Montag, 17. August 2015

Harun al-Raschid 766-809


Harun al-Raschid 766-809

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/QgZqfUgmdDs

Ein Kalif aus Tausendundeiner Nacht

Harun aI-Raschid

766-809

 

»Was man im Palast des Befehlshabers der Gläubigen nicht al¬les aufgehängt hatte an Vorhängen aus Goldbrokat, verziert mit prachtvollen Goldstickereien, die Elefanten, Pferde, Kamele, Lö¬wen und Vögel darstellten, und viele große Wandbehänge, ein¬farbig oder mit Mustern geschmückt. Und es gab 38000 bestickte Vorhänge, darunter 12500 Vorhänge aus Goldbrokat ...« In die¬sem überwältigenden Reichtum, der in der berühmten Geschich-tensammlung Tausendundeine Nacht vielfach in schillernden Farben beschrieben wird, lebte der Kalif Harun al-Raschid. Mit diesem Reichtum übertraf er die anderen Großreiche seiner Zeit: Byzanz, das freilich ebenfalls in großer Pracht stand, aber vor allem das Frankenreich; aus westeuropäischer Perspektive war Haruns Reichtum schlicht unvorstellbar.

Das Leben in Haruns Palastanlage bot vielfältigen Stoff für Erzählun¬gen. Der Herrscher umgab sich mit Männern und Frauen, die stets damit beschäftigt waren, für die Zerstreu¬ung des Kalifen zu sorgen. Wenn es Harun einmal trotz der märchenhaf¬ten Umgebung nicht gut ging, »befahl er den Sklavinnen, die Fenster zu öffnen und mit seinen Tischgenossen Lieder zu singen, bis ihm die Brust weit ward und sein Kummer sich leg¬te«. Berühmte Gelehrte unterhielten ihn mit verschiedenen Wissenschaf¬ten. Mit einigen Palastmitgliedern spielte er Schach, und bei anderen Spielen verwettete er bisweilen seine Kleidung, sodass er sich schon mal komplett entblößen musste. Was bei Gesellschaftsspielen eher ungeplant passierte, war in anderen Teilen des Palasts an der Tagesordnung, denn Harun besaß zudem noch einen Ha-

 

1-, dem etwa zoo Frauen gelebt haben sollen. Der -Kar sowohl Mittelpunkt des offiziellen Lebens _ J-:-1 Zentrum von Haruns Privatleben. Außer die dort wohnten oder arbeiteten, ..-=_-mand Zutritt, und so bekam Haruns :=.in Charakter einer abgeriegelten, na¬- .,Jirklichen Insel.

und der am Tigris gelegene Pa-Haruns Großvater Mansur (»der a :,er«) gegründet hatte, waren seit früher Kindheit das Zuhause der

_ -z_7:amilie. Wie lange dieser märchen-_ asz Haruns Heimat bleiben sollte, war allerdings unklar, denn als sein Vater

Jahr 785 starb, gab es zwei Anwärter ' azhfolge: Harun und seinen älteren Bru-

_ Dies war der Beginn von blutigen Pa-7.. wie wir sie von vielen Geschichten aus

,.>:deiner Nacht kennen. Wäre es nach dem

Vaters gegangen, hätte Harun direkt die Herrschaft können, denn die brutale und selbstsüchtige Art -_-en Sohnes Hadi hatte ihn schon Böses ahnen lassen. bestätigte  diese Vorahnungen. Sofort nach dem Tod des - = Hadi die Macht an sich, wollte sogleich seine Mutter Bruder umbringen und so seinen eigenen Sohn zum machen. Ein Jahr lang musste Harun ernsthaft um

rchten. Als aber 786 sein Bruder starb, wurde der im Alter von zo Jahren als Harun al-Raschid (»der

zum neuen Kalifen des Abbasidenreiches.

Kalif« kommt vom arabischen halifa und bedeutet

-          : so bezeichneten sich die Nachfolger - und Stell-

- Mohammeds nach dessen Tod. Die Kalifen waren aber - Zie religiösen, sondern auch die politischen Führer al-- sie waren die Herrscher der Gläubigen. Zu den reli-

-          eines Kalifen gehörte beispielsweise der Hadsch,

a_liahrt nach Mekka, was Harun al-Raschid nicht we-_ _ri Mal auf sich nahm. Auf der anderen Seite gab es

-          Pflichten: die Kriegsführung und die Regierung des

- von Nordafrika über den Nahen Osten, die ara-und Iran bis nach Indien und China. Die Größe wurde Harun jedoch auch zum Verhängnis, denn Provinzverwaltungen an Minister delegierte, wagten

 

immer mehr Teilvölker, sich von Bagdad weitgehend unabhängi zu machen.

