Rom – Das römische Imperium
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/v70Ld3OGkN8
Brudermord am Tiber
Die mythischen Anfänge des römiscien Gemeinwesens (753 v.
Chr.
Die Legende hat die Anfänge Roms tief in die Vergangenheit,
ins Jahr 753 v. Chr., verlegt, und bis heute hat sich der Merkvers bei den
Schülern gehalten: „Sieben-fünf-drei - Rom kroch aus dem Ei." In
Wirklichkeit hat die Besiedlung der Sieben-Hügel-Landschaft am Tiber schon weit
vorher eingesetzt. Grabfunde reichen bis ins 2. vorchristliche Jahrtausend zurück.
Richtig hingegen liegt die Legende, wenn sie die Gründung mit dem Griechentum
verbindet, denn schon für die früheste Zeit lassen sich Handelsverbindungen
Roms mit den griechischen Kolonien und entsprechender kultureller Einfluss
nachweisen. Der Geschichtsschreiber Titus Livius (59 v.Chr.-17 n.Chr.) hat die
mythischen Ursprünge in seinen „Ab urbe
Forum Boarium
Am Ufer des Tibers ließ der Sage nach schon Halbgott
Herkules (griechisch Herakles) seine Rinder weiden, als von Rom dort noch
nichts zu sehen war. Und tatsächlich fanden sich da, wo heute die Relikte des
Forum Boarium zu besichtigen sind, griechische Gefäße aus vorrömischer Zeit und
weitere Hinweise, dass bereits zu Beginn des 1. Jahrtausends v.Chr Händler am
Tiber-Knie Waren tauschten. Es muss damals auch schon eine Ara Maxima (Altar)
des Herkules be-
condita libri" (Bücher von der Stadtgründung an)
aufgezeichnet, einer bis ins Jahr 9 v.Chr. reichenden Geschichte von Stadt und
Staat.
Zuflucht für Verfolgte
Danach waren die Zwillingsbrüder Romulus und Remus, Söhne
des Kriegsgottes Mars und einer Sterblichen, der Priesterin Rhea Silvia,
Gründer der Stadt. Über ihre Mutter stammten sie aus dem Geschlecht des
trojanischen Kriegshelden Aeneas, den es vor Urzeiten in die Landschaft Latium
verschlagen hatte. Der jetzige Herrscher des Gebiets, Amulius, missgönnte
seiner Nichte Rhea Silvia die Nachkommenschaft und ließ die Säuglinge auf dem
Tiber in einem Kasten aussetzen. Das „Schiff-
standen haben, der unter anderem für den Schutz der Händler
zuständig war. Den Namen aber erhielt dieses Forum nach seinen Tieren
(lateinisch bos = Rind). Der Ort war für einen Viehmarkt bestens geeignet, da
in der Nähe eine Furt durch den Fluss führte. Auch später behielt er seine
Handelsfunktion, obwohl mit der Zeit, in der die Stadt ihn mehr und mehr
schluckte, andere Waren die Besitzer wechselten und im nahen Hafen, dem Portus
Tiberinus, angelandet und verschifft wurden.
chen" aber wurde an Land geschwemmt, eine Wölfin
entdeckte die Knaben und nährte sie, bis ein Hirte sich ihrer annahm und sie
großzog. Am Ort ihrer glücklichen Rettung gründeten die Brüder später eine
Siedlung und befragten die Götter, nach wem sie die Stadt nennen sollten. Die
Götter entschieden für Ro-mulus, und fortan hieß die Siedlung Rom. Der
enttäuschte Remus verhöhnte daraufhin den Bruder, indem er über die Furche
hüpfte, die dieser gezogen hatte, um den künftigen Befestigungsring anzuzeigen.
Wutentbrannt erschlug Romulus den Frevler mit den Worten: „So soll es jedem
ergehen, der über meine Mauer springt." In der Folgezeit wurde Rom zur
Zuflucht für Verfolgte und Unterdrückte. Soweit die Sage. Über die Frühzeit
wissen wir sonst nur wenig aus Bodenfunden und durch sprachhistorische
Untersuchungen. Danach wurde das Gebiet Roms zu Beginn des 1. Jahrtausends v.Chr.
von den Latinern, einem um 1200 eingewanderten Stamm, bewohnt. Es folgten die
Etrusker, die bereits über eine hochentwickelte Zivilisation verfügten. Unter
etruskischem Einfluss kam es um 600 v.Chr. zum Zusammenschluss von latinischen
Sied-lungen auf den Hügeln am Tiber. Der Name dieser Gemeinde, Rom, ist
herzuleiten vom etruskischen Geschlecht Ruma.
Unter fremden Herrschern
Etrus
Den Römern galt Stadtgründer Romulus auch als erster König,
dem noch sechs weitere gefolgt seien, ehe es zur Bildung der römischen Republik
(lateinisch res publica = öffentliche Angelegenheiten) kam. Vermutlich spielte
sich die Strukturierung der Gemeinschaft wie in vielen Gegenden im Verlauf des
Anwachsens der Bevölkerungszahl ab: Familien (Clans) mit größerem Landbesitz
bildeten mit der Zeit die Elite, ihre Oberhäupter (patres = Väter, daher der
Begriff „Patrizier") bestimmten die Geschicke der Ansiedlungen, und
schließlich wählten sie einen zum Wächter über den Kult. Seine Nähe zu den
Göttern verschaffte ihm zusätzliche Autorität und damit eine herausgehobene
Rolle unter den Clanchefs. Er wurde zum Anführer oder eben König (lateinisch
rex, daher der Begriff „regieren").
Optimale Lage
Die Siebenzahl dieser Könige ist wie die der Hügel, auf und
an denen Rom entstand, eher symbolisch zu verstehen. Denn die überlieferten
Herrschaftszeiten für die Könige (durch-schnittlich über 30 Jahre) sind
überdehnt, und was als Hügel in der latinischen Landschaft zu gelten hat, ist
Definitionssache. Zutreffend aber dürfte tradiert sein, dass die Nachfolger des
Romulus etruskische Herrscher waren,
denn dieser Volksstamm, dessen Herkunft noch immer nicht
ganz geklärt ist, drängte damals von seinem toskanischen Kerngebiet nach Süden.
Zeugnisse lassen sich bis Neapel und noch weiter nachweisen. Rom wird die
Begehrlichkeit der Etrusker geweckt haben wegen seiner optimalen Lage für den
Handel mit dem griechischen Süden der italienischen Halbinsel und mit dem
Landesinneren, wohin von den Salinen an der Tiber-Mündung eine Salzstraße
führte. Auch waren die Anhöhen gut zu verteidigen. Problematisch nur, dass der
Fluss oft über die Ufer trat; erst mit der Zeit gelang es, dem durch
Uferbefestigungen zu begegnen.
Das erlaubte die Ausdehnung der Weide- und Anbauflächen und
machte die angestammten großen Grundbesitzer noch mächtiger. Konflikte mit dem
als fremd empfunden Königtum blieben nicht aus. Sie rührten auch daher, dass
die Herrscher den militärischen Oberbefehl be-anspruchten und mit der Zeit ein
Machtmittel in die Hand bekamen, das sich notfalls auch nach innen nutzen ließ.
Die Könige agierten immer selbstherrlicher, nahmen Rat kaum noch an und
provozierten damit wachsenden Widerstand bei den Patriziern. Im Jahr 510/509
entledigten sich diese schließlich des etruskischen Königtums, was die Legende
später fantasievoll ausschmückte (siehe Kasten).
Willkommenes Erbe
Errungenschaften aus der Königszeit (6./5. Jh.)
Natürlich versuchte die Herrscherfamilie, die Stadt
zurückzugewinnen, doch alle Angriffe scheiterten am Mut der Römer (siehe
Kasten). Sie waren nun die etruskischen Könige los, übernahmen aber von den
Etruskern viele Errungenschaften wie etwa die hochentwickelte Technik der
Metallgewinnung und die Kunst des Schmiedens von Gefäßen und Waffen. Auch
politische Muster aus etruskischer Zeit blieben erhalten, zum Beispiel die
Purpurge-wänder der obersten Beamten oder die Insignien der Liktoren, den
Sicherheitskräften zum Schutz hochgestellter Persönlichkeiten. Die Liktoren
trugen zum Zeichen ihrer Macht ein Rutenbündel (fasees) über der Schulter, au-
ßerhalb der heiligen Grenze der Stadt (urbs) mit einem Beil
darin. Auch diese Grenze, das sogenannte pomerium (von post murum = hinter der
Mauer), stammte aus der Etrusker-zeit; es umfriedete ein Kernareal, das —
modern gesagt — entmilitarisiert war.
Wohlstand dank Kriegsbeute
Und das sich neu formierende römische Gemeinwesen kam
natürlich auch in den Genuss der Machtfülle, die ihm die Könige erkämpft
hatten. Die Stadt hatte inzwischen gut 35000 Bewohner und kontrollierte ein
Gebiet von annähernd 900 Quadratkilometern in Latium; ihr Einfluss reichte noch
darüber hinaus. Belegen
lässt sich diese Vormachtstellung in Mittelitalien durch
Funde aus dem 6. Jahrhundert v.Chr., die vom großen Reichtum zeugen. Den
konnten die Römer kaum allein aus landwirtschaftlichen Überschüssen und durch
Handel erwirtschaftet haben, er war wohl eher, dafür sprechen auch die
gefundenen Gegenstände selbst, in erster Linie auf Kriegsbeute zurückzuführen.
Verräterischer Tempelbau
Auch dem Ausbau der Stadt war der herbeige-siegte Wohlstand
zugute gekommen. Noch in die Zeit der etruskischen Könige fielen einige
Tempelbauten sowie erste Bemühungen um eine Befestigung des Tiber-Hafens.
Überhaupt beeinflusste die etruskische Kultur die römische Religion nachhaltig,
was die spätere umfassende Anlehnung an die griechische Götterwelt begünstigte.
Das war schon zur Königszeit bemerklich geworden, als der „überhebliche”
Tarquinius mit dem Bau eines großen Jupiter-Tempels begonnen hatte. Mit der
Verehrung eines höchsten Gottes nach dem Beispiel des Zeus strebte er eine
Hierar-chisierung des Himmels an und spiegelbildlich die sakrale Verankerung
seines Königtums. Vielleicht auch das ein Auslöser der Revolte der Großen Roms
gegen ihn.
Sicherungen vor Machtmissbrauch
Politische Neuordnung des Stadtstaates (um 500 v. Chr.)
Die Beseitigung der Monarchie war eine Art Revolution von
oben. Als Gewinner konnten sich die Patrizier fühlen, also die aufgrund ihres
Besitzes führenden Sippen. Hatten sie allerdings die Rückkehr zu informellen
Zuständen der Frühzeit, als der Stadtverband noch lose war, angestrebt, so ließ
sich dies in der bedrohten Lage nicht verwirklichen. Man brauchte klare
Regelungen, wer die Führung beanspruchen durfte, und einigte sich auf ein
Modell, das gegen missbräuchliche Amtsführung Sicherungen einbaute: An die
Spitze des Stadtstaates traten zwei von den Vertretern der Patrizier gewählte
Konsuln, die beide auto-
Wir sind das Volk
Die Erbitterung der Volksmasse (plebs) nahm sol-che Formen
an, dass die Leute ihre Streitigkeiten begruben, im Jahr 494 zur Durchsetzung
ihrer Forderungen einträchtig die Stadt verließen und auf den Heiligen Berg,
den mons sacer nördlich der Mauern zogen. Das brachte die verbliebenen Adligen
(patricii) in Bedrängnis, und sie entsand-ten Menenius Agrippo, der selbst aus
bescheide-nen Verhältnissen stammte, zu den Plebejern. Mit politischen
Zugeständnissen (u. a. Schaffung des Amts der Volkstribunen) und einem plastischen
Gleichnis konnte er die Menschen schließlich zur
nom alle politischen Fragen entscheiden durften und sich
darin nur gegenseitig blockieren konnten. Außerdem erhielten sie ihr Mandat
immer nur für ein Jahr, damit sich gefährliche Seilschaften erst gar nicht
bildeten.
Innere Konflikte
Allenfalls halbhistorisch ist die Bestellung der
Lukretia-Rächer Brutus und Collatinus zu den ersten Anführern der jungen
Adelsrepublik. Sie stehen für viele Mitwirkende am der Neuord-nung der
römischen Verhältnisse und dafür, dass diese im Sinn einer Oberschicht geschah,
was innere Konflikte programmierte. Die plebs
Rückkehr in die Stadt bewegen: Die Glieder des Körpers, so
führte er aus, waren es leid, immer nur für den faul genießenden Magen zu
arbeiten, und stellten die Tätigkeit ein. Die Finger griffen keine Speise mehr,
die Hände führten sie nicht mehr zum Mund, und die Zähne hörten auf zu kauen.
„Wir werden es dem fetten Fresser schon zeigenrsagten sie zueinander. Bald aber
merkten sie, dass sie immer schwächer wurden, weil der Magen nicht mehr
verdaute und keine Energie mehr lieferte. Da besannen sie sich auf ihre
Aufgaben und übernahmen sie wieder mit neuem Fleiß zum gemeinsamen Wohl.
(= Masse) nämlich blieb weitgehend rechtlos und war von
politischer Mitwirkung ausge-schlossen. Das warf in einer höchst unruhigen Zeit
schwere Probleme auf, in der gerade die Plebejer für die Kriegführung dringend
ge-braucht wurden und die aus ihnen gebildeten Fußtruppen gegenüber der adligen
Reiterei an Gewicht gewannen. Der Unmut - heute hieße das Politikverdrossenheit
- spitzte sich zu; ver-einzelt zunächst, dann anschwellend kam es zu
Befehlsverweigerung, von der Legende als eine Art Aufstand überliefert (siehe
Kasten). Weitere Vorschriften schürten die Unzufriedenheit der kleinen Leute:
So waren Eheschließungen zwischen Plebejern und Patriziern verboten. Erobertes
Land wurde nur an patrizische Familien verteilt. Plebejer konnten ihre Sache
nicht selbst vor Gericht bringen, sondern mussten sich vom adligen Patron
vertreten lassen. Ein Diktator (von dictare = ansagen, befehlen) konnte
natürlich auch nur aus der Führungsschicht kommen. Das war ein in Krisenzeiten
zu wählender Oberkommandie-render, der die gesamte Macht von den beiden Konsuln
übernahm und alle notwendigen Maßnahmen bis hin zu Zwangsverpflichtungen zum
Schutz des Volkes ergreifen konnte. Nach sechs Monaten aber endete auch sein
Mandat.
Gegen Bergvölker und Etrusker
Vom Stadtstaat zur Territorialmacht (5. Jh.)
Ein so dramatischer politischer Umbruch, wie er sich in Rom
um die Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert abgespielt hatte, ließ Nachbarn
Morgenluft wittern. Gemeinden in Latium, denen Roms Dominanz schon lange lästig
war, versuchten, dem angeschlagenen Stadtstaat Positionen im Tibertal
abzujagen. Daraus ent-wickelte sich seit 498 Roms Latinerkrieg. Er zog sich
fünf Jahre lang hin und brachte dennoch keine militärische Entscheidung. Es
wuchs aber die Erkenntnis, dass die investierten Mittel besser anderweitig
eingesetzt würden. Das fruchtbare Latium sah sich nämlich immer häufigeren
Angriffen der sogenannten Bergvölker ausgesetzt, die zu Beutezügen vor-stießen.
Der Latinerkrieg endete schließlich mit einem Bündnis der bisherigen Gegner,
dem nach dem römischen Unterhändler Spurius Cassius benannten foedus Cassianum.
Es be-gründete eine Wehrgemeinschaft der sprachlich und kulturell eng
verwandten Latiner, in der Rom die Führung übernahm.
Wehrhafte Außenposten
Das Zusammengehen bewährte sich. Volsker, Sabiner und
Aequer, um nur die drei wichtigs-ten der wilden Bergstämme zu nennen, konnten
nicht bloß in Schach gehalten, sondern zurückgedrängt werden. Die besetzten
Gebie-
te teilten sich Latiner und Römer und besiedel-ten sie. Die
Bewohner der so im Verlauf des 5. vorchristlichen Jahrhunderts entstehenden
Gemeinden erhielten dieselben Rechte wie die Stadtrömer. Damit und mit
geschickt dosierten weiteren Zugeständnissen (siehe Kasten) an die Plebejer
motivierte die regierende Schicht ihre Kolonisten in diesen Außenposten für den
riskanten und aufreibenden Dienst, ohne an der überkommenen Staatsarchitektur
grundsätzliche Änderungen vorzunehmen.
