Donnerstag, 15. Oktober 2015

Trading: Anhaltende Schwellenländer-Risiken erfordern Selektivität


Trading: Anhaltende Schwellenländer-Risiken erfordern Selektivität

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/8Dara93YN2Y

 

Die anhaltende Abschwächung in China und den Schwellenländern im Allgemeinen dürfte den langen globalen Niedrigwachstumszyklus nicht gefährden. Nur im Falle einer Eskalation der Finanzmarktturbu-lenzen - die das Cross-Asset-Research-Team der Commerzbank für unwahrscheinlich halten - dürfte eine gravierende globale Abschwächung kaum zu vermeiden sein. Dennoch gehen die Strategen nicht von einem schnellen Abklingen der Schwellenländer-Sorgen aus, da auch der bevorstehende erste Zinsschritt der Fed seine Schatten vorauswirft. Die Volatilität wird daher wohl bis zum Jahreswechsel nur langsam nachlassen. In diesem Zeitraum könnten Industrieländer-Aktien ihre Verluste vielleicht jedoch wieder aufholen. Die Positionierung von Anlegern und die Saisonalität sollten dies unter¬stützen. Die Strategen sind optimistisch für Aktien der Industrieländer. Bei Schwellenländer-Assets und Rohstoffen sehen sie hingegen noch keine Kaufgelegenheit. Euro-Assets bevorzugt das Team generell vor US-Dollar-Titeln, jedoch währungsgesichert, da der Euro abwerten dürfte, wenn die Risiko¬aversion nachlässt, die US-Zinswende näher rückt und eine Lockerung der Geldpolitik im Euroraum wahrscheinlicher wird.

 

Ulrich Urbahn, Cross-Asset-Stratege, erläutert die entscheidenden Zeiten:

Nach der stärksten Zunahme der globalen Risikoaversi¬on seit vier Jahren stehen Investoren nach Meinung der Commerzbank-Analysten vor einer schweren Entschei¬dung zwischen den drei folgenden Szenarien:

Szenario 1: Risikoassets, insbesondere Aktien aus In¬dustrieländern, werden sich spätestens im vierten Quartal erholen, wenn klar wird, dass sich der lange globale Niedrigwachstumszyklus noch hinzieht, wobei das Wachstum in den Schwellenländern zwar nach¬lässt, aber nicht einbricht, eine Emerging-Markets-Krise und ein Unsicherheitsschock verhindert werden können, die Inflation niedrig bleibt und die Fed ihre Geldpolitik nur sehr allmählich normalisiert. In diesem günstigen Szenario bietet die Korrektur eine Kaufge¬legenheit für Aktien (aus Industrieländern). Mittel, die in den letzten Monaten am Geldmarkt geparkt wurden,

 

würden wieder in Aktien allokiert, wenn die Saisonali-tät günstig wird und die Investoren beginnen, sich für 2016 zu positionieren.

Szenario 2: Nach dem ersten Kursanstieg bei Risiko-assets stockt eine weitere Erholung mehrere Monate lang. Anhaltend hohe Volatilität belastet die Bereit¬schaft sowie die Fähigkeit der Investoren, Risiko ein¬zugehen. Dabei hat China damit zu kämpfen, seinen Aktienmarkt und seine Währung zu stabilisieren, während Schwellenländer wie beispielsweise Brasilien zunehmend Probleme bekommen, wenn die Kapital-flucht aus den Schwellenländern anhält und die Zins¬wende der Fed näher rückt. Durchwachsene Wachs¬tumszahlen nähren die Zweifel, ob sich der lange globale Niedrigwachstumszyklus noch hinzieht oder es zu einer Emerging-Markets-Krise kommt, die der Weltwirtschaft einen schweren Dämpfer versetzt. Da die Marktteilnehmer eine abwartende Haltung ein nehmen, erscheint es zu früh, um Engagements in Risikoassets aufzustocken. Kasse wäre die zu präferie-rende Assetklasse - mit einem nur moderaten aktiven Exposure in allen anderen Assetklassen, um schnell reagieren zu können, sobald sich der Nebel lichtet.

