Selbstheilung bei Depressionen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/oNHW3JVdwKE
Eine Therapie, die Depressiven aus ihrem Tief hilft.
Die dem Zappelphilipp Ruhe schenkt, dem Phobiker die Angst
nimmt.
Und zwar ohne Tabletten und ohne Nebenwirkungen.
Neurofeedback verlässt sich allein auf die Kraft der
Gedanken
J an Pradell* sitzt in einem Sessel und beobachtet sein
Gehirn bei der Arbeit. Ganz entspannt, obwohl ihn sein Gehirn über Jahre so
gequält hat, dass er dachte, er sei verrückt.
Mit 14 Jahren fing es an, nach einem Joint. Plötz¬liches
Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern. Jan, der wohlbehütete Junge, kiffte nie
wieder. Doch die Anfälle wurden schlimmer. Sprechangst, Platzangst,
Prüfungs¬angst, Flugangst. Zwangsgedanken, aus dem fahrenden Auto springen zu
müssen. Vor seinen Eltern, seiner Freundin verbarg er diese Not. Aus Sorge, sie
würden ihn für schizophren halten. Mit 18 ging er heimlich zu einem
Therapeuten. Die Diagno¬se: „Generalisierte Angststörung". Bis zu zehnmal
täglich gip¬felte Jans Furcht vor fast allem in Panikattacken. Das heißt, in
Todesangst.
Auf dem blonden Scheitel des heute 30-Jährigen haften
Elektroden zur Ableitung eines EEG (Elektroenzephalogramm). Sie messen
Spannungsschwankungen in der elektrischen Aktivi¬tät von Nervenzellverbänden:
jene „Hirnströme", die all unser Denken, Handeln und Fühlen begleiten. In
denen sich spiegelt, ob wir wach, entspannt, konzentriert oder gestresst sind,
ob ein epileptischer Anfall bevorsteht - oder die Nerven im Daueralarm einer
Angstattacke festhängen.
Doch Jan spürt nicht, was neurophysiologisch in seinem Kopf
vorgeht, dafür hat er keine Rezeptoren. Aber er hat das EEG: Auf einem Monitor
kann er seine gemessene Hirnaktivität "online" verfolgen. Allerdings
nicht als abstraktes Wellenmuster, sondern verwandelt in die Computeranimation
eines Flugzeugs. Das ruckelt über den blauen Bildschirm, sackt kurz nach unten,
bevor es immer deutlicher aufwärtsstrebt. Als es entschwunden ist, leuchtet
eine Sonne auf: ein Lob für den Piloten! Denn Jan hat den Flieger gezielt nach
oben gesteuert - indem er seine Hirn¬aktivität manipuliert.
118 GEO 0 412 015
Was wie ein Computerspiel ohne Maus und 'ras= tet, ist ein
Gehirntraining, „Neurofeedback" genanm: eine ausgewählte neuronale
Aktivität zurückgemeldet _ lernt er, diese zu verändern - nachhaltig. Gleich
eine= der eine gewünschte Haltung so lange vor dem Spiege diert, bis sie ihm in
Fleisch und Blut übergegangen ist_
Zugegeben, das klingt ziemlich schräg. Aber es hat tionäres
Potenzial: Denn vom Autisten bis zum Zw könnte Neurofeedback all jenen eine
alternative T bieten, deren Leiden mit bekannten neurobiologische
keiten einhergeht. Die gestörte Hirnaktivität ließe
ihre Rückmeldung an den Patienten gezielt ein Set
korrigieren. Ohne Medikamente, ohne jahrelange stattdessen mit ein paar Dutzend
Stunden am Computer_
Ein Trainingsprogramm für das verwirrte Hirn also.
wir das womöglich eines Tages ebenso normal finden Ine
Muskelaufbau im Fitnesscenter?
Immerhin ist inzwischen bekannt, dass unser Ger im Alter
teilweise „plastisch" bleibt, also veränderbar. - klassische Psycho- und
Verhaltenstherapien hinterlass,: - erfolgreich - Spuren in den neuronalen
Verschaltunz,:-dings setzen sie woanders an: Der Patient analysiert s - bleme
und übt neue Verhaltensweisen ein, um auf
einzuwirken - seine Psyche. Das zu behandelnde Organ: das
Gehirn, bleibt verschlossen. Hinein blicken in der Reee mar Neurologen und
suchen nach Schäden. Abteilung Harr:brang, nicht Software.
Das Neurofeedback geht quasi den umgekehrten Wer h setzt bei
der Hirnaktivität an, um auf die Psyche einzuwirkzr uzt damit auf Denken,
Fühlen und Verhalten. Pillen tun dies narim-lich auch - aber beim Hirntraining
sind keine fremden fe im Spiel. Und: Die Patienten Yannick Witt, 12 Jahre, und
sein Vater, Heiko Witt
Yann'rck: Ich habe ADHS, früher war ich immer zapplig.
Manchmal hatte ich ein Bumpern im Kopf, als ob er gleich explodieren würde.
Heiko Witt: Es war eine Katastrophe. Yannick kannte überhaupt keine Grenzen. Im
Schnitt alle vier Wochen waren wir mit ihm beim Arzt, um ihn zusammenflicken zu
lassen: ein Oberarmbruch, Platzwunden, Prellungen.