Während der ständig aufflackernden Kämpfe musste sich Rom
weiterhin vor den Etruskern in acht nehmen. Ihr Einfluss auf die Geschicke der
Stadt war beseitigt, doch ihre Handels-
Zwölftafelgesetz
Wachsende Lasten, wie sie im waffenklirrenden 5. Jahrhundert
zu tragen waren, ließen sich dem Volk nur aufbürden, wenn ihm die
Führungsschicht sozial und rechtlich entgegenkam. Vor altem nach
Rechtssicherheit verlangten die Menschen. Im Jahr 450 berief man daher zehn
Männer zur Niederschrift des geltenden Rechts. Auf zwölf öffentlich
ausgestellte Tafeln wurde die Gleichheit von Patriziern und Plebejern vor dem
Gesetz festgeschrieben. Allerdings blieb es bei einem harten Schuldrecht, das
die ärmere Be-
konkurrenz und ihr territorialer Appetit blieben eine
Gefahr. Verkörpert wurde sie durch die Stadt Veji, die kaum anderthalb Dutzend
Kilometer nördlich von Rom lag und den Tiber in Reichweite hatte. Da kam es oft
zu bewaffneten Konflikten, nach der Legende sogar zu Kriegen, von denen sich
aber nur der letzte um 400 erbittert ausgefochtene als historisch gesichert
ansehen lässt. Mindestens ein Jahrzehnt lang wechselte das Kriegsglück, ehe
Veji 391 (römische Überlieferung 396) bezwungen war. Rom verleibte die
Konkurrenz dem eigenen Gebiet ein und war damit zu einer beachtlichen
Territorialmacht in Mittelitalien herangewachsen.
völkerung weiterhin disziplinierte: „Wenn jemand dem Spruch
zur Zahlung seiner Schuld nicht nachkommt, so mag man ihn mit sich nehmen und
fesseln mit Beinschellen und Fußblock, 15 Pfund schwer, nicht weniger, eher,
wenn man will, noch schwerer" Im Gefolge dieses Zwölftafelgesetzes kam es
bald zu weiteren Zugeständnissen. So fiel das Heiratsverbot zwischen den
Gesellschafts-schichten, und es öffnete sich für wohlhabende Plebejer der
Zugang zu ehrenvollen Ämtern. Bis zur Zulassung zum Konsulat sollte es
allerdings noch fast ein Jahrhundert dauern.
Wehe den Besiegten!
Invasion der Gallier und Plüncerung Roms (387 v.Chr.)
Nur wenige Jahre konnte Rom die Ausschaltung des Rivalen
Veji genießen. Von Norden nahte eine neue Bedrohung in Gestalt der Kelten oder
Gallier. Dieses ursprünglich am Niederrhein siedelnde Volk hatte sich süd- und
westwärts nach Burgund und bis Spanien ausgedehnt und drang um 390 über die
Alpen nach Norditalien vor. Etrurien wurde sein erstes Opfer, wobei die
kriegerischen Kelten keine dauerhafte Landnahme planten, sondern in erster
Linie an Beute interessiert waren. Rom, darüber machte sich niemand IlluSionen,
würde über kurz oder lang auch in ihr Visier geraten. Als daher das von den
Galliern bedrängte Clusium (Chiusi) die Stadt um Hilfe bat, zog ein römisches
Heer von angeblich 40 000
Mann den Eroberern entgegen und erlitt an der Allia (Fosso
di Bettina), einem linken Tiber-Zufluss, eine vernichtende Niederlage. Das
Datum der Schlacht, nach römischer Überlieferung der 18. Juli 387 v.Chr., ging
als „Schwarzer Tag" (dies ater) in die Geschichte ein und begründete die
notorische Gallier-furcht (metus Gallicus) der Römer.
Die Stadt ein Trümmerhaufen
Die versprengten römischen Soldaten suchten Zuflucht in Rom,
das aber nicht mehr die Mittel zu effektiver Verteidigung besaß. Nur auf dem
Kapitol konnte sich eine Garnison verschanzen und soll dort sogar eine
siebenmonatige Belagerung überstanden haben (siehe
Kasten). Ohnmächtig allerdings mussten die dort Ausharrenden
mit ansehen, wie Rom geplündert und verwüstet wurde. Die Gallier
transportierten alles ab, was sie irgend zu brauchen meinten. Die Frauen hatten
allen Schmuck abliefern müssen, und ganz zum Schluss verlangte der
Gallier-Anführer Bren-nus noch eine riesige Lösegeldsumme für den Abzug. Über
die Höhe der Zahlung soll es dabei zu so heftigen Beschwerden der Römer
gekommen sein, dass Brennus erbost sein Schwert als Gegengewicht zusätzlich in
die Waagschale legte und damit die Forderung nochmals erhöhte mit den grimmigen
Worten: „Vae victis!"(Wehe den Besiegten!).
Die Berichte wissen aber auch von einem letzten römischen
Aufgebot, das Rom schließlich befreit haben soll. Das lässt sich allerdings
nicht belegen und sollte vermutlich auch nur die verwundete römische
Heldenseele besänftigen. Ihr drohte schon bald neue Gefahr, denn die bisherigen
latinischen Bundesgenossen begannen sich gegen die Führung der ge-schwächten
Stadt aufzulehnen. Der Konflikt ließ sich lange unter Kontrolle halten,
eskalierte aber im Jahr 340 und führte zu heftigen Kämpfen, aus denen Rom 338
als Sieger hervorging. Es löste den Latinerbund auf und dehnte seine
Aufs
Praktische gerichtet
Frührömische Götterwelt und Verehrung der A inen
In der Prägephase Roms, also während der Königszeit und in
der frühen Republik, stand der Stadtstaat unter dem Einfluss überlegener
Kulturen. Von Süden machten sich griechische Impulse bemerkbar, von Norden
strömte etruskisches Gedankengut in die noch lange bäuerisch geprägte religiöse
Vorstellungswelt der Römer. Sie formten allerdings das Fremde so um, dass es zu
ihrer einfachen, nüchternen und aufs Praktische gerichteten Lebensweise passte.
Deren Säulen waren Respekt vor den Göttern, Hochschätzung der Leistungen der
Vorfahren, Achtung vor Gesetz und Recht, Wahrung von Tugenden wie Treue, Fleiß,
Wahrhaftigkeit und Familiensinn.
So entsprachen zwar viele Gottheiten im römischen Himmel
direkt denen der Griechen, doch fehlte ihnen die pralle Pracht der
„Kollegen" auf dem Olymp. Indogermanischer Herkunft wie der griechische
Zeus war Roms oberster Himmelsherrscher Jupiter, und auch seine Frau luno hatte
in Hera ihre olympische Entsprechung, doch ihre Verehrung trug ernstere Züge
als in Griechenland. Mythen von den erotischen Eskapaden der obersten
Gottheiten und ihren Zwistigkeiten waren bekannt, aber nicht Teil des Kultes.
Der konzentrierte sich auf die Pflege der Bindung (religio kommt von religa-re
= festbinden) an die Himmlischen und auf Bitten um Beistand bei der Bewältigung
des
Alltags oder besonderer Herausforderungen. Kein Wunder, dass
sich eine vielfältige Schar von „niedrigeren" Gottheiten bildete mit je
spezieller Zuständigkeit: Janus bewachte die Schwelle des Hauses und hielt
Dämonen wie Feinde fern, Terminus schützte die Grenzen und das Eigentum, die
Laren nahmen sich der Reisenden, der Familien und der Feldfluren an. Die Göttin
Vesta hielt das Herdfeuer in Gang, und die Penaten behüteten die Vorräte.
Die Ahnen waren immer anwesend
Alle Götter verlangten Opfer und dankten dafür mit Hinweisen
darauf, was in dieser oder jener Lage zu tun war. Vor Kriegszügen und
möglicherweise folgenschweren Entscheidungen befragten Priester die
entsprechende Gottheit mit Hilfe besonderer Techniken (siehe Kasten). In
familiären Angelegenheiten oblag dem Oberhaupt (pater familias)das Opfer für
die Hausgötter und für die Ahnen, deren Bilder in einem Vorraum aufgestellt
waren. Ging es bei den Göttern darum, sie günstig zu stimmen, so verehrte man
die Vorfahren aus Dank. Auf sie und ihre Tüchtigkeit führte die Familie ja
ihren sozialen Rang zurück. Zum Zeichen der ewigen Verbundenheit wurden bei
Beerdigungen Bilder der Ahnen mitgeführt, zu denen der Verstorbene nun aufrückte.
EL-' Hilfeersuchen gerne angenommen
Konflikte mit den Samniten, Angehörigen von Bergstämmen aus
dem mittleren und südlichen Apennin, gab es schon früher. Der Bericht über
einen ersten Krieg zwischen Rom und den Samniten in den Jahren 343 bis 341 hat
wohl hier seine Grundlage, denn historisch zu belegen ist er nicht. Es ging bei
den ersten Zusam-menstößen um den wachsenden Einfluss Roms in Kampanien
(Landstrich an der Südwestküste bis südlich von Neapel), auf dessen fruchtbare
Böden auch die Samniten ein Auge geworfen hatten. Sie hatten aber Rom mit ihren
eigenen Vorstößen Richtung Küste selbst auf den Plan gerufen, denn die dort
betroffenen Städte wie etwa Capua suchten bei den mächtigen Rö-
mern um Hilfe nach, die diese nur zu gern gewährten. Sie
erhielten so Gelegenheit, ihre Strategie des Vorschiebens von Wehrsiedlungen
auch gegen die Samniten zu praktizieren. Dadurch fühlten sich diese wiederum
provoziert, und es kam seit 326 zum (zweiten) Krieg. Er zog sich fast zwei
Jahrzehnte lang hin, obwohl er schon 321 mit dem Sieg der Samniten bei den
Kaudinischen Pässen (furculae Caudi-nae, eigentlich kaudinische Gabeln) östlich
von Neapel beendet schien. Das römische Heer war in eine Falle geraten und
seine Reste mussten unter demütigenden Bedingungen abziehen (siehe Kasten). Es
wären aber keine bäuerisch-zähen Römer gewesen, wenn sie
nicht umgehend und nun gerade auf Revanche gesonnen hätten.
Allerdings mussten dafür erst neue Rüstungen in Angriff genommen und die
Ausgangspositionen verstärkt werden, worüber ein Jahrzehnt unter vereinzelten
Gefechten verging (z.B. römische Nie-derlage bei Lautulae 315). Dann ging Rom
in die Offensive und konnte die Samniten nach der Einnahme ihrer Hauptstadt
Bovianum im Jahr 304 zu einem Frieden zwingen, der die römische Herrschaft in
Kampanien bestätigte.
Sieg nach einem halben Jahrhundert
Er hielt nicht lange, denn die Samniten standen den Römern
an Hartnäckigkeit nicht nach. Sie verbündeten sich mit den Gegnern Roms im
Norden und nahmen 298 die Feindseligkeiten wieder auf. Rom verließ sich bei
diesem (dritten) Waffengang im Süden auf seine Kolonien und wandte sich
zunächst gegen Etrusker und Umbrer im Norden. Bei Sentinum (nahe dem heutigen
Sassoferrato) in den um-brischen Bergen gelang den Römern 295 der entscheidende
Sieg, der ihnen die Umgruppierung ihrer Truppen nach Süden erlaubte. Obwohl nun
ohne Unterstützung, hielten die Samniten noch bis 290 durch, ehe sie sich der
römischen Übermacht beugten und Roms Vorherrschaft anerkannten.
Bildung eines Amtsadels
Gleichstellung der Plebejer (bis um 300 v. C
Die Anspannung aller Kräfte des Gemeinwesens zur
Verteidigung, aber auch im Dienst einer expansiven Politik für die wachsende
Bevölkerung, war den Menschen nur zuzumuten, wenn sie sich auch für sie lohnte.
Der Aufstieg Roms war daher mit sozialen und politischen Reformen verbunden,
die den Plebejern weitere Rechte brachten. Die sogenannte Zen-turienverfassung
aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts gehörte dazu: Die Bürger wurden danach
von zwei Zensoren nach Vermögen in 193 Hundertschaften (Zenturien, centum =
hundert) eingeteilt. Neben 18 patrizischen (adligen) Zenturien der Reiterei
standen 80 schwerbewaffnete Zenturien der wohlhabenden Landbesitzer und 90
leichtbewaffnete Zenturien der Kleinbauern, Handwerker und Kaufleute sowie fünf
unbewaffnete Zenturien der Techniker, Musiker und Meldegänger.
Abstimmung nach Vermögensklassen
Die Zenturien verkörperten das bewaffnete Volk; es
versammelte sich vor wichtigen Entscheidungen auf dem Marsfeld westlich der
Stadtmauern. Hier stimmte man über Krieg und Frieden ebenso ab wie über die
Berufung der höchsten Beamten und über die von den Konsuln vorgeschlagenen
Gesetze. Die Überzahl der Plebejer wurde dadurch neutralisiert,
dass geschlossen nach Vermögensklassen abgestimmt wurde. Da
erfahrungsgemäß die reichen Schwerbewaffneten mit den Patriziern einig waren,
stand das Ergebnis meistens schon nach der Stimmabgabe der beiden ersten
Gruppen fest, die mit 98 Zenturien die Mehrheit hatten. Der Fortschritt bestand
also nur in der Ablösung des Standesprinzips durch das des Grundbesitzes.
Bald konnten Plebejer auch das Konsulat bekleiden; seit 366
sollten sie sogar immer einen der Konsuln stellen. In Frage dafür kamen wie für
das Volkstribunat (siehe Kasten) nur sehr angesehene, weil reiche und mithin
einfluss-
reiche Männer. Im Verlauf der Samnitenkriege erhielten die
Plebejer dann Zugang zu allen hohen Staats- und Priesterämtern, so dass um 300
die rechtliche, soziale und politische Gleichstellung beider Stände weitgehend
vollendet war. Den Schlussstein des Ausgleichs setzte der zum Diktator ernannte
Quintus Hor-tensius 287 mit einem Gesetz, das die Beschlüsse der plebs für alle
Römer, auch die Patrizier, verbindlich machte (Lex Hortensia). Aus der formalen
Gleichheit aber entstand neue Ungleichheit: Neben den Blutadel trat eine
parallele Oberschicht: der Amtsadel der reichen Plebejer-Familien.
In
Ruinöse Triumphe Zäher Krieg gegen Tarent und Pyrrhus von
Epirus (282-272)
Schon vor der Zeit der mythischen Gründung Roms gab es griechische
Kolonien an den Küsten Unteritaliens. Zu politischer Gemeinsamkeit aber fanden
sie nicht. Die Konflikte in der Heimat verlängerten sich bis hierher und
ver-hinderten tragfähige Bündnisse. Nachdem Rom zur Führungsmacht in
Mittelitalien aufgestiegen war, suchten von Bergstämmen bedrohte Griechenstädte
daher lieber Schutz bei den Römern als bei ihren griechischen Nachbarn. Das kam
Roms Strategie der Bildung von Stützpunkten entgegen, von denen aus sie die
Expansion weiter vorantreiben konnten. Im Jahr 282 rief das von Lukanern
belagerte Thu-rii die Römer zur Hilfe, die den Ring sprengten und gegen neue
Angriffe eine Schutztruppe in der Stadt zurückließen. Davon fühlte sich die
mächtigste griechische, genauer: spartanische Kolonie Tarent am gleichnamigen
Golf provoziert. Ihre Flotte attackierte ein vor der Küste ankerndes römisches
Geschwader und zwang die römische Garnison in Thurii zur Aufgabe.