Das Delegieren wichtiger Aufgaben hatte Harun von seiner Großvater und von seinem Vater gelernt, die sogar private Ar gelegenheiten in die Hände ihrer Berater und Mitarbeiter gaber die ausnahmslos der einflussreichen Familie der Barmakiden en-stammten. So war auch Haruns Vormund und Vertrauter Yahy ein Barmakide, und Harun hatte ein so enges Verhältnis zu ihn dass er ihn »Vater« nannte. Als Harun an die Macht kam, e:

DAS HARUN-AL-RASCHID-PRINZIP

Der Kalif Harun al-Raschid soll sich jeden Abend als Kaufmann verkleidet unter das Volk gemischt haben, um so unerkannt den alltäglichen Gesprächen zu lauschen. Auf diese Weise erfuhr Harun zuverlässig von den Dingen, die seine Untertanen beschäf¬tigten, was für Harun wertvoller war als die Informationen, die er von seinen Beratern erhielt. In der modernen Unternehmens¬führung wird das Ziel, die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter zu erfahren, als Harun-al-Raschid-Prinzip bezeichnet.

 

Tiannte er Yahya zum Wesir, also zum Chef der Verwaltung. In lz---5endundeiner Nacht ist immer wieder von Wesiren zu lesen, die den eigentlichen Herrscher in einem goldenen Käfig gefangen leir_en und danach trachten, den Thron für die eigenen Söhne zu f'-±ern. Ähnlich erging es auch Harun: Während er in seinem

das Leben genoss und sich um religiöse Angelegenheiten i=erte. regierte der Wesir Yahya das Reich, als wäre es sein nute—es Mit der Zeit allerdings entwickelte der Kalif zunehmend

Bedürfnis, das Heft des politischen Handelns selbst in die

zu nehmen und sich dem machtvollen Einfluss der Barma-ccer_ zu entziehen. Schließlich entschied Harun sich für einen riumt.e-zn Schlussstrich: Er ließ das gesamte Geschlecht der Bar-riaicden auslöschen, die den Abbasiden über Jahrzehnte hinweg

e =      gedient hatten; seinen ehemaligen Vertrauten Yahya ließ

Gefängnis stecken, wo dieser bald darauf starb.

- hatte Harun sich bereits dazu entschlossen, Bagdad und -..henhafte Ambiente seines geliebten Palastes zu verlassen maische Raqqa umzusiedeln. Dort widmete er sich weniger . — -_genhaften Palastleben als vielmehr seinen hochgesteck--.fschen Zielen. Gemeinsame außenpolitische Interessen — Fränkischen Reich führten zu einer Kontaktaufnahme

- =       dem Kalifen und Karl dem Großen (s. S. 8). Bei-

her sahen die in Spanien lebenden Omaijaden als ar.. Das arabische Herrschergeschlecht war von den

_ -       Abbasiden, den Vorfahren Haruns, nahezu voll-

-          ausgelöscht worden. Einzig Abdarrahman ad-Dahil

durch eine abenteuerliche Flucht nach Spanien te¬er 41-tr:rien. wo er das islamische Emirat von Cordoba gründete

_         - vom abbasidischen Kalifat lossagte. Durch die Expansi-

rsze-&-yaingen der spanischen Omaijaden musste nun Karl der die Südwestgrenze seines Reiches fürchten. Zudem - der byzantinische Kaiser Gegenspieler von Karl und ::-ichermaßen: Solange Karl den Kaisertitel anstreb-

- _:ngsweise dieser nicht von Ostrom anerkannt war,

_         anz die größte Konkurrenz für den Karolinger dar.

,Raschid wiederum verfolgte unaufhörlich seinen ---,am. Byzanz zu erobern, was ihm jedoch nie gelin-

.--_inuriung in den Fragen gemeinsamer Außenpolitik

- Karl und Harun mehrfach Gesandtschaften aus, und ,:_szher Gesandter konnte ein aufsehenerregendes

Sou-

_         seiner Persienreise vorweisen: einen Elefanten namens

 

TAUSENDUNDEINE NACHT

Die zweifellos bekannteste persisch-arabische Sammlung von Märchen, Fabeln und Geschichten ist wohl zu Lebzeiten Haruns entstanden und wurde schließlich durch die französische Über-setzung von Antoine Galland (1717) weltberühmt. Die Geschichten der vom König am meisten geschätzten Erzählerin, Scheherazade, bilden den Rahmen. So bekannte Erzählungen wie Aladin und die Wunderlampe und Ali Baba und die 4o Räuber fügte allerdings erst Galland der Sammlung hinzu, nachdem er sie in Syrien gehört hatte.

 

 

 

Abul Abbas. Im Juli 802 zog das mächtige Tier in Aachen ein, was die fränkische Bevölkerung zweifellos stark beeindruckt haben wird — welche Ehre für den Kaiser! Die Franken konnten freilich nicht ahnen, dass dieses Geschenk aus Sicht des Kalifen nichts Besonderes war. Der fränkische Kaiser hatte für die viel reiche¬ren und mächtigeren Abbasiden keine große Bedeutung, was da¬ran deutlich wird, dass Karl dort in keiner einzigen zeitgenössischen Quelle erwähnt wird.

Der unermessliche Reichtum war für Harun al-Raschid eben Normalität. Das Blutbad, das er unter den Barmakiden an¬richtete, spricht vielmehr dafür, dass ihm Reichtum allein zu wenig war und er sich aus dem goldenen Käfig des Kalifen gewalt¬sam befreien musste, um seine politischen Ziele zu verwirklichen — und Macht aus¬zuüben. Für das Abendland wird er den¬noch immer der märchenhafte Kalif aus Tausendundeiner Nacht bleiben.

 





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