Karl der Grosse 748-814
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/FccFSFeM_e8
Der Vater Europas
Karl der Große 748-814
Die Grube hinter dem Hauptaltar der Kirche St. Germain be
Paris war schon ausgehoben, damit der ehemalige Pariser Bi schof, der heilige
Germanus, hier endlich seine letzte Ruhe stätte finden konnte. Doch bevor die
feierliche Umbettun; stattfand, ließ es sich der herumtollende siebenjährig,
Karl nicht nehmen, das künftige Grab des Heilige] persönlich in Augenschein zu
nehmen - und spran; hinein. Der kleine Karl verlor bei dieser übermütiger
Aktion seinen ersten Zahn, und seine Eltern, Pippir und Bertrada, werden sicher
nicht begeistert reagier haben. Karl selbst hingegen erzählte noch viele Jah re
später lachend von diesem Zwischenfall aus den Jahre 755.
Über Karls Kindheit wissen wir ansonsten leider we nig, aber
die Unbeschwertheit dürfte er spätestens mi
20 Jahren verloren haben, als sein Vater Pippin III starb.
Der König der Franken hinterließ seinen Söhne' Karl und Karlmann ein mächtiges
Reich inmitten Euro
pas, das fast das gesamte heutige Frankreich, die Nieder
lande, Belgien, die Schweiz und in weiten Teilen den Wes ten Deutschlands
umfasste. Gleichwohl war es nur eines de christlichen Reiche im Westen Europas.
Dieses Reich wurde nur zwischen den beiden Brüdern geteilt, wie es seit
Jahrhunderter fränkischer Brauch gewesen war. Doch ebenso alt wie diese Tradi
tion der Reichsteilung unter den erbberechtigten Söhnen war dis der darauf
folgenden Auseinandersetzungen. Auch zwischen Kar und seinem drei Jahre
jüngeren Bruder Karlmann war die famili äre Harmonie alsbald dahin, und es wäre
wohl zu einem blutige] Brüderkrieg gekommen - wäre Karlmann nicht drei Jahre
späte bereits gestorben.
Im Alter von 23 Jahren wurde Karl somit unerwartet früh Al
leinherrscher über das Frankenreich, und er war fest entschlos sen, das Reich
im Herzen Europas noch größer und mächtiger z] machen. Erstmals zeigte sich
diese Entschlossenheit auf seinen Feldzug gegen die Langobarden. Die
»Langbärte«, die der Legen de nach aus Südschweden stammten und in römischer
Zeit an
= =PIN III.
2pin III. (714-768) war der Vater Karls des Großen. Als
soge--..ennter Hausmeister (Major domus) stand er ab 741 dem fränki-sfnen Adel
vor. In dieser Funktion betraute Pippin den Missionar E.,-..--tifatius mit der
Reform der fränkischen Kirche, die auf die =_--damentalen Grundlagen
christlichen Lebens zielt wie etwa
- standesgemäßes Verhalten des Klerus oder die Abkehr von -e
:Mischen Praktiken. Ab 751 König der Franken, eroberte Pippin — Südwesten des
Reiches Septimanien sowie Aquitanien und ..-..2-7.eidigte die Pyrenäengrenze.
_ -7:-:-lauf der Elbe gelebt hatten, waren seit dem 6.
Jahrhundert Könige auf der italienischen Halbinsel. Das Zentrum ih-.-7.iches
war das norditalienische Pavia, doch ihre Herrschaft bis zum Golf von Tarent.
Für Karl, der sich anschickte, mische Kaisertum zu erneuern, war diese
Herrschaft über
_ das große
Ziel - und er erreichte es sehr schnell. In nur
Monaten besiegte er die Langobarden und erlangte die -7 über
die nördliche Hälfte des italienischen Reiches; allein Süden gelegene Benevent
wurde zum - s:andigen Herzogtum.