Wie ein Erdbeben
So schmerzhaft die Schlappe war, so gelegen kam sie Rom, das
im reichen Tarent schon lange einen Störfaktor für seine süditalienischen Pläne
gesehen hatte. Verhandlungen (siehe Kasten) scheiterten, Krieg wurde unvermeid-
lich. Tarent bat König Pyrrhus von Epirus, dessen Land am
gegenüberliegenden Ufer der Adria lag, um Hilfe, die dieser in der Hoffnung auf
Erweiterung seiner Machtbasis gewährte. Er führte höchstselbst eine
beachtlichen Streit-
Drastische Diplomatie
Dass es Rom ernst war, einen Krieg mit Tarent zu vermeiden,
steht zu bezweifeln. Warum den-noch eine Gesandtschaft an den Golf reiste?
Vielleicht wollte man nicht als Aggressor daste-hen, und schaden konnte es
zudem nicht, die Entschlossenheit des Gegners zu prüfen. Sie wurde den
römischen Emissären drastisch de-monstriert, wobei die Fabulierlust der
Ge-schichtsschreiber ein wenig übertrieben haben mag. Wie in Griechenstädten
üblich stellte der römische Delegationsleiter seine Verständi-gungsvorschläge
auf der Volksversammlung dar, höflichkeitshalber auf Griechisch. Dabei machte
er ein paar Schnitzer, was bei den Hörern hämische Heiterkeit auslöste. In
dieser Stimmung sah es ein stadtbekannter tarentini-scher Witzbold als
besonders lustig an, sein Wasser an der Toga des Römers abzuschlagen. Der
ertrug die Schmach zunächst wortlos und wandte sich dann an das Volk: „Dieses
Kleid werdet ihr mit eurem Blut reinigen müssen."
macht von angeblich 20 000 Infanteristen, 3000 Reitern und
26 Kriegselefanten, die „wie ein alles zerstörendes Erdbeben" über die
Römer kamen, so der Geschichtsschreiber Plutarch (46-120 n.Chr.). Während aber
die Römer Verluste relativ rasch ersetzen konnten, war Pyrrhus von Nachschub
weitgehend abgeschnitten. Zwar siegte er in mehreren Treffen, doch zu einem so
hohen Preis, dass sich für solche ruinösen Triumphe der Begriff
„Pyrrhussiege" einbürgerte. „Noch ein solcher Sieg", soll der König
gesagt haben, „und ich bin verloren."
Hinzu kam die Bedrohung der Griechenstädte auf Sizilien
durch die Seemacht Karthago. Auch gegen sie wandte sich Pyrrhus, und wieder gab
es eine Kette von Siegen, die aber zu weiterer Erschöpfung führten. Aufs
Festland zurückgekehrt, sah sich Pyrrhus erneut einem römischen Heer gegenüber.
Bei Benevent konnte dieses im Jahr 275 erstmals eine Schlacht gegen den König
offen gestalten, der den Kampf daraufhin aufgab und seine verbliebenen Truppen
nach Epirus zurückführte. Tarent allein konnte nur noch hinhaltend Widerstand
leisten und musste sich 272 den Römern ergeben. Sie beherrschten nun direkt
oder durch Bündnisse den gesamten italieni-schen Stiefel.
Beute und Ehre
Heerwesen und Bündnispolitik
Vielleicht das Erstaunlichste am Aufstieg Roms zur Herrin
von ganz Italien war die Tatsache, dass die meisten, ja fast alle ihre Kriege
mit Niederlagen begannen. Darunter waren viele, die das Gemeinwesen am Tiber an
den Rand der Existenz führten. Auf den Gedanken aber, sich zu bescheiden oder
gar aufzugeben, kam niemand. Das war nicht nur der römischen Mentalität fremd,
sondern hatte auch damit zu tun, dass letztlich alle von der Expansionspolitik
profitierten. Nicht einmal die schweren inneren Konflikte zwischen Plebejern
und Patriziern konnten daher die Wehrhaftigkeit nennenswert mindern. Der Dienst
mit der Waffe war für den Römer eine Selbstverständlichkeit, und er kam dem
zwischen dem 16. und
46. Lebensjahr klaglos, wenn nicht gern nach, winkten doch
Beute und Ehre. Über das Risiko des Kampfeinsatzes machte er sich kaum
Gedanken. Im Gegenteil: Das Wort des Dichters Horaz (65-8 v.Chr.) galt schon
immer: „Dulce et decorum est pro patria mori- Süß und ehrenvoll ist das Sterben
fürs Vaterland."
Hohe Motivation brauchte es anfangs zudem wegen der geringen
Zahl wehrfähiger Männer. Zunächst konnte das junge Rom nur eine Legion (von
legere = [aus-]lesen) aufbieten, rund 3000 Mann, da aus wirtschaftlichen
Gründen immer nur ein Teil der männlichen Bevölkerung zu mobilisieren war; wer
einrücken musste oder besser: durfte, darüber entschied das Los. Die
Heeresstärke vervielfachte
sich rasch, hielt jedoch kaum Schritt mit den zunehmenden
militärischen Aufgaben. Rom entwickelte daher ein besonderes Geschick bei der Behandlung
von Besiegten, die es sich durch Entgegenkommen oft zu Verbündeten zu machen
verstand. Man vereinbarte gegen-seitigen militärischen Beistand, wobei Rom sich
die alleinige Entscheidung über Waffengänge vorbehielt. Dabei achtete man
strikt darauf, dass es sich um einen „gerechten und frommen Krieg" (bellum
iustum et pium) handelte zur Grenzverteidigung, zum Schutz von Schwächeren, zur
Ahndung von Vertragsbrüchen oder zur Herstellung von Frieden.
Bewährung durch Leistung
Mit der Zeit gebot die Stadt über ein Netz von
Bundesgenossen und verbreiterte damit ihre personelle Basis entscheidend:
Latiner und Sa-biner erhielten volles Bürgerrecht, andere nur das
eingeschränkte ohne Wahlrecht, und die meisten weiter weg liegenden Partner
waren sozusagen assoziierte Mitglieder des römischen Systems, die sich erst
noch durch militärische Leistungen für engere Beziehungen empfehlen mussten.
Hinzu kamen von Römern besiedelte Stützpunkte (Kolonien, von colere = Land
bebauen), die durch Heerstraßen (siehe Kasten) verbunden wurden.
Kollision mit einer Großmacht
Der erste Punische Krieg (264-241)
Zum Aufstieg Roms beigetragen hatte auch eine Macht, die aus
dem Osten stammte (Gebiet um die Hafenstädte Tyros und Sidon) und die nun den
Westen des Mittelmeers beherrschte: die Seefahrernation der Phönizier, von den
Römern Punier genannt. Sie hatten die blühende Handelsstadt Karthago an der
Sizilien gegenüber liegenden afrikanischen Küste gegründet und waren daher in
Konkurrenz zu den dortigen Griechenstädten und auch zu denen auf dem
italienischen Festland geraten. Insofern waren sie natürliche Verbündete für
Rom gegen Tarent und hatten im Krieg gegen Pyrrhus mit ihrer Flotte sogar
rö-mische Truppentransporte abgewickelt. Das Bild wandelte sich, als die
griechische Kolonie Messana (Messina) an der Nordostspitze Siziliens Rom im
Jahr 264 um Beistand gegen das griechische Syrakus im Süden der Insel bat und
römische Truppen landeten.
Schritt vor die Haustür
Was veranlasste die Römer, die noch alle Hände voll zu tun
hatten, in Italien Ordnung zu schaffen, zum Eingreifen zugunsten einer Bande
von Desperados? Messana hatten nämlich erst kürzlich Mamertiner erobert,
itali-sehe Söldner aus Kampanien, die für Brutalität und dafür bekannt waren,
dass sie gern dort
ernteten, wo sie nicht gesät hatten. Nicht zuletzt deswegen
war der Konflikt mit Syrakus ausgebrochen. Und: Messana hatte auch die
Karthager um Hilfe ersucht; eine punische Besatzung lag bereits in der
Hafenstadt. Rom riskierte also mit der Einmischung einen Krieg mit einer
wirklichen Großmacht. Römische Geschichtsschreiber haben behauptet, dass die
Römer darüber nicht Bescheid gewusst hätten,
Provinzen
Erstmals hatte Rom über das italische Festland
hinausgegriffen. Die Griechenstädte auf Sizilien gliederte es dem Bündnissystem
an, machte aber das übrige Sizilien zu einer Provinz. Es erhielt damit einen
bisher nicht bekannten Status als Land, das Rom gehörte und von dessen
Ernteerträgen es daher den Zehnten forderte. Ein römischer Statthalter
(ehemaliger Konsul) regierte die Insel mehr oder weniger despotisch, da kaum
einer Kontrolle unterworfen. Das Modell wurde wenig später auch auf Korsika und
Sardinien ausgedehnt, die Rom als weitere Pro-vinzen während einer
Schwächephase Karthagos aufgrund von Söldneraufständen annektierte. Im Kampf
gegen illyrische Seeräuber folgte bald als weiteres Schutzgebiet, später
ebenfalls Provinz, die dalmatinische Küste.
was wenig wahrscheinlich ist. Eher reizte wieder einmal
Beute und die Chance, auf der Insel vor der eigenen Haustür Fuß zu fassen.
Fiasko in Afrika
So furchtbar überrascht von der Kollision dürften sie also
kaum gewesen sein. Als Landmacht hatte Rom bald die Oberhand auf Sizilien, doch
die eigenen Küsten gerieten immer wieder durch punische Flotten in Gefahr. Mit
Hilfe unteritalischer Griechenstädte bauten die Römer daher Kriegsschiffe. Bei
Mylae an der sizilischen Nordostküste errangen sie unter Konsul Gaius Duilius
im Jahr 260 einen glän-zenden Sieg dank einer genialen Erfindung: Sie setzten
nicht mehr auf Rammen und Versenken der feindlichen Schiffe, sondern hakten
sich mit einer Enterbrücke fest, stürmten hinüber und entschieden die Schlacht
an Bord. So kamen ihre Tugenden aus den Landkriegen zum Tragen. Zum Fiasko
wurde dagegen eine Expedition gegen Karthago selbst. 255 erlitten die Römer in
Afrika eine schwere Niederlage. Rom musste sich nach Sizilien zurückziehen und
konnte erst in einem jahrelangen Abnut-zungskrieg und durch einen Seesieg bei
den Ägatischen Inseln Karthago 241 zur Aufgabe und zur Zahlung horrender Kriegsentschädigungen
zwingen.
Mit
Elefanten über die Alpen
Ausbruch und Auftakt des zweiten Punischen Kriegs (218-216)
Schwer zu schaffen gemacht hatte den Rö-mern im ersten
Punischen Krieg Hamilkar Bar-kas (um 290-229), der karthagische Befehlshaber
auf Sizilien. Nach der Kapitulation fand er ein neues Betätigungsfeld auf der
Iberischen Halbinsel, deren Süden er für Karthago erschloss und damit den
Verlust Siziliens wett machte. Nach Hamilkars Tod setzte Schwiegersohn
Hasdrubal dessen Werk erfolgreich fort und gründete in Spanien Carthago Nova
(Cartagena).
Rom hatte der neuen Stoßrichtung der punischen Aktivitäten
zunächst wenig Aufmerksamkeit geschenkt und sich auf die Organisation der
gewonnenen Provinzen konzentriert. Erst jetzt erwachte Argwohn am Tiber. An
einem Wiedererstarken des Gegners konnte nie-mandem gelegen sein. Hasdrubal
ließ sich schließlich auf einen Vertrag mit Rom ein, der den nordspanischen
Fluss Ebro als Grenze der Interessensphären festlegte. Die Vereinbarung hielt
nicht lange, denn Rom erklärte sich auf Bitten der Stadt Sagunt (beim heutigen
Valencia) zu deren Schutzmacht. Nach Hasdrubals Tod im Jahr 221 war Hamilkars
Sohn Hannibal (247-183) punischer Feldherr in Spanien geworden, ein impulsiver
Mann, der Roms Vorgehen als Vertragsbruch ansah und Sagunt zerstören ließ. Es
kam erneut zum Krieg. Und da
Hannibal nur über ein relativ kleines Söldnerheer von etwa
60 000 Mann verfügte, musste er die römische Überlegenheit durch Schnelligkeit
zu kompensieren suchen.
Überrumpelte Römer
In einem von niemandem für möglich gehaltenen Gewaltmarsch
stieß er 218 mit 37 Kriegselefanten zur Rhöne und von dort über die Alpen nach
Italien vor. Zwar ging seine Hoffnung auf massenweisen Abfall der
Bundesgenossen Roms nicht auf, doch der Überraschungseffekt bescherte ihm eine
Triumph-
serie. In einem Reitergefecht am Ticinus warf er die Römer
über den Po zurück und rieb noch vor Jahresende ein römisches Aufgebot an der
Trebia auf, einem rechten Po-Zufluss. Im Folgejahr marschierte er mit
keltischen Hilfsvölkern auf Rom, umging Auffangstellungen der Römer und schlug
am Trasimeni-schen See ein völlig überrumpeltes feindliches Heer unter dem
Konsul Flaminius, der den Tod fand. Rom schien verloren. Noch einmal aber ließ
sich Hannibal abdrängen, ehe es 216 bei Cannae zur Entscheidungsschlacht kam
(siehe Kasten).
31 Ermattungsstrategie
Entscheidung im zweiten Punischen Krieg (215-201)
„Vincere scis, sed victoria uti nescis - Du weißt zu siegen,
den Sieg zu nutzen aber weißt du nicht!" Das hielt einer seiner Offiziere
Hannibal vor, als der Feldherr nach Cannae zögerte, nun direkt auf Rom zu
marschieren. Dafür hatte er gute Gründe, denn Rom hatte zwar die Initiative
eingebüßt, war aber keineswegs geschlagen. Auch hielt sein Bündnissystem trotz
des Schocks; nur Capua und Syrakus, später auch Tarent lösten sich aus der
Bindung an Rom. Zudem hatte Hannibal seinerseits mit erheblichen
Nachschubschwierig-keiten zu kämpfen und musste weitere Verluste um jeden Preis
zu vermeiden suchen. Diese Lage nutzte Quintus Fabius Maximus aus. Endlich
hatte man in Rom das Genie des „Zöge-rers" begriffen und ihm erneut das
Kommando gegeben. Seine Ermattungsstrategie engte Hannibals Spielraum immer
weiter ein und führte schließlich 212 zum Rückgewinn von Syrakus (siehe Kasten).
Stern am spanischen Himmel
Im Jahr darauf aber ein erneuter Schock für Rom: Während
starke Kräfte durch die Belage-rung des abtrünnigen Capua gebunden waren,
setzte Hannibal nun doch zum direkten Stoß gegen Rom an. Der Schreckensruf ging
um: „Hannibal ante portas! - Hannibal vor
den Toren!" Doch es blieb beim Schreck, denn Capua
fiel, so dass die Punier im Rücken be-droht waren. Die Kriegsentscheidung nahte
aus Spanien - so oder so: Hier ging der Stern des erst 27-jährigen Publius
Cornelius Scipio (um 235-183) auf, der Carthago Nova 209 eroberte. Und von hier
stieß ein punisches Ersatzheer unter Hannibals Bruder Hasdrubal nach Italien
vor. Die Zeit der Überraschungen aber war vorüber. Am Metaurus, einem
Adria-Zufluss südlich von Ariminum (Rimini), vernichteten die Römer 207 die
Eindringlinge und damit alle Hoffnungen Hannibals, der sich in die Südostecke
Italiens zurückzog.
Scipio hatte inzwischen die Karthager 206 aus Spanien
vertrieben und tauchte in Rom auf.