Szenario 3: Der Abschwung in den Schwellenländern verstärkt sich, da sich der Fokus des Markts von China auf andere Länder wie beispielsweise Brasilien ver¬lagert, die von dem schwächeren Wachstum in China und den niedrigen Rohstoffpreisen betroffen sind. Dabei wächst sich die Kapitalflucht zu einer echten Emerging-Markets-Krise aus. Anhaltende Vermögens¬vernichtung und Unsicherheit an den Finanzmärkten (»Unsicherheitsschock«) bremsen den Konsum und die Anlageentscheidungen in der westlichen Welt, woraufhin sich das Wachstum der Weltwirtschaft erheblich verlangsamt. Derweil haben die westlichen Notenbanken nur noch begrenzte Möglichkeiten, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Alle Risikoassets leiden, während Kasse, Gold und Anleihen aus siche¬ren Häfen die einzige Möglichkeit zur Vermögens¬sicherung bieten. Ansätze einer Erholung von Risiko-assets bieten deshalb eine ideale Gelegenheit, das Engagement zu verringern.

Wie wir nachfolgend erläutern, neigen wir Szenario 1 zu (Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent) und haben eine gewisse Sympathie für Szenario 2 (Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent), halten Szenario 3 aber für nicht sehr wahrscheinlich (Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent).

Die Sorgen um die Weltwirtschaft erscheinen über¬zogen, weil das Wachstum in den Schwellenländern nicht einbricht und ein Unsicherheitsschock unwahr¬scheinlich erscheint ...

Das wirtschaftliche Umfeld hat sich zweifellos ver-schlechtert. Das zeigt sich darin, dass der globale Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe sowie der globale OECD-Frühindikator ein geringeres Wachstum signalisieren. Das Wachstum in den Schwel-lenländern und insbesondere in China lässt seit mehre-

 

ren Jahren nach, und das ist auch weiterhin der Fall. Es ist aber nicht zu einem Wachstumseinbruch gekommen, nicht zuletzt, da China offenbar bereit ist, alles zu tun, um die Lage zu stabilisieren. Zudem könnten ein Auf¬schub der Zinswende der Fed und eine Aufstockung der monatlichen Käufe durch die EZB zu einer Beruhigung beitragen. Nach Meinung der Commerzbank-Volkswirte ist die Situation zurzeit völlig anders als während der Asienkrise von 1998, als das gesamte BIP-Wachstum von Indonesien, Malaysia und Thailand um etwa 10 Prozent schrumpfte.

Da sich das Binnenwachstum in Europa und den USA allerdings allmählich verbessert, sollte das Wachs¬tum der Weltwirtschaft bei etwa 3 Prozent verharren - womit sich der lange globale Niedrigwachstumszyklus noch hinziehen würde -, solange ein globaler Unsicher¬heitsschock verhindert wird.

Ein solcher ist zwar nicht ganz auszuschließen, dürfte aber unwahrscheinlich sein. Die heutigen Probleme in den Schwellenländern kommen nicht überraschend. Anders als bei dem plötzlichen Einbruch von 1997 haben sich die fundamentalen Probleme allmählichausgebreitet. Und nach Jahren der Finanzkrise sowie in Anbetracht der drastisch verschärften Regulierung und strengeren Aufsicht ist auch das Risiko einer An¬steckung von Banken in Europa und den USA begrenz¬ter als in der Vergangenheit.