:7 frischgebackene langobardische König
• vollte sein
Reich nun auch im Norden .:_- 1_Zern, und das bedeutete, dass er die - s-ün
besiegen musste, die in Westfalen, im n Niedersachsen und im westlichen s7,7in
wohnten. Anders als zuvor in Itali-- -2-1,1Z Karl hier jedoch auf einen
doppelten -_-7.stand, denn er wollte die Sachsen nicht
- in sein
Reich eingliedern, son-
- musste sie zugleich christianisieren, da 2 ohne das andere
für ihn nicht denk-ar. Doch wollten die Sachsen weder europäischem Reich
gehören noch heidnischen Gottheiten abschwören. s.pllte das für ein Gott der
Christen sein, - :•s. nicht einmal schaffte, seinen eigenen vor der Hinrichtung
durch die Römer :.-,wahren? Da die heidnischen Germa-aso mit religiösen
Argumenten nicht zu _-_,ugen waren, setzte Karl seinen Willen mit eiserner
Zunge« durch, wie ein mittelalterlicher Chronist es nannte: Karls Argument war
das Schwert, und damit war er erfolgreich. Trauriger Höhepunkt dieses Krieges
gegen die Sach¬sen war das berühmt gewordene »Blutbad von Verden«, bei dem im
Jahr 782 an nur einem Tag 4500 Sachsen enthauptet worden sein sollen. Nach mehr
als drei Jahrzehnten hatte Karl sein Ziel endlich erreicht: Sein nunmehr weite
Teile Mitteleuropas umfas¬sendes Reich grenzte im Norden an die dänischen und
slawischen Siedlungsgebiete.
Nachdem Karl sein Reich im Süden und im Norden ausgebaut und
parallel dazu auch Bayern eingegliedert hatte, verfügte er in Mitteleuropa über
eine ebenso unübersehbare wie unvergleich-
ALKUIN
Der angelsächsische Gelehrte Alkuin (730-804) wurde 781 von
Karl dem Großen aus York nach Aachen berufen, wo er Leiter der Hofschule und
einflussreicher Berater Karls in kirchlichen Fragen wurde. Er förderte die
Wissenschaften, schrieb Heiligenviten und trug erheblich zur Vereinheitlichung
der Schrift im ganzen Frankenreich bei. Später wurde Alkuin Abt in Tours, wo er
auch starb.
:he Machtfülle. Damit war er nun auch politisch Karl »der
Große«; obwohl er schon aufgrund seiner Körpergröße diesen 3einamen verdient
gehabt hätte - wie man erst am Ende des
Jahrhunderts anhand des in Aachen erhaltenen Skeletts
fest-sellen konnte, maß Karl stolze 1,90 Meter. In den Augen von Karls
Hofgelehrten ragte der Herrscher jedoch nicht nur kör-DE-rlich heraus, sondern
hatte auch eine ebenso herausragende Machtposition, die ihm schon bald den
Beinamen »Haupt der Welt« (Caput orbis) eintrug, wie sein späterer Biograph
Notker E.aJbulus (»der Stammler«) berichtet. Für die Zeitgenossen gab e-s
langst keinen Zweifel mehr daran, dass dem eigentlich mäch--_13:en Herrscher
Europas, nämlich dem byzantinischen Kaiser, rr
dem Karolingerkönig starke Konkurrenz erwachsen war. In
fe'enem Reich wurde Karl als Herrscher Europas angesehen, der :tem Kaiser in
Ostrom ebenbürtig war.
Das berühmteste Weihnachtsfest des europäischen Mittelalters
e das westliche Kaisertum dann endgültig von Neuem erstehen. :5. Dezember des
Jahres 800 wurde Karl in St. Peter zu Rom der Weihnachtsmesse von Papst Leo
III. gekrönt, und Römer akklamierten ihm feierlich. Oberflächlich betrachtet es
somit eine Erneuerung des alten römischen Kaiser-doch Karl machte alsbald
unmissverständlich klar, er sein Kaisertum verstanden wissen wollte: Er sei rom
Volk, sondern »von Gott gekrönt« worden coronatus) - Karl begriff sein
Kaisertum in ers--__:nie als christliches Kaisertum.
gut drei Jahrzehnten hatte Karl den Gipfel der -: erreicht,
doch hatte sein Leben bis dahin keines-7ur aus Politik bestanden. Insgesamt
führte Karl -e:htmäßige Ehen, hatte überdies zahlreiche Kon-e 7 und es sind
nicht weniger als 18 Kinder von ihm _ 7: Nach einer kurzen ersten Ehe folgte
Karl dem seiner Mutter und heiratete 770 die namentlich ricrr: bekannte Tochter
des Langobardenkönigs Deside---as Doch schon ein gutes Jahr später verstieß er
sie, -erseits das Reich seines Schwiegervaters in %Lie:: zu übernehmen (den er
bei dieser Gelegen-
reit lebenslange
Klosterhaft schickte) und andererseits die
cire 13-jährige Alemannin Hildegard zu ehelichen. In zwölf
Kann Ehe schenkte sie ihm sechs Kinder, darunter die drei zur zrli=achfolge
bestimmten Söhne Karl, Pippin und Ludwig Später führte Karl noch eine
zehnjährige Ehe mit
der Ostfränkin Fastrada sowie eine kurze Ehe mit der
Aleman¬nin Liutgard. Während er selbst also das Leben mit verschiede¬nen Frauen
genoss, verbot er seinen Töchtern, zu heiraten oder von ihm fortzugehen —
»obwohl sie sehr schön waren und er sie über alles liebte«, wie Karls
Hofgelehrter und Biograph Einhard schreibt. Dennoch führten sie heimliche
Liebschaften — Karl er¬fuhr zwar davon, ließ es sich aber nicht anmerken.