Archimedes
Ein alter Mann machte den Römern bei der Belagerung von
Syrokus 214-212 mehr zu schaffen als die restlichen Verteidiger zusammen: Der
griechische Mathematiker, Physiker und Erfinder Archimedes (um 285-212), der
auf immer neue Ideen kam, den Belagerern zuzusetzen. Er entwickelte
Hebevorrichtungen, mörderische Schleudern und die nach ihm benannte Schraube
zur Wasserförderung, ja er soll sogar mit Hohlspiegeln römische Schiffe auf
große Distanz abgefa-
Der mitreißende Mann konnte die Römer davon überzeugen, dass
jetzt die Stunde der Offensive geschlagen habe. Gegen den Willen des
„Zögerers" setzte er 204 mit einem Heer von Westsizilien nach Afrika über,
gewann den Berberfürsten Massinissa als Verbündeten und besiegte ein
karthagisches Heer. Hannibal musste zur Hilfe eilen. Es war aber nicht mehr der
Triumphator, der kam, sondern der ge-scheiterte Eroberer mit einer abgekämpften
Truppe. Sie unterlag Scipio 202 bei Zama; Kar-thago musste 201 in einen
demütigenden Frie-den einwilligen. Die Großmachtsträume waren ausgeträumt;
fortan stand es unter römischer Kuratel. Scipio durfte sich mit dem Ehrentitel
Africanus schmücken.
ekelt haben. Obgleich das wohl in den Bereich der Legende
gehört, nimmt es kaum Wunder, dass sie sich um diesen genialen Mann rankte. Mit
seinen physikalischen (Hebelgesetze, Auftrieb) und mathematischen Erkenntnissen
(Berechnung der Kreiszahl 1T (PLI sowie des Kugelinhalts und der
Kugeloberfläche) war er seinen Zeitgenossen weit voraus. Bei der Erstürmung von
Syrakus fiel er einem Legionär zum Opfer, den er vergeblich ermahnt hatte:
„Noli turbare circulos meos! Störe meine Kreise nicht!"
>v Soziale Verwerfungen als Kriegsfolgen
Wachsende Kluft zwischen Arm und Reich (3./2.
Jh.)
Die jahrzehntelangen Waffengänge hatten Italien schwer in
Mitleidenschaft gezogen. Vor allem die Kleinbauern (pauperculi), die das
Hauptkontingent der Heere zu stellen hatten, standen nach langjähriger
Abwesenheit vor dem Ruin. Ihre Höfe waren verwüstet, die Tiere auseinander
gelaufen oder von marodierenden Banden weggeführt worden. Und wie sollten die kleinen
Leute überhaupt wieder auf die Beine kommen, jetzt da Getreide im Über-fluss
und preiswert aus den neuen Provinzen nach Rom geliefert wurde und da die
massenhaft als Kriegsgefangene eingebrachten billigen Sklaven (siehe Kasten)
ihnen sogar die Stellen als Tagelöhner wegnahmen. Den Häuslern blieb letztlich
nur die Flucht in die Stadt.
Dort konnten sie sich mit kleinen Diensten, Zuteilungen des
Staates und Wahlgeschenken der Politiker kärglich über Wasser halten. Auch
viele Handwerker rutschten in dieses neue Proletariat ab, weil sie gegen die
Preise der großen, mit Sklaven arbeitenden Manufakturen nicht aufkamen.
Mehr Profit durch Viehzucht
Gewinner waren die Großgrundbesitzer, die das frei werdende
Land bestens brauchen konnten. Sie stellten als Reaktion auf wachsende Importe
auf Plantagenwirtschaft nach karthagischem Muster und auf weiträumige
Viehhaltung um, die mehr abwarf als der Ackerbau. Ihre Besitzungen waren selbst
dann
meistens einigermaßen in Schuss geblieben, wenn sie selbst
Kriegdienst hatten leisten müssen. Sie hatten Personal einsetzen und sich einen
Verwalter (vilicus) leisten können. Jetzt brachten sie Sklaven mit, die sie
auch beim Ausbeuten etwaiger Bodenschätze auf ihren Gütern einsetzen konnten.
Diese Großagrarier verfügten über riesige Flächen, denn die ur-sprünglich
gesetzlich verfügte maximal Zuteilung von 500 Morgen (iugera) Gemeindeland war
inzwischen ganz in Vergessenheit geraten.
Neureicher Ritterstand
Auch viele Kaufleute gehörten zu den Gewinnern der
kriegerischen Zeiten. Sie hatten klotzig verdient als Heereslieferanten, beim
Handel mit Beutestücken, durch Übervorteilen von Besiegten. Und mit dem Erfolg
einher ging ein steiler sozialer Aufstieg. Bald bildeten diese Neureichen, von
der Oberschicht als Emporkömmlinge gemieden, vom Volk beneidet, einen eigenen
Ritterstand (ordo equester), so bezeichnet, weil sie mindestens so wohlhabend
waren wie die Mitbürger, die früher als Ritter die Kavallerie des Heeres
gestellt hatten. Im Verlauf der weiteren römischen Expansion wuchsen ihre
Vermögen, vor allem die der Steuerpächter in den neuen Provinzen und die der
Geldverleiher, ins Ungemessene.
Über Adria und Ägäis nach Asien
Ausschaltung möglicher Rivalen im Osten (1. Hälfte 2. Jh. v.
Chr.)
Dass Rom im Ringen mit den Puniern beinahe untergegangen
war, hatte auch mit den Make-donen im griechischen Norden zu tun. Deren König
Philipp V. hatte die Schwäche der auch in Griechenland und auf dem Balkan
einfluss-reichen Römer nach Cannae nutzen wollen und sich mit Karthago verbündet.
Nur mit Mühe gelang es Rom, eine Intervention Make-doniens zu vereiteln, indem
es interne griechische Streitigkeiten schürte. Nach dem Sieg über Hannibal 202
schmiedete der Senat daher sofort Pläne, nach Osten offensiv zu werden. Die
Volksversammlung aber erteilte ihnen eine Absage, denn die Kriegsmüdigkeit war
allgemein. Erst mit allerhand Wohltaten und aufgebauschten Meldungen brachten
die Konsuln die Leute auf ihre Seite und konnten König Philipp im Jahr 200 den
Krieg erklären.
Phalanx zu schwerfällig
Die Unterstützung der griechischen Städtebünde gewannen die
Römer, indem sie sich als Befreier vom makedonischen Druck aufspielten. Bei
Kynoskephalä in Thessalien schlugen sie denn auch 197 die Truppen Philipps V.
und vernichteten endgültig den von Alexander dem Großen begründeten Nimbus der
Make-donen. Ihre einst so gefürchtete geballte Phalanx hatte sich den
beweglicheren römischen
Manipeln (zwei Zenturien von je etwa 80 Mann) gegenüber als
veraltet erwiesen. Auf den lsthmischen Spielen im Jahr darauf wurden die
Befreiung Griechenlands und die römischen Befreier gefeiert, die als
Schutzmacht die Makedonen nur abgelöst hatten.
Seine neue Rolle konnte Rom bald gegenüber Antiochos von
Syrien demonstrieren, dessen Reich von Persien bis an die Ägäis reichte und der
Hannibal Gastfreundschaft gewährte. Als er gegen Griechenland aktiv wurde und
auch Appetit auf Ägypten zu zeigen begann, griffen die Römer an, setzten über
nach Kleinasien und schlugen bei Magnesia 190 das Heer des
Syrerkönigs. Unterstützt hatte sie der Herrscher von
Pergamon, der sich so eng an Rom band, dass es sein Land später (133) durch
Erbe gewann und daraus die Provinz Asia formte. Vorher aber musste nochmals
gegen Makedo-nien mobil gemacht werden, das unter dem neuen König Perseus die
Unzufriedenen der griechischen Halbinsel um sich geschart hatte. Der römischen
Militärmacht aber waren sie nicht einmal gemeinsam gewachsen und mussten sich
168 in der Ebene bei der nordost-griechischen Hafenstadt Pydna geschlagen
geben. Jetzt wandte sich Rom noch einmal gegen Karthago (siehe Kasten).
Machtverschiebungen
Politik und Militär in Kriegszeiten (2. Jh. v. Chr.)
Den Oberbefehl über die römischen Heere erhielten
normalerweise die beiden amtierenden Konsuln. Deren jährlicher Wechsel bewährte
sich politisch, nicht aber militärisch. Und die nur sporadisch tagende
Volksversammlung war von den strategischen und politischen Details ohnehin
völlig überfordert. Diktatoren lösten das Problem schon deswegen nicht, weil
ihre Amtszeit noch kürzer bemessen war. Ein ständig tagendes Staatsorgan
hingegen war der Senat (siehe Kasten). In der Krisenzeit gewann er daher
überragende Bedeutung, so dass die hohen und höchsten Beamten fast zu
Befehlsempfängern herabsanken.
nur halbherzig ergriffen: So sollte ein Ge-schworenengericht
aus Senatoren allzu ausbeuterisch agierende Provinzherrscher aburteilen. Das
geschah allerdings nur in wenigen Fällen, konnten die Richter doch nie wissen,
ob die Rollen nicht eines baldigen Tages vertauscht sein würden und sie sich selbst
vor Kollegen wegen angeblicher oder tatsächlicher Misswirtschaft würden
verantworten müssen. Die Maxime, nach der eine Krähe der anderen kein Auge
aushackt, griff auch hier und unterminierte die moralischen Grundlagen der
Adelsherrschaft.
Der Dauerkriegszustand, in dem sich Rom befand, beschädigte
auch die Ämterrotation. Auf
die Kenntnisse des jeweiligen Befehlshabers über Feindlage
und Operationsgelände konnte man nicht verzichten und verlängerte daher ein um
das andere Mal das Kommando. Das barg die Gefahr, dass sich die Macht des
Feld-herrn verselbständigte und er zu einer so populären Größe wurde, dass er
den Senat hätte überspielen können. Noch aber wurde selbst ein so strahlender
Held wie Scipio Africanus nach Ende der punischen Kriege von einem Cato
erbittert bekämpft. Der Sieger von Zama zog sich schließlich auf sein Landgut
in Kam-panien zurück, wo er 183 starb, im selben Jahr, in dem sein großer
Gegner Hannibal auf der Flucht vor den Römern den Freitod wählte.
Entartung der Adelsherrschaft
Die späteren Erfolge schienen der damit vorgezeichneten
Entwicklung hin zu einer adligen Herrschaft der Wenigen (Oligarchie) Recht zu
geben. Die ersten Niederlagen gegen Hannibal wurden den plebejischen Konsuln
angelastet, die nach Ansicht der Patrizier vom Waffenhandwerk zu wenig
verstanden, das müsse man im (adligen) Blut haben. Die Senatsherrschaft führte
aber auch zu Entartungen, vor allem in den Provinzen, wo die adligen
Statt-halter weit weg vom römischen Schuss die rechtlose Bevölkerung
drangsalierten und sich bereicherten. Maßnahmen dagegen wurden
Explodierende Vermögen
Weltmacht als Geldmaut (2. Ji. v. Chr.)
Verglichen mit Handelsmetropolen wie Karthago oder
Kulturzentren wie Athen oder Alexandria in Ägypten war Rom bis zu den punischen
Kriegen eine vergleichsweise bescheidene Landstadt. Weder baulich noch vom
privaten Lebensstil her konnte es mit der ge-nannten Konkurrenz mithalten. Erst
nach dem Sieg über Hannibal und der erfolgreichen Expansion nach Osten änderte
sich das ziemlich schlagartig: In nur wenigen Jahrzehnten saugte die Hauptstadt
der neuen Weltmacht die Kapitalströme förmlich an, die gespeist wurden aus
enormen Kriegsentschädigungen, die den Besiegten auferlegt wurden, aus dem
Ver-kauf der Kriegsgefangenen in die Sklaverei, aus reichen Beutezügen, aus der
Beschlagnah-
me von Wertsachen, aus dem aufblühenden Fernhandel und nicht
zuletzt aus der Besteuerung der neu gewonnenen Provinzen.
Vieles davon floss in die Taschen privater Unternehmer, denn
Rom handelte nach dem Prinzip der Versteigerung öffentlicher Aufträge, ja sogar
hoheitlicher Befugnisse wie das Steuereintreiben. Auf diese Weise kam der Staat
rasch zu ansehnlichen Summen durch den Wettbewerb möglicher Investoren, musste
seinen Verwaltungsapparat nicht unnötig aufblähen und überließ das Risiko den
Käufern (publicani). Deren explodierende Vermögen freilich belegten, dass der
Staat auf viel Geld verzichtete und obendrein Ausbeutungsmethoden förderte, die
zu sozialen Unruhen und
Aufständen führen konnten. In Rom selbst blieb es dagegen
lange weitgehend ruhig trotz der üppigen Prunkentfaltung der Neureichen. Zum
einen erlaubte der staatliche Wohlstand die weitgehende Befreiung der kleinen
Leute von Abgaben und die Sicherung ihrer Grundversorgung. Zum anderen genossen
die Stadtrömer das bunte Treiben der Millionäre und Prominenten. Von der
Reichen Tische fiel zudem immer ein wenig ab fürs Volk.
Ohne Unrechtsbewusstsein
Dass der ausufernde Luxus, oft verbunden mit Ausschweifungen
erotischer Art, eine Gefahr für die öffentliche Moral darstellte, blieb nicht
unbemerkt. Mit allerlei Verordnungen und Gesetzen (leges sumptuariae)
versuchten Senat und Volksversammlung Wildwuchs einzudäm-men und etwa den
Aufwand für Gastmähler zu begrenzen. Der Erfolg hielt sich in engen Grenzen, denn
wo viel Geld, da auch viel Einfluss, und unbestechliche Kontrolleure waren
immer schon dünn gesät. Außerdem fehlte es an Unrechtsbewusstsein bei der
Anhäufung der Reichtümer. Hier wirkte nicht zuletzt der Einfluss des
hellenistischen Ostens, wo die römischen Statthalter (Prokonsuln) und ihre
Beamten wie Halbgötter umschmeichelt und entsprechend korrumpiert wurden.
Würdig und lebensähnlich
Griechische Einflüsse auf Kunst und Kultur
In engere Berührung mit dem Griechentum kam Rom erst nach
der Einnahme Siziliens und den griechischen Kolonien in Unteritalien. Aufgrund
früherer Einflüsse durch etruskisch überformte griechische Elemente war die
römische Bauernkultur vorbereitet auf das, was ihr bei den Griechen an
Verfeinerung von Lebensart, Kunst und Kultur begegnete. Das machte sich in
vollem Umfang bemerkbar, als um die Mitte des 2. Jahrhunderts das grie-chische
Mutterland und angrenzende helle-nistisch (siehe Kasten) geprägte Länder von
Rom unterworfen und zu Provinzen gemacht worden waren. Kriegsgefangene, aber
auch Künstler und Wissenschaftler, insbesondere Mediziner, strömten nach
Westen, vor allem
natürlich in die Welthauptstadt Rom selbst, und wandelten
allmählich das rustikale Leben dort und in den anderen Städten Italiens; das
flache Land wurde davon zunächst nur insoweit berührt, als die neuen Einflüsse
über die Latifundien von reichen Stadtrömern Eingang fanden.
Verblasste Farben
Manche traditionsbewussten Römer wie etwa der alte Cato
warnten vor einer Überfremdung, doch gegen den Reiz der Kultur aus dem Osten
wehrten sie sich vergebens. Für Rom glücklicherweise, denn die frischen Impulse
sorgten für die Verbreitung von Bildung und für die Überwindung von Überlebtem.
Be-
währtes Altes wie in der Baukunst die massive Quadertechnik
ließ sich ohnedies nicht verdrängen. Noch heute stehen imposante Reste von
Bauwerken wie der großen Schleuse (cloaca maxima) zur Entwässerung des Forums
oder die wuchtigen Brücken und Aquädukte. Bei Sakralbauten allerdings standen
griechische Tempel Pate; sie ruhen auf kannelierten dorischen Säulen und waren
ursprünglich mit farbigen Friesen und ebenso bunten Giebelfeldern geschmückt.
Eigene Wege gingen die römischen Bildhauer. Das idealisierte
Bild des nackten Jünglings, wie wir ihm in der griechischen Kunst allenthalben
begegnen, sagte ihnen wenig zu. Sie bevorzugten den repräsentativen, mit der
Toga bekleideten Mann, und sie bemühten sich um eine individuelle
Porträtgestaltung. Dahinter stand das im Ahnenkult übliche Wachsbild der
Vorfahren, die möglichst würdig und lebensähnlich in der Vorhalle des Hauses
posierten. Mit griechischer Dichtung machten die Römer durch lateinische
Nachdichtungen von Homers großen Epen und vor allem durch das Theater Bekanntschaft.
Tragödien schätzten sie wenig, während die durch Autoren wie Plautus (250185)
oder Terenz (195-159) anverwandelten derben Komödienstoffe beim Volk sehr
beliebt waren.
