Donnerstag, 27. August 2015

Bergsteigen in der Wasserfallkarsspitze in den Allgäuer Alpen


Bergsteigen in der Wasserfallkarsspitze in den Allgäuer Alpen

Author D.Selzer-Mckenzie

Video: http://youtu.be/QVoJpdsirOE

Die Wasserfallkarspitze ist ein selten bestiegener

Gipfel in der Hornbachkette der Allgäuer Alpen.

Die Einsamkeit hat ihren Grund: Die wilde Schönheit

will auch heute noch erobert werden.

Der Wind es sein. Wild. Der Kollege hat klare Vorstellungen für seinen Besuch im Süden. Ein Ziel hat er auch schon:

die Wasserfallkarspitze. Ein Bericht im Internet hat ihn auf den Berg auf¬merksam gemacht. Es war eine der wenigen Informationen, die das Netz überhaupt zu diesem Namen ausge¬spuckt hat. Der schon halbprominen¬te Bergblogger Boris Stephan (porträ¬tiert in Heft 0212014) schwärmt darin von einer »eindrucksvollen und ab¬weisenden Kulisse«. Damit meint er das Großkar, in dem Bergsteiger den ohnehin nicht gerade überlaufenen Pfad zur Klimmspitze verlassen.

Selbst wer im Allgäu wohnt und gern in die nahen Lechtaler Berge fährt, muss zur Wasserfallkarspitze oft zuerst die Karte oder Google bemü¬hen. Aha, in der Hornbachkette, jenem Gebirgszug, der immer ein wenig in Ver¬gessenheit gerät, steht er doch hinter dem Allgäuer Hauptkamm wie in zweiter Rei¬he. So richtig zur Geltung kommt die Ket¬te erst von Stanzach im Lechtal aus. Wie ein überdimensionierter Keil trennt sie das Hornbach- vom Haupttal. Im Norden gurkt das Sträßchen nach Hinterhorn-bach zum Hochvogel; im Süden mäandert

 

der Lech im nach ihm benannten Tal teil-weise sogar noch unverbaut vor sich hin.

Zurück zum Kollegen: Die Tour kommt auf unsere Liste, schließlich war¬tet maximal Kletterei im I. Schwierig-keitsgrad. Das bestätigt auch die weitere Recherche. Doch die Berichte in Literatur und World Wide Web lassen sich an einer Hand abzählen. Warum?

Der Anstieg zur Wasserfallkarspitze ist, nun ja, nennen wir es einmal: müh-

Hier sollte jeder auf Anhieb den richtigen Pfad durch den Fels finden. Denn andere Wandere; die man nach dem Weg fragen könnte, haben hier oben Seltenheitswert.

Orientierung AA111. Technik

Kondition

AA**

Ausgesetztheit

,A4ä,

Einsamkeit

ÄKÄÄÄÄ,

 

sam. Zudem ist der Berg mit 2557 Me¬tern zwar durchaus ein respektabler Brocken, doch hat das Lechtal höhere Ziele knapp unterhalb der 3000-Me-ter-Marke zu bieten. Und dann liegt die Wasserfallkarspitze auch noch im Schatten zweier prominenterer Nachbarn: im Westen thront die bei Freunden des Alpinen beliebte Ur-beleskarspitze (2632 m), im Osten, praktisch als Eckpfeiler der Kette, die besser erschlossene Klimmspit-ze (2464 m). Beide präsentieren sich als markante Felszacken. Unser Ziel sitzt zwar wie eine Krone auf einem kargen Haupt und bildet einen herr-

lichen Gipfel, doch muss man sich zuge-

gebenermaßen zuerst damit anfreunden.

Das ging wohl auch Hermann von Barth

so, der zahlreiche Erstbesteigungen in der

Gegend unternahm. Erst nachdem er die

Klimmspitze bestiegen hatte, nahm er

noch den höheren Nachbarn in Angriff

— am gleichen Tag des Jahres 1869 und

durch die heute übliche Südflanke. Ob er

dabei allerdings der Erste war, lässt sich

nicht in Erfahrung bringen. Noch immer wird beim Anstieg zur Wasserfallkarspitze klar, was es bedeutet, einen unerschlossenen Berg zu besteigen. Ein schmaler Pfad hier, ein paar Meter Drahtseil da und alles wäre so einfach. Aber nicht hier. Solche Berge stellen ande¬re Anforderungen. Die objektiven Schwie-rigkeiten lesen sich harmlos. Doch wer ist es in den Alpen noch gewohnt, sich ein Schuttkar ohne Spur hinaufzuwühlen, einen brüchigen Felsriegel und grasigeSchrofen zu überwinden und dazu noch den besten Weg zu finden? Kein Metall und kein Weg, nicht einmal eine farbige Markierung erleichtern dies ab dem Gro߬kar. Richtig: der Weg auf die Wasserfall-karspitze führt nicht durch das Wasser-fallkar. Das liegt auf der Südwestseite und verkörpert im Winter die kühnen Fanta¬sien von Ski-Bergsteigern. »Es ist schon fast zum Mythos geworden«, meinte ein Bergführer während einer anderen Tour auf den gegenüberliegenden Hochvogel. Schließlich warnt sogar die aktuelle Füh¬rerliteratur davor, dass ein Sturz in dem steilen Gelände kaum zu halten sei.

Tanz auf Eierschalen

Auch der Sommerweg hat seine Tücken. Dabei geht es einfach los: Ein gelber Weg-weiser lotst durch zwei der drei Häuser des Orts Klimm hindurch. Fitte Bergstei¬ger verausgaben sich bis zum Großkar kaum, da der Pfad zur Klimmspitze ihnen den Weg durch den riesigen Latschen¬gürtel erleichtert. Doch dann beginnt die Plackerei durch das Geröll. Der Kollege kommt ins Schwitzen. Dafür sorgt auch der dunkle Felsriegel über dem Kar. Er erscheint als unüberwindbares Hinder¬nis, bis man die Bruchrampe entdeckt,der an seiner niedrigsten Stelle hinauf¬zieht. Über dieser Schwachstelle warten Schrofen und Schotter, die nicht den Ein¬druck machen, dass zuvor schon jemand über sie gestiegen ist.

Obwohl das steile Gelände nicht schwer ist, würde der senkrechte Abbruch darunter kaum einen Fehltritt verzeihen. Erst weiter oben, wo sich der Südrücken steil hinaufschwingt, tauchen hier und da zwischen riesigen Felsbrocken mick¬rige Steinmänner auf. Den besten Weg weisen sie nicht in jedem Falle; den muss jeder selbst finden. Am leichtesten lässt sich die Gipfelkrone über die Westflanke besteigen. Dort warten nur kurze Kraxel-stellen (I). Doch was heißt das schon auf so einer Tour? Bei dem Tanz auf Eierschalen ist jedenfalls wieder Perfektionismus in Sachen Trittsicherheit angesagt. Am Gip¬fel dann die große Enttäuschung: Jemand hat dort bereits einen Steinhaufen aufge-

türmt. Doch keine Erstbesteigung!




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