Karls Gesundheit war ausgezeichnet, was angesichts seiner
um-fangreichen politischen Geschäfte, Reisen und Kriegszüge nicht
selbstverständlich war. Lediglich in seinen letzten vier Lebens¬jahren litt er
an Fieber und Gicht, weshalb seine Ärzte ihm nach¬drücklich dazu rieten, auf
das von ihm so geliebte Bratenfleisch zu
EGINHARD UND EMMA
In der humorvollen Geschichte Eginhard (Einhard) und Emma
von Wilhelm Busch lieben sich Einhard und Karls Tochter Emma. Nach einer
heimlichen Liebesnacht trägt Emma ihren Geliebten durch den Schnee, damit
Einhard keine verräterischen Fußspuren hinterlässt, doch Karl sieht die beiden
vom Fenster aus. Zornig lässt er das Liebespaar zu sich bringen, wird dann aber
doch weich und gibt der Liaison seinen Segen. Diese Volkssage entspricht
allerdings nicht der historischen Wahrheit, denn Karl hatte keine Tochter
namens Emma.
KARL DER
GROSSE
13
1: z hten und nur noch gekochtes Fleisch zu essen, doch
diesen .;ss wollte Karl sich nicht verbieten lassen. Neben dem Essen iz :hm
auch das Schwimmen eine Herzensangelegenheit. Karl r.e die Dämpfe heißer
Naturquellen, schwamm sehr viel und lu.L.;erordentlich gut.
S: war es kein Zufall, dass er sich als ständige Residenz
Aachen if..:s7--ahlte. dessen heiße Quellen schon die Römer veranlasst
hat¬-,e7. Jon eine Thermenanlage zu bauen. Ab 794 war Aachen Karls
-1-er2.fe±-2:71Z. und im Zentrum der Königspfalz (»Pfalz« kommt vom »palatium«,
was Palast bedeutet) stand die nach dem r-zcizl von San Vitale in Ravenna
errichtete Pfalzkapelle, die 805 _-_: wurde. Ein derartiger Hauptsitz war für
einen mittelal-- L.'717:.7: Herrscher mehr als ungewöhnlich, denn zu jener Zeit
.:blich, dass ein König sich reisend durch sein Herrschafts¬bewegte und sich
mal hier, mal dort aufhielt. Karl der Gro-.-.72eeen schuf feste Strukturen in
seiner Aachener Pfalz und zahlreiche Gelehrte an seinen Hof, da ihm
Wissenschaften :jung sehr am Herzen lagen. Wie Einhard berichtet, übte 27 stets
im Schreiben, und unter seinem Kopfkissen hatte f-nafeln und Blätter, um sich
in schlaflosen Nächten in z•-er- Kunst noch verbessern zu können. Auch im Kreis
seiner tf --zr. Freunde, darunter Alkuin, Paulus Diaconus und Petrus 7
;-"_:.3._ wirkte Karl eifrig mit: Wenn sie sich in geselliger Runde n Krönung
Karls des Großen. Zeichnung,19. Jahrhundert, von Alfred Rethel (1816-1859) anspruchsvollen Gesprächen, Rätseln oder
Gedichten widmeten, gaben sie sich alttestamentliche Namen - Karl selbst nannte
sich David, wie der israelitische König, der ein Großreich geschaffen hatte ...
Das europäische Großreich, das Karl regierte, war in seiner
Machtfülle nicht zuletzt davon abhängig, dass die oströmischen Kaiser das neue
Franken als zweites Kaisertum neben Byzanz an-erkannten. Danach strebte Karl
jahrelang, und nach langwierigen Verhandlungen kam es im Jahre 812 tatsächlich
zu einer gegen-seitigen Anerkennung des westlichen und des östlichen
Kaisertums. Diese Bestätigung von Karls Größe machte den Frankenherr¬scher
endgültig zum Pater Europae, wie er schon zu Lebzeiten genannt wurde. Und in
der Tat war Karl der Vater eines Reiches, auf das zahlreiche kulturelle
Gemeinsamkeiten der Völker West- und Mitteleuropas zu¬rückgehen, der Vater
nahezu der gesamten lateinischen Christenheit - eben der Vater Europas.