„. deshalb bietet die Korrektur eine Kaufgelegenheit in Aktien aus Industrieländern auf Sicht von drei bis sechs Monaten

Da Szenario 3 somit nicht sehr wahrscheinlich ist, geht es nicht um die Frage, ob, sondern wann und wo man das Engagement in Risikoassets erhöht. Uns erscheinen selektive Käufe von Aktien aus Industrieländern zu¬nächst als der richtige Schritt. Dafür sprechen unseres Erachtens die folgenden Fakten:

Trotz der globalen Zunahme der Risikoaversion und der erneut aufgekommenen Disinflationsängste konn¬ten sichere Häfen wie beispielsweise deutsche Staats¬anleihen, aber auch Gold, in den letzten Monaten kaum profitieren. Aktien aus Industrieländern ver-zeichneten in den letzten Monaten höhere Fonds-zuflüsse als Anleihen. US-Staatsanleihen verspüren Gegenwind von der wahrscheinlich vor Jahresende erfolgenden Zinswende der Fed sowie von Chinas Abbau der US-Staatsanleihen-Bestände zur Stabili¬sierung des Renminbi und des chinesischen Aktien¬markts. Für uns signalisiert dies, dass die Investoren tatsächlich davon ausgehen, dass die Anleihenrenditen ihre Tiefstände bereits erreicht haben.

         Die Kombination aus den üblicherweise schwachen Sommermonaten und der Unsicherheit in Bezug auf Griechenland, China und die Zinserhöhung der Fed hat Investoren dazu veranlasst, umfangreiche Gelder am Geldmarkt zu parken. Diese dürften in den nächsten Monaten nach einem neuen Zuhause Ausschau halten.

Im vierten Quartal, spätestens im November, beginnt bei Aktien die üblicherweise günstige Saisonalität. Überdies werden die Investoren schon auf das nächste Jahr blicken und überlegen, welche Assetklasse 2016

 

am besten abschneiden sollte. Sie dürften mehrheitlich die Schlussfolgerung ziehen, dass es keine Alternative zu Aktien (aus Industrieländern) gibt. Verlagerungen bei der Positionierung dürften somit förderlich sein.

Der Kursrutsch bei Aktien hat trotz anhaltender Er-tragsrevisionen nach unten zu günstigeren Bewertungs¬niveaus geführt. So ist beispielsweise das 2016er-KGV bei US-Aktien von 15,8 im letzten Monat auf nunmehr 14,7 gesunken, obwohl Aktien im Verhältnis zu ihrer vierzigjährigen Historie von Erträgen und Dividenden¬renditen immer noch teuer erscheinen.

         Seit 1969 haben Aktien aus Industrieländern 34 Mal mehr als 6 Prozent in einem Monat verloren, wie es im August der Fall war. Die durchschnittliche 1-Monats-Performance nach einem solchen Kurs¬rutsch war mit -0,2 Prozent ebenfalls mäßig. Doch über drei Monate betrachtet legten Aktien um durch¬schnittlich 2,6 Prozent zu. Das rät kurzfristig zwar zur Vorsicht, deutet aber auch auf eine Erholung bis zum Jahresende hin.

Es gibt dennoch weiterhin zahlreiche Risiken ...

Diese positive Einschätzung zu Aktien aus Industrielän¬dern bis Jahresende ist sicher mit vielen Risiken behaftet.

Erstens weiß angesichts des Mangels an verläss¬lichen Daten niemand wirklich, wie groß die Probleme in China sind und ob es den chinesischen Behörden gelingen wird, den Schaden zu begrenzen. Die Talfahrt des chinesischen Aktienmarkts könnte sich fortsetzen, sobald die Interventionen enden, weil die Bewertungen in Anbetracht des nachlassenden Wachstums noch nicht wirklich attraktiv sind.

Zweitens könnten neben China auch noch andere Schwellenländer als Auslöser eines Unsicherheitsschocks fungieren. Die Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern haben sich in den letzten Wochen verstärkt, und es könn¬te sein, dass die Marktteilnehmer allmählich befürchten, dass dies einige der Länder mit hohen Leistungsbilanz-defiziten in den Abgrund reißen wird. Hier ist an Brasilien, Südafrika und die Türkei zu denken, wobei Brasilien auf jeden Fall im größten Schlamassel seit Jahrzehnten steckt. Die (lokalen) Zinsen sind auf historische Höchst¬stände geschossen. Nur Griechenland, Venezuela und Argentinien haben einen noch stärkeren Anstieg erlebt. Vor diesem Hintergrund stellt insbesondere der immer noch hohe Auslandsbesitz von Staatstiteln eine Gefahr dar, wie auch der IWF konstatiert hat.

