Bergsteigen in der Wasserfallkarsspitze in den Allgäuer
Alpen
Author D.Selzer-Mckenzie
Video: http://youtu.be/QVoJpdsirOE
Die Wasserfallkarspitze ist ein selten bestiegener
Gipfel in der Hornbachkette der Allgäuer Alpen.
Die Einsamkeit hat ihren Grund: Die wilde Schönheit
will auch heute noch erobert werden.
Der Wind es sein. Wild. Der Kollege hat klare Vorstellungen
für seinen Besuch im Süden. Ein Ziel hat er auch schon:
die Wasserfallkarspitze. Ein Bericht im Internet hat ihn auf
den Berg auf¬merksam gemacht. Es war eine der wenigen Informationen, die das
Netz überhaupt zu diesem Namen ausge¬spuckt hat. Der schon halbprominen¬te
Bergblogger Boris Stephan (porträ¬tiert in Heft 0212014) schwärmt darin von
einer »eindrucksvollen und ab¬weisenden Kulisse«. Damit meint er das Großkar,
in dem Bergsteiger den ohnehin nicht gerade überlaufenen Pfad zur Klimmspitze
verlassen.
Selbst wer im Allgäu wohnt und gern in die nahen Lechtaler
Berge fährt, muss zur Wasserfallkarspitze oft zuerst die Karte oder Google
bemü¬hen. Aha, in der Hornbachkette, jenem Gebirgszug, der immer ein wenig in
Ver¬gessenheit gerät, steht er doch hinter dem Allgäuer Hauptkamm wie in
zweiter Rei¬he. So richtig zur Geltung kommt die Ket¬te erst von Stanzach im
Lechtal aus. Wie ein überdimensionierter Keil trennt sie das Hornbach- vom
Haupttal. Im Norden gurkt das Sträßchen nach Hinterhorn-bach zum Hochvogel; im
Süden mäandert
der Lech im nach ihm benannten Tal teil-weise sogar noch
unverbaut vor sich hin.
Zurück zum Kollegen: Die Tour kommt auf unsere Liste,
schließlich war¬tet maximal Kletterei im I. Schwierig-keitsgrad. Das bestätigt
auch die weitere Recherche. Doch die Berichte in Literatur und World Wide Web
lassen sich an einer Hand abzählen. Warum?
Der Anstieg zur Wasserfallkarspitze ist, nun ja, nennen wir
es einmal: müh-
Hier sollte jeder auf Anhieb den richtigen Pfad durch den
Fels finden. Denn andere Wandere; die man nach dem Weg fragen könnte, haben
hier oben Seltenheitswert.
Orientierung AA111. Technik
Kondition
AA**
Ausgesetztheit
,A4ä,
Einsamkeit
ÄKÄÄÄÄ,
sam. Zudem ist der Berg mit 2557 Me¬tern zwar durchaus ein
respektabler Brocken, doch hat das Lechtal höhere Ziele knapp unterhalb der
3000-Me-ter-Marke zu bieten. Und dann liegt die Wasserfallkarspitze auch noch
im Schatten zweier prominenterer Nachbarn: im Westen thront die bei Freunden
des Alpinen beliebte Ur-beleskarspitze (2632 m), im Osten, praktisch als
Eckpfeiler der Kette, die besser erschlossene Klimmspit-ze (2464 m). Beide
präsentieren sich als markante Felszacken. Unser Ziel sitzt zwar wie eine Krone
auf einem kargen Haupt und bildet einen herr-
lichen Gipfel, doch muss man sich zuge-
gebenermaßen zuerst damit anfreunden.
Das ging wohl auch Hermann von Barth
so, der zahlreiche Erstbesteigungen in der
Gegend unternahm. Erst nachdem er die
Klimmspitze bestiegen hatte, nahm er
noch den höheren Nachbarn in Angriff
— am gleichen Tag des Jahres 1869 und
durch die heute übliche Südflanke. Ob er
dabei allerdings der Erste war, lässt sich
nicht in Erfahrung bringen. Noch immer wird beim Anstieg zur
Wasserfallkarspitze klar, was es bedeutet, einen unerschlossenen Berg zu
besteigen. Ein schmaler Pfad hier, ein paar Meter Drahtseil da und alles wäre
so einfach. Aber nicht hier. Solche Berge stellen ande¬re Anforderungen. Die
objektiven Schwie-rigkeiten lesen sich harmlos. Doch wer ist es in den Alpen
noch gewohnt, sich ein Schuttkar ohne Spur hinaufzuwühlen, einen brüchigen
Felsriegel und grasigeSchrofen zu überwinden und dazu noch den besten Weg zu
finden? Kein Metall und kein Weg, nicht einmal eine farbige Markierung
erleichtern dies ab dem Gro߬kar. Richtig: der Weg auf die Wasserfall-karspitze
führt nicht durch das Wasser-fallkar. Das liegt auf der Südwestseite und
verkörpert im Winter die kühnen Fanta¬sien von Ski-Bergsteigern. »Es ist schon
fast zum Mythos geworden«, meinte ein Bergführer während einer anderen Tour auf
den gegenüberliegenden Hochvogel. Schließlich warnt sogar die aktuelle
Füh¬rerliteratur davor, dass ein Sturz in dem steilen Gelände kaum zu halten
sei.
Tanz auf Eierschalen
Auch der Sommerweg hat seine Tücken. Dabei geht es einfach
los: Ein gelber Weg-weiser lotst durch zwei der drei Häuser des Orts Klimm
hindurch. Fitte Bergstei¬ger verausgaben sich bis zum Großkar kaum, da der Pfad
zur Klimmspitze ihnen den Weg durch den riesigen Latschen¬gürtel erleichtert.
Doch dann beginnt die Plackerei durch das Geröll. Der Kollege kommt ins
Schwitzen. Dafür sorgt auch der dunkle Felsriegel über dem Kar. Er erscheint
als unüberwindbares Hinder¬nis, bis man die Bruchrampe entdeckt,der an seiner niedrigsten
Stelle hinauf¬zieht. Über dieser Schwachstelle warten Schrofen und Schotter,
die nicht den Ein¬druck machen, dass zuvor schon jemand über sie gestiegen ist.
Obwohl das steile Gelände nicht schwer ist, würde der
senkrechte Abbruch darunter kaum einen Fehltritt verzeihen. Erst weiter oben,
wo sich der Südrücken steil hinaufschwingt, tauchen hier und da zwischen
riesigen Felsbrocken mick¬rige Steinmänner auf. Den besten Weg weisen sie nicht
in jedem Falle; den muss jeder selbst finden. Am leichtesten lässt sich die
Gipfelkrone über die Westflanke besteigen. Dort warten nur kurze Kraxel-stellen
(I). Doch was heißt das schon auf so einer Tour? Bei dem Tanz auf Eierschalen
ist jedenfalls wieder Perfektionismus in Sachen Trittsicherheit angesagt. Am
Gip¬fel dann die große Enttäuschung: Jemand hat dort bereits einen Steinhaufen
aufge-
türmt. Doch keine Erstbesteigung!
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