Yannick: In der Grundschule wusste nur meine Lehrerin, dass
ich ADHS habe. Wir hatten eine Abmachung: Wenn ich merkte, es geht los, habe
ich gesagt, ich müsste mal auf die Toilette. Dann bin ich auf dem Schul¬hof
eine Runde gegangen, das hat ein wenig geholfen. Ich habe dann mit
Neurofeedback angefangen. Dieses Bumpern im Kopf hat aufgehört, und ich habe
auch keine Kopfschmerzen mehr. Neurofeedback hilft mir auch beim Baseballspielen.
Ich kann mich auf dem Platz viel besser konzentrie¬ren, gerade bin ich in die
Schüler-Nationalmannschaft berufen worden. Heiko Witt: Es ist so toll, dass ich
jetzt mit Yannick einen Sonntagnach¬mittag lang Monopoly spielen kann. Früher
ist er nach fünf Minuten wieder aufgestanden und hat gesagt: Ich hab keine Lust
mehr.
Yannick: Neurofeedback macht eigentlich Spaß, das ist ja
nicht so wie beim Zahnarzt. Wenn ich eines meiner Hassfächer habe, Religion zum
Beispiel, dann denke ich an etwas Gutes, so als ob ich am Bildschirm das
Flugzeug nach oben steuere. Das hilft wirklich! Ende der fünften Klasse habe
ich eine Belobigung bekommen. Das heißt doch was, die bekommt man nicht einfach
so.
führen Regie. „Ich
werde =tirr behandelt", sagt Jan, „Ich handele selbst."
Spätestens hier ist der Hinweis angebracht, dass viele
Ärzte, Psychologen und Psychiater noch nie von Neurofeedback gehört haben.
Andere halten es für „esoterischen Kram". Auch Kran¬kenkassen zahlen
allenfalls, wenn Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS)
damit behandelt werden, aber nicht, wenn Therapeuten das Verfahren bei Ängsten,
Süchten, Depressionen, Epilepsie, Autismus und noch einigem mehr an-wenden. Das
hat vor allem historische Gründe.
Der amerikanische Neurologe Barry Sterman ließ bereits
Anfang der 197oer Jahre Epileptiker mithilfe des EEG Hirn-aktivität trainieren.
Knapp zwei Drittel von ihnen hatten danach deutlich weniger Anfälle als zuvor,
manche gar keine mehr. Die Euphorie war groß. Doch bevor umfassende klinische Stu¬dien
angeschoben werden konnten, kamen Psychopharmaka auf den Markt: Fortan flossen
Milliarden in die Erforschung (und Vermarktung) chemischer Botenstoffe, sodass
heute selbst Laien von Serotonin und Dopamin gehört haben. Die elektrischen
Hirnsignale jedoch gerieten ins Abseits.
Obendrein entdeckte die Hippie-Bewegung Neurofeedback als
einen mutmaßlichen Weg zur Bewusstseinserweiterung, zum „Instant Zen" -
der schnellen Erleuchtung. Danach wollte in den USA kaum noch ein seriöser
Forscher etwas mit Neurofeedback zu tun haben.
In Europa jedoch machten einige Unentwegte weiter - und
legten mit kleinen „Machbarkeitsstudien" den Grundstein für ein
fulminantes Comeback: Seit wenigen Jahren fließen beider¬seits des Atlantiks
viele Millionen an staatlichen Mitteln, um die klinische Wirkung von
Neurofeedback bei einer Vielzahl von Stö¬rungen zu testen. Dabei kommt nicht
mehr nur das „alte" EEG zum Einsatz, sondern auch moderne Scannertechnik:
Sie macht ungewöhnliche Aktivitätsmuster des Gehirns deutlich differen¬zierter
sichtbar und könnte bald viel genauere Ansätze für ein Neurofeedback liefern -
womöglich zugeschnitten auf den ein¬
zelnen Patienten. Das jüngst erwachte Interesse hat noch
einen weiteren Grund: Neue Therapieansätze werden dringend ge¬braucht.
Psychische Erkrankungen sind längst zu einer der häu¬figsten Ursachen von
Arbeitsunfähigkeit avanciert - aber in ihrer Behandlung herrscht seit
Jahrzehnten weitgehend Stillstand.
Es fehlen wirksame Medikamente
Angsterkrankungen sind das weltweit häufigste psychische
Lei¬den. Jeder fünfte Deutsche ist im Laufe seine Lebens davon be¬troffen. Doch
nur die Hälfte der Patienten mit massiven Proble¬men spricht auf eine
Verhaltenstherapie an. Die Erfolgsquote von Psychotherapien bei Depressionen
und Posttraumatischen Belastungsstörungen ist noch erschütternder: Manchen
Studien zufolge liegt sie bei nur 3o Prozent. Sogar weitgehend wirkungs¬los ist
auf längere Sicht jene Verhaltenstherapie, die be der Auf-merksamkeitsdefizit-
und Hyperaktivitätsstörung ADHS emp¬fohlen wird. Diese häufigste neuronale
Entwicklungsstörung betrifft jedes zehnte bis zwanzigste Kind und setzt sich
bei der Mehrheit im Erwachsenenalter fort, oft gepaart mit anderen Pro¬blemen
wie Angst, gestörtem Sozialverhalten, Depressionen, Übergewicht, Sucht.