%z!Z Weissagungen und Warnungen
itteirL-
Hellenisierung des römischen Götterhimmels
Griechisches stand seit der Zeit der Eroberung der
hellenischen Welt in Rom so hoch im Kurs, dass es auch auf die Religion
ausstrahlte und sie weitgehend überformte. Schon früh waren die alten
italischen Bauernkulte von den Etruskern mit Stoffen aus der griechischen Welt
angereichert worden. Jetzt, bei der direk-ten Begegnung, kam es zu einer
Parallelisie-rung der großen Gottheiten (siehe Kasten) und zu einem
Hellenisierungsprozess des Kultischen, wenn auch die Römer die Vorstellung vom
bunten Treiben der Götterfamilie auf dem Olymp nur in Umrissen übernahmen. Die
rustikalen Züge der altrömischen Religiosität verloren sich ohnedies nie ganz:
Gerade da, wo es um die Fruchtbarkeit der Felder und der Herden, um Gespenster
und Totenkult, Träume und Zauberei ging, hielten sich die alten Bräu-che um
Hausgötter und Vorfahren. Typisch römisch war auch die Verehrung von
vergötterten Tugenden wie Freiheit (libertas) oder Eintracht (concordia). Auf
dem Lande und beim allgemeinen Volk waren die Traditionen stabiler als in der
Stadt und unter den Gebildeten.
Herr des Orakels
Politik und Religion waren auch in Rom eng verschwistert.
Nicht von Ungefähr fand daher
schon unter etruskischem Einfluss der griechische Gott
Apollon, lateinisch Apollo, Aufnahme in den römischen Himmel. Bereits im 5.
Jahrhundert v.Chr. ist sein Kult belegt. Als Sohn von Göttervater Zeus und der
Titanen-tochter Leto stellte Apollon im griechischen Kult die Verbindung
zwischen urtümlichen re-ligiösen Vorstellungen und ausgeprägteren Praktiken in
klassischer Zeit dar. Er galt als Gott des Lichts und der Musen, konnte von
schwerer Schuld entsühnen und Krankheiten heilen, aber auch Pest und Tod über
Frevler bringen. Eine seiner Hauptrollen spielte er als Herr des Orakels im
mittelgriechischen Delphi am Berg Parnass; er sprach dort aus dem Mund der
Priesterin Pythia und beriet Politiker und
Feldherren vor politischen und militärischen Entscheidungen.
Die Römer übertrugen diese Funktion auf die Sibylle
(Seherin) von Cumae westlich von Neapel, deren von Apollo inspirierte und von
Priestern gedeutete Weissagungen und Warnungen (prodigia) in den Sibyllinischen
Büchern (libri Sibyllini) verzeichnet waren (bei einem Brand des Jupitertempels
auf dem Kapi-tol 83 v. Chr. vernichtet). Auf ihren Rat hin nahmen die Priester
in Notzeiten auch fremde Götter als Helfer in den römischen Kult auf,
beispielsweise die kleinasiatische Fruchtbar-keitsgöttin Kybele als Magna Mater
(große Mutter) im Jahr 204 während der entscheidenden Phase des zweiten
punischen Krieges.
Ohne eine Scholle Land
Sozialreform des Tiberius Sempronius Gracchus (133 v. Chr.)
Die Schere zwischen Arm und Reich öffnete sich während des
2. Jhs. v.Chr. bedenklich. Die Führungsschicht bediente sich hemmungslos,
während die kleinen Leute nach ihrem Militärdienst oft mittel- und arbeitslos
dastanden. Zwei Brüder aus dem hochadligen Geschlecht der Sempronier, Enkel des
Hannibalbezwingers Scipio Africanus, erkannten als erste den hohen
Reformbedarf, sollte das römische Ge-meinwesen nicht an sozialen Konflikten
zerbrechen: Tiberius (162-133) und Gaius Sempronius Gracchus (153-121; siehe
Kasten). Der Ältere ließ sich Ende 134 zum Volkstribun für das Folgejahr wählen
und brachte aus dieser Position ein Ackergesetz ein, das der Begrenzung von 500
Morgen Gemeindeland pro Bürger wieder Geltung verschaffen sollte. In flammender
Rede warb Tiberius für seine Initiative (zitiert nach Plutarch):
Haus- und hoflos
„Die Tiere haben Höhlen oder einen Lagerplatz oder einen
Unterschlupf. Die Männer aber, die für Italien kämpfen oder sterben, werden mit
Licht und Luft abgespeist. Ohne Haus und Hof irren sie mit Weib und Kind umher.
Die Feldherren aber lügen, wenn sie die Soldaten in den Schlachten dazu
aufrufen, für die Gräber der Ahnen und ihre Heiligtümer zu kämpfen.
Denn die meisten haben keinen Hausaltar mehr und kein
Ahnengrab. Nein, für anderer Leute Schlemmerei kämpfen sie und fallen. Sie
heißen die Herren der Erde, und doch haben sie nicht eine Scholle Land zu
eigen."
Das Gesetz des Tiberius hätte Großgrundbesitzer gezwungen,
Teile ihres Besitzes wieder herauszugeben. Und auch dadurch, dass Tiberius eine
Entschädigung für sie vorsah, konnte er die Gemüter nicht besänftigen. Aus dem
Senat, in dem die Haupträuber saßen, schlug ihm geballter Hass entgegen. Man
machte sich an den Kollegen des Tiberius heran, der wunschgemäß sein Veto gegen
das Gesetz einlegte. Ti-berius überschritt nun seine Kompetenzen, in-
dem er den Gegner kurzerhand abwählen ließ, weil niemand
Volkstribun sein könne, der gegen die Interessen des Volkes handle. Dadurch
verstieß er gegen die Unantastbarkeit des Tribuns während seiner Amtszeit. Und
damit nicht genug: Tiberius schlug vor, die Landreform aus dem Erbe des Königs
von Pergamon zu finanzieren, das Rom zugefallen war. Das rührte an die
Finanzhoheit des Senats. Und als sich Tiberius zu allem Überfluss
widerrechtlich noch für ein weiteres Jahr um das Tribunat bewarb, reifte der
Entschluss, den unbequemen Mann zu beseitigen. In einem Tumult während der
Wahlversammlung wurden er und viele seiner Anhänger erschlagen.
Die Stunde des Aufsteigers
Beginn der steilen Karriere des Gaius Marius (119-104)
Die Attacke der Gracchen auf die Senatsmacht hatten zu einer
Spaltung der römischen Gesellschaft oder genauer: ihrer Oberschicht geführt.
Während die einen in Sorge vor erneuten Einschnitten in ihre Besitzstände für
die Rücknahme der Agrarreformen sorgten und sich als lose Gruppe von Optimaten
(„Besten") organisierten, fühlten sich andere dem Erbe der beiden großen
Volkstribunen verpflichtet. Diese als Popularen („Männer des Volkes")
bezeichneten - mit einem heutigen Begriff gesagt - Linken bewegten allerdings
auch nicht allein soziale Sorgen. Sie hatten erkannt, dass man nicht nur über
den Senat Karriere ma-chen konnte, sondern auch als Anwalt der Massen, ja dass
auf diese Weise womöglich
noch mehr Einfluss und Macht zu gewinnen war. Vorerst aber
blieb es bei einer Art Patt-Situation der beiden Lager. Siegreiche Feldzüge
überdeckten den weiter schwelenden Konflikt, weil alle Schichten von den
Eroberungen pro-fitierten.
Große Gewinne brachte ein Vorstoß ins südgallische Rhönetal,
durch den um 120 v.Chr. eine Landbrücke von Italien zur Provinz Hi-spania
geschaffen wurde. Hier, in der später als Narbonensis bekannten Provinz, wurden
verarmte italische Bauern und verdiente Veteranen des Heeres, angesiedelt. Die
Versorgung ehemaliger Soldaten sollte Schule machen und vor allem von einem
vorangetrieben werden, der 119 den cursus honorum (Ämterlaufbahn)
als Volkstribun begann: Gaius Marius (156-86) war ein homo
novus (neuer Mann), heute hieße das „Aufsteiger", denn er gehörte nicht
der Nobilität an, die sonst dafür sorgte, dass die hohen Ämter in ihren Reihen
blieben. Marius bekannte sich klar zu den Reformzielen der Popularen; er wurde
115 Praetor und im Jahr darauf Statthalter in Spanien. Seine Stunde schlug, als
König Jugurtha (160-104) von Nu-midien die römische Provinz Africa bedrohte.
Krönender Triumphzug
Zunächst nur als Legat unter dem amtierenden dortigen
Statthalter dienend, wurde Marius 107 zum Konsul gewählt und erhielt damit den
afrikanischen Oberbefehl. Unzufriedenheit mit der schleppenden Führung des seit
111 andauernden Krieges hatte ihn gegen den Widerstand senatorischer Kreise so
hoch befördert. Seine Anhänger wurden nicht enttäuscht: Ma-rius und sein
damaliger Quaestor Lucius Cor-nelius Sulla (138-78) zwangen Jugurtha 107 zur
Flucht in ein benachbartes Königreich, das ihn 105 an Rom auslieferte, so dass
Marius den Besiegten 104 im Triumphzug durch Rom führen konnte. Die Grundlage
für diesen militärischen Erfolg und spätere Siege legte Mari-us mit einer
umfassenden Neuorganisation des Heeres (siehe Kasten).
Furchterregender
Lärm
Kampf gegen Kimbern, Teutonen und Ambronen (113-101)
Die militärische Vorsorge durch Marius bewährte sich schon
sehr bald. Es brandete nämlich eine Völkerwelle heran, die Roms ganze Kraft
forderte: Um 120 v.Chr. waren aus Jütland, wohl wegen Landverlusten durch
Sturmfluten und wegen Missernten, die germanischen Stämme der Kimbern, Teutonen
und Ambronen nach Süden aufgebrochen. Sie zogen durch Schlesien und Böhmen bis
nach Kärnten, wo sie erstmals auf ein römisches Heer trafen und es 113
besiegten. Am Nordrand der Alpen entlang führte sie dann der Weg über den Rhein
ins Rhönetal, wo sie bei Arausio (heute Orange) die Römer 105 erneut schlagen
konnten. Der Geschichtsschreiber Strabo (64 v.Chr.-23 n.Chr.) berichtet, dass
auch die germanischen Frauen am Kampfgeschehen teilnahmen,
indem sie „auf Rinderhäute schlugen, die über das Flechtwerk der Wagen gespannt
waren, so dass ein furchterregender Lärm entstand':
Zum sechsten Mal Konsul
Zum Glück für Italien wandten sich die Germanen nach
Spanien, machten dort Beute und kehrten in getrennten Haufen zurück. Rom aber
war nun besser gerüstet, denn es hatte erneut schon 104 Marius zum Konsul
gewählt und diese Wahl in den Folgejahren wiederholt, ein unerhörter Vorgang.
Diese Ausnahme von der üblichen Rotation zahlte sich jedoch aus, denn Marius
konnte die Teutonen und Am-
bronen in Südgallien stellen und 102 bei Aquae Sextiae
(heute Aix-en-Provence) vernichtend schlagen. Im Jahr darauf wandte er sich
gegen die in die obere Poebene vorgedrungenen Kimbern und beendete ihren
Beutezug mit einem entscheidenden Sieg bei Ver-cellae (heute Vercelli). Seine
Popularität wuchs damit derart, dass er auch für das Jahr 100 ein sechstes Mal
zum Konsul bestellt wurde. Jetzt konnte er sein Versprechen einlösen, seine
Soldaten mit Land zu versorgen.
Weitere Reformpläne aber scheiterten am Widerstand der
Optimaten. Gestützt auf sein Heer hätte Marius sich leicht darüber hinwegsetzen
können, doch für einen derartigen Staatsstreich war er nicht der Mann. Er zog
sich verbittert aus der Politik zurück. Der soziale Konflikt aber brodelte
weiter. Im Jahr 91 versuchte der Volkstribun Marcus Livius Drusus (um 124-91)
die Wogen zu glätten durch ein Gesetz zur weiteren Landverteilung an die
Kleinbauern. Zugleich plante er wie Gaius Gracchus, auch den Bundesgenossen in
Italien das von diesen immer wieder geforderte römischen Bürgerrecht zu gewähren.
Wie sein Vorbild scheiterte der mutige Drusus mit beidem und wurde ermordet.
Daraufhin entlud sich die Erbitterung der Bundesgenossen in einem Aufstand
gegen Rom (siehe Kasten).
el Stabilisierung im Osten
Sulla und der erste Mithridatische Krieg (88-84)
Die Schwächung Roms durch den Bundesge-nossenkrieg war bis
an die Peripherie des Reiches zu spüren. Und wenn einer für günstige
Gelegenheiten ein entsprechendes Gespür hatte, dann war es König Mithridates
Vl. von Pontos (132-63), einem Land am südöstlichen Winkel des Schwarzen
Meeres. Er war schon in frühester Jugend um 120 an die Macht ge-kommen und
hatte seitdem seinen Einfluss in alle Richtungen ausgedehnt, im Norden bis
Armenien und auf die Krim, im Süden über große Teile Kleinasiens, so dass er
wichtige und ergiebige Fernhandelsstraßen kontrollierte. Die römische Krise
weckte seinen Appetit auf die Provinz Asia, wobei er sich im Bunde wusste mit
dem Hass der Griechen auf die römischen
Cinna
Kaum hatte Sulla sich nach Osten aufgemacht, kehrte sein
Feind und Popularen-Führer Marius nach Rom zurück. Mit ihm kam Lucius Cornelius
Cinna (130-84), der für das Jahr 87 zum Konsul gewählt worden war und Sulla
hatte schwören müssen, dass er den Kampf gegen die Marianer (Marius-Anhänger)
fortsetzen werde. Das versuchte Cinna in Sullas Abwesenheit zu hinter-treiben,
wurde aber entmachtet und aus der Stadt gewiesen. Gestützt auf den
volkstümlichen
Besatzer. Mit Freiheitsparolen und Versprechungen wie
Bodenreform und Schuldenerlass machte Mithridates Stimmung, entriss Rom 88 die
Provinz und griff auch nach Griechenland selbst.
In Rom hatte inzwischen ein Mann Karriere gemacht, der sich
schon mehrmals militärisch ausgezeichnet hatte: Lucius Cornelius Sulla
(138-78), politische Hoffnung der Optimaten, war für das Jahr 88 zum Konsul
gewählt worden, womit ihm automatisch der Oberbefehl über die gegen Mithridates
vorgesehenen Truppen zufiel. Kurz vor deren Einschiffung jedoch gelang es den
Popularen, einen Beschluss der Volksversammlung zu erwirken, der dem betagten
Marius das Kommando über-
Marius konnte er sich wieder nach Rom wagen und seine sowie
die Wahl seines Vorbilds Marius zum Konsul erreichen. Marius jedoch starb
wenige Tage nach Amtsantritt am 13.1.86, und Cinna beerbte ihn. Dreimal in
Folge wurde er zum Konsul gewählt und war damit praktisch Alleinherrscher in
Rom, wo er blutig mit den Sympathisanten Sullas abrechnete. Als dessen Rückkehr
drohte, mobilisierte Cinna ein Heer gegen ihn, wurde aber im Feldlager in
Ancona während einer Meuterei getötet.
trug. Doch die Zeiten der Trennung zwischen Militär und
Politik waren vorüber. Sulla setzte sein Heer gegen Rom in Marsch, das
eigentlich kein Bewaffneter betreten durfte, verjagte die Marius-Anhänger und
stellte die Autorität des Senats wieder her; Marius entkam mit knapper Not.
Obwohl die Lage damit noch bei weitem nicht bereinigt war, blieb Sulla keine
Zeit, da im Osten Roms Machtbasis auf der Kippe stand. Bei der sogenannten
Vesper von Ephe-sus waren im Jahr 88 viele tausend römische Siedler und Beamte
erschlagen worden.
Einigung am Hellespont
In Griechenland konnte Sulla schon 86 die abtrünnige
Hauptstadt Athen nehmen, bei Chai-ronea (West-Böotien) die aufständischen
Griechen und Truppen des Mithridates schlagen und nach Asien übersetzen. Dort
erreichten Sulla alarmierende Meldungen aus Rom, wohin Marius gleich nach
Sullas Abmarsch an die östliche Front zurückgekehrt war (siehe Kasten). Eilends
bot der Feldherr Mithridates Friedensverhandlungen an, die 85 in Dardanos an
der asiatischen Küste des Hellespont (heute Dardanellen) zu einem für beide
vorteilhaften Abschluss kamen. Mithridates musste seine Flotte ausliefern und
Kriegsentschädigungen zahlen, durfte aber König bleiben.