Drittens könnten die Einkaufsmanagerindizes in aller Welt einbrechen - im Oktober, wenn die Nachfrage aus China wirklich nachlässt.

Viertens könnte erneut geopolitische Unsicherheit aufkommen, denn die Lage in der Ukraine hat sich offenbar nicht weiter entspannt, sondern womöglich sogar verschlechtert.

Fünftens dürfte im Zuge des niedrigen Ölpreises die Zahl der Firmenpleiten in der Ölindustrie und den damit verbundenen Branchen weiter steigen, was mit Wohl-standseinbußen und Arbeitsplatzverlusten verbunden wäre. Das könnte Stimmung und Wachstum in den USA belasten. Jedoch scheint dieses Arbeitsmarkt¬segment zu klein zu sein, um große Auswirkungen zu haben.

Grafik 2: Langer globaler Niedrigwachstumszyklus dürfte andauern - Industrieländer kompensieren Schwäche der Schwellenländer

BIP-Wachstum gegenüber Vorjahr, in % 10

 

Sechstens könnten die Wahlen in Portugal und Spanien bis zum Jahresende wieder Ängste vor einem Zerbrechen der Eurozone schüren.

Siebtens ist zu erwarten, dass sich die USA bis Dezem-ber/Januar der Defizitobergrenze nähern. Damit könnte die Unsicherheit zunehmen, denn wegen der bevorste¬henden Präsidentschaftswahlen sind heftige Debatten zu erwarten, bevor die Obergrenze letztlich angehoben wird.

... und nicht alles, was zuletzt gesunken ist, ist schon kaufenswert; das gilt besonders für die Schwellen¬länder, US-Hochzinsanleihen und Rohstoffe

Wir sind zwar der Ansicht, dass sich die Sorgen um das globale Wachstum letzten Endes als überzogen erweisen werden und es Aktien aus Industrieländern auf Sicht von drei bis sechs Monaten gelingen wird, ihre jüngsten Ver-luste wieder gutzumachen. Allerdings hielten wir es für falsch, generell alles zu kaufen, was stark gesunken ist. Das gilt nach unserer Einschätzung insbesondere für Engagements in Schwellenländern, für US-Hochzins-anleihen und für Rohstoffe.

         Assets aus Schwellenländern gingen im letzten Monat im Zuge zunehmender Fondsabflüsse fast wahllos auf Talfahrt. Die Verluste bei Währungen, Aktien und Anleihen aus Schwellenländern waren weitaus schwerwiegender als während der Turbulenzen von 2013. Für einige unserer Kunden sehen Schwellenlän-der deshalb nach einer Kaufgelegenheit aus. Sicherlich ist die Bewertung attraktiver geworden. So liegt bei¬spielsweise die Rendite von Anleihen aus Schwellen¬ländern in Landeswährung über ihrem historischen Durchschnitt. Das KGV von Aktien aus Schwellen¬ländern ist unter seinen zehnjährigen Median gefallen. Doch wir halten es noch für viel zu früh, Schwellen¬länder als attraktiv zu betrachten. Vielmehr wird die dortige Schwäche wegen struktureller Probleme lange anhalten, und das Wachstum in diesen Ländern befindet sich in einem strukturell bedingten Rückgang. Zudem sind trotz umfangreicher Abflüsse bei Schwellenländer-Aktien- und -Anleihenfonds die kumulierten Zuflüsse seit 2009 immer noch stark positiv, was darauf hindeutet, dass in großem Umfang weitere Mittel entzogen werden könnten. Darüber

Grafik 4: Aktuelle Portfoliopositionierung

Aktives Gewicht in Prozentpunkten

Aktien Aktien (Industrieländer) Aktien (Schwellenländer) Staatsanleihen Nominalanleihen (Industrieländer) Nominalanleihen (Schwellenländer) Inflationsindexierte Anleihen Sonstige Anleihen Unternehmensanleihen Hochzinsanleihen Pfandbriefe Rohstoffe REITs Kasse -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10

 

hinaus stellt die US-Zinswende weiterhin eine Gefahr für Engagements in Schwellenländern dar, und wir würden mit der Aufstockung von Positionen in Schwellenländern zumindest warten, bis dieser Faktor ausgeräumt ist.

Für US-Hochzinsanleihen bleiben wir vorsichtig. Die wahrscheinliche Fed-Zinswende sowie das große Gewicht von Ölfirmen im US-Hochzinsanleihenindex stellen eine Gefahr dar, denn der Ölpreisverfall nähert sich seinem ersten Jahrestag und Absicherungen dürften auslaufen. Laut Fitch Ratings gehörten von den 35 Emittenten von Hochzinsanleihen, die in der ersten Jahreshälfte 2015 in den USA Konkurs erklären mussten, 57 Prozent dem Energiesektor oder der Metall-/Bergbauindustrie an. Innerhalb des Hoch-zinsbereichs bevorzugen wir weiterhin Euro gegen¬über US-Dollar. Hingegen sind wir der Ansicht, dass US-Dollar-Unternehmensanleihen trotz verschiedent-lichen Gegenwinds einen Blick wert sind, denn ihre Rendite beträgt das 2,3-Fache derjenigen von Euro-Unternehmensanleihen und ist fast so hoch wie bei Euro-Hochzinsanleihen. Insgesamt bevorzugen wir Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen.

Relativ zu Aktien sollte die Erholung des Ölpreises ins Stocken geraten, sobald die Sorgen um das globale Wachstum ausgepreist worden sind und sich der Fokus wieder auf das fundamentale Thema Überangebot richtet. Zudem beginnt bei Öl ohnehin die weniger günstige Saison. In Anbetracht der hohen Rollverluste wegen der starken Contango-Struktur der ÖI-Terminkurve wäre ein allmählicher Anstieg des Ölpreises für die Investoren jedoch nicht aus-reichend. Bei Gold dürfte die jüngste Unterstützung durch die globale Risikoaversion nachlassen. Gegen-wind kommt derweil von der nicht steigenden In-flation, der wahrscheinlichen US-Zinswende, der erwarteten US-Dollar-Stärke, der kräftigen globalen Produktion und der begrenzten Nachfrage aus Indien und China. Generell erwarten wir eine Stabilisierung der Rohstoffpreise, aber keine ausgeprägte oder zügige Erholung.

 

Chinas Börsen erleiden zurzeit beinahe täglich Kursverluste. Die Preise für Rohöl gehen nahezu jeden Tag zurück. Die amerikanische Zentralbank wird in mehr oder minder absehbarer Zeit erstmals wieder die Zinsen erhöhen. Alles das sind schlechte Nachrichten für die in der Vergangenheit viel beachteten Schwellen¬länder. Und die Schreckensgespenster sind auch noch an anderen Stellen unter¬wegs. Geht es den Emerging Markets erst einmal richtig schlecht, so werden auch die Exporte aus den etablierten Industrieländern leiden. Im Endeffekt steht die Weltwirtschaft auf der Kippe. So oder so ähnlich lesen oder hören Sie es vermut¬lich jeden Tag in den Medien.

Richtig oder falsch?

Natürlich kann ich Ihnen keine letztgültige Antwort da¬rauf geben, aber ich möchte versuchen, Ihnen einige Gedankenanstöße zu vermitteln.

