Montag, 5. Oktober 2015

Volatilität hat die globalen Märkte im Griff


Volatilität hat die globalen Märkte im Griff

Author D.Selzer-McKenzie

Videro: https://youtu.be/SBRaYK5AvFs

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Die Kurse an den internationalen Kapitalmärkten schwanken derzeit so stark wie lange nicht mehr trotz teilweise guter fundamentaler Wirtschaftsdaten. Die Gründe dafür sind vielfältig und dürften Anleger auch in absehbarer Zukunft begleiten.

 

Die Kapitalmärkte schwanken derzeit wie ein Schiff in stürmischer See. Allein: Die See ist zwar zeitweise rau - wie sich zuletzt an den deutlichen Kursbe¬wegungen im Zusammenhang mit der Abgas-Affäre um den deutschen Autobauer VW gezeigt hat -, ein aus¬gewachsener Sturm ist aktuell jedoch nicht in Sicht. Vielmehr sollten die wirtschaftlichen Fundamentaldaten das Fahrwasser vergleichsweise ru¬hig halten. Warum also diese stän¬digen Schwankungen? Lässt man singuläre Entwicklungen wie bei der Volkswagen-Aktie einmal außen vor, könnte man auf das Schiff übertragen sagen: Weil die Passagiere gemein¬sam zwischen Steuer- und Backbord hin- und herlaufen und auch das Schiff an Hochseetüchtigkeit einge¬büßt hat.

 

Fundamentale Vorgaben sind vergleichsweise positiv

Aus fundamentaler Sicht gibt es für die hohe Volatilität an den Märkten kaum einen über-zeugenden Grund. Das trifft auch auf die zu-

 

letzt in die Schlagzeilen geratene chinesische Wirtschaft zu: Zwar hat sich das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ver¬langsamt. Allerdings wird das Reich der Mitte nach Einschätzungen der Deutschen Bank in diesem Jahr immer noch mit 7,0 Prozent wach-

sen - so stark wie, abgesehen von In¬dien, keine andere bedeutende Wirt¬schaftsmacht weltweit.

Auch aus den klassischen Industrie-nationen kommen derzeit eher positive Signale: Die Stimmungslage in der Eurozone entwickelt sich gemessen an den Einkaufsmanagerindizes robust und die aktuellen Daten zum Arbeits-und Immobilienmarkt in den USA konnten zum Teil sogar positiv überra¬schen. Hinzu kommt, dass an den Ak¬tienmärkten die Bewertungen histo¬risch betrachtet wieder moderate Niveaus erreicht haben: Das Kurs-Ge¬winn-Verhältnis im DAX liegt derzeit bei 11,6, im Euro Stoxx 50 bei 12,9 und

im S&P 500 bei 15,5.

Marktteilnehmer reagieren teilweise irrational

Dass es trotzdem seit Mitte des Jahres zu so beträchtlichen Marktschwankungen kommen konnte, hat mehrere Gründe. Ein wesentlicher Aspekt ist meines Erachtens das Verhalten vie¬ler, auch großer und institutioneller Anleger. Denn noch immer ist die Nervosität an den Kapitalmärkten weltweit hoch. Verunsicherung herrscht zum Beispiel bezüglich der Frage, ob die Weltwirtschaft tatsächlich schon wieder ein selbsttragendes Wachstum erzielen kann, oder ob die positiven Konjunktursignale rein fiskal- und geldpolitisch initiiert sind.

n         Volatilität an den Aktienmärkten so stark wie lange nicht.

         Sorge vor globaler Rezession scheint übertrieben.

         Anlagestrategie nicht aufgeben - aber eventuell anpassen.

Findet diese Furcht vor einer globjlen Re¬zession dann scheinbar Bestätigung, etwa durch die jüngste mediale Berichterstattung über eine mögliche Konjunkturabkühlung in China, reagieren nicht alle Anleger gleicherma¬ßen rational: Bei einigen gewinnt das Bauch¬gefühl die Oberhand über die tatsächliche makroökonomische Lage, zum Teil übereilte Abverkäufe und fallende Kurse sind die Folge. In der Behavioral Finance (siehe Seite 8 dieser Ausgabe) sind solche Verhaltensweisen, wie sie zuletzt etwa im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise oder der Abwertung des chinesischen Renminbi aufgetreten sind, als Herdenverhalten und Overreacting bekannt. Dabei aeht es natürlich auch in die andere Richtung: So trug zum Beispiel US-Investor Warren Buffett mit seiner Aussage „I'm bullish

 

Quelle: Deutsche Bank, Stand: September 2015

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an China" (dt.: „Ich bin optimistisch für China") am B. September maßgeblich dazu bei, dass der Hang-Seng-China-Enterprises-Index (HSCEI) in Hongkong allein an diesem Tag um 4,13 Prozent nach oben schoss.

