Rohstoffe: Wenig Aufwind im Herbst
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/lSpGvPRQyLE
Die Rohstoffpreise sind in den Sommermonaten kräftig ins
Rutschen geraten. Der breite CRB-Rohstoffindex fiel im dritten Quartal auf den
niedrigsten Stand seit der Wirtschafts-und Finanzkrise 2009. Auch wenn die
Sorgen um Chinas Wirtschaftswachstum die Preise zyklischer Rohstoffe
kurzfristig belasten werden, sehen die Rohstoff-Analysten der Commerzbank
mittelfristig hohes Erholungspotenzial. Schließlich wird das Angebot am Ölmarkt
und an vielen Metallmärkten aufgrund der niedrigen Preise eingeschränkt. Gold
dürfte erst nach der ersten Zinserhöhung der Fed wieder moderat steigen.
Stärkeres Aufwärtspotenzial sehen die Analysten aufgrund der EZB-Anleihenkäufe
für den Gold¬preis in Euro.
Energie: Zähes Überangebot lastet auf Ölpreisen Brent-Öl war
Ende August kurzfristig so günstig wie zu¬letzt in der Wirtschafts- und
Finanzkrise 2009 (Grafik 1). Der Preis hat sich seitdem zwar wieder erholt,
aber viel weiteres Aufwärtspotenzial sehen die Rohstoff-Analys¬ten der
Commerzbank kurzfristig nicht. Denn das Über- angebot am Markt hält sich zäh.
Schuld daran ist vor allem die OPEC, die dank der Produktionsausweitung in
Saudi-Arabien und dem Irak ihre Produktion seit Jahres¬beginn um 1,5 Millionen
Barrel pro Tag erhöht hat. Kurz¬fristig wird sich an der hohen OPEC-Produktion
wenig ändern. Denn Saudi-Arabien will an seinem aktuellenFördervolumen bis
Jahresende festhalten. Darüber hin¬aus erwies sich die Ölproduktion außerhalb
der OPEC und hier insbesondere die US-(Schiefer-)Ölproduktion lange Zeit gegen
das niedrige Preisniveau als immun. Die bis zum Frühjahr gestiegene
US-Ölproduktion trug zum beträchtlichen Überangebot im ersten Halbjahr bei und
ließ die OECD-Lagerbestände auf ein Rekordniveau anschwellen.
Dennoch gibt es gute Argumente für eine Preiser¬holung auf
mittlere Sicht. Zum einen entwickelt sich die weltweite Ölnachfrage deutlich
dynamischer als erwartet. In diesem Jahr rechnet die Internationale
Energieagentur IEA mittlerweile mit dem stärksten Zuwachs seit dem
Nachkrisenjahr 2010. Vor allem in den OECD-Ländern entwickelt sich der Ölbedarf
stärker als gedacht. Für höhere Preise spricht zum anderen, dass das Ölangebot
in den USA neuen Daten der US-Energiebehörde EIA zufolge offensichtlich
überschätzt worden ist; auch infolgedessen wurden die Produktionsperspektiven
nach unten korrigiert (Grafik 2). Der Tiefpunkt der Produktion wird nun im
August 2016 bei gut 8,6 Millionen Barrel pro Tag er¬wartet, was einem Rückgang
um ca. 1 Million Barrel pro Tag von der Spitze im April 2015 entspricht. Die
Strategie der OPEC, mittels niedriger Preise das Nicht-OPEC-Angebot einzudämmen
und auf diese
Weise Markt-anteile zurückzugewinnen, scheint damit - wenn
auch etwas später als erwartet - aufzugehen. Alles in allem steigt laut IEA der
Bedarf an OPEC-Öl bis Ende 2016 auf 32,2 Millionen Barrel pro Tag, was sogar
über der derzeitigen OPEC-Produktion läge.
Dank des sinkenden Überangebots dürfte der Brent-Ölpreis bis
Ende 2016 auf 65 US-Dollar je Barrel steigen. Ein Abwärtsrisiko für diese
Prognose ist die Rückkehr des Iran an den Ölmarkt. Sollte der Iran im nächsten
Jahr nach einer Aufhebung der Sanktionen seine Öl¬produktion um mehr als
500.000 Barrel pro Tag steigern können, würde sich die Preiserholung weiter
verzögern. Denn es ist unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabien sein Angebot
zugunsten des Erzfeindes Iran zurückfährt.