Als Sulla im Frühjahr 83 in Unteritalien mit seinem Heer von
40 000 Mann landete, versäumten es die Nachfolger Cinnas, beizeiten
Gegenmaßnahmen einzuleiten. So konnte der siegreiche Rückkehrer seine Truppen
ordnen und einflussreiche Förderer gewinnen wie den reichen Marcus Licinius
Crassus (115-53) und den jungen, vielversprechenden Gnaeus Pom-peius (106-48).
Sie schlugen die zersplitterten Kräfte der Popularen sowie die Truppen der
Bundesgenossen, die um das erst vor wenigen Jahren verliehene Bürgerrecht
fürchteten. 82 war Rom in Sullas Hand. Formal korrekt ließ er sich von der Volksversammlung
zum Diktator wählen, entgegen allem Brauch aber ohne
zeitliche Begrenzung. Opposition wurde brutal unterdrückt,
Männer, die mit Marius und Cin-na kollaboriert hatten, ließ Sulla durch
öffentlichen Anschlag (proscriptio) ächten und zu Tausenden hinrichten.
Plutarch (46 n. Chr.-120) berichtet:
„Da ließ Sulla etwa 6000 Männer in den Zirkus sperren und
berief den Senat in den benachbarten Tempel Bellona. Während er hier mit seiner
Rede begann, mussten seine Soldaten alle diese Leute niederhauen. Das
Jammergeschrei so vieler Menschen, die auf engem Raum hingemetzelt wurden,
drang natürlich bis zu den Senatoren. Da sagte Sulla, sie soll-ten lieber auf
seine Rede achten und sich nicht
darum kümmern, was draußen vor sich gehe. Es würden nur ein
paar böse Menschen gezüchtigt."
Entmachtung der Volkstribunen
Mag auch die Zahl übertrieben sein, so gibt die Darstellung
doch ein Bild vorn Terror, mit dem Sulla seine Herrschaft festigte. Dazu
gehörte auch die Beschlagnahme allen Eigentums der Geächteten, deren Land Sulla
an seine Veteranen verteilte. In der Hinterhand hatte er damit immer eine ihm
blindlings ergebene Reservearmee. Auch die Familien seiner Opfer trafen die
harten Strafen, indem sie alle Vorrechte verloren und aus dem politischen Leben
eliminiert wurden.
Politisch ging es Sulla in erster Linie um eine Stärkung des
Senats. Die abgeurteilten Gegner ersetzte er durch Leute seines Vertrauens und
verdoppelte die Zahl der Senatoren auf 600, indem er vor allem Männern aus dem
Ritterstand den Zugang öffnete. Das Volkstribunat dagegen wurde entmachtet, das
Vetorecht der Tribunen gegen staatliche Maßnahmen stark eingeschränkt. Außerdem
durften sie fortan nur mit Genehmigung des Senats Gesetzesvorlagen der
Volksversammlung zur Abstimmung vorlegen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht trat
Sulla 79 zurück (siehe Kasten).
Gekreuzigt an der Via Appia
Pompeius und Crassus als Erben Sullas (79-71)
Schon als 17-Jähriger nahm Gnaeus Pompeius im Jahr 89 am
Bundesgenossenkrieg teil, in dem er erstmals seine große militärische Bega-bung
zeigen konnte. Er bewies sie erneut bei der Rückkehr Sullas vom
Kriegsschauplatz im Osten, als ihm der Feldherr Abteilungen seines Heeres
anvertraute. Mit diesen Verbänden trug Pompeius wesentlich zum Sieg Sullas über
die Popularen bei, so dass ihn der inzwischen zum Diktator ernannte Sulla auch
mit der Bekämpfung der verbliebenen Anhänger des Marius in Sizilien und in der
Provinz Africa betraute. Pompeius löste diese Aufgabe in kurzer Frist und
erhielt nach anfänglichem Zögern von Sulla 79 die Genehmigung zu einem
Triumphzug. Ohne die übliche Ämterlaufbahn hatte Pompeius steile
Militärkarriere gemacht und
übernahm nach Sullas Rücktritt und Tod die Aufgabe, nun auch
gegen die Marianer in der Provinz Hispania vorzugehen. Seit 76 regierte er dort
mit prokonsularischen Befugnissen und schaltete die Gegner unter Quintus
Sertorius (123-72) in verlustreichen Kämpfen aus.
Kampfsportler gegen Legionäre
Sulla hatte sich bei seiner Rückkehr auch auf Marcus
Licinius Crassus stützen können, der in der Abwesenheit des Pompeius inzwischen
zu einem der einflussreichsten Männer Roms geworden war. Geschickter und
skrupelloser als andere Bürgerkriegsgewinnler hatte er sich enorme Werte der
geächteten und enteigneten Anhänger des Marius sichern können und war zum
wohlhabendsten Mann des Staates
aufgestiegen (Beiname Dives = der Reiche), der ganze Heere
aus eigenen Mitteln unterhalten konnte. Eines führte er gegen die
aufständischen Sklaven unter dem Gladiator Sparta-cus. Der gebildete
durchtrainierte Mann aus Thrakien war 73 zusammen mit einer Gruppe
Kampfsportler aus der Sklaverei geflohen und zog nun Unzufriedene aller Art an
sich, so dass sich nach einigen Berichten bald an die 200000 Mann um ihn
versammelt hatten. Sie zogen durch das Land und besiegten dabei mehrere
römische Legionen. An den Alpen machten sie Halt, und ein Teil verlief sich.
Nur Reste des Heerhaufens marschierten zurück nach Süden, von wo sie sich aus
Italien abset-zen wollten.
Dort aber war ein römisches Heer unter Lucul-lus (siehe
Kasten) gelandet und blockierte den Weg zu den Häfen, von Westen kam ein
weiteres unter Crassus heran und im Norden stand der zurückgekehrte Pompeius
mit seinen Trup-pen. Spartacus versuchte, den Ring gegen die Legionen des
Crassus zu durchbrechen, unterlag aber den taktisch geschickt geführten
Soldaten 71 in der Schlacht am Silarius zwischen Brundisium (Brindisi) und
Tarent. Spartacus und die meisten seiner Kämpfer fielen; nur 6000 ergaben sich.
Sie ließ Crassus zur Ab-schreckung entlang der Via Appia kreuzigen.
Reformen und Ruhmestaten
Verfassungskorrektur und Neuordnung Kleinasiens (70-62)
Hatte man in Rom erwartet, dass sich die Rivalität zwischen
Pompeius und Crassus zu Konflikten auswachsen würde, so sah man sich getäuscht:
Die beiden waren sich weitgehend einig. Obwohl sie nicht die übliche
Ämterlaufbahn absolviert hatten und Pompeius mit 36 Jahren eigentlich viel zu
jung war, erzwangen sie vor der Drohkulisse ihrer Truppen die Wahl zu Konsuln
für das Jahr 70 und machten sich an einen Rückbau der sullanischen Verfassung.
Eine der ersten ihrer Amtshandlungen betraf die Restriktionen im Volkstribunat.
Sie wurden mit einem Federstrich beseitigt und der alte Zuschnitt mit Vetorecht
und Gesetzesini-tiative wiederhergestellt. Auch das alleinige Recht des Senats
zur Besetzung der Gerichte
vor allem bei Prozessen um Erpressungsfälle wurde
abgeschwächt durch Zulassung von Rittern als Geschworene. Und ausdrücklich
bestä-tigten die beiden Konsuln die nach Sullas Tod wieder eingeführte
Getreidezuteilung an besitzlose Familien.
Im Anschluss ans Konsulat hätte es sich für Pompeius
angeboten, erneut als Prokonsul die Verwaltung einer Provinz anzustreben. Doch
seinem Ehrgeiz genügte das nicht. Ihn dürstete nach Feldherrnruhm und nach dem
Kommando im Osten gegen Mithridates. Dringender jedoch war zunächst der Kampf
gegen das Seeräuberunwesen im Mittelmeer (siehe Kasten). Erst danach konnte
Pompeius gegen den Willen des Senats aufgrund eines Volksbe-
schlussec 66 den zwar erfolgreichen, aber umstrittenen Lucullus
in der Führung der Operationen auf dem kleinasiatischen Kriegsschauplatz
ablösen. Es gelang ihm rasch, Bithynien zurückzugewinnen, Mithridates aus
Pontus zu verdrängen und dessen Armee zu vernichten. Von der Schwarzmeerküste
wandte Pompeius sich darauf nach Kappadokien, Kilikien, Syrien, Armenien und
Palästina.
Wirtschaftliche Belebung
Umsichtig schuf er 64/63 in den neuen Gebieten von Rom
abhängige Fürstentümer oder neue Provinzen wie eben Syrien, das damals auch den
heutigen Libanon umfasste. In den von Steuerpächtern ausgeplünderten Regionen
Kleinasiens setzte er die Abgaben herab und sorgte für wirtschaftliche
Belebung. Durch diese weitsichtige Politik erwarb er sich seinen Beinamen
Magnus (= der Große) und verschaffte der römischen Macht neuen Glanz, die nun
im Osten direkt an das Reich der Par-ther grenzte. 62 kehrte Pompeius nach
Italien zurück. Bei seinem großen Prestige glaubte er, in Rom leichtes Spiel zu
haben und entließ sein Heer. Verbittert musste er jedoch erleben, dass der
Senat nicht daran dachte, die Veteranen des nun machtlosen Pompeius, wie von
diesem versprochen, zu versorgen.
Den Staat im Griff
Crassus, Pompeius, Caesar — das Triumvirat (60/59)
Die Fundamente der römischen Republik brö-ckelten an allen
Ecken. Die Ämterlaufbahn wurde oft nicht eingehalten, Heerführer nutzten ihre
Truppen zu politischem Druck, Allein-herrscher wie Cinna oder Sulla hatten das
Kollegialitätsprinzip in der Staatsführung un-tergraben. Da witterten
politische Abenteurer Morgenluft wie der adlige, hochverschuldete Gaius lulius
Caesar (100-44), der als Anwalt gescheitert, Anhänger der Popularen und von
einem unbändigen Ehrgeiz getrieben war. Er wälzte Staatsstreichpläne, ließ sich
mit dubiosen Figuren wie Catilina (siehe Kasten) ein und fand im reichen
Crassus und im ruhmreichen Pompeius Gönner und ähnlich gesinnte Macht-menschen.
Diese nahmen ihrerseits den noch wenig profilierten Caesar nicht ganz ernst,
nutzten aber gern seine Energie und seinen Ideenreichtum. Im Jahr 60 trafen die
drei eine Vereinbarung: Sie wollten dafür sorgen, dass im Staat nichts
beschlossen würde, das einem von ihnen nicht gefiel. Dieses später sogenannte
Triumvirat (Dreimännerbund) setzte für das Jahr 59 Caesar als Konsul durch.
Lohn für soziale Amtsführung
Zu seinen ersten Aktivitäten gehörte die Vorlage eines
Ackergesetzes, das gegen den Widerstand des Senats angenommen wurde. Damit
konnte Caesar endlich die Versorgung der Ve-teranen des
Pompeius einlösen und obendrein noch 20 000 Kolonistenfamilien mit mehreren
Kindern auf dem Land ansiedeln. Die pompeia-nischen Regelungen in Asien wurden
zudem offiziell bestätigt. Weitere Gesetze galten dem Kampf gegen die
Korruption der Beamten, vor allem in den Provinzen. Alles in allem ein
Maß-nahmenbündel, das den bisher eher durch Skandalgeschichten bekannten Caesar
so po-pulär machte, dass ihm nach Ende seiner Amtszeit von der Volksversammlung
die Statt-halterschaft im diesseitigen Gallien (Gallia cis-alpina = Poebene bis
zu den Alpen) mit drei Legionen auf fünf Jahre angetragen wurde. Pompeius
sorgte dafür, dass der Auftrag auch
auf die Provinz Gallia Narbonensis (heute Süd-frankreich)
ausgedehnt und Caesars Heer um eine weitere Legion auf insgesamt etwa 25000
Mann aufgestockt wurde.
Die Verbindung zwischen Pompeius und Cae-sar erhielt auch
eine private Basis durch die Ehe des luliers mit der Pompeius-Tochter lulia.
Motiv des Feldherrn für so viel Fürsorge dürfte gewesen sein, dass er mit dem
ehrenvollen gallischen Auftrag den ehrgeizigen Schwie-gersohn aus Rom entfernte
und ihm trotzdem so eng verbunden blieb, dass er notfalls auf dessen Truppen
zurückgreifen konnte. Wer mochte wissen, ob es mit dem Senat oder aber mit
Crassus nicht doch irgendwann zum Zer-würfnis kommen würde?
1 Der Stratege als Stilist
Eroberung Galliens durch Caesar (58-52)
Es entsprach nicht Caesars Mentalität, das Erreichte und die
fast königliche Stellung in seinen Provinzen zu genießen. Er machte sich
sogleich an die Aufstockung seiner Streitkräfte und griff mit ihnen in die
Geschicke auch des jenseits seiner Grenzen liegenden Galliens ein. Er erkannte,
dass er sich hier eine unvergleichliche Machtbasis schaffen konnte, und nutzte
Konflikte unter den gallischen Stämmen oder mit den von rechts des Rheins
andrängenden Germanen zu Interventionen. Da die Römer nur „gerechte"
Kriege führen durften, suchte und fand Caesar dafür Begründungen und
entwickelte sich nicht nur zum exzellenten Strategen, sondern auch zum genialen
Propagandisten. Wir kennen den Verlauf seiner Operationen vornehmlich aus
seiner eigenen Schrift „De bella Gallico"(Über den gallischen Krieg), die
diesen Befund bestätigt und Caesar als großartigen Stilisten in beiderlei Sinn
aus-weist: Das Werk überhöht seine Leistungen ins Heldische und besticht
zugleich mit Präzision der Darstellung und Faktendichte.
Neue Provinz zwischen Rhein und Atlantik
Rom war mit den gallischen Haeduern ver-bündet. Als diese
durch die unter germani-schem Druck nach Süden abwandernden Hel-
vetier in Gefahr gerieten, hatte Caesar 58 den erwünschten
Vorwand zum Vorstoß nach Norden und Nordwesten. Er besiegte die Helvetier und
wandte sich anschließend gegen die germanischen Sueben unter ihrem Führer
Ario-vist, die nach Gallien vorgedrungen waren und nach Caesars Ansicht mit
ihrem Landhunger Roms dortige Position bedrohten. Die Römer schlugen den als
besonders finster und gewalttätig beschriebenen Germanenfürsten und sicherten
die von Caesar als strategisch enorm wichtig eingeschätzte Rheingrenze. Ihr
folgte er auch im nächsten Jahr 57 bei seinen „Befriedungs"-Zügen gegen
die angeblich verschwörerischen Belger (nach denen das Land noch heute heißt).
Weitere Stammeskonflikte
forderten bis 53 immer erneutes Eingreifen, so dass
schließlich das gesamte Gebiet zwischen Rhein und Atlantik in römischer Hand
war. Mit zwei Flottenvorstößen nach Britannien demonstrierte Caesar, dass auch
das Meer ihn nicht aufhalten konnte. Seinen Sieg akzeptierten die meisten
gallischen Stämme allerdings erst nach wiederholten Aufständen, die er bis 53
erstickte. Die inzwischen über fünf Jahre anhaltenden Feldzüge hatten das Land
schwer verwüstet und die Kraft der auch von blutigen internen Kämpfen
mitgenomme-nen Gallier erschöpft. Glaubte Caesar jedenfalls, bis ihm im
Folgejahr mit Vercingetorix erneut ein gallischer Gegner erwuchs (siehe
Kasten).
