Der Computer-Maschinen-Mensch
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/wI-PBjFNdjo
Bald wird es Maschinen
geben, die intelligenter sind
als wir. Sie beginnen bereits,
unsere Welt zu begreifen.
Sie erkennen Bilder. Sie inter-
pretieren komplexe Daten.
Sie sind sogar in der Lage,
selbstständig zu lernen, auch
aus eigenen Fehlern. Und ihre
FVON CHRISTIAN SCHWÄGERL [TEXT] UND MARKUS MÜLLER
[FOTOILLUSTRATIONEN]
I
EIN MENSCHEN¬BILD FÜR DIE • MASCHINEN
MÄRZ 2023, CHARITE, BERLIN. Die Frau ist nachts mit
brennenden Schmerzen in der Brust aufgewacht. Nun steht ihre Wartenummer auf
einem blau leuchtenden Armband, das ihr die Schwester in der Not¬aufnahme
umgelegt hat: 122. Doch schon eine Viertelstunde später leuchtet das mit
etlichen Sensoren bestückte Armband rot auf: Die automatische
Gesundheitssoftware hat einen drastischen Anstieg in der Herz-infarktgefahr für
die Frau erkannt - und ihre Nummer von 122 auf 1 verändert. Die Software greift
auch auf Daten der Decken¬kamera zurück, die minimale Veränderun¬gen im
Gesichtsausdruck der Patientin er¬kannt hat. Zwei Pfleger eilen mit einer Trage
zu ihr, eine Ärztin ruft: „Schnell, zu mir!"
Intelligente Maschinen zu bauen, die se-hen, verstehen,
selbstständig entscheiden, die so schlau sind wie Menschen oder gar schlauer -
davon träumen Wissenschaft¬ler schon lange. Aber bis vor wenigen Jah¬ren kamen
sie dem Ziel einer künstlichen Intelligenz kaum näher. Ja, 1997 siegte
der IBM-Supercomputer „Deep Blue" über den
Schachweltmeister Garri Kaspa-row. Doch mehr als Schachspielen ver¬mochte das
Ding nicht. 99,99 Prozent un¬serer Lebenswelt blieben ihm ein Rätsel.
„Deep Blue" wäre nicht in der Lage gewesen, die Möbel
im Saal zu beschrei-ben oder gar die Stimmungen der betei-ligten Menschen zu
benennen. Wäre Kas-parow mit einem Lachanfall vom Stuhl gefallen, der Rechner
hätte stumpf den nächsten Spielzug errechnet.
Die Welt ist kein Schachbrett. Unsere soziale Wirklichkeit
besteht aus einem Geflecht von Beziehungen, Gefühlen, Überraschungen,
Anblicken, Gerüchen. Intelligent zu sein bedeutet auch, aus die¬sem
Durcheinander Sinn zu gewinnen, um schnell handeln zu können. Und Hin¬tersinn,
etwa um Gefahren zu beurteilen.
Dazu werden Maschinen nie in der Lage sein, prophezeite 2003
Marvin Min-sky vom Massachusetts Institute of Tech-nology, einer der Pioniere
der künstlichen Intelligenz. Die Idee solch schlauer Ma¬schinen sei
„hirntot". Computer seien al¬lenfalls zu stupiden Tätigkeiten wie
auto¬matischen Flugbuchungen in der Lage: „Kein Rechner wird es schaffen, sich
in
einem Raum umzusehen und dann zu gen, was was sich dort
befindet."
Doch Minsky lag falsch. Was nic.7.-funktionierte, war der
alte Ansatz, Corniytern Wissen fest einzuprogrammieren. Ge¬rade als Minsky
kapitulierte, trat eine neue Generation von Forschern an: mit Methz-den, die es
Rechnern erlauben, aktiv n. lernen, sich des Gelernten zu erinne= und es in
neuen Situationen anzuwenden.. Jetzt werden die Früchte ihrer Arbeit re2_
IT-Konzerne wie Google und Micrz-soft stecken Milliarden in
das Gebiet. D Superrechner „Watson", Nachfolger „Deep Blue" bei IBM,
wird unter andere= darauf trainiert, Gespräche mit Ärzte zu führen und sie bei
der Diagnose vom Krankheiten zu unterstützen. Er soll ge¬zielt Fragen
formulieren und Antwortet verstehen. Er bezieht Krankenakten ei und lernt
ständig aus wissenschaftlichem Veröffentlichungen - auch aus denen. Je erst vor
einer Sekunde veröffentlicht
den. Er ist auch um 2 Uhr nachts une-müdlich und fragt nach
dem, was der As vielleicht unberücksichtigt lässt.
„Wir kommen in das Zeitalter echte kognitiver Systeme, die
nicht nur Schal.. oder Quizshows spielen", sagt Dirk Wirz.-
ortschritte sind
spektakulär. kopp, der Chef des deutschen IBM-Tech¬nologiezentrums, „sondern
die uns dabei helfen, mit der Komplexität der Welt umzugehen und Entscheidungen
schnell und objektiv zu treffen." Er hält die Mög¬lichkeiten künstlicher
Intelligenz für un¬begrenzt: „Sie lernt aus Erfahrung, kann sehen, hören und
riechen, sie behandelt jeden Menschen als Individuum. Sie ver¬steht, wie viel
ein Mensch versteht, wie Menschen miteinander kommunizieren, und sie lernt aus
jeder Interaktion."
Die Welt, zerlegt in Billiarden Daten-punkte und
zusammengesetzt gemäß der Softwarelogik - damit beginnt ein neues Kapitel in
der Technikgeschichte: das der denkenden und handelnden Maschinen, die über ein
Bild von uns Menschen und der Welt um uns herum verfügen.
DOCH WOHIN FÜHRT DAS? Werden die Maschinen bald klüger sein
als Men-schen? Mächtiger? Perfekter? Oder über¬mächtig - aber trotzdem
fehleranfällig? Wem werden sie dienen, wenn sie etwa, wie geplant, die
künstliche Beatmung von Schwerkranken kontrollieren oder Autos steuern: dem
Nutzer - oder seiner Versi-cherung? Dem IT-Konzern - oder der Ge¬sellschaft?
Oder verfolgt künstliche Intel¬ligenz ganz eigene Interessen?
Solche Fragen wischt Fei-Fei Li mit ausholender Handbewegung
beiseite. Zu viel Zukunftsspekulation ist der Direkto¬rin des
Stanford-Laboratoriums für künst¬liche Intelligenz, einer der weltweit ersten
Adressen des Gebiets, suspekt. Sie findet es anspruchsvoll genug, einem Rechner
beizubringen, einfache Objekte wie Gitar¬ren oder Schaufeln zu erkennen.
Als ihr Kollege Minsky das Feld für hirntot erklärte, war
die gebürtige Chine-sin noch nicht lange aus dem Hochland von Tibet zurück, wo
sie ein Jahr lang die Medizinpraktiken von Nomaden unter-
sucht hatte. In den USA begann sie, einen Knackpunkt
künstlicher Intelligenz zu lösen: Selbstständige Maschinen müssen zunächst
lernen zu sehen und zu verste¬hen, was um sie herum passiert. Hoch¬auflösende
Kameras allein reichen dazu nicht. Entscheidend ist der Schritt von Millionen
Pixeln zur Welt-Wahrnehmung.
Der Weg zu Fei-Fei Li führt im Gates-Gebäude der
Stanford-Universität vorbei an Studenten, die Greifarme programmie¬ren, an
Jungforschern, die Weltraumrobo¬ter entwerfen. Unter Lis Regie arbeiten 14
Ingenieure, Psychologen, Linguisten, Genetiker und Gehirnforscher daran,
Maschinen das Laufen, Wahrnehmen und Denken beizubringen.
Das Labor für künstliche Intelligenz gehört zum akademischen
Herz des Sili-con Valley, der Puls schlägt schnell. „Wir sind erst in fiinf
Minuten verabredet", sagt Fei-Fei Li knapp. Exakt fünf Minuten lang tippt
sie ihre E-Mails zu Ende, dann erst wendet sie sich ihrem Besucher zu: „Un¬ser
Ziel ist es, dass Computer erkennen können, was für eine Geschichte sich ge¬rade
auf einem beliebigen Bild abspielt."
Dafür hat Fei-Fei Li eine gigantische Sammlung aus mehr als
14 Millionen akri¬bisch kategorisierten Fotos angehäuft, ein Sammelsurium von
banalen Szenen: Ein Mann, der seine Gitarre stimmt; ein Bau¬arbeiter mit Schaufel;
ein Mädchen, das auf einem Trampolin springt. Für eine Maschine sind das nur
Unmengen farbi¬ger Punkte. Es sei denn, sie verfügt über einen von Fei-Fei Lis
Algorithmen.
„Wir trainieren unsere Systeme, Ob-jekte zu identifizieren,
Bilder in Kategori¬en einzuordnen und zu beschreiben", sagt Fei-Fei Li.
Die Ergebnisse sind beeindru¬ckend: „Mann in schwarzem T-Shirt spielt
Gitarre", spuckt der Rechner etwa aus. Oder: "Arbeiter in
orangefarbener Weste arbeitet auf der Straße." Stecken dahinter
nur tumbe Programme ¬hier Vorboten echten
Seit fünf Jahren S1 so gewaltig, dass selbs: 17 nen. Einmal
im Jahr eine Weltmeisterscha::: ---hen statt. Bei der „In-az-messen sich die
Proga_=e und Universitäten
präzise zu beschreiben. 77.e
bewerb, 2010, ordnete _
_lerTrfter
Viertel der Bilder in d'e -
ein. 2014 erreichte da±: Gaidgär
Net" eine Fehlerquote -.
Prozent - was etwa den: e-ametelliviiiiii Menschen beim
gleicher_ 7e7z- =eint
Es gibt handfeste Sir Irma
Fortschritt: Erstens is:
gestiegen, um mehr als
in einem Jahrzehnt. Zweitruss
KI-Forscher heute in elektraiildim De-
formationen über die Welt Die
Fotos, Videos und Texte. t
ins Netz laden, lehren lernt -
in welcher Welt sie sich bef_- f-77
Damit Computer diese
nen und interpretieren ic,f t
KI-Forscher einige grundleger lt
pien des Gehirns. „Deep Le
Lernen, heißt das wichtigste
ren. Es ist die Kunst, die \
mathematisch in immer feinere e
zu filetieren (siehe Kasten Seite 11S
Selbst die besten Programme
gen aber noch viel Blödsinn. Ur.:e7 Bild eines Mädchens, das
au: 21.27_ Trampolin einen Salto schlägt. schrie= eine sonst treffsichere
Software: ...Ein Cowgirl schwenkt die Fahnen der USA und Kanadas" - nur
weil die Farben der Kleidung und des Trampolins denen der Flaggen ähneln. Unter
dem Bild eines Flugdrachens, auf dem ein Gesicht auf-gedruckt ist, stand: „Ein
Mann, der auf einem Snowboard durch die Luft fliegt."
2014 präsentierten Forscher eine ganze Sammlung von Bildern,
mit denen sich selbst die schlauesten „neuralen" Al-gorithmen täuschen lassen.
Dennoch: Wie lange wird es dauern, bis Maschinen seltener
danebenliegen als Menschen? Bis sie, zumindest in man¬cherlei Hinsicht,
schlauer sind als wir? Es könnte schneller gehen, als wir das für möglich
halten, und die Folgen könnten übel sein, warnt Nick Bostrom von der
Universität Oxford (siehe Seite 126).
Fei-Fei Li gehen apokalyptische War¬nungen ebenso auf die
Nerven wie rosige Techno-Träume. Wenn die Leute wüss¬ten, wie schwer unser Job
ist, würden sie nicht so übertreiben, sagt sie. „Es gibt noch fundamentale
Probleme zu lösen, denn ein Objekt richtig zu identifizieren heißt noch nicht,
dass man seine Bedeu-tung im Kontext versteht."
Aus ihrer Sicht geht es nicht darum, dass Maschinen
menschliche Intelligenz erreichen, sie könnten auf andere Art in-telligent
sein: „Sowohl Vögel als auch Flugzeuge fliegen, aber auf ganz andere Art",
sagt sie. Selbst wenn Maschinen-In¬telligenz stark wächst, erwartet sie nichts
Böses: „Es wird kein brutaler Terminator-Roboter an die Türe klopfen, vielmehr
werden uns schrittweise viele nützliche Anwendungen zu Diensten sein."
Fei-Fei Li empfände es bereits als Triumph, in ihrer
Forscherlaufbahn einen intelligenten Helfer mit Kameraaugen und Sensoren für
Notaufnahmen zu ent¬wickeln, der die bedürftigsten Patienten zu identifizieren
hilft.
OKTOBER 2031, in einem Bürogeb. bei Gütersloh. „Hey, du
musst jetzt r. draußen gehen, abspannen, am besten au--z..±--Wiese dort drüben.
Genau. Tief ausatmen. Das Vorstellungsgesprächhart. Du Du wirst den Job nicht
bekommen, .zre-du hast dich gut geschlagen. Kennst du zze—sen Baum hier, ein
Tulpenbaum, schau, wer er blüht. Deinen nächsten Termin habe abgesagt, so mies
wie du dich gerade Willst du mit der Frau sprechen, die dort der Bank sitzt?
Ihr würdet gut zusammet-passen, ihr habt gemeinsame Bekannte. SriL ich nach
einem Film fiir euch suchen? Da-iir würde ich deine Chinesischstunde absage_`
WIE COMPUTER DIE WELT BEGREIFEN: MIT DEN TRICKS UNSERES
GEHIRNS
„Deep Learning" - so nennt sich das Verfahren, das der
Entwicklung von künstlicher Intelligenz neue Möglichkeiten eröffnet. Mit dieser
Methode gehen Computer bei der Wahrnehmung der Welt ähnlich vor wie unser
menschliches Gehirn bei der Verarbeitung von Sinnesein¬drücken.
Beispiel Bilderkennung: Bereits vor So Jahren entdeckten Neurowissenschaftler
bei Experimenten mit Affen, wie das Gehirn aus dem Licht, das durch die Pupille
auf die Netzhaut fällt, das gesehene Bild erschafft. Unser Bild von der Welt
entsteht als Abfolge zahlreicher, von der Netzhaut bis in unterschiedliche Hirnregionen
aufeinander aufbauender Verarbeitungs¬stufen. Bei jedem dieser Schritte
bereiten Nervenzellen die eintreffenden Signale auf besondere Weise auf und
leiten eine Zusammenfassung davon an die nächst¬höhere Ebene weiter. Schritt
für Schritt
reift so aus dem reinen physikalischen Reiz das gesehene
Bild heran.
Schon in dent98oer Jahren erkannten Informatiker, dass sich
dieses Prinzip der „neuralen Netze" auch nutzen lässt, um komplizierte
Phänomene rechnerisch zu beschreiben. Seit einigen Jahren werden verstärkt
Algorithmen entwickelt, mit denen Computer, ähnlich wie das Hirn, die
Wirklichkeit schrittweise analysieren können. Ein Foto zum Beispiel besteht im
ersten Schritt aus Pixeln, im zweiten aus Kanten und Kontrasten, im dritten aus
Objekten. Bis dann diese Teile und Ebenen im Kontext als ganzes Bild
verarbeitet werden, ihre Beziehung zueinander der Szene noch eine weitere
Dimension geben kann. Und damit Bedeutung.
Oder: Die Schallwellen der menschlichen Stimme werden zuerst
als Frequenzen verarbeitet, dann als Phoneme, dann als Silben, als Wörter, als
Wortkombinationen,
bis der ganze Satz errechnet ist. Weil n::: den Frequenzen
auch die Tonhöhen in Berechnung einbezogen werden, kann solches Programm sogar
die Stimme e Menschen von der anderer untersche ü Die rasant wachsende
Rechenkraft ermöglicht es Computern seit Neuestem Bilder, Sprache oder Texte
quasi in Ecl-
itzez in viele solcher Schichten zu zerlegen. Anfangs gelang
nur die Berechnung von zwei oder drei Schichten, heute sind es mehr als zehn.
Erleichtert wird das du: die ungeheure Menge an Vergleichsdaten die das
Internet zur Verfügung stellt. Vie,e Milliarden Fotos sind im Netz versamrnel-:
und Millionen von Videos. Damit wird es möglich, dass Programme immer
detail-liertere Parallelen und Unterschiede zwischen den Dingen erkennen - und
2E:2 diese Weise zum Beispiel lernen, Katzen von Hunden zu unterscheiden, was
no. bis vor wenigen Jahren als unmöglic Mehr Silicon Valley geht nicht: Im
Glas-turm dort residiert Microsoft, dahinter Amazon, das Hauptquartier von
Google liegt fast in Sichtweite. Mittendrin: einige Hundert Quadratmeter China.
Auf den Fluren der Firma Baidu wird Mandarin gesprochen, viele der
Programmierer, die zwischen Tischtennisplatten und Kickern an weißen Tischen
sitzen, sind Chinesen.
Andrew Ng (ausgesprochen „Eng"), ein sportlicher,
schlaksiger Typ, geboren in Großbritannien, die Eltern aus Hong-kong, hat 2011
„Google Brain" gegründet. Dort hat er die Technologien vorange¬bracht, mit
denen Rechner des IT-Gigan-ten heute Bilder und Sprache erkennen. Ein
Meilenstein war ein Algorithmus, der beim Durchsuchen von YouTube-Videos von
selbst entdeckte, dass es auf der Erde
Katzen gibt; niemand hatte der Maschine etwas von der
Existenz dieser Tiere ge¬sagt. Seither gilt Ng als Star der KI-Szene.
Im Mai 2014 sorgte er für Aufsehen, weil er als
Chefwissenschaftler zu Baidu wechselte, dem chinesischen Gegenstück zu Google.
Es verfügt über eine der meist-besuchten Internetseiten der Welt, hat Hunderte
Millionen Kunden. Andrew Ng soll künstliche Intelligenz in deren Leben bringen.
Und das, glaubt er, wird alles ver¬ändern: „Wir sind durch künstliche
Intel¬ligenz in einem Prozess, der die Welt so fundamental prägt, wie die
industrielle Revolution es getan hat. Nur schneller."
Gerade kommt er vom Mittagessen mit einem Hirnforscher,
jetzt redet er über sein Ziel, dass Mensch und Masch:ne fließend miteinander
kommunizieren. „In wenigen Jahren wird die Hälfte aller Suchanfragen über
Kamerabilder und ge¬sprochene Sprache ausgelöst werden", sagt er. Und
nahezu alle Dinge werden über Software verbunden sein: Kühl¬schränke, Autos,
3-D-Drucker und Milliar¬den Sensoren - viele davon an oder in un¬seren Körpern.
Das „Internet der Dinge".
Baidus neuesten Schritt in die flie-ßende Kommunikation von
Mensch und Maschine hat Ng im Dezember vorge¬stellt: „Deep Speech", eine
Spracherken-nungssoftware, die Gesagtes auch dann erkennt, wenn im Hintergrund
die U-Bahn rattert oder Kellner mit Geschirr klappern. An ioo 000 Stunden
Sprach¬aufzeichnungen hat ein Rechner gelernt, englische Sprache unter
schwierigsten Bedingungen zu identifizieren. Für einen Menschen wären das mehr
als elf Jahre des Zuhörens. Kleinkinder brauchen drei bis vier Jahre, um
Sprache zu verstehen. Dem Rechner reichten wenige Wochen.
Aus dem, was ein Mensch sagt und wie er es sagt, kann eine
intelligente Ma-schine Schlüsse ziehen: Wie ist die Stirn-
mung? Was braucht mein Besitzer? „Dann kann Werbung exakt
auf die Lebenslage eines Menschen zugeschnitten werden", sagt Ng. Ein
Mensch könnte morgens auf¬wachen, und als Erstes Werbung für ein Medikament
sehen - weil er schlecht geschlafen hat, aber an diesem Tag ein
Vorstellungsgespräch ansteht. Sein KI-Assistent hat ihm per autonomer Drohne
Kleidung besorgt, die zum Dresscode der Firma passt, und er hat Lebensmittel,
die müde machen, schon seit Tagen aus dem Kühlschrank verbannt. Das System
stellt be:_rr. Frühstück Fragen und bewer¬tet ±e
De: P re
dass der Perso:-.3_77.f: _
seinerseits zurr. -
ten Schwächen des Bewerbers eilige: e det bekommt. Es geht
um mehr: darum. digital nackt dazustehen gegenüber den KI-Systemen von
Konzernen, die ausge-feilte Psychogramme über uns anlegen und unsere Wünsche
manipulieren.
Schon heute behaupten Forscher, sie könnten anhand von 150
Facebook-Likes ein Psychogramm eines Menschen erstel¬len, inklusive sexueller
Orientierung. Kombiniert mit Ortsdaten aus Handys und Überwachungskameras, mit
digitalen Spuren von Einkäufen und sozialen Ver¬bindungen entsteht ein
hochaufgelöstes Abbild ganzer Gesellschaften.
Über den Datennetzen thronen Ge-heimdienste, denen künftig
restlos nichts mehr verborgen bleiben wird, weil überall „smarte Sensoren"
eingebettet sind und auch das noch entschlüsseln, was weit entfernt vom
Mikrofon gesprochen wird.
Ng antwortet auf Bedenken dieser Art Als Unternehmen sind
wir abhängig da-von, dass unsere Kunden unsere Produkte mögen und ihre
Privatsphäre respektiert wissen, denn sonst sind sie mit ein paar
Fingerbewegungen bei der Konkurrenz."
Ein Risiko bereitet Andrew Ng aller-dings wirklich Sorgen:
Massenarbeitslo-sigkeit. Früher wurden Feldarbeiter durch Traktoren ersetzt,
dann Fließbandarbei¬ter durch Roboter. Jetzt trifft es ganz neue Schichten -
mit großem Tempo.
Beispiel Übersetzer: Die Kommunika¬tionsform Skype bietet
bereits Echtzeit-Übersetzungen an, die aus dem „Hallo" eines Deutschen in
Sekundenbruchteilen ein „Hello" für einen Amerikaner ma¬chen, und
umgekehrt. Dazwischen steckt ein gigantisches System, das bei jedem Gespräch
dazulernt. Extrem praktisch, aber stirbt der Übersetzerberuf bald aus?
Beispiel Lagerarbeiter: In den Hallen von Amazon
orchestrieren Algorithmen das Heer von Robotern, das Waren aus Regalen holt und
an Menschen zum Ein¬packen übergibt. Immerhin das machen Menschen mit ihrem
Fingerspitzengefühl noch besser und billiger.
Die Unternehmensberatung A.T. Kearney erwartet, dass allein
in Deutsch¬land neun Millionen Jobs verschwinden, wenn intelligente Maschinen
sich ausbrei¬ten. Betroffen wären Lastwagenfahrer, de¬ren Trucks künftig
automatisch ans Ziel fahren, Fach- und Agrararbeiter - aber auch Journalisten
und Rechtsanwälte. Schon heute werden Artikel über Finanz¬daten oder Erdbeben
automatisch ver¬fasst. Software ist in Entwicklung, um in Anwaltskanzleien
Anfragen zur Rechts-lage zu analysieren und zu beantworten.
Den neun Millionen Verlierern, so A.T. Kearney, stehen nur
rund 1,5 Millio¬nen Jobs gegenüber, die in der KI- und Ro-boterindustrie neu
entstehen. In den USA geht die Angst um, dass künstliche Intel-
ligenz die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft. Hier die
Herren der Algorithmen, deren Milliarden sich an der Wall Street durch KI
automatisch vermehren. Dort das Heer der Ersetzbaren und Ersetzten.
Zukunftsfest sind neben Berufen, in denen Menschen
Computersysteme ent-wickeln und steuern, vor allem „weiche" Tätigkeiten,
die Einfühlsamkeit, Humor und soziale Kompetenzen verlangen. The¬rapeuten,
Ärzte, Musiker gehören dazu. Mitarbeiter in Hotels. Oder Clowns.
Andrew Ng ist überzeugt, dass künst¬liche Intelligenz neue
Berufe hervorbrin¬gen wird, so wie die industrielle Revolu¬tion das getan hat:
„Früher waren die meisten Menschen Bauern, heute haben die meisten andere, neue
Berufe. Genau¬so wird das bei der KI-Revolution sein."
II . 1- WIRKUNG
MAI 2034, BUNDESTAG. Sehr geehrte Abgeordnete, wie jedes
Jahr möchte ich Be¬richt über unseren Weg in die KI-Gesellschaft ablegen. Ja,
viele sehen den Prozess kritisch. Als Kanzlerin teile ich die Ansicht, dass wir
genau hinsehen müssen. Aber: Die Krimina¬lität ist um 8o Prozent gesunken, seit
uns künstliche Intelligenz Verbrecher aufspüren lässt, bevor sie ihre Tat
begehen. Unsere Stra§en sind sicherer geworden, weil Menschen auf autonome
Autos umsteigen. Wir können uns besser auf Stürme und Fluten vorberei¬ten, seit
die Vorhersagen über Monate fehler¬frei sind. Der Preis ist das, was früher
Pri¬vatsphäre hieß. Aber ich glaube, es lohnt sich.
Wozu gibt es Google? Der Technikexperte Kevin Kelly wollte
das ganz am Anfang, als die Firma noch nicht das große Geld verdiente, auf
einer Party direkt von Larry
Page erfahren. Die kühle Antwort des Google-Mitgründers
klingt denen, die da¬mals dabei waren, bis heute in den Ohres „Oh, we're really
making an AI." - „Weign du, in Wahrheit entwickeln wir künstliche
Intelligenz."
Die Milliarden täglicher Suchanfra-gen von Nutzern haben
einen tieferen Zweck: Sie lassen die Software lernen -nicht nur
Offensichtliches, wo gerade be¬sonders viele Menschen nach Grippe goc-geln oder
welcher Star im Kommen
Ne in: Jede Anfrage hilft dem System, se_ Welt- und
Menschenbild aufzubauen.
„Google nutzt seine KI nicht, = Suchanfragen besser zu
beantwor_ Sondern es nutzt die Suchanfragen. —7 seine KI zu verbessen",
sagt Kevin Ke heute. Das ist Teil eines größeren Pia:-In kürzester Zeit hat
Google elf Firn- e -
aufgekauft, die an Robotern und :_-
cher Intelligenz arbeiten. Und gerade 7 - der Konzern einen
Militärflughafen 7 ten im Silicon Valley für 6o Jahre vor. .± -US-Regierung
gepachtet - um dort u7: f -anderem intelligente Maschinen das 1-7_ 2.7 deln im
freien Gelände üben zu lassen
Der wichtigste Kauf fand im Ja:.
statt. Für so o Millionen Dollar e --nahm Google DeepMind,
ein britisz:... Start-up, auf dessen Webseite kaum r.-.e als das Firmenmotto
steht: „Solve Inie - gence". Wir lösen das Problem der In:e -ligenz.
Gemeint ist: ein für alle Mal.l'Or_z einer universellen Lernmaschine, die a_
denkbaren Facetten der KI in sich vere 7 -
„Damit das Lernen von allein schiebt, statten statten wir
unsere Algorithmen mit internen Belohnungssignalen aus'. sagt DeepMind-Forscher
Alex Graves. Die Rechner laben sich am Lernen „wie Kinder, die etwas Süßes
finden, es essen und sich wohlfühlen". Zucker braucht es dafür nicht, die
„Belohnung" besteht aus Code. Jede Entscheidung, die sich als rich-tig
erweist, gibt ein positives Feedback ans System. Der Rechner „spürt" das
(noch) nicht, aber er ist darauf program-miert, die Belohnungen zu maximieren.
Derzeit lassen die 5o Mitarbeiter bei DeepMind ihre
Lernprogramme in Videospielwelten trainieren. Der nächste Schritt, so Graves,
wird es sein, das in die echte Welt zu übertragen - mit einem Roboter mit
Muskelkraft etwa, der selbst über seine Aktionen entscheidet. Spätes¬tens wenn
es so weit ist, dass solche Robo¬ter frei herumlaufen, sieht Graves große
Fragen auf uns zukommen. Sollen Ma¬schinen auf Dauer Sklaven bleiben?
„Viel¬leicht braucht es für wahre Intelligenz die Fähigkeit, Nein zu sagen.
Etwas anderes zu tun, als der Programmierer will?"
OB ES GOOGLE SEIN WIRD oder eine andere Firma, die als Erste
eine umfas¬sende künstliche Intelligenz entwickelt, ist zweitrangig. Wirklich
revolutionär ist, dass in Zukunft Privatfirmen unser Leben mit Sensoren
durchdringen und ihre Algo¬rithmen die entstehenden Daten mitein¬ander
verknüpfen können.
Der Wandel verläuft schleichend. An vielen, scheinbar
unverdächtigen Stellen
werden wir bereits ausgerechnet, bewer-tet: An Staatsgrenzen
berechnen Algorith¬men, wer besonders genau kontrolliert werden sollte.
Onlineshops schlagen uns Produkte vor, je nachdem, wo wir vorher gesucht haben.
Was oft bedeutet: Wer viel auf Luxusseiten surft, dem werden auto¬matisch
teurere Angebote unterbreitet.
Die Energiewende, mehrheitlich be-fürwortet, wird nur
gelingen, wenn alle Solarpaneele und Windräder, aber auch alle Waschmaschinen
und Wasserkocher verbunden werden im smart grid, dem intelligenten Stromnetz.
Sensoren, die im Haushalt den Energieverbrauch messen, registrieren zugleich,
wann wer wo eine Maschine bedient, wann jemand zu Hau¬se ist, ob allein, zu
zweit, zu mehreren. und in welchem Raum sich Menschen aufhalten. KI-Systeme
können dann viel¬leicht aus Energieverbrauchsmustern er¬rechnen, wie glücklich
eine Beziehung ist.
Den KI-Systemen spielt ein Umstand in die Hände, über den
wir nur selten sprechen. Wir Menschen beschreiben uns als „frei", als
würden wir in jedem Mo¬ment die Wahl haben, was wir als Nächs¬tes tun. Das
schmeichelt uns, aber so ist es nicht. Wir sind von Maschinen so leicht
ausrechenbar, weil wir so erwartbare Le-ben führen: Wo wir
schlafen, unsere Wege zu Schule und Arbeit, die Orte, an denen wir Freunde
treffen - vieles ist täglich gleich. Das liefert KI den Stoff, unser Ver¬halten
vorherzusagen. Sie ist meisterhaft darin, Regelmäßigkeiten zu entdecken. Um
dann Abweichungen zu registrieren.
Die positive Lesart: KI hilft uns künf¬tig mit zahllosen Services
im Alltag. Sie macht uns Menschen schlauer, weil das gesamte Weltwissen für uns
allgegenwär¬tig wird. Die Wirtschaft wird effizienter, die Forschung
beschleunigt.
Aber in einer vorausberechneten Ge¬sellschaft hat ungekannte
Macht. wer möglichst v:iele Datencizeler.
und in seine Rer;-rnd-r-_eu-leperice. kkezte:
und Drohnen ebispeis Dte
neue Dimensionen sariaier
Aber die Spielregeln einer7Geselec,''-'.. mit maschineller
Intelligenz s'zid. ungeklärt. Technikexperte Kevin KeU sieht eine
„KI-Oligarchie" am Entstehen, eine Herrschaft der IT-Giganten. Und er
findet das ebenso unausweichlich wie umfassende, persönliche Transparenz.
Regierungen könnten dagegenhalten und strenge Gesetze
erlassen, um unge-
hemmte Durchleuchtung zu verbieten. Menschen könnten versuchen,
die Algo-rithmen auszutricksen oder für sie un-sichtbar zu werden.
Wahrscheinlich ist aber, dass KI den Weg aller Technik geht: Zuerst erscheint
sie wie Zauberei, dann wird sie normal, schließlich unsichtbar wie Luft, weil
sie so selbstverständlich ist.
Die Frage, wohin die schnellen Fort-schritte führen,
beunruhigt inzwischen selbst KI-Protagonisten. Im Januar 2015 veröffentlichte
das Bostoner Future of Life Institute einen „offenen Brief" mit dringenden
offenen Fragen. Dazu zählt, wer eigentlich haftet, wenn Maschinen mit
künstlicher Intelligenz Fehler bege¬hen und etwa einen Autounfall verursa¬chen.
Ihre Hersteller, ihre Eigentümer, die Nutzer? Auch die Frage nach einem
mög¬lichen militärischen Einsatz und dem Da-tenschutz wird als Top-Priorität genannt.
Zu den Unterzeichnern zählen auffallend viele Mitarbeiter von Google - und die
Gründer von DeepMind selbst.
DEZEMBER 2049, GENE Der Tag der Entscheidung beginnt mit
einer Prozession. In Kolonne fahren die Limousinen der Staatschefs zum
Schweizer Forschungszen¬trum für künstliche Intelligenz. Die ganze
UN-Vollversammlung will den schwarzen Kasten sehen, der im Sicherheitstrakt des
Ge¬bäudes steht. Er ist nicht größer als ein Kühl¬schrank. Als alle da sind,
sagt der Instituts¬chef er wolle auf große Worte verzichten, jeder wisse ja, um
was es gehe: „Sollen wir unser Werk mit dem Internet verbinden?"
Das Bistro „piper" liegt in einem Gewer-begebiet bei
Lugano, zwischen dem Ran¬gierbahnhof und einer Tankstelle. Die Spielautomaten
bimmeln. Der Wirt ser¬viert einem Mann mit Dreitagebart und schwarzem Barett
auf dem Kopf Tortel¬lini. Der Gast sieht aus wie ein französi-
scher Künstler, der sich im Jahrhunder geirrt hat. Er wirft
einen Blick in eir_e Boulevardzeitung, schaut hinaus in der_ Regen. Die analoge
Trostlosigkeit des Ge¬werbegebiets interessiert ihn nicht. Er
in Gedanken woanders. Bei der Frage. c das Wissen aller
Menschen in einen
gen Liter rechnender Materie passt.
Der Mann heißt Jürgen Schmidln.:1:-e oder: „You_again
Shmidhoobuh", wie er sich bei Vorträgen in Amerika vorsteh Sein Name fällt
immer, wenn man mit Ex¬perten über künstliche Intelligenz spriz_*_-: Viele
Algorithmen, mit denen Face'Dzce, und Google ihre Rechner schlauer mi-chen, stammen
aus Schmidhubers 1(017:
Smalltalk ist seine Sache nicht. Tie.rT-stapeln auch nicht.