Nach seiner Diagnose begann Jan Pradell eine
Psychothera¬pie. Doch sein Verstand war machtlos gegen die Angst. Sie über¬fiel
ihn im Vorlesungssaal und im Supermarkt, im Fahrstuhl und in der Bahn. Sie
flüsterte ihm ein, er habe Krebs. Sie ließ ihm nie mehr als zehn Minuten
Konzentration, nie mehr als eine Stunde Schlaf. Mit Mitte 20 war die Angst so
übermächtig, dass Jan sei¬nen Tod herbeisehnte. Er rettete sich in eine Klinik
für Psycho¬somatik. Und bekam erstmals Psychopharmaka.
„Die Medikamente haben mir das Leben gerettet", sagt
Jan. „Endlich konnte ich wieder schlafen."
Vielen anderen allerdings ist auch mit Tabletten nicht zu
helfen. Knapp ein Drittel aller klinisch Depressiven gilt als „be-
handlungsresistent", ebenso 4o Prozent aller Epileptiker.
Ihnen bleibt als letzter Ausweg nur ein chirurgischer Eingriff.
Aufmerk-samkeitsverstärker wie Ritalin wirken auch nur bei zwei von drei
ADHS-Patienten verträglich - zudem verringern sich die Effekte meist binnen
drei Jahren.
Und sobald das Medikament abgesetzt wird, kehren die
Symptome fast immer zurück.
Die Industrie investiert immer weniger in die Entwicklung
neuer Psychopharmaka, denn die ist teurer und langwieriger als bei den meisten
anderen Medikamenten - und am wenigsten Er¬folg versprechend: Nur jedes zwölfte
Produkt schafft die Markt¬reife. „Die pharmazeutische Pipeline ist
erschöpft", bloggte da¬her Anfang 2014 Thomas Insel, Direktor der weltweit
größten Einrichtung zur Erforschung psychischer Störungen, des ameri¬kanischen
National Institute of Mental Health (NIMH).
Eine Kombination aus Pillen, Therapie und Meditation hielt
Jans Angst fortan in Schach. Panik überwältigte ihn nur noch alle paar Monate,
die Schwermut legte sich erst im Herbst über ihn. Im Internet suchte er nach
weiteren Auswegen - und stieß auf Neurofeedback. „Das klang interessant: Da
muss ich nicht schon wieder meine ganze Geschichte erzählen, sondern mich nur
ver¬kabeln lassen." Eine Praxis fand er in Stuttgart. Und sie war alles
andere als das kühle Computerlabor, das er erwartet hatte.
Maxime Josefine Haug. 7 Jahre alt, und ihre Murr Marijana Haug
Maxime: Meine Mama hat mir ma Notizbuch geschenkt, darin
schreie ich und male Kunstwerke hinein. Neulich habe ich alle Strophen vor
„Alle meine Entchen" aufgesc als Geschenk für meine kleine Schwester.
Marijana Haug: Früher konnte Maxime nicht so lange
konzenr-..t -: ¬Das schafft sie erst, seitdem sie r_-_--Neurofeedback geht.
Beim Elte7- - gespräch in der ersten Klasse ha: Maximes Lehrerin gesagt, dass S
zu leicht ablenken lässt. Sie spaz:f. im Unterricht durch die Klasse schaute
mal, was die anderen sc machten. Zu Hause konnte sie - nicht auf ihre Aufgaben
konzenr- -ren, ihr Blick schweifte plötzlich i› sie erzählte, was ihr in den
Sinn Sie ist eine kleine Träumerin ... Maxime: Das hört sich an, als ob ich
eine Schlafmütze bin! Bin ich gar nicht. In der Praxis suche ich mir immer eine
andere Figur, mit der ich übe, am liebsten einen Vogel oder auch einen
Superhelden. Manchen bin ich nach dem Training müde, weil das ganz anstrengend
ist. Marijana Haug: Ich glaube, mit dem Neurofeedback werden wir vor allem
langfristig Erfolge erzielen. Da muss man auch Geduld haben. Aber ich merke,
dass unser Alltag viel entspannter geworden ist. Ich muss sie nicht mehr
ständig ermahnen: Maxime, konzentriere dich! Maxime. bleib bei der Sache!
Vertrau deinem Hirn!
Ein Dachgeschoss über einer Fußgängerzone, mit
Kiefern-möbeln eingerichtet, die Wände gelb gestrichen. Einen Empfang gibt es
nicht, nur eine Kaffeeküche, in der alle zusammenkom¬men: die vier
Therapeutinnen auf Socken, die vielen Kinder mit ADHS-Diagnose in Pantoffeln
mit Hasenohren, Hundeschnau¬zen oder Tigerkrallen. Eine Werkbank aus Holz steht
an der Wand, mit Sägen, Holzbohrern, Schraubzwingen, in den Rega¬len liegen
Malfarben, ein Abakus: typische Gerätschaften einer
ergotherapeutischen Praxis, in der Motorik, Koordination
oder Konzentration trainiert werden.
Doch in den drei Praxisräumen ist kein Hämmern und Lär¬men
mehr zu hören, nur das gelegentliche „Ping" von einem der sechs Neurofeedback-Computer.