Verderbliche Ruhmsucht
Niederlage des Crassus gegen die Parther (55-53)
Entschlossen arbeiteten Pompeius und Caesar an ihren
Karrieren. Was aber war mit dem dritten im Bunde? Crassus schmückte zwar der
Ruhm, den Sklavenkrieg siegreich beendet zu haben, doch reichte der längst
nicht an den von Pompeius und inzwischen auch nicht an den des
Gallien-Eroberers Caesar heran. Pom-peius hatte wenig dagegen, dass Crassus sich
Lorbeeren im Osten verdienen wollte, war er damit doch für längere Zeit als
Rivale vor Ort aus dem Weg. Crassus versprach sich von einem Krieg gegen das
mächtige Reich der Par-ther (siehe Kasten) eine Beruhigung der östlichen
Provinzen und Satellitenstaaten sowie politischen Profit. Als Konsul des Jahres
55 begann er eine Expeditionsstreitmacht für seine orientalischen Pläne
auszurüsten. Über Kritik
an seinem militärisch wie politisch fragwürdigen Unternehmen
setzte er sich hinweg und brach Ende 55 von Brundisium (Brindisi) aus nach
Kleinasien auf.
In Antiochia übernahm Crassus die Statthal-terschaft über
die Provinz Syrien, bezog Quartier und eröffnete mit einem Vorstoß über den
Euphrat 54 die Feindseligkeiten. Feinde aber ließen sich so gut wie nirgends
blicken. Der parthische Großkönig hatte seine Rüstungen noch nicht
abgeschlossen und vermied im Vertrauen auf die Weite seines Landes den
Zusammenstoß. So konnte Crassus einige Städte in Mesopotamien einnehmen,
stationierte dort Besatzungen und zog sich in seine Provinz ins Winterquartier
zurück. Vielleicht war das der entscheidende Fehler, denn mit mehr Ent-
schlossen heit wäre womöglich die Tigrisgrenze zu erreichen
und zu sichern gewesen. So gewannen die Parther Zeit und gingen zum
Gegenangriff über, ehe Crassus erneut im Zweistromland erscheinen konnte. Sie
vernichteten seine Besatzungen in den Städten und schlugen seine armenischen
Bundesgenossen.
Rückzug im Pfeilhagel
Crassus wiederholte 53 seinen Vorstoß vom Vorjahr, traf nun
aber auf Gegenwehr, wenn auch nur auf hinhaltende, die ihn verleitete, den
Gegner bis tief in wüstes Gelände zu verfolgen. Erst dreißig Kilometer südlich
von Carrhae (heute Ruinenstätte in der südöstlichen Türkei) stellten sich die
Parther am 6.5.53 zur Schlacht. Zwar scheiterte ihr Versuch das römische
Zentrum zu durchbrechen, doch konnten sie einen Teil des gegnerischen Heeres
unter Publius, Sohn des Crassus, vom Gros trennen und niedermachen. Die
geschwächte römische Restmacht musste sich unter dem Pfeilhagel der parthischen
Bogenschützen nach Carrhae zurückziehen. Von dort versuchte Crassus ins
Bergland zu entkommen, geriet aber in eine Falle und erlitt dasselbe Schicksal
wie sein Sohn. 20 000 Römer waren gefallen, 10 000 gefangen und nur 10 000 nach
Antio-chia entkommen.
Über den Rubikon
Caesars Sieg im Bürger
Trotz der großen Beanspruchung in Gallien war Caesar über
die Geschehnisse in Rom stets auf dem Laufenden. In den letzten Jahren seiner
Statthalterschaft entwickelte sich die Lage dort ungünstig für ihn, denn
Crassus, bisher ein Gegengewicht gegen Pompeius, war bei seinem parthischen
Abenteuer umgekommen, und der Senat berief Pompeius im Februar 52 wegen
überhand nehmender krimineller Umtriebe zum alleinigen Konsul (consul sine col-lega)
mit außerordentlichen Vollmachten. Ganz legal war Caesars einstiger Verbündeter
zum ersten Mann im Staat geworden, der dafür sorgte, dass Caesar aus seinen
Provinzen abberufen wurde. Auch die privaten Bande gab es seit dem Tod der
lulia nicht mehr; Cae-
sar sah in Pompeius nicht mehr den Schwiegervater, sondern
nur noch den Rivalen.
Marsch auf Rom
Caesar weigerte sich daher sein Kommando abzugeben, ehe
nicht auch Pompeius auf Vollmachten und Truppen verzichtet habe. Natürlich wies
der Senat im Auftrag des Pompeius dieses Ansinnen zurück und beharrte auf der
Abberufung Caesars. Als das nichts fruchtete, erging Anfang 49 die
Kriegserklärung gegen den renitenten Statthalter. Mit dem sprich-wörtlich
gewordenen Satz „Alea iacta est"(der Würfel ist geworfen) überschritt
Caesar mit nur einer Legion den Grenzfluss Rubico (heute Rubicone, deutsch
Rubikon) zwischen seiner
Provinz Gallia cisalpina und dem südlicheren Italien. Bei
seinem Marsch auf Rom erhielt der inzwischen hochpopuläre Eroberer Zuzug von
allen Seiten; selbst Männer, die für das Senatsheer vorgesehen waren, liefen zu
ihm über. Pompeius geriet in aussichtslose Defensi-ve, räumte die Stadt und
setzte sich mit dem Gros der Senatoren nach Griechenland ab, wo er ein neues
Heer rekrutierte.
Mangels Flotte musste Caesar ihm eine Atempause gönnen und
nutzte sie für eine Expedition in die Provinz Spanien, die ihm nach schnellem
Vormarsch zufiel. Dann erst hatte er die nötigen Schiffe zusammen und setzte
mitten im Winter 48 nach Griechenland über, wo ihn Pompeius mit gut gerüsteten
Streitkräften erwartete und bei Dyrrhachium (heute Durrösi Albanien)
blockierte. Probleme mit dem Nachschub zwangen Pompeius zum Abzug nach Osten.
Caesar nahm die Verfolgung auf, stellte und schlug den Gegner im August
desselben Jahres bei Pharsalus (siehe Kasten). Pompeius entkam und floh nach
Ägypten, wo er von Hofbeamten getötet wurde, die sich damit den Dank des
triumphierenden Caesars verdienen wollten. Letzte Anhänger des Pompeius
besiegte Caesar 46 bei Thapsus südlich von Karthago und im Jahr darauf bei
Munda in Südspanien.
Arbeitsplätze
und Auszeichnungen
Alleinherrscher Caesar als Sozial- und Reichsreformer
(49-44)
Er wolle lieber Erster in einem Dorf als Zweiter in Rom
sein, soll Caesar einmal gesagt haben. Nun war er Erster in Rom schon seit 49,
als Senat und Konsuln vor ihm geflohen waren. Er ließ sich legal zum Diktator
bestellen, wobei er wie schon Sulla eine Befristung seines Auftrags vermied. Im
inzwischen weit gedehnten Reich, wäre mit einer Regierungszeit von einem halben
Jahr wenig auszurichten gewesen. Zugleich ließ er sich seit 48 Jahr für Jahr
zum Konsul wählen. Ernennungen und Ermächtigungen waren angesichts seiner
ständig gewachsenen Autorität nur noch Formsache. Ohne ihn kamen Beschlüsse
überhaupt nicht mehr zustande. Wenn das umfangreiche Reformwerk, das er ohne
Zweifel anstrebte, trotzdem Stückwerk blieb, dann wegen der hohen militärischen
Beanspruchung in den wenigen Jahren, die ihm nach Ende des Pom-peius noch
blieben. Es ist eher erstaunlich, wie viel Caesar dennoch auf den Weg brachte:
Als erklärter Anhänger der Popularen wollte Caesar das
Reformwerk der Gracchen vollenden und die sozialen Spannungen vermindern, die
das römische Zusammenleben belasteten. Anders als die Volkstribunen ordnete er
dafür an, was ihm wichtig schien: Einer großen Zahl der hauptstädtischen
Proletarier ließ er ebenso Land in neuen Kolonien in Italien, aber auch
in den Provinzen zuweisen wie seinen Veteranen, die ihn an
die Staatspitze getragen hatten. Durch einen großzügigen Ausbau Roms, eine
umfangreiche Regulierung des Tibers und die Erweiterung des Straßennetzes
sorgte er zudem für Arbeitsplätze und Einkommen. Die Zahl der Empfänger von
Gratis-Getreide in Rom konnte er so auf 150000 glatt halbieren.
Erweiterung des Senats
Neben der sozialen Frage beschäftigte Caesar die
Verbreiterung der Machtbasis Roms. Er wollte dem Staat für seine immer weiter
gespannten Aufgaben auch die besten Kräfte der Provinzen nutzbar machen und
verlieh allen
Julianischer Kalender
Terminus war bei den Römern ein Gott, doch sich auf einen
Termin zu einigen so einfach nicht. Der von den Griechen übernommene Kalender
ging nach dem Mond, weswegen die Jahre relativ zum Sonnenlauf rasch
zurückblieben. In unregelmäßigen Abständen wurden daher durch die Priesterschaft
Schaltmonate eingefügt, was bei den langen Kommunikationswegen immer wieder zu
Verwirrung führte. Bei der Verfolgung von Pom-peius hatte Caesar 48 in Ägypten
nicht nur die schöne Königin Kleopatra (69-30) kennen ge-
Männern mit ihren Familien das römische Bürgerrecht, die ins
Heer eintraten. Es wurde auf seine Weisung auch anderen verdienten
Persönlichkeiten aus fernen Reichsteilen, etwa Ärzten oder Wissenschaftlern,
zuerkannt. Ja, die Bewohner ganzer Städte, die sich für die römische Sache engagiert
hatten, wurden auf diese Weise ausgezeichnet. In ähnliche Richtung zielte
Caesars Erweiterung des Senats, dessen Reihen sich im Bürgerkrieg stark
gelichtet hatten. 900 Senatoren sollten es künftig sein, darunter auch
Wohlhabende aus den italischen Städten und fähige Provinziale. Und er gab dem
Reich eine einheitliche Zeitrechnung (siehe Kasten).
lernt, sondern auch den dort üblichen Sonnenka-lender. Im
Jahr 47 war das römische Jahr bereits 67 Tage vom tropischen Jahr entfernt, und
Caesar beschloss daher, jetzt einen Schnitt zu machen. Der ägyptische Astronom
Sosigenes arbeitete den Plan dazu für ihn aus. Das Folgejahr wurde durch
zusätzliche Monate verlängert, alle späteren auf 365 Tage und alle vier
(zunächst fälschlich drei) auf 366 (Februarverlängerung) festgelegt. Dieser
nach Caesar benannte Julianische Kalender war bis 1582 im Abendland in Geltung,
in einigen Ländern noch länger (z. B. Russland bis 1918).
Werk der Rache
Caesars Ende durch Mörderhände M 5.3.44)
Was unterschied Caesars Machtstellung noch von der eines
absoluten Herrschers oder Königs im antiken Sinn? Das fragten sich nicht nur
seine Gegner, sondern auch Menschen, die seine Leistungen und sein Genie
bewunderten. Der republikanische Gedanke, obschon durch Missbrauch ausgehöhlt,
war noch lebendig, und man verstand den Staat stärker als ein von der Mehrheit
getragenes Gemeinwesen denn als ein Machtinstrument weniger oder gar eines
Einzelnen. Mit Sorge sahen daher viele, dass Caesars Regierungsstil zu-sehends
monarchische Züge annahm. Er betonte seine altadlige Herkunft aus dem
Geschlecht der Julier, das sich auf den trojanischen Helden Aeneas
zurückführte; sein Geburtsmonat Quintilis wurde in Julius (Juli) umbenannt;
seine Statue wurde als lupiter lu-Iius in Tempeln aufgestellt; ein Forum lulium
entstand; das geplante Rathaus sollte Curia Julia heißen. Fehlte nur noch die
Krönung, die Caesar jedoch in Kenntnis der Volksstimmung ablehnte. Immerhin
wurde ein Senatsbeschluss vorbereitet, nach dem er außerhalb Italiens den
Königstitel führen dürfe.
Verderblicher Plan
Längst hatte sich gegen den inzwischen auf Lebenszeit
bestellten Diktator Caesar eine Ver-
schwörergruppe zusammengefunden um die Adligen Gaius Cassius
Longinus und Marcus lunius Brutus, der als seinen Urahn den legendären Brutus
nannte, der Rom von den etruskischen Königen befreit hatte. Ganz verborgen kann
das Komplott Caesar nicht geblieben sein. Jedenfalls hatte er vor, Rom
vorübergehend zu verlassen, vielleicht weil er die Stimmung beruhigen wollte,
vielleicht aber auch um neuen Ruhm an seine Fahnen zu heften. Er wollte dort,
wo Crassus gescheitert war, Roms Macht zur Geltung bringen: im Osten gegen die
Parther. Doch auch dieser Plan wurde ihm von den Verschwörern als weiterer
Schritt Richtung Monarchie ausgelegt, hieß es doch in den Weissagungen der
Sibyllinischen Bücher, dass nur ein König die Parther werde besiegen können. Es
kam nicht mehr dazu. Es kamen aber die Iden des Märzes (15.3.) 44, und Caesar
kam zur Senatsversammlung. Plutarch berichtet:
„Beim Eintritt Caesars erhob sich der Senat zur
Ehrbezeigung. Die Mitverschworenen des Brutus traten teils hinter Caesars
Stuhl, teils kamen sie von vorn heran. Da ergriff einer Cae-sars Toga mit
beiden Händen und zog sie ihm vom Hals; das war das verabredete Zeichen zum
Angriff ... Wohin Caesar blickte, begegnete er Dolchstößen und erhobenen
Klingen.
Gesicht und Augen wurden ihm durchbohrt. Er sank am
Fußgestell nieder, auf dem die Bildsäule des Pompeius stand. Diese wurde bei
dem Mord stark mit Blut bespritzt, so dass es schien, als leite Pompeius selbst
das Werk der Rache ..."
Vorzeichen
Dass sich um eine so dramatische Tat wie den Caesarmord
schon bald Legenden spannen, nimmt nicht wunder. Der Biograf Sueton (70 n.
Chr.-130) schildert, Caesar sei vielfach vorge-warnt gewesen. Er soll ein Tier
geopfert haben, dem das Herz fehlte; seine Frau Calpurnia habe in der Nacht vor
der Tat von der Katastrophe geträumt und ihn bestürmt, daheim zu bleiben; er
selbst habe sich im Traum über den Wolken schwebend an der Seite von Göttervater
Jupiter gesehen. Außerdem habe man Caesar auf dem Weg zum Senat eine
Schriftrolle mit den Einzel-heiten der Verschwörung gereicht, die er aber zu
späterer Lektüre einem Mitarbeiter gegeben habe. Zuletzt sei Caesar dem Seher
Spurinna begegnet, der ihn eindringlich vor den Iden des Märzes gewarnt hatte.
Auf ihn soll der Diktator zugegangen und abfällig gesagt haben: „Die Iden des
Märzes sind da!" Darauf Spurinna: „Da sind sie, aber noch nicht
vorüber!"
Ili
Entscheidungskampf Das 2. Triumvirat und die Caesarmörder
(44-42)
Die Verschwörer hatten sich ganz auf die Beseitigung des
Tyrannen konzentriert, aber so gut wie keine Vorsorge getroffen für die Zeit
danach. „Wiederherstellung der Republik" war als Programm etwas zu vage
und rechnete auch nicht mit der Reaktion derer, die von Caesars Diktatur
profitiert hatten. Trotz der Vorbehalte im Volk und stärker noch in den
se-natorischen Kreisen gegen sein monarchisches Gehabe, fehlte nun Caesars
Orientierung und Führungskraft schmerzlich. In das Machtvakuum stieß als erster
Marcus Antonius (82-30), langjähriger Vertrauter Caesars und Mitkonsul des
Jahres 44; er nutzte die Beisetzungsfeierlichkeiten zur Stimmungsmache gegen
die Mörder. Erstaunt mussten die Verschwörer feststellen, dass sie nirgendwo
auf Dank für ihre in so edler Absicht unternommene Tat rechnen konnten. Sie
setzten sich aus Rom ab, wo jetzt neben Antonius der noch nicht 19jährige
Großneffe und Adoptivsohn Caesars, Gaius Octavius, Ansprüche auf das politische
Erbe Caesars anmeldete.