In der Tat ist China mittlerweile die zweitgrößte Volks-wirtschaft der Erde. Nach mancher Statistik haben die Chinesen allerdings bereits Anfang 2015 die USA hinter sich gelassen. Und natürlich resultiert aus dieser Größe, dass der Einfluss auf die Weltwirtschaft nicht zu unter¬schätzen ist. Aber manchmal ist es ebenso wichtig, die richtige Perspektive einzunehmen. Vor nicht allzu langer Zeit galt es als »Gesetz«, dass ein Wachstum von unter 10 Prozent pro Jahr den chinesischen Aufschwung ab¬würgen würde. Und dann fielen die Wachstumsraten auf einstellige Werte zurück. Inzwischen ist die Rede davon, dass nicht einmal mehr die 7 Prozent pro Jahr des aktuellen Fünfjahresplans zu halten sind. Doch wie hoch muss das Wachstum sein, damit China nachhaltig wächst? Reichen 5 Prozent pro Jahr? Fachleute sind sich bei der Antwort nicht einig.

Was bedeutet dies alles für Sie als interessierten An¬leger? Zum einen hängt vieles von dem Zeithorizont ab, über den Sie investiert sein wollen und können. Zum anderen gibt es noch einige andere »Stellschrauben«, die über die Betrachtung des eigentlichen Wirtschafts¬wachstums ausgedrückt in Zahlen hinausgehen. Was nicht nur für China zutrifft, sondern auch für andere Schwellenländer.

Ein wesentlicher Faktor ist die Demographie oder die Bevölkerungsstruktur. Für viele Schwellenländer gilt, dass die Einwohner jung sind. In Brasilien ist knapp die Hälfte der Bewohner unter 20 Jahre alt. Diese jungen Leute haben Wünsche. Genauso wie ihre Altersgenossen in den entwickelten Ländern. Zu den Wünschen gehören Bildung, Konsum, Freizeitaktivitäten und Urlaub. Letzte¬res lässt sich zunehmend in den deutschen Großstädten beobachten. Chinesische Reisegruppen reisen immer lieber nach Europa. Den Wunsch nach Konsum bezeich¬nen Bevölkerungswissenschaftler auch als »Consumer

 

Revolution«. Allein die Bevölkerungsentwicklung sollte langfristig dafür sorgen, dass Schwellenländer weiter wachsen.

Thema Rohstoffe: Vielfach wird argumentiert, dass der Verfall von Rohstoffpreisen zu einem wirtschaftlichen Einbruch bei Schwellenländern führen müsste. Ober-flächlich betrachtet mag dem so sein. Allerdings wird dabei oft vergessen, dass es natürlich Schwellenländer gibt, die auf Gedeih und Verderb der Rohstoffpreisent¬wicklung ausgesetzt sind, dass andererseits aber gerade flächenmäßig große Entwicklungsländer von zum Bei¬spiel fallenden Preisen für Rohöl profitieren. Außerdem haben viele sich entwickelnde Staaten schon lange ver¬standen, dass es angeraten ist, die eigene Wirtschaft zu diversifizieren, also nicht alles auf eine Karte, den Export von Rohstoffen zu setzen.

Langfristig werden Schwellenländer weiter wachsen. Gerade die Demographie mit ihren durchaus positiven Auswirkungen ist ein gewichtiges Argument. Anleger, die einen langen Horizont haben, Emerging Markets als Beimischung in ihrer Anlagestrategie aufnehmen möchten und vielleicht über eine Anlage in Sparpläne nachdenken, werden einen ETF auf den bekanntesten Entwicklungsländerindex, den MSCI Emerging Markets, interessant finden. Dieser Index umfasst derzeit 23 Länder, wenn auch mit einem Schwergewicht auf China, Taiwan und Südkorea. Mit einem solchen ETF ist es möglich, auf Schwellenländer weltweit zu setzen und damit breit gestreut zu investieren.

Habe ich den kurzfristig orientierten Investor vergessen? Sie müssen leider tatsächlich Märkte wie China sehr intensiv beobachten, und zwar heute noch stärker als bisher. Aber das gilt generell für kurzlaufende, handels-orientierte Anlagen, seien es Einzelwerte oder ETFs.

 



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