Wandern rund um Oberstdorf
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/p_vOD-AtiR8
Windböen peitschen über den See. Kleine Schaum¬kronen tanzen
auf dem aufgewühlten Wasser. Die Landschaft rund um den Schreck-see hat sich in
einer weißgrauen Wand aufgelöst. Donner grollen, als würde ein unsichtbares
Raubtier gereizt seinen Un¬willen kundtun. Im nach Westen offenen Bergkessel
des Schrecksees über dem Hin-tersteiner Tal entladen sich Unwetter mit voller
Wucht. Hugo Anwander, alteinge¬sessener Hintersteiner, hat es oft erlebt: »Da
kann man nur noch den Kopf einzie-
hen.« Vielleicht habe der Bergsee deshalb seinen Namen
erhalten, vermutet er und erzählt von einer alten Sage: Ein paar Burschen aus
Hindelang waren zum See hinaufgestiegen, um mit Hilfe eines an einem Seil
befestigten Steines seine Tiefe zu ergründen. Doch in den Fluten hauste ein
wilder Hengst, den der heidnische Rei¬ter Muotis, als das Christentum im Allgäu
Einzug hielt, in den Tiefen des Bergsees gebannt hatte. Sobald sich die jungen
Leute näherten, schlug er mit seinem feu¬rigen Schweif ins Wasser, dass es
zischte und dampfte und über das Ufer trat, An einem sonnigen Tag hat der
Berg-see hingegen wenig Schreckliches. Als blaugrünes Idyll schmiegt er sich
zwi-schen sanfte Wiesenhügel und steile Gras-hänge, die im Frühling bunt
gesprenkelt sind — eine typische Allgäuer Landschaft.
Schlafendes Allgäuer Nessie
Der Oberstdorfer Fischer staunte nicht schlecht, als er
seinen Fang aus dem See-alpsee zog. Mehr als einen Meter maß die
Regenbogenforelle und brachte 15 Kilo-gramm auf die Waage. »Der möchte man beim
Baden lieber nicht begegnen«, kommentiert ein Anglerkollege. Das Gewässer, mit
42 Metern der tiefste Allgäuer Bergsee, war bereits zu einer Zeit für seinen
Fisch¬reichtum bekannt, als nur in die Berge ging, wer hinauf musste. Im 19.
Jahrhun¬dert hieß er auch Sälblingsee, nach den Saiblingen, die bei den
Fischern besonders begehrt waren. Doch wer an den Fang kommen wollte, musste
eine steile Rinne nördlich des Sees bewältigen, die seitdem als Fischerrinne
bezeichnet wird.
Wanderer haben es heute einfacher: Auf bequemem Weg geht es
von der Sta¬tion der Oberstdorfer Nebelhornbahn
1 Wenig schrecklich:
der Schrecksee
und seine Insel
2 Der Rappensee: Bergpool für die gleichnamige Hütte
3 Nur für Mutige: ein Bad im schroffen Koblatsee
zum Zeigersattel hinüber. Kaum jemand, der nicht überrascht
ist, wenn er dort zum ersten Mal den blauen Spiegel des Seealpsees erblickt.
Wie auf einem Ser¬viertablett präsentiert er sich, bevor an seinem südlichen
Rand die Seewände 600 Meter ins Oytal abfallen. Dahinter ist die zackige
Gipfelsilhouette des Allgäuer Hauptkamms ein würdiger Rahmen für dieses Kunstwerk
der Natur. Und auch auf seinem Grund soll ein sagenhaftes Ungeheuer leben.
Glaubt man der Legen¬de, schlummert dort friedlich ein Drache. Doch eines Tages
wird das Allgäuer Nes-sie erwachen und die Felswände, die den See zum Oytal hin
abschließen, durch¬fressen. Dann versinkt Oberstdorf in sei¬nen Fluten.
Noch ist es nicht so weit und der See-alpsee ist ein stiller
Platz. Im Gegenlicht sprühen silbrige Funken über die Was¬serfläche, die
Bergkathedrale der Höfats gegenüber scheint zum Greifen nah und weckt
Bergträume.
Eis bis in den August
Es ist ein Bild, das Hans Triebenbacher nicht so schnell
vergessen wird. Fünf sei¬ner Kälber trieben mit verdutztem Blick auf einer
Eisscholle mitten im See. Sie hatten sich zu weit vor gewagt. Ein Stück der
Altschneedecke, die sich am Eissee oft bis in den August hinein hält, war
ge¬brochen. Der 1827 Meter hoch gelegene Eissee hat seinen Namen zu Recht.
»Viel mehr als zehn Grad hat er selten«, weiß Triebenbacher. Er wird von
Quellen ge-speist, die in Ufernähe eisig kalt aus dem Boden sprudeln. Der Hirte
verbrachte 17 Jahre lang jeden Sommer zwei Wo¬chen mit seinem Vieh am
Hochplateau im Talschluss des Oytals. Bei schlechtem Wetter, wenn der Nebel wie
ein feuchtes Tuch über der Hochfläche liegt, lernte er den Eissee als
unwirtlichen Platz kennen: windig, rau und einsam. Doch an schö-nen Tagen,
wollte er mit niemandem tau¬schen. Dann genoss er die morgendlichen
Nebelschleier über dem dunklen See oder das Farbenspiel des Sonnenuntergangs
auf der zerklüfteten Felsflucht des Wil¬den, dessen Spiegelbild auf der
Wasser¬fläche wie ein Aquarell verschwimmt.
Fast unwirklich leuchten die Seen-augen von Koblat- und
Laufbichelsee aus der kargen Karstlandschaft der Koblat- Wiesenhängen, die bis
ans Seeufer rei¬chen und türkisblauem Wasser, so klar, dass man daraus trinken
möchte.
Bergsee mit Fernsehauftritt
Bis in die 1960er-Jahre brachten die Hir-ten ihr Milchvieh
zu den Weiden am See. Die Milch füllten sie in Holzfässer und zogen sie auf
Schlitten über die Grashän-ge zur fast 500 Meter tiefer gelegenen Kä-seralpe
hinab, wo sie zu Käse verarbeitet wurde — ein Aufwand, der heute kaum mehr
vorstellbar ist.
Die Rappenseehütte hat ihren Pool fast vor der Haustüre. Nur
zehn Minuten entfernt befindet sich mit dem Großen Rappensee ein wahres
Seejuwel. Doch die meisten Wanderer haben anderes im Sinn. Sie visieren den
Heilbronner Höhenweg an, der ins Herz der Allgäuer des Bayerischen Rundfunks
unterwmg. Sie und ihr Mann Theo Waigel ließe m es sich nicht nehmen, im
Rappensee unidap, zutauchen — trotz Nieselregen und Ne¬bel. »Es war ein
saukalter Tag«, crimalmt sich Greiner. Das Wasser habe bestimm nicht mehr als
zwölf Grad gehabt. In dar Fernsehsendung erzählt die Skirennläu-ferin, sie habe
als Jugendliche im Rap-pensee gebadet. »Seitdem liebe ich ble Bergseen.« Eine
Leidenschaft, die bei Re¬gen und wolkenverhüllten Gipfeln nide jedermanns Sache
ist. Doch wenn cfe Sonne das Wasser zum Glitzern bre
_ - sind die Bergseen eine andere Welt wah¬re Wellnessoasen
in traumhafter Kulisse Für die Fußmassage sorgen die Kiesel az. Ufer, weiche
Graspolster dienen als N.I.-ckenstütze und eiskaltes Bergseewa.5..-prickelt
wohltuend auf der Haut.
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