Blutige Abrechnung
Er nannte sich nun, vom großen Toten testamentarisch
autorisiert, Gaius lulius Octavia-nus Caesar, kurz Octavian, und brachte so die
Veteranen des Getöteten auf seine Seite. Und
die Massen begeisterte er dadurch, dass er die ebenfalls im
Testament versprochene Auszahlung von 300 Sesterzen (etwa der Monatssold eines
Centurio) an jeden aus eigenen Mitteln ermöglichte, weil ihm Konsul Antonius
bisher die Herausgabe des Großonkel-Nachlasses verweigert hatte. Für einen
ernsthaften Konflikt
Cicero
Der glänzende Rhetor, Publizist, Philosoph und Politiker
Marcus Tullius Cicero stand Caesar kri-tisch gegenüber; an der Verschwörung
gegen ihn aber hatte er nicht teilgenommen. Das half ihm gegen dessen Rächer
allerdings wenig, die Cicero als entschiedenen Verteidiger der Republik kannten
und die sein unbestechliches Urteil ebenso fürchteten wie seine Rednergabe und
seinen Mut. Cicero bewies ihn im Senat durch scharfe Attacken gegen Antonius
und dessen offenbares Streben nach der Alleinherrschaft (14 sogenannte
philippische Reden). Hinzu kam Ciceros gescheiterter Versuch, die Rivalität
zwi-schen Antonius und Octavian zu schüren. Das verübelten sie ihm zusätzlich
und setzten ihn auf ihre Todeslisten. Am 7.12.43 fiel er ihren Häschern auf der
Flucht zum Opfer. Rom hatte einen seiner klügsten und kultiviertesten Köpfe
verloren.
aber war es noch viel zu früh, und so sorgte Octavian
zunächst dafür, dass er zum Konsul des Folgejahres gewählt wurde, und bahnte
dann Verhandlungen mit Antonius über die Bestrafung der Verschwörer an. Im
November 43 waren sie sich einig und nahmen als Dritten im Bunde Caesars
altgedienten Reiteroberst Lepidus (um 90-12 v.Chr.) auf. Dieses 2. Triumvirat
teilte die Macht im Staat für die nächsten Jahre unter sich auf und
veröffentlichte per Anschlag (proscriptio) wie einst Sulla Listen von
geächteten Gegnern, die nun zu Tausenden Opfer der Verfolgungen wurden,
darunter Cicero (siehe Kasten).
Zum Entscheidungskampf stellten Octavian und Antonius die
Truppen der Attentäter Brutus und Cassius im Herbst 42 im Norden des
makedonischen Philippi unweit des heutigen Kavalla. Octavian geriet gegen
Brutus schnell in eine bedrohliche Lage, doch konnte Antoni-us sich gegen
Cassius durchsetzen. Daraufhin eilte er dem bedrängten Verbündeten zur Hilfe, so
dass auch Brutus kapitulieren musste. Beide Caesarmörder wählten den Freitod.
Die Sieger teilten das Reich untereinander auf: Antonius erhielt den Osten,
Octavian sollte von Rom aus den Westteil regieren; Lepidus wurde mit Africa
abgespeist und schließlich bald ganz entmachtet.
Mars und Venus
Endkampf zwischen Octavian und Antonius (42-31)
Mit dem Untergang der Caesarmörder war der Bürgerkrieg noch
lange nicht beendet: Ägypten gehörte zum Machtbereich des Antonius, und Königin
Kleopatra (siehe Kasten) beeilte sich, dem in Tarsos (Kleinasien) residierenden
Römer ihre Aufwartung zu machen. Wunderdinge erzählen die Quellen von dem
Zusam-mentreffen der Macht und der Schönheit oder, mythologisch gesagt, von
Mars (Kriegsgott) und Venus (Göttin der Liebe). Den Prunk im einzelnen zu
beschreiben, mit dem sich Königin und Kriegsherr gegenseitig bewirtet haben
sollen, führt hier zu weit. Wenn nur ein Bruchteil davon zutrifft, was darüber
fabuliert worden ist, dann müssen Antonius und Kleopatra in einem Rausch der
Sinne versunken sein. Dass sie sich ihm nicht gänzlich ergeben konnten, lag an
Octavian, der nur darauf gelauert hatte, den Ostrivalen zu demontieren. Das
Kleopatra-Abenteuer kam ihm gerade recht, konnte er doch damit Stimmung gegen
Anto-nius machen, dessen Ehefrau in Rom hatte zu-rückbleiben müssen. Antonius
kümmerte das Gerede wenig. Er brachte seinerseits Gerüchte über homosexuelle
Neigungen des Gegners in Umlauf. Schließlich schien es ihm doch geraten, sich
wieder in der Welthauptstadt blicken zu lassen und damit seine dortige
Anhängerschaft zu stärken. Noch einmal gelang zwi-
schen den Kontrahenten ein Arrangement: Im Vertrag von
Brindisi legten sie ihre Streitigkeiten bei. Ende 39 verließ Antonius Rom
Seeschlacht bei Actium
Er zog über Athen 37 wieder nach Ägypten zu Kleopatra und
schenkte ihr ganze römische Provinzen; ihren 48 mit Caesar gezeugten Sohn
Kaisarion erkannte er ausdrücklich an. Das musste Octavian erbosen, der ja nur
von Caesar adoptiert war und sich nun einem legitimen Erben des großen
Diktators gegenüber sah. Die Waffen sollten nun doch sprechen. Im Sommer 32
verlegte Antonius seine Streit-macht nach Griechenland, von wo er zum
Sprung nach Italien ansetzen wollte. Er legte seine Flotte
in den sicheren Golf von Ambrakia an der griechischen Westküste südlich von
Korfu. Doch ehe er sich gesammelt hatte, war ihm Octavian zuvorgekommen und
hatte seinerseits den Sprung nach Griechenland gewagt. Von Norden rückte er
gegen die Stellung des Antonius bei Actium vor, während sein Ad-miral Marcus
Vipsanius Agrippa (63-12), die Ausfahrten aus dem Golf blockierte. Antonius saß
in der Falle. Beim Ausbruchsversuch am 2.9.31 verlor er seine Flotte, konnte
sich aber mit Kleopatra nach Ägypten retten. Dort er-eilte sie die Rache
Octavians; die Liebenden begingen Selbstmord.
Vater des Vaterlandes
Der Prinzipat des Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.)
Im Sommer des Jahres 29 konnte Octavian als nun alleiniger
Herr des Riesenreichs triumphierend in Rom einziehen. Seine absolute Autorität
wurde nicht nur nicht mehr beargwöhnt wie noch die seines Adoptivvaters,
sondern begrüßt. Es war offenkundig geworden, dass nur eine unangefochtene
Zentralmacht den inneren Frieden und die äußere Sicherheit würde stabil halten
können. Einen Rückweg zur Republik gab es zwar nicht mehr, aber jede neue
Herrschaft hatte sich in ihrer Tradition zu bewähren. Octavian verstand darunter,
dass er künftig als Erster Bürger (princeps) gemeinsam mit dem Senat die
Kräf-te von Volk und Reich bündeln und einen friedlichen Neuanfang gestalten
wollte. Volle vier Jahrzehnte sollte er dazu Gelegenheit haben und diese Frist
so nutzen, dass der Glanz seiner Herrschaft bis heute strahlt. Vielen Menschen
scheint es kein Zufall zu sein, dass die Zeitenwende nicht nur durch Christi
Geburt markiert wird, sondern auch durch den Höhepunkt der Herrschaft des
Augustus.
Militärmonarchie
Mit diesem Titel, zu deutsch „der Erhabene", stattete
der Senat Octavian aus, als er ihm die Macht, die dieser formal am 13.1.27 dem
Volk zurückgegeben hatte, wieder verlieh. Dazu ge-
hörte nun auch die prokonsularische Befehlsgewalt auf
zunächst zehn Jahre in den Provinzen Spanien, Gallien, Syrien und Ägypten, das
er selbst für Rom erworben hatte. In diesen Gebieten standen fast alle Truppen
des Imperiums und unterstanden damit allein ihm. Seine ohnehin unangefochtene
Macht ruhte da-mit auch auf der militärischen Säule. Im Jahr 23 kam noch die
Verleihung der lebenslangen tribunizischen Gewalt hinzu, mit der er jederzeit
Gesetze einbringen und durchsetzen konnte. Zudem war damit die heilige
Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) verbunden und der Auftrag, stets als Anwalt
des Volkes zu handeln. Diese umfassende Legitimierung krönte schließlich im
Jahr 12 v.Chr. die Würde des obersten Priesters (siehe Kasten).
Pontifex Maximus
Die ursprünglich beim König liegende zentrale Kultgewalt
wurde in der römischen Republik vom Kollegium der Pontifices (Priester,
wörtlich: Brü-ckenbauer [zwischen Menschen- und Götterwelt]) wahrgenommen. Zu
ihrer Zuständigkeit gehörte auch die Aufzeichnung der für den Staat wichtigsten
Ereignisse, die Verwahrung der Prozessformeln und das Kalenderwesen. Vorsitzender
des Gremiums war der Pontifex Maximus, der auf
Es lief alles auf eine Vergöttlichung des Staats-lenkers
hinaus, die Augustus für sich aber ablehnte. Gefallen aber ließ er sich 2
v.Chr. die Erhebung zum Vater des Vaterlandes (pater patriae), die ihn an die
Seite des Reichsgründers Romulus stellte und damit ebenfalls in sakrale Höhen
entrückte. Ebenso behinderte er nicht die Verehrung seines Geistes (genius),
wie sie in den Tempeln Roms üblich wurde. Darin wirkten Einflüsse aus dem
Osten, wo die Übergänge zwischen irdischer und himmli-scher Sphäre fließender
waren und die römische Nüchternheit nicht hemmend wirkte. Hier in Rom sah man
die enorme Machtfülle des ersten Kaisers (nach dem Namen Caesar gebildetes
Wort) vorerst noch als legale Ballung republikanischer Befugnisse.
Lebzeiten gewählt wurde (Caesar beispielsweise im Jahr 64,
nach dessen Ende 44 Lepidus). Da Politik und Religion eng verflochten waren,
verfügte der oberste Priester über einigen Einfluss. Für Augustus war die
Übernahme des Amtes nach dem Tod des Lepidus, seines einstigen Verbündeten im
2. Triumvirat, zur Abrundung seiner Macht wichtig. Bis ins 4. Jahrhundert
führten die Kaiser den Titel; in christlicher Zeit ging er auf die Autorität
des Bischofs von Rom, des Papstes, über.
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Neue bauliche Akzente für Horn durch Agrippa (27-12)
Die Bürgerkriege des 1. Jahrhunderts v.Chr. hatten zu einem
Stau von Bauvorhaben vor allem bei der Ausgestaltung der Welthauptstadt Rom
geführt. Sie legte Augustus in die Hände des Marcus Vipsanius Agrippa, der uns
schon als sein Flottenchef in der Schlacht bei Actium begegnet ist. Agrippa
wiederum sicherte sich die Hilfe des genialen Architekten Vitruvius (siehe
Kasten) und machte sich mit gewohnter Energie an die Arbeit: Das etwa 250
Hektar große Marsfeld (campus Martius) war jahrhundertelang Exerzier- und
Sportplatz. Dort, vor Eintritt des Flusses in die Stadt, badete die Jugend bis
zu Beginn des 1. Jahrhunderts v.Chr. im Tiber. Dann gab der Senat das Gebiet
zur allgemeinen Nutzung und damit zur Verschmutzung frei.
Agrippa mochte das nicht länger mitansehen und gestaltete den Platz zu einem -
modern gesprochen - Freizeitpark aus, indem er Garten- und Sportanlagen schuf,
diverse Gebäude, darunter das bis heute kaum veränderte Pantheon, errichten
ließ. Hauptattraktion wurden die Agrippa-Thermen, große Badeanlagen mit
Umkleide-, Aufwärm-und Abkühlräumen, Warmwasser- (caldarium), Kaltwasser-
(frigidarium)und Heißluftbad (py-riaterium). Nur das letztere ging zunächst in
Betrieb, als die Thermen 25 v.Chr. fertiggestellt waren, weil es noch an
Frischwasserzu-fuhr mangelte. Erst als im Jahr 19 die Aqua
Virgo genug Wasser lieferte, konnte die gesamte Anlage
genutzt werden.
Fußbodenheizung
Dieser neueste Aquädukt, den ebenfalls Agrip-pa erbauen
ließ, bot den Römern bestes Wasser aus den Sabiner Bergen. Die Leitung speiste
den Badesee (stagnum) und die 85 mal 135 Meter großen Thermen. Eine große (25
Meter Innendurchmesser) runde, kuppelüberwölbte Haupthalle mit direkter
Verbindung zum Pantheon bildete den Mittelpunkt. Hier spielte sich das
gesellige Leben ab, hier erörterten Pa-tienten mit ihren Ärzten die
Anwendungen, hier wurden Nachrichten ausgetauscht. Bildwerke in Nischen und
freistehende Skulpturen gliederten den Raum. Licht spendeten die Eingänge und
einige Fenster, erstmals mit Scheiben aus Flachglas. Türen führten zu den mit
Marmorfußböden ausgestatteten Bädern, zur Kasse und zu den Behandlungsräumen,
wo Öl erhältlich war und Massagen angeboten wurden. Man beheizte den Bau von
tiefergelege-nen Feuerungsräumen aus für die Wand- und Hohlfußbodenheizung
sowie für die Warmwasseraufbereitung. Aufwendige Systeme von Rohren für die
Wasserzufuhr (ca. 18000 Kubikmeter am Tag) und aus Rinnen für die Entwässerung
sicherten den Betrieb.
Epos der römischen Tugenden
Blüte der lateinischen Poesie im Zeitalter des Augustus
Nicht nur die Baukunst hatte unter der Revolution gelitten,
auch die Poesie kümmerte dahin; Ausnahme Catull (siehe Kasten). Zwar hatten
bedeutende Prosa-Stilisten wie der Redner Cicero, der Historiker Sallust und
der Diktator Caesar selbst Beachtliches publiziert, doch die „schöne' Literatur
erblühte erst wieder unter der Friedenssonne der augusteischen Epoche: Publius
Vergilius Maro (70-19), kurz Vergil genannt, schuf seit 29 mit der
„Aeneis" das große Epos der römischen Tugenden, versammelt in der Gestalt
des pflichtbewussten Helden Aeneas, angeblich durch seinen Sohn lulus Ahnherr
des Geschlechts der Julier, zu dem Caesar und Augustus zählten. Andere Völker
mögen kulturell noch so Wertvolles hervorbringen, heißt es bei Vergil, das
Imperi-
um müsse andere Prioritäten setzen. Und er fährt mit
direktem Bezug auf den Kaiser fort: „Du sei, Römer, bedacht, mit Macht die
Völker zu lenken -/ das ist die Kunst, die dir ziemt und sie zu gewöhnen zum
Frieden,/ mild dem gehorchenden Volk und dämpfend des Übermuts Willkür."
Natur- und Liebesstrophen
Befreundet mit Vergil war der Lyriker Quintus Horatius
Flaccus (65-8), verknappt Horaz genannt. Wie der Epiker, so war auch er von
Maecenas (70-8), Urbild aller Mäzene und Freund des Augustus, in dessen
Poetenkreis aufgenommen worden. Seine in Anlehnung an klassische griechische
Vorbilder verfassten „Oden" (Carmina) haben die lyrische Weltlite-
ratur nachhaltig beeinflusst. Horaz schrieb neben
kunstvollen Natur- und Liebesstrophen auch Dankgedichte an den Kaiser, dessen
maßvolle Politik die Künste wieder gedeihen lasse und dessen Herrschaft
weitgehend ohne Gewalt auskomme: „Solang August die Welt als Hort bewacht,/
wird nirgends blinde Wut sich Waffen schmieden;/ kein Bürgerkrieg, kein
Aufruhr, keine Macht/ zerstört fortan uns den geschenkten Frieden."
Etwas jünger und weniger staatsfromm war Publius Ovidius
Naso (43 v.Chr.-17 n.Chr.) oder kurz Ovid. Er hatte großen Erfolg mit
Liebesgedichten („Amores") und mit Liebesbriefen von Göttern und Helden
(„Heroides"). Aufsehen erregte seine Liebeskunst („Ars ama-toria"),
in der er Tipps zum Kennenlernen und zum Gewinnen eines Partners sowie zur
Stabilisierung der Bindung gibt; erotische Details sind zwar diