentur mit einem Abbau des Überangebots erst gegen Ende
2016. In die-sem Jahr wird das Nicht-OPEC-Angebot zwar bereits
deutlichlangsamer steigen als im letzten Jahr und sogar etwas weniger als die
weltweite Nachfrage. Dies reicht aber nicht, um den Bedarf an OPEC-Öl deutlich
wachsen zu lassen. Letzterer soll im vierten Quartal 2015 bei 30,6 Millionen
Barrel pro Tag liegen und könnte wegen der zu erwartenden Abwärtsrevision des
Nicht-OPEC-Angebots sogar noch etwas höher liegen. An die derzeitige
OPEC-Produktion von 32 Millionen Barrel pro Tag wird
er aber auch dann bei wei-
tem nicht herankommen.
Im nächsten Jahr soll die globale Ölnachfrage laut
IEA-Schätzung nochmals um 1,4 Millionen Barrel pro Tag steigen, das
Nicht-OPEC-Angebot dagegen sogar um 0,5 Millionen Bar¬rel pro Tag zurückgehen.
Der Bedarf an OPEC-Öl steigt daraufhin auf jahresdurchschnittlich 31,3
Millionen Barrel pro Tag und ist damit im nächsten Jahr sogar etwas höher als
im Jahr 2013 (Gra¬fik 5). Bei einer weiteren Abwärtsrevision der
US-Ölproduktion dürfte das Nicht-OPEC-Angebot noch stärker fallen und der
Bedarf an OPEC-Öl entsprechend höher ausfallen. Die Strategie der OPEC, mittels
niedriger Preise das Nicht-OPEC-Angebot einzudämmen und auf diese Weise
Marktanteile zurückzuge¬winnen, scheint damit - wenn auch etwas später als
erwartet -
aufzugehen. Für Ende 2016 beziffert die IEA den Bedarf an
OPEC-Öl sogar auf 32,2 Millionen Barrel pro Tag, was in etwa der derzeitigen
OPEC-Produktion entspricht. Falls der Iran wie angekündigt seine Produktion im
nächsten Jahr deutlich steigert, würde sich der Abbau des Überangebots
allerdings weiter ver¬zögern. Denn es ist unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabien
sein Angebot zugunsten des Erzfeindes Iran zurückführt.
Wir senken aufgrund des voraussichtlich bis weit in das
nächste Jahr bestehenden Überangebots unsere Ölpreisprognose für Ende 2015 um
10 US-Dollar auf 55 US-Dollar je Barrel. Bis Ende 2016 dürfte der Brent-Ölpreis
auf 65 US-Dollar je Barrel steigen, was ebenfalls einer Abwärtsrevision
gegenüber der bisherigen Prognose um 10 US-Dollar je Barrel entspricht. Dem
liegt die Annahme zugrunde, dass das Nicht-OPEC-Angebot wegen einer fallenden
US-Ölproduktion schrumpft und dies zu einem allmäh¬lichen Abbau des
Überangebots im Verlauf des nächsten Jahres führen wird. Ein Abwärtsrisiko für
diese Prognose stellt die Rück¬kehr des Iran an den Ölmarkt dar. Sollte es dem
Iran gelingen, seine Ölproduktion im nächsten Jahr nach einer Aufhebung der
Sanktionen deutlich zu steigern, bliebe der Markt länger über¬versorgt und die
Preiserholung würde sich weiter verzögern. Ein Anstieg der iranischen
Ölproduktion um ca. 500.000 Barrel pro Tag sollte weitgehend eingepreist sein.
Denn auch die längerlau-fenden Terminpreise sind in den letzten drei Monaten
merklich gefallen, was die gedämpften Preiserwartungen widerspiegelt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.