Kleine Risikobudgets mit großen Auswirkungen

Verstärkt werden insbesondere die abwärts-gerichteten Entwicklungen durch die Tatsache, dass immer mehr Anleger mit vergleichsweise kleinen Risikobudgets am Markt präsent sind. Durch das niedrige Zinsniveau auf der Suche nach Renditen quasi in den Aktienmarkt ge¬drängt, sahen diese häufig eher sicherheitsori¬entierten Anleger ihre Risikotoleranz jüngst ein ums andere Mal überstrapaziert — Abverkäufe waren die Folge. Das galt im Übrigen auch für institutionelle Marktakteure wie Investment¬fonds, Pensionskassen oder Stiftungen, die strikte Vorgaben hinsichtlich ihrer Asset Allo-kation einhalten müssen.

Geringere Liquidität am Markt verstärkt Schwankungen

Trifft diese Verunsicherung und Risikoaversion der Anleger auf einen vergleichsweise wenig liquiden Markt, sind die Folgen umso drasti¬scher: Jeder Kauf und Verkauf hat dann mehr Gewicht. Das zeigte sich auch wieder während der vergangenen Sommermonate, die viele In¬vestoren für ihren Urlaub nutzten. Entspre-

 

chend weniger Kapital war am Markt vorhan¬den. Nach dem Labor Day am 7. September, der traditionell das Ende der Sommerferien in den USA markiert, kam dann einiges an Kapital zurück: Der DAX gewann am folgenden Han-delstag 1,6 Prozent, der S&P 500 2,5 Prozent und der Nikkei-Index verbuchte — zeitzonen-verzögert am 9. September — mit 7,7 Prozent den größten Tagesgewinn seit dem Jahr 2008.

Doch auch dies war nur ein kurzfristiger Effekt. Denn insgesamt haben die Märkte an Liquidität eingebüßt. Das ist auch eine Folge der in den vergangenen Jahren fortgeschrittenen Regulierung im Bankensektor. Denn so not¬wendig die Regulierung gewesen sein mag, sie hatte ihren Preis: Durch verschärfte Eigen-kapitalanforderungen und Restriktionen beim Eigenhandel sind viele große Player am Markt teilweise ausgefallen.

Hohe Volatilitäten und kein Ende in Sicht

Alle diese Aspekte führen zu einer Schwan-kungsintensität an den entwickelten Aktien-märkten, die so hoch ist wie zuletzt im Krisen-jahr 2011 (siehe Grafik). Im Vergleich dazu ist die langfristige Volatilitätserwartung niedrig: Ein deutliches Signal dafür, dass zwar aktuell große Unsicherheit ne—scht, die Marktteilneh-mer für die Zukunft aber weniger besorgt sind.

Derzeit sehe ich keine Anzeichen dafür, dass Schwankungsbreite und -intensität an den Ka-pitalmärkten — sei es am Aktien-, Renten- oder

Ölmarkt — kurt- itit        en könnten: Die

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kaum steigen. Meiner Meinung nach ist daher für Privatanleger immer entscheidender, dass sie ihre eigene Anlagestrategie zu jeder Zeit im Blick behalten: Was sind meine Anlageziele, welche Risiken bin ich bereit langfristig zu tra-gen und wie bringe ich das mit der fundamen-talen Wirtschaftslage in Übereinstimmung? Dafür braucht es entweder starke Nerven, um kurzfristige Kursverluste auszuhalten oder eine intelligente Absicherungsstrategie.

Wie hoch die Wellen also auch immer sind: Verfallen Sie nicht in Panik. Denn am Kapital-markt wie auch auf hoher See geht es nach einem Wellental wieder aufwärts — umsichtiges Handeln vorausgesetzt.

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