Industriemetalle: zu günstig
Die Erholung der Metallpreise Ende August/Anfang September
währte nur kurz. Seitdem befinden sich die Preise wieder im Sinkflug. Denn es
überwiegt wieder die Angst vor einer »harten Landung« der chinesischen
Wirtschaft (Grafik 3). Diese Sorgen dürften die Märkte vorerst in Atem halten.
Die Rohstoff-Analysten der Commerzbank gehen aber nicht davon aus, dass die chinesische
Wirtschaft kollabiert, sondern sich »nur« weiter abschwächt. Die
Industrieländer dürften daher nicht von einem Unsicherheitsschock erfasst
werden.
Vielmehr sollte sich das Wachstum zu ihren Gunsten
verschieben, denn sie sind heute besser aufgestellt als zum Beispiel während
der Schwellenländerkrise 1997/ 98. Die Weltwirtschaft als Ganzes sollte also
weiter wachsen und damit die Nachfrage nach Industrie¬metallen stützen. Zudem
gehen die Rohstoff-Analysten der Commerzbank davon aus, dass die chinesische
Re¬gierung und die Zentralbank in den nächsten Monaten weitere
Stimulierungsmaßnahmen ergreifen werden. Neben geldpolitischen Maßnahmen
dürften zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt werden. Auch dies sollte
die Nachfrage nach Metallen stimulieren.
Da viele Metalle zudem deutlich unter ihren
Grenz¬produktionskosten handeln, erwarten die Analysten umfangreiche
Produktionskürzungen. Glencore bei¬spielsweise, einer der weltweit größten
Rohstoffhändler und Minenproduzenten, will wegen der niedrigen Preise die
Kupferproduktion in einigen afrikanischen Minen für 18 Monate unterbrechen.
Auch bei Nickel und Aluminium gehen die Rohstoff-Analysten der Commerzbank von
umfangreichen Produktionskür¬zungen aus. So ist die Produktion von
Nickelroheisen (Nickel Pig Iran, NPI) in China, die im letzten Jahr für ein
Viertel des weltweiten Nickelangebots stand, bei Preisen unterhalb von 11.000
US-Dollar je Tonne nicht mehr profitabel. Und auch bei Aluminium werden in
Grafik 3: Schlechte Stimmung in Chinas Industrie lastet auf
Metallpreisen
Diffusionsindex, s b
Calvin China PMI verarbeitendes Gewerbe, links —
LME-Industriemetallindex, rechts Stand: September 2015; Quelle: Caixin/Markit,
LME, Bloomberg, Commerzbank Research
China offenbar ernsthaft Produktionsstilllegungen in
Betracht gezogen, nachdem dort der Aluminiumpreis unter die kritische Marke von
12.000 Yuan je Tonne gefallen ist. Das knappere Angebot sollte einherge¬hend
mit einer soliden Nachfrage zu höheren Metall¬preisen führen.
Edelmetalle: Gold in Euro mit Aufwärtspotenzial Der
Goldpreis neigte in diesem Sommer zur Schwäche. Zwischenzeitlich kostete Gold
weniger als 1.080 US-Dollar je Feinunze und war damit so billig wie zuletzt vor
51/2 Jahren. Auch in Euro gerechnet fiel Gold auf ein 8-Monats-Tief von 980
Euro je Feinunze. Anders als 2010 profitierte der Goldpreis nicht von der
zwischen¬zeitlichen Zuspitzung der Schuldenkrise in Griechen¬land und der
zeitweise bestehenden Möglichkeit eines Austritts Griechenlands aus der
Eurozone, da An-steckungseffekte auf andere Länder der Eurozone weitgehend
ausblieben. Auch der Einbruch am chine¬sischen Aktienmarkt Mitte Juni hat nicht
zu steigenden Goldpreisen geführt.
Die Nachfrage nach Gold als sicherem Hafen blieb also anders
als in vorherigen Krisen verhalten. Dem zwar guten Absatz an US-Goldmünzen
standen deutlich höhere Abflüsse aus den Gold-ETFs gegenüber. Hinzu kommen
erhebliche Verkäufe seitens der spekulativen Finanzanleger, welche maßgeblich
zur Preisschwäche bei Gold in diesem Sommer beigetragen haben. Deren Wetten auf
steigende Preise sind seit Mitte Mai in der Tendenz gefallen. Zwischen Mitte
Juli und Mitte August bestanden sogar erstmals seit Beginn der Datenreihe im
Jahr 2006 bei diesen Anlegern mehr Short- als Long-Positionen. Normalerweise
stellen derartige Extrem-stimmungen Wendepunkte an den Märkten dar. Dies zeigte
sich Ende August, als der Goldpreis aufgrund des Einbruchs an den globalen
Aktienmärkten und des dadurch ausgelösten Rückgangs der
Fed-Zins-erhöhungserwartungen auf ein 7-Wochen-Hoch von 1.170 US-Dollar je
Feinunze stieg.