Das Geburtsjahr Karls ist ungewiss. Man geht heute davon
aus, dass er 748 (wohl
z April) das Licht der Welt erblick¬e_ Im Jahr 768 wurde
Karl fränkischer einig, und ab 771 beherrschte er das %ich allein. Im Jahr 774
eroberte er das airgobardische Pavia und ernannte sich elbst zum König der
Langobarden. Als
der Römer (Patricius Roma-
- _ übernahm er
zudem den Schutz
• tGirchenstaates.
Im Südwesten seines ileiches kämpfte er gegen die Omaija-s®r in muslimischen
Spanien. Im Nor-irr t-.eschäftigten Karl von 772 bis 804 ße sceenannten
Sachsenkriege, im Süd-
• kämpfte er
erfolgreich gegen die -dda-e_n_ Am Weihnachtstag des Jahres
• 'wurde er in
der Peterskirche zu Rom ran Papst Leo III. zum Kaisergekrönt. Im Itamereal
einte er das große Reich durch riewiredene Reformen; so führte er unie
einheitliche Währung ein (Denar), iereorroßerte die Liturgie, das Heereswe-ser
lad die Ausbildung der Geistlichen rireiärderte die Wissenschaften. Seine Neidren
Maßnahmen zur Reform irr illidung werden als karolingische Illimiesame
zusammengefasst. Unter
mode die Liturgie vereinheitlicht, erasibuind eine
reichsweit verwendete Wirk ge karolingische Minuskel), das oerete Spätlatein
wurde wieder auf
Sprachniveau geführt, und
d, iss -tof entstanden zahlreiche wis-Her-wwwwir_incl-te
Abhandlungen. Seit 795 "ememmie-e er in seiner Pfalz in Aachen
- :7 - die
Marienkirche errichten.
Nachdem er 813 seinen einzigen verblie-benen Sohn Ludwig zum
Mitkaiser hatte krönen lassen, starb Karl der Große am 28. Januar 814 und wurde
noch am sel¬ben Tag in der Marienkirche beigesetzt. Kaiser Friedrich I.
Barbarossa ließ ihn 1165 heiligsprechen.
Verwandtschaft
Karl der Große ist der wichtigste Vertre¬ter der Karolinger,
die auf die Urahnen Arnulf von Metz und Pippin I. (beide 64o gestorben)
zurückgehen und nach Karls Großvater Karl Martell (688-741) benannt sind. Im 8.
Jahrhundert war es ihnen gelungen, den regierenden Mero-wingern die Macht zu
entreißen. Nach Karl dem Großen stellten die Karolinger noch bis 911 die Könige
in Ostfranken und bis 987 in Westfranken.
Quellen
Die bedeutendste Lebensbeschreibung Karls des Großen stammt
aus der Feder des an Karls Hof ausgebildeten Einhard (770-840). Nach dem
Vorbild der anti¬ken Kaiserviten Suetons schuf er die be¬rühmte Vita Karoli
Magni, in der er Karl mit Bewunderung und Liebe zum Detail in lebendiger
Schilderung darstellt. Ein halbes Jahrhundert später schuf Notker Balbulus
(»der Stammler«, 840-912) die Gesta Karoli Magni, in denen Karl weniger
authentisch, sondern eher idealisierend als vorbildlicher
christlich-fränkischer König gezeichnet wird.
Der Dom zu Aachen
Der achtseitige Zentralbau des Doms zu Aachen stellt auch
heute noch ein eindrucksvolles Zeugnis der Bautätigkeit von Karls Hol dar.
Zudem gibt der aus Marmor gefertigte Kaiserthron im West¬joch des
Obergeschosses einen Eindruck von der früh- und hoch¬mittelalterlichen
Herrscherinsze-nierung. Die rege Bautätigkeit späterer Jahrhunderte sowie die
Bedeutung des Doms werden durch die gotischen Anbauten deutlich, und auch das
Grabma Kaiser Ottos III. befindet sich irr Dom (heute zusammen mit
den-Karlsschrein im gotischen Chor. saal).
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