Lebensmittel aus dem Drucker – Science Fiction beim Essen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/tj0G5uB5Ozk
schwebt die Spritzdüse des
„Bocusini" über die schwar-
Schieferplatte. In
schwungvollen Bögen malt sie ein J und ein 0 auf die Platte.
Schicht für Schicht. Aus Kartoffelbrei. So wachsen in weni-gen Minuten die
Initialen des Autors in die Höhe, die er kurz zuvor auf einem Computer-Tablet
gezeichnet hat. Doch es geht noch spektakulärer: Als Nächstes druckt der
Food-Printer einen Oktopus aus Kartoffelbrei. Mit sieben Tentakeln,
daumengroßem Kopf und zwei Glupsch-augen. „Hier, probieren Sie mal", sagt
Melanie Senger, Ernährungswissen¬schaftlerin der Fachhochschule Weihen-stephan
in Freising bei München, und reicht den Löffel.
Die Zukunft des Essens schmeckt we¬der künstlich noch nach
Tintenpatrone. Schlicht nach purem Kartoffelbrei. Le¬cker. 'Wahlweise druckt
der „Bocusini" ebenfalls Marzipan in barocker Orna¬ment-Optik. Dazü
reichen Senger und ihre Kollegin Anna Knäulein eine Kugel Vanilleeis. Noch ist
der „Bocusini" ein Prototyp auf Basis eines regulären 3D-Druckers.
Anstelle eines Spritzkop¬fes für zum Beispiel flüssigen Kunststoff hat dieser
einen auswechselbaren Behäl¬ter mit Marzipan oder Kartoffelbrei. Doch schon im
Dezember dieses Jahres sollen die ersten von 7o geplanten Gerä¬ten an die
Kunden ausgeliefert werden. Möglich macht es die Crowdfunding-Online-Plattform
Kickstarter, die 40 000 Euro auf -das Konto des Start-ups spülte. Erhofft hatte
sich das Team ursprünglich nur 3o 000 Euro. „Es ist enorm, wie viele Anfragen
wir schon aus der Gastronomie und Lebensmittelpro-duktion haben."
Mittlerweile hat sich das Projekt als Spin-off mit dem Namen
„Print2taste" aus der Fachhochschule ausgegründet. Es ist eines der
Ergebnisse des dreijährigen Pilotprojektes „Performance", das diesen
Oktober zu Ende geht, und eines der we¬nigen deutschen Unternehmen, die auf dem
vielversprechenden Food-Printing-Markt mitmischen. Die Europäische Uni¬on hat
das Projekt gefördert, um neue Ver¬fahren für die personalisierte Ernährung zu
erforschen.
3D-Drucker können nicht nur Speisen ausdrucken, sondern
diese den Wünschen des Nutzers anpassen. Damit erlauben sie
Restaurantbesitzern, Konditoren und Le-bensmittelproduzenten völlig neue
Mög¬lichkeiten der Speisenzubereitung. Gäste des Restaurants „elBuffi" von
Ferran Adriä in Spanien, dem Erfinder der Molekular-küche, konnten bereits
Desserts probie¬ren, die mit dreidimensionalen Zuckerge¬bilden aus dem 3D-Drucker
gekrönt wa¬ren. Konditoren werden schon bald den Geburtstagskuchen für den
Vater mit der Handschrift der kleinen Tochter bedru¬cken. Der italienische
Nudelproduzent Ba-nlla präsentierte auf der diesjährigen E90 in Mailand, welch
besonders kunst-.r.:Z. verdrehte Nudeln der 3D-Food-Prin--.2.7 Inszudrucken
vermag. Und die Nasa .7-..r-2-cht am 3D-Food-Printer für hungrige -29crauten.
Kostenpunkt eines Geräts: 't' xes-.. Euro.
LeDensmiiiei aus
dem Drucker sind
eine Revolution -
zu Hause, aber
auch in Restaurants
oder Altersheimen.
Von Jörg Oberwittler
Hat Vorteile auch für pflegebedürftige Menschen: Labyrinth
aus Leberpastete.
In Las Vegas stellten zwei Amerikanier auf der
Elektronikmesse CES vergange¬nes Jahr erstmals Bonbons aus dem Dru¬cker vor.
Der „Cheflet 3D" druckt Bon¬bons, Schokolade oder Zucker in angeb¬lich
jeder beliebigen Form, zum Beispiel in bunten, filigranen Würfeln oder Ku¬geln.
Als Zutaten dienen ihm lediglich Trockenpulver und Wasser. Ein klein we¬nig
Wartezeit mussten die Süßigkeiten-Liebhaber indes auf der Messe mitbrin¬gen:
Eine Stunde dauerte es, bis eines der 2,5 Zentimeter hohen Gebilde ausge¬druckt
war. Katjes schließlich will kom¬mende Woche den weltweit ersten 3D-Drucker für
essbaren Fruchtgummi präsentieren; die Leckerlis aus der "Ma-gic Candy
Factory" seien „individualisier-bar, lecker, bunt und auch noch
vegan".
In Deutschland gibt es noch keine Re¬staurants öder Caf6s,
die ihren Gästen eine solch kuriose Köstlichkeit anbieten. Und aus Spanien
sollte eigentlich längst der „Foodini" des Start-ups „Natural
Ma-chines" kommen. Er vermag angeblich so¬gar ganze Burger, Kekse und
Kuchen zu drucken. Ursprünglich sollte der Foodini bereits im Sommer 2014 auf
den Markt kommen - jetzt kündigt Mitgründerin Lynette Kucsma „Ende 2015, erstes
Quar¬tal 2016" auf Nachfrage als neuen Termin an. Als Gründe nennt sie
Schwierigkei¬ten, die Software mit einer ansprechen¬den Hardware zu vereinen.
Will heißen.: Das Gerät soll nicht nur qualitativ gut drucken, sondern auch
noch ein schönes Design haben. Als Endpreis strebt „Natu-ral Machines"
1370 Euro an - das dürft, Hobbyköche eher abschrecken.
Damit liege man allerdings im unteren Preissegment bei
3D-Druckern, entgeg¬net Kucsma. „Eine Vielzahl elektroni¬scher Geräte ist erst
im Laufe der Zeit bil¬liger geworden, weil sich die Technologi, und
Herstellungsbedingungen verbesser haben. Wir gehen davon aus, dass dit
Bei flachen Speisen, wie zum Beispiel Pfannkuchen, Pizza
oder Flammkuchen, ist die Food-Printing-Branche bereits wei¬ter. Gleich mehrere
Geräte servieren den Pfannkuchen in allen erdenklichen For¬men. Mal als Stern,
mal als Eiffelturm.
.sprechende Pionier-Geräte kommen aus Amerika
(„PancakeBot") oder China (-PeterPancake"), erfunden von Vätern, die
ihren Kindern etwas Besonderes auf den Frühstückstisch stellen wollten. In den
Niederlanden nutzt die Fertig¬lebensmittelindustrie die Technik bereits für die
Fließbandproduktion. Mit nur we¬nigen Klicks am Computer können Ma-schinen
runde statt eckige Pfannkuchen produzieren - ohne dass das Fließband ex¬tra
angehalten werden muss, um Gussfor¬men und Endstücke auszutauschen.
Was nach Zukunft klingt, hat also längst in die
Lebensmittelproduktion Ein¬zug gehalten. Wer die Science-Fic-tion-Serie
„Raumschiff Enterprise" kennt, wird sich an den „Replikator" erin¬nern,
der scheinbar aus dem Nichts Cap-tain Jean-Luc Picard auf mündlichen Be¬fehl
hin seinen „Tee Earl Grey schwarz" oder wahlweise einen Snack dazu
servier¬te. Dass das heute gar nicht mehr so un¬realistisch ist, zeigt das
Projekt „Iron Man" des Lebensmittelkonzerns Nestle. Ein Team aus i5o
Wissenschaftlern forscht in Lausanne an einer 3D-Food-Technik, die das Essen
individualisieren soll. Ein Sprecher von Nestle möchte kei¬ne weiteren
Informationen geben.
Überhaupt geben sich Lebensmittel-produzenten sehr bedeckt,
wenn es um den 3D-Drucker als Koch geht. Essen aus dem Drucker - das hat immer
noch den Beigeschmack von Künstlichkeit und Un¬natürlichkeit. Ein paar
Informationen zu „Iron Man" sind indes bereits durchgesi¬ckert: Auf Basis
seines Geräts Nespresso könnte Nestle die Inhaltsstoffe einer Mahlzeit zur
Verfügung stellen, die der Drucker dann je nach Geschmack aus¬druckt und ganz
nebenbei Mangelerschei-nungen oder sogar Krankheiten wie Dia¬betes oder
Fettleibigkeit vorbeugt. Mela¬nie Senger von Printztaste träumt sogar vom
3D-Food-Printer, der auf Basis eines Bluttropfens den Bedarf des Nutzers
ana¬lysieren kann und bei einem Eisen- oder Vitaminmangel entsprechend mehr
Brok-oli oder Zitrone auf den Teller druckt.
der Zutaten aufgrund von Allergien au-omatisch wegläSst.
Der Drucker als Mahlzeit-Zensor ¬so manchen Genussmenschen
ist das er ein Horrorszenario. Dabei hat die echnologie durchaus Vorteile, vor
allem ältere und pflegebedürftige Men-hen. In Bremerhaven arbeitet die Firma
iozoon" zusammen mit der Fachhoch-ule Weihenstephan am Essen aus dem
-Drucker für Alten- und Pflegeheime. reits jetzt beliefert Biozoon Kantinen t
seinem „smooth food" - mit Hilfe Silikonformen geformtem Essen. Was für
den Laien auf den ersten Blick :en seiner künstlich gerundeten For-wie
Spielzeug-Essen anmutet, hat :n großen Pluspunkt: Es gibt den tzungsweise fünf
Millionen Men-.n mit Kau- und Schluckbeschwerden
qualität zurück. „Diese Menschen brau-chen pürierte Kost.
Was heute in Alten-heimen serviert wird, entspricht aller-dings oft nicht einer
altersgerechten Er-nährung. Oft wird das Essen zur Seite ge¬nommen, püriert und
dann gibt es drei Kleckse", berichtet Geschäftsführer Mat¬thias Kück.
„Dadurch verlieren diese Menschen die Lust am Essen."
Das Essen aus dem 3D-Drucker könn¬te durch den 3D-Druck
hingegen wieder die Form einer Kartoffel bekommen. So¬gar feine
Mikrostrukturen, die sich mit der Zunge unterschiedlich anfühlen, wer¬den
möglich sein. „Ältere Menschen schmecken zudem schlechter. Durch eine
intelligente Drucktechnik kriegen wir hin, dass das Essen wieder salziger
schmeckt, obwohl es gar nicht salziger ist - indem wir mehr Salz in den Rand
dru¬cken, der als Erstes die Zunge berührt."
Doch Lebensmittel sind keine Dru-ckerfarbe. Sie verhalten
sich unterschied¬lich. Marzipan fließt anders als Kartoffel¬brei. Sogar Erbsen
sind nicht gleich Erb¬sen. Je nachdem, ob sie aus Italien, Spa¬nien oder
Deutschland stammen, variiert ihr Stärkegehalt, was sich auf das
Druck¬verhalten auswirkt. Das erschwert das Projekt, einen alltagstauglichen
3D-Dru¬cker für Kantinen und Küchen auf den Markt zu bringen. „Das Problem ist
die tägliche Reproduzierbarkeit. Die Technik muss aber für alle Lebensmittel
gehen. Da arbeiten wir gerade dran", sagt Kück.
Noch ist die Branche der 3D-Food-Technik überschaubar. Die
Belgier und Niederländer sind bereits etwas weiter als ihr großes Nachbarland.
Im Mai dieses Jahres kamen die Vertreter im nieder¬ländischen Venlo zur ersten
„3D Footprin-ting"-Konferenz zusammen. So mancher der i6o Teilnehmer wagte
auf der Konfe¬renz bereits die Prognose, dass schon in zwei Jahren die ersten
3D-Food-Printer flächendeckend in Haushalten stehen könnten. Auch in
Deutschland. Damit hätten sie das Potential, eine ähnliche Ver¬breitung wie die
Mikrowelle zu finden.
Doch Kritiker haben daran noch Zwei¬fel. Für einen
Single-Haushalt oder eine kleine Familie wird sich ein vierstelliger
Anschaffungspreis nicht lohnen. für Ca-fes oder Restaurants könnte die
Anschaf¬fung schon attraktiver sein. Noch sind die Geräte auch nicht die
schnellsten. Da könnten die Kinder längst über alle Berge sein, wenn der
Drucker sein Werk voll¬bracht hat.
Keineswegs aber werden die Mahlzei-ten künstlich schmecken.
Das bewies kürzlich anschaulich die Forschungsar-beit der Absolventin Chlod
Rutzerveld von der Technischen Universität Eindho-ven aus den Niederlanden. Die
Food-De-signerin präsentierte quasi lebendiges Es¬sen aus dem 3D-Drucker. Das
Gerät druckte eine essbare Pastete in Form ei¬nes kleinen Korbgeflechts. Der
Clou: Die Pastete beherbergte Sporen und Sa¬men, aus denen in den folgenden
drei bis fünf Tagen Pilze und Brunnenkresse wachsen. So braucht es noch nicht
mal mehr ein extra Gewächshaus, in dem die Pflanzen wachsen. Eine Speise, die
wahr¬lich jedes Dinner im Restaur t oder bei Freunden krönen dürfte.
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