In Euro gerechnet handelt Gold noch immer tiefer als Mitte
Januar, als EZB-Präsident Draghi die umfang¬reichen Anleihenkäufe der EZB
ankündigte. Gold ist vor diesem Hintergrund zu billig, zumal die EZB die Tür zu
einer Aufstockung der Anleihenkäufe geöffnet hat. Mittel- bis langfristig sehen
die Rohstoff-Analysten der Commerzbank daher höhere Goldnotierungen als
aktuell, auch wenn die bevorstehende Zinswende in den USA
kurzfristig ein Stolperstein sein könnte.
Wie wirkt sich der Wechselkurs aus?
Eine Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar führt zu
einem positiven Währungseinfluss auf ein Rohstoffinvestment in US-Dollar.
Wertet die Gemein¬schaftswährung dagegen zum Greenback auf, kann dadurch die
Performance einer Rohstoffanlage ge¬schmälert werden. Durch eventuelle
Währungseinflüsse ist es daher einerseits möglich, dass Investoren mit ihrer
Anlage eine bessere Performance erzielen können als der Rohstoff selbst, wobei
sogar trotz eines Rückgangs des Rohstoffpreises Gewinne realisierbar sind.
Anderer¬seits kann es trotz eines Anstiegs des Rohstoffpreises zu Verlusten
kommen. Ein fiktives Beispiel verdeutlicht den Währungseinfluss (siehe Grafik
4). Ein Anleger aus dem Euroraum hat in einen Rohstoff investiert, der im Anlage¬zeitraum
einen Preisanstieg in US-Dollar von 4 Prozent vollzog. Hat sich der Wechselkurs
EUR/USD nicht verän¬dert, erzielt die Anlage die gleiche Performance wie der
Rohstoff. Ist der Wechselkurs dagegen von 1,10 auf 1,05 US-Dollar gesunken,
fällt die Performance der Anlage mit 9 Prozent signifikant größer aus. Eine
Aufwertung des Euro von 1,10 auf 1,15 US-Dollar führt indes zu einer negativen
Performance von 0,5 Prozent.
Grafik 4: Performance eines Rohstoffinvestments in Euro
Performance Rohstoffinvestment in Euro
20 %
15%
10%
- 20%
-10% -8% -6% -4% -2% 0% 2% 4% 6% 8% 10%
Im weltweiten Handel werden die meisten Rohstoffe in
US-Dollar fakturiert. Und auch an den meisten Roh¬stoffbörsen findet die
Preisermittlung in der US-Wäh¬rung statt. Für Anleger aus dem Euroraum kann
daraus ein möglicher Währungseinfluss resultieren, der sich aus der Entwicklung
des Wechselkurses Euro/US-Dollar (EUR/USD) ergibt. Die Analysten der
Commerzbank bewerten dessen Aussichten derzeit wie folgt: Ihrer Ansicht nach
spricht weiterhin vieles für eine graduelle Schwäche des Euro in den nächsten
Monaten. Einerseits wegen der Geldpolitik der EZB, die überwiegend auf eine
schwache Gemeinschaftswährung abzielt. Anderer¬seits hat der US-Dollar selbst
weiter Aufwertungspoten¬zial. Zum einen, weil am Markt die Skepsis überwiegt,
dass die Fed die Zinsen erhöht. Nach einer ersten An¬hebung der Leitzinsen
könnten daher schnell weitere Zinsschritte eingepreist werden, was den
US-Dollar stützen sollte. Zum anderen haben die Commerzbank-Analysten
Überraschungspotenzial ausgemacht, weil der Markt deutlich weniger
Zinserhöhungen erwartet als die Fed selbst. Einen vorsichtigen Abwärtsdruck auf
den Wechselkurs, der aktuell bei 1,20 US-Dollar steht, sehen die
Commerzbank-Analysten. Ihre konkrete Prognose geht von einem Rückgang bis März
2016 auf 1,05 US-Dollar aus. Bis September nächsten Jahres dürfte er dann auf
1,01 US-Dollar sinken.
Da die Wertentwicklung des ComStage Rohstoff-ETF dem
Einfluss von Wechselkursschwankungen unter¬liegt, profitieren Anleger aus dem
Euroraum von einem fallenden Euro-/US-Dollar-Wechselkurs.
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