Aus Handarbeit ist Kopfarbeit geworden, aus der Ergo- eine Neurotherapie.
Eines ist geblieben: Die Patienten müssen üben, üben, üben.
120-mal soll jan in einer Sitzung das Flugzeug auf dem Monitor abwechselnd über
und unter eine horizontale Mittellinie steuern, je acht Sekunden lang, mit
kurzer Pause dazwischen. Bleibt der Flieger im richtigen Feld, leuchtet
anschließend die Sonne auf.
Die Ärztin und Ergotherapeutin Edith Schneider, für die
meisten der Patienten einfach „Edith", schaut immer wieder prüfend auf
einen Kontrollmonitor. Sie sieht, was sich hinter den Flugbewegungen verbirgt:
Signale aus Jans Gehirn, darge-stellt als gezackte, unregelmäßige Wellen. „Das
sind die lang-samen Hirnpotenziale, auch LP genannt", erklärt sie. „Jan
übt, ihre Spannung zu wechseln: Positivierung, Negativierung."
Eine ungewohnte Therapeutensprache, eine ungewohnte Materie:
Die wenige Millionstel Volt starken LP spiegeln die Er¬regbarkeit von
Nervenzellverbänden. Sie steigt immer kurz vor einer geistigen oder
körperlichen Aufgabe an, etwa wenn ein Tormann auf den Elfmeter wartet oder
eine Musikerin auf ihren Einsatz. Danach sinkt sie wieder. Normalerweise.
Ist Jan in seiner Angst gefangen, gelingt ihm das „Hoch- und
Runterfahren" der Neuronen nicht mehr. Bei Epileptikern ist die Erregung
dauerhaft zu hoch, sodass das Gehirn leicht in einen hyperaktiven Zustand
geraten kann: Dann feuern viele Neuro¬nen zugleich und lösen einen Anfall aus.
Bei ADHS dagegen ver¬läuft die Nerven-Aktivierung meist zu langsam und schwach,
das Gehirn ist schwerer zu mobilisieren. Betroffene sind traumver¬sunken - oder
zappelig: Wie ein müdes Kind, das sich quengelnd wach hält, versuchen sie, sich
mit aller Macht zu stimulieren.
Edith Schneider ruft eine Statistik von Jans früheren 5, gen
auf. In den ersten Wochen klappte der Spannur_zsw
so gut wie nie. „Egal was Jan tat, sein Flugzeug geriet
falsche Feld", so Edith Schneider. Dann allmählich gei
immt die Deaktivierung. „Er lernt, sein Gehirn selbst zu regm:
Und wie macht er das?
„Anfangs habe ich versucht, das Flugzeug mit meine=
dr-len oder irgendwelchen Vorstellungen zu steuern",
erinner. Jan. „Irgendwann habe ich den Verstand ausgeschaltet -Jztz =¬fach
losgelassen. Mein Gehirn macht den Spanntalgs-0.e-jetzt von selbst. Wie, das
weiß ich nicht."
„Jeder muss eine eigene Strategie finden. Aber sot-a_g :.
tienten die Regulation gelernt haben, geht das automaes bei
einem Fußballer. Der kann auch nicht gut erklären, wie er_ irre-rade das Tor
geschossen hat", sagt Niels Birbaumer, Direir_zr Instituts für
medizinische Psychologie und Verhalten. biologie in Tübingen. Birbaumer hat die
Erforschung mar Neurofeedback wie kein Zweiter vorangetrieben. Bereits 197oer
Jahren wies er nach, dass sich die langsamen Hirnpolen-ziale gut per Feedback
regulieren lassen. Locked-in-Pateaz lernten so, Computer zu steuern (GEO Nr.
07/1999); Epilepr:. Anfälle zu vermeiden - selbst wenn sie zuvor als
„behandltmee-
resistent" galten; ADHS-Patienten, ihre Aufmerksamke : zr.
steigern. Birbaumer und sein Team testen Neurofeedback ar
NL-kotinsüchtigen und Migränepatienten, Menschen mit Schlat.--rangen und
Psychopathen mit mangelndem Mitgefühl (GEO Nr. 10/2013). „Wir suchen nach
therapeutischen Effekten, die tes.9c. sind als bei klassischen
Verhaltenstherapien", so Birbaumer.
Alles nur Placebo?
Therapeuten mag es reichen, dass es ihren Patienten besser
gen-_ Forscher (und Krankenkassen) wollen große klinische Studien. am besten
„verbändet", sodass weder Patient noch Therape-_::
wissen, ob sie mit einem Wirkstoff arbeiten oder einem
Placebo. Das freilich ist schwierig bei Neurofeedback. denn man merkt schnell,
ob der Computer ein echtes Feedback gibt oder nicht.
„Bis vor Kurzem wussten wir tatsächlich nicht, ob
Neuro-feedback spe• .fisch wirkt", sagt Birbaumers Kollegin Ute Strehl,
eine der ftifAnden Forscherinnen zu Neurofeedback bei ADHS, jener Störung, zu
der die meisten Studien vorliegen. Geht es den Patienten vielleicht nur deshalb
besser, weil sie behandelt wer¬den? Weil sie besonders technikgläubig sind -
oder zugewandte Ärztinnen wie Edith Schneider ihr Selbstvertrauen stärken?
Um die Placebo-Frage beizulegen, finanziert die Deutsche
Forschungsgemeinschaft derzeit die weltweit größte klinische
ADHS-Neurofeedback-Studie, durchgeführt in Tübingen, Frank¬furt, Hamm,
Göttingen und Mannheim. Sie ist nicht verblindet, Neuro- und Biofeedback werden
aber unter nahezu identischen Bedingungen verglichen. Bei Letzterem lernen
Probanden, einen Muskel in der Schulter zu entspannen und anzuspannen.
Noch läuft die Auswertung, doch so viel kann Ute Strehl
schon sagen: In beiden Gruppen verbesserten die Patienten sich in der
Einschätzung von Eltern und Lehrern. Allerdings: Bei den
Neurofeedback-Kandidaten waren die Effekte laut Elternurteil deutlich stärker.
Und nur bei ihnen erhöhte sich auch der IQ, Ihr Gehirn arbeitete offenbar
deutlich besser als vorher.
In einer früheren ADHS-Studie wurde Neurofeedback mit
Ritalin verglichen. Die Wirkung auf Aufmerksamkeit, Hyperakti¬vität und
Konzentration war in etwa gleich. Zwei Jahre nach Ende der Therapie ließ sich
bei der Hälfte der mit Neurofeedback Behandelten die Störung nicht mehr
diagnostizieren. Das Trai¬
ning, so Ute Strehl, hat anders als Tabletten einen
andauernden Effekt: Die Verbesserungen halten nicht nur zwei Jahre später noch
an, in vielen Fällen haben sie sich sogar weiter gesteigert. Epileptiker
beherrschen die Kontrolle der langsamen Potenziale selbst zehn Jahre nach ihrem
Training - und können so weiterhin Anfällen vorbeugen. Nebenwirkungen?
Müdigkeit, manchmal Kopfschmerzen. Denn das mentale Training strengt an.
Zwei Monate nach Jans Therapiebeginn war es wieder so weit,
ohne jeden erkennbaren Anlass: Er lag auf dem Sofa, als sich sein Magen
plötzlich zusammenkrampfte, Adrenalin flutete seinen Körper. Die Vorboten einer
Panikattacke.
Jan versuchte, Kontrolle über sein Gehirn zu gewinnen. Er
schloss die Augen und stellte sich sein Flugzeug vor. Sah es in Ge¬danken
aufsteigen, wie zuvor so oft auf dem Monitor. Nur spie¬gelte ihm jetzt kein
Programm, ob die Regulierung klappte. Aber sein Körper. Jan spürte, wie die
Angst verebbte.
DER PATIENT LERNT NUR, WAS ER LERNEN WILL«
David Linden, Psychiater und Neurowis-senschaftler an der
Universität von Cardiff und Autor des kürzlich erschienenen Buches „Brain
Control", leitet das von der EU geförderte Projekt BRAINTRAIN, bei dem
zehn Institutionen in sechs Ländern fMRT- und EEG-Neurofeedback bei Autismus,
Alkoholsucht, Fettleibigkeit, PTSD und bei Angststörungen testen.
GEO: Der Fußballverein AC Mailand stärkt seine Spieler mental
mit Neuro-feedback, Londoner Musikstudenten verbesserten damit in einer Studie
ihre Spielleistung um zehn Prozent. Könnte die Technik also auch Gesunden zur
„Hirnverbesserung" dienen?
Linden: Ich glaube nicht, dass „Neuro-Enhancement" ein
wichtiges Anwendungs¬gebiet wird. Das Training kostet viel Zeit und Geld, um
das zu machen, muss schon ein Leidensdruck da sein.
Im Internet werden preisgünstige Neurofeedback-Headsets für
Video-spiele oder zur Selbsttherapie angeboten: Kann man eigenständig Neurofeedback
machen?
Viele Gamer-Kappen arbeiten eher mit Änderungen in der
Kopfmuskulatur als mit Hirnströmen, aber als Signal für ein Spiel reicht das
natürlich. Auch bei den therapeutischen Geräten ist die Frage, ob sie wirklich
ein gutes EEG aufzeichnen und ihre Wirksamkeit klinisch belegt ist. Noch steckt
der Teufel in vielen techno¬logischen Details, aber es ist durchaus denkbar,
dass Patienten irgendwann in der Zukunft zu Hause Neurofeedback machen - und
dabei über das Internet betreut werden.
Lässt sich mit Neurofeedback auch Unerwünschtes
antrainieren?
Im Scanner wendet der Patient bewusste Strategien an und
sieht, was dabei in
seinem Kopf passiert. Er lernt also nur, was er auch lernen
will. Vom Prinzip her gilt allerdings: Wenn wir hoffen, dass sich mithilfe von
Neurofeedback Süchte abtrainieren lassen, könnte man mög¬licherweise auch
umgekehrt welche antrainieren. Wie bei jeder Behandlung muss also auch hier
verantwortungs¬bewusst gearbeitet und auf Neben¬wirkungen geachtet werden.
Könnte ein Patient über das Lernziel hinausschießen - etwa
nicht nur seine krankhafte Angst verlieren, sondern gänzlich furchtlos werden?