Schon fünf Minuzer nach dem Kennenlernen rechnet er hocr. um welchen Faktor
sich die Leistung eines Menschenhirns übertreffen lässt.
„Unsere Zivilisation strebt uriw_E.-sentlich seit jeher
darauf zu, eine kiirs-che Intelligenz zu bauen", sagt er. _74-ir
können in unserer Lebenszeit noch erwar¬ten, dass es relativ
kleine Maschinen ge¬ben wird, die so viel rechnen können wie alle Menschenhirne
der Welt zusammen."
Schmidhubers Weltbild, das ist schon beim Espresso klar, ist
durch und durch mathematisch. Er nennt Gott den „Gro¬ßen Programmierer"
und glaubt, dass restlos alles im Kosmos in Software be¬schreibbar ist. Hier
sieht er die eigentliche Rolle der KI: eine möglichst kurze, exakte
Beschreibung aller jemals gemachten Beobachtungen zu schaffen. Die Welt¬formel.
Maschinen werden auf dem Weg dorthin zu Wissenschaftlern und Künst¬lern,
untersuchen Gewebeproben auf Krebszellen, suchen in den Tiefen des Alls nach
Leben und unbekannten Naturge¬setzen, eröffnen neue Musikdimensio¬nen. Alles
nur als Fingerübungen quasi.
Vom Bistro sind es nur ein paar Schritte zu einer
rosafarbenen Halle. Durch neonhelle Flure geht es in die Räu¬me des
Dalle-Molle-Forschungsinstituts für künstliche Intelligenz, an dem Schmid-huber
als Kodirektor arbeitet. Es ist hier normal, dass Roboter an Regalen
hoch¬klettern und Drohnen den Korridor ent-langfliegen. In einem der Räume
sitzt ein Roboter mit Babygesicht vor einem Schachbrett. Es geht nicht ums
Spielen -er soll die Figuren mit menschengleichem Fingerspitzengefühl greifen
lernen.
Schmidhuber, 1963 geboren, hat als Jugendlicher in der
Münchner Stadtbü-cherei alles über Physik verschlungen. Irgenwann fiel ihm auf,
dass es ein bes-seres Ziel gebe, als Physiker zu sein: „Ei-nen künstlichen
Physiker zu bauen, der schlauer ist, als man es selbst je sein könnte. Und der
sich immer weiter ver-bessert, ohne Limit."
Während sich Kollegen wie Fei-Fei Li in Bescheidenheit üben
und ständig be¬tonen, wie wenig ihre Systeme noch kön-
nen, spricht Schmidhuber ganz selbstver¬ständlich über die
nahende Zeit einer allumfassenden künstlichen Intelligenz.
Es kümmert ihn wenig, dass sich die Warnungen vor den Folgen
einer solchen Entwicklung häufen. So unterschiedliche Charaktere wie der
Astrophysiker Stephen Hawking und der Milliardär Elon Musk mahnen, dass eine
sich selbst optimieren¬de Maschinenintelligenz sich gegen ihre Schöpfer wenden
könnte. Hawking glaubt ohnehin, dass die Menschheit ins All aus¬wandern muss,
um zu überleben.
„Eigentlich ist seit den 198oer Jahren kein wesentliches
Argument dazugekom¬men", sagt Schmidhuber. Er stellt den Warnern ein
„optimistisches Szenario" entgegen. „Wir werden ablehnenswerte Anwendungen
von künstlicher Intelligenz sehen, auch militärische", sagt er, „aber die
lebensverbessernden Anwendungen werden überwiegen." Wie immer schon in der
Technologiegeschichte: „Mit Elektri¬zität kann man zwar elektrische Stühle
bauen, aber vor allem Städte erleuchten."
Sobald aber die Maschinen-Intelli-genz der menschlichen
überlegen ist, er-wartet Schmidhuber etwas Neues: Smar¬te Systeme, glaubt er,
werden dann das Interesse an uns Menschen verlieren. „Wenn sie eine
Entwicklung, die bei uns Menschen von der Geburt bis zum Er¬wachsenwerden zo Jahre
dauert, in zo Millisekunden vollziehen - was sollten wir ihnen dann noch geben
können?"
Der Forscher sitzt im schwachen Winterlicht in einem Raum
voller Robo-ter. Die Grenzen von Wissenschaft und Science-Fiction verfließen in
dieser Däm¬merstunde. Angst, das ist seine Botschaft, brauchten wir nicht zu
haben. Wir seien wohl später einmal für Maschinen, was für uns heute die
Ameisen am Amazonas seien. Die lassen wir doch auch leben. So¬lange sie nicht
in unsere Häuser krabbeln.
Wie beruhigend.
Auch einen Fluchtweg ins All brauch¬ten wir nicht.
Schmidhuber zufolge werden die Maschinen die Erde vor uns verlassen. Im
Asteroidengürtel gebe es Unmengen an Rohstoffen für selbstrepli¬zierende
KI-Fabriken. Dort könnten die Maschinen „unglaublich kreativ" sein, während
die Menschen auf der Erde blie¬ben, in ihrer „Atmosphäre voller giftigem
Sauerstoff, der Roboter bloß rosten lässt."
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