Wohl kaum. Neurofeedback ist physio¬logisch und
psychologisch ein gradueller Prozess. Und es setzt bei den mentalen Fähigkeiten
an, die schon in einer Person stecken. Sie können damit also keine ganz neuen
Persönlichkeitsfacetten er-zeugen und jemanden vom Angsthasen zum Draufgänger
umpolen.
„Krass", sagt Jan. „Ich war super-euphorisch. Aber
zugleich dachte ich: Das kann ich keinem erzählen, das hält jeder für
Ho¬kuspokus. Alles, was Psycho ist, muss sich doch aus dem Intellekt heraus
begründen lassen."
Selbst Forscher können nicht im Detail erklären, was beim
EEG-Neurofeedback im Kopf passiert. Aber sie wissen, wie es wirkt. Ein paar
Affen machen es vor.
Wie Affen meditieren lernen
Ingrid Philippens vom Biomedizinischen Primatenzentrum im
niederländischen Rijswijk verkabelte vor einigen Jahren Marmo-setten-Äffchen
und ließ sie Neurofeedback machen. Nicht dasRauf und Runter” der langsamen
Potenziale, sondern ein „Fre-quenzbandtraining": Dabei wird ein ganzer
Wellenbereich des EEG (siehe Kasten Seite 12.o) ausgewertet, in diesem Fall der
sensomotorische Rhythmus (SMR), der beim Menschen mit ent¬spannter
Aufmerksamkeit einhergeht.
Die Marmosetten hatten naturgemäß kein Videospiel vor sich,
aber irgendwann erzeugte ihr Gehirn zufällig das ge-wünschte Wellenbild im EEG
- und im nächsten Moment fiel ein Stück Mäusespeck in den Käfig. Beim nächsten
Treffer wieder. Und wieder. Was auch immer es war, das das Affenhirn kurz
zu¬vor gemacht hatte: Es zeigte einen Effekt.
Ursache und Wirkung! Das Gehirn sucht dauernd nach Sinn¬zusammenhängen.
Und wenn es ein positives Feedback regis¬triert, verknüpft es dieses
biochemisch mit der vorherigen Akti¬vität: als Empfehlung, die erfolgreiche
Aktion zu wiederholen.
Mit Belohnungen lässt sich also ein gewünschtes Verhalten
gezielt stärken, das Prinzip heißt „operante Konditionierung".
Die Affengehirne „wussten" nach nur zwei bis vier
Sitzun-gen, wie sie an den Mäusespeck gelangen. Und während ihre Nervenzellen
das gewünschte EEG-Bild erzeugten, zeigten die Tiere automatisch jene Haltung,
die auch bei Menschen mit ei¬ner starken SMR-Amplitude zu beobachten ist: „Sie
sahen sehr entspannt aus", berichtet Philippens. „Aber zugleich
fokussiert, als würden sie etwas anstarren. Wie bei einer Meditation."
Das Neurofeedback-Training funktioniert also durchaus
un¬bewusst. Die Belohnung - bei Jan die Sonne - weist dem Gehirn den
gewünschten Weg. Um das Gelernte in den Alltag übertra¬gen zu können, haben
sich beim LP-Training wiederholte „Transfer-Durchläufe" bewährt. Dabei
sehen die Patienten kein Flugobjekt, sondern ein schlichtes Dreieck, es zeigt
ihnen an, dass sie nach oben oder unten lenken sollen. Erfolgreiche
„Blindflüge" werden belohnt. Zu Hause können sie diese Übung fortsetzen,
indem sie eine Karte mit dem Dreieck betrachten.
„Ich hatte
das Kärtchen in meinem Etui und habe es mr-
mer angeschaut, wenn ich mich konzentrieren musste. Die
Leib-rerin dachte erst, das sei ein Spickzettel", erzählt der i6 Rene.
Drei Jahre liegt die Neurofeedback-Therapie des - philipps" zurück. Jetzt berichtet er Edith,
dass er die Lehrstelle als Industriemechaniker bekommen hat: „Obie.-±i 1:1211r
der
Techniklehrer gesagt hat, mach bloß nichts, wozu zzae
ruhige Hand brauchst, du machst nur alles kaputt`." Es
vorstellbar, dass dieser nette Kerl mit dem sorgsam aufgezezier
Pony früher reihenweise Tadel im Klassenbuch eingeste:-_: rAc, „Ohne
Neurofeedback hätte ich das mit der Bewerbur.z.-.- ni=1" geschafft",
sagt er. „Welche Firma nimmt einen schon rr::: e-rrrr Vier in Verhalten?"
Wer eine Weile in der Küche der Stuttgarter Praxis sitzt.
hin viele Erfolgsgeschichten. Einzelfälle, gewiss, und doch \erbet fend.
Daniel* etwa, Mitte 4o und Heroin-Junkie, konnte K.5 vmr Kurzem keine drei
Minuten stillsitzen und hatte wocheni Drogenrückfälle, trotz fünf Therapien.
Jetzt steht er kurz davx einen Laden zu eröffnen. „Ich spüre meine Impulsivität
zwrir noch, aber ich schalte den Kopf ein, statt mir alles zu versau_ Ich
grübele auch nicht mehr tagelang irgendwelchen Sachen "=-terher."
Sein Wesen habe sich aber nicht verändert. „Das Ne-.:_=.-feedback ist ja keine
Gehirnwäsche, ich helfe mir selbst."
Und da ist Lena, 25, die ihre Leidensgeschichte flüchte= rar
Abfolge von Therapien erzählt: Logopädie, Ergotherapie, Ni::: --pädagogik,
Psychotherapie, tiefenpsychologische Thera7 Verhaltenstherapie, Psychopharmaka.
Wechselnder Verd.z,. auf Legasthenie, Schizophrenie, Epilepsie. Dann, mit 19.
richtige Diagnose: Asperger-Syndrom, eine Form von Autismu_s. In einer
Theatergruppe hat sie über Jahre gelernt, welchen Ge¬sichtsmuskel sie anspannen
muss, um ein Gefühl zu zeigen ¬jetzt kann sie es endlich auch empfinden. Früher
hat sie nur das Nötigste gesprochen, oft in unvollständigen Sätzen und mit
geschlossenen, flackernden Augen. „Wegen der emtre,
erklärt sie. „Blickkontakt konnte ich schwer e-meigg,
manchmal blieb ich eine halbe Stunde wie e stehen." Heute hält Lena
Vorträge über Autismus. -*leer nach,
will Medizin studieren.
Es sind Geschichten von Menscher ,
erlitten haben, anders zu sein. Die aneckten, e—ausgegrenzt,
bestraft. Nun bekommen sie nich: 7 Videospiel positives Feedback, sondern auch
von .1 den, Lehrern. Und sie fühlen sich wohler in -.±:t - werden nicht mehr
dauernd getrieben von ihrer dem lernen, auf ihre eigenen Fähigkeiten zu
ver-_-i_ez._ logen nennen dieses machtvolle Gefühl „Selbs7A Und die Kontrolle
über das eigene Tun setzt große
Jan hat begonnen, sich gezielt Situationen, die im machen,
auszusetzen. Mittlerweile fährt er S-Balte bei
Fluchtgedanken, spricht vor Publikum, wenn auch
schweißgebadet. Die hypochondrischen Züge sind
den; er liest zwei, drei Stunden täglich. „Ich hole sz.
Triel so Jan. „Dies ist die glücklichste Zeit meines Lebens: werde er wohl
niemals schaffen: in ein Flugzeug zu stetem,
Eine Weile möchte er das Neurofeedback-Training weitermachen
und dabei die Medikamente, die er noch langsam ausschleichen lassen.
Kein seriöser Therapeut, kein Wissenschaftler würde feedback
als Allheilmittel bezeichnen. Ob das Hin::: -training ausreicht oder Teil einer
umfassenderen There sollte, kommt immer auf den Einzelfall an. Und: Die
Neurofeedback ist zugleich seine Schwäche - es er Mitarbeit des Patienten.
Wie bei allem Lernen stellen sich Erfolge unters=._ rasch
ein. Motivation, Fleiß, vielleicht auch Begabung s 7 ei= eine Rolle, sicherlich
auch Art und Stärke der Erkrankt: ADHS-Patienten vergehen in der Regel 3o bis
4o Sitzung: das Erlernte automatisiert ist. „Manche klagen schon naz
Terminen", sagt Edith Schneider. „Bei den Kindern sind = - unter auch die
Eltern, denen die Fahrerei zu viel wird o:
keine Termine einhalten." Eine Pille zu schlucken ist
einr-z.::_fr.
Hürden gibt es auch auf therapeutischer Seite. Das
LI-Training ist störanfällig: Die Elektroden müssen sorgsam ange¬bracht werden,
Muskelbewegungen der Patienten können ar Signale leicht verfälschen. Viele arbeiten
daher mit dem Fre-quenzbandtraining, das wiederum seine eigenen Tücken hat_
Und schließlich setzt auch die Technik Grenzen. Das EEG
misst nur sehr grob, und es erfasst nicht die Aktivität in der tieferen
Hirnstrukturen. Aber gerade dort liegen die emotiona-len Zentren, die an vielen
Störungen beteiligt sind. „Bei schvie-ren psychiatrischen Störungen wie
Angsterkrankungen ist das EEG ein schlechter Spiegel des Gehirns", so
Birbaumer. Deshalb hat er schon vor zehn Jahren die Entwicklung eines viel klareren
Spiegels angestoßen.
Auch wirksam gegen Angst und Schmerz
Mieke Ossevoort* liegt in einem zwei Millionen Euro teuren
Gerät zur „funktionellen Magnetresonanztomografie" (fMRT), umgeben von
einem Magnetfeld, 6o 000-mal stärker als das der Erde. Es registriert
Durchblutungsveränderungen in ihrem Gehirn, millimetergenau.
Miekes Kopf ist in einer Schale fixiert; über ihrem Gesicht
trägt sie eine Art Visier. Radiowellen regen Wasserstoffkerne im Gehirn an,
begleitet von einem Klopfen, lärmend wie das Stakka-to einer
Schlagbohrmaschine. Über einen Spiegel betrachtet sie einen Cartoon mit Donald
Duck - zur Entspannung.
Auf ihrem Bauch liegt ein Alarmknopf.
Bildwechsel. Eine Spinne auf einem Männergesicht: ein
fetter, blau schimmernder Leib, borstige Beine, sie berühren Auge, Mund und
Nase. Wohl jeder würde bei diesem Anblick er¬schaudern - aber erst recht Mieke:
Sie hat eine Spinnenphobie.
„Brains Unlimited" heißt der Komplex der Maastrichter
Fa¬kultät für Psychologie und Neurowissenschaft. Kofmanziert von der EU, 2013
eingeweiht, ausgestattet mit drei Scannern, die zu den modernsten der Welt
zählen. Hier kommen internationale Forschung, Lehre und Start-ups zusammen, um
dem Hirn und seinen Erkrankungen auf den Grund zu gehen. Hier entwickelt
Forschungsdirektor Rainer Goebel, ein früherer Kollege Bir-baumers, Hard- und
Software für die Medizin der Zukunft.
Sein spezielles Faible: Neurofeedback mit fMRT. „Patienten
können damit nicht nur die Aktivierung oder Deaktivierung be¬stimmter
Hirnareale viel gezielter trainieren als beim EEG, son¬dern auch das
Zusammenspiel verschiedener Regionen stärken", so der Informatiker und
Psychologe. „Selbst sehr individuelle Denkmuster, etwa traumatische
Erinnerungen, könnten künftige Ansatzpunkte sein."
Im Kontrollraum neben dem Scanner flammt auf einem Monitor
ein Areal von Miekes Gehirn rot auf: die „Insula", Insel¬rinde, eine
wichtige Mitspielerin bei Angststörungen. Mieke soll versuchen, diesen
Angstherd in ihrem Kopf zu löschen.
Die Psychologin Anna Zilverstand nimmt den roten Flecken ins
Fadenkreuz eines Cursors. Ein Computerprogramm wandelt
die Aktivität der Insula um in das Bild eines Thermometers,
das im Scanner eingespiegelt wird: das Feedback.
Mieke probiert verschiedene Strategien, um die Anzeige des
Thermometers zu senken. Konzentriert sich auf Details der Spinne - keine
Reaktion; lässt das Tier in Gedanken wie eine Marionette tanzen - das
Angstthermometer sinkt.
„Diese Schnittstelle von Vorstellung und Feedback, von Geist
und Gehirn ist nur in der fMRT so genau. Sie birgt eine ganz neue Form der
Selbsterfahrung", sagt Goebel, mit einer Leidenschaft, als hätte er das
Verfahren gerade erst entdeckt -und nicht schon zehn Jahre Arbeit
hineingesteckt.
Im Verlauf der nächsten 3o Minuten fällt Miekes Thermo¬meter
weiter - während ein zweites steigt: Es spiegelt die Akti¬vität einer Region im
präfrontalen Kortex wieder, die eine wich¬tige Rolle bei der Regulierung
emotionaler Prozesse spielt Der Verstand hält die Angst also immer besser in
Schach.
„Die Lerneffekte sind in der fMRT schon nach einer Sitzung
um ein Viertel stärker als bei einer Therapie ohne Neurofeed-back", so
Anna Zilverstand.
Die Phase der Grundlagenforschung ist weitgehend
abge-schlossen. Erste klinische Studien zeigen, dass fMRT-Neurofeed-back bei
Angst, Schmerz, Depressionen wirksam ist und auch bei einer neurodegenerativen
Erkrankung wie Parkinson ein Stück weit gegensteuern kann. Am Londoner King's
College läuft der¬zeit das erste fMRT-Training mit ADHS-Kindern. Sie lernen,
eine für die Aufmerksamkeitskontrolle wichtige Region im rech¬ten präfrontalen
Kortex zu stärken. „Einige Kinder beherrschen die Regulation schon nach ein,
zwei achtminütigen Sitzungen", berichtet Forschungsleiterin Katya Rubia.
„Schon nach 14 Mal ist der Effekt der Selbstregulation bei manchen ziemlich
deutlich, was möglicherweise schneller ist als beim EEG-Neurofeedback."
Wenn bereits wenige Sitzungen Wirkung zeigen, dann könn¬te
sich der teure Scanner-Einsatz auch im therapeutischen Alltag rechnen, hoffen
die Forscher. Vielleicht ließe er si.±r einem EEG-Feedback kombinieren, die
Suche r-7- men Aktivitätsmustern hat in Maastricht bereits fMRT-Neurofeedback
in der Praxis angekommen aber noch etwas dauern. „Die Entwicklung neue:-
24,r.-ez dauert in der Regel zehn Jahre. Beim Neurofeecrr a niger
Sicherheitsfragen, vielleicht schaffen wir e _ der Zeit", so David Linden,
Leiter des EU-geför.-±e 7--TRAIN-Projekts (siehe Interview Seite 129).
Für Jan
werden alle neuen Erkenntnisse zu S7 :nem
Vor einigen Monaten wurde sein größter Albt-a
musste
beruflich in die USA. Und das hieß - fliegen 1-
NIMM
er Tausende Kilometer gefahren, aber er hatte keine
Als er im Flugzeug Platz nahm, raste sein Herz_ se waren
feucht. Er atmete tief durch, sah nach drauße meinem Fenster verlief die
Tragfläche", erzählt lir nerte mich an die Mittellinie auf meinem Neurofee
tor." Also dachte er sich sein Trainingsflugzeug dazu. Triebwerke
hochfuhren, war seine Angst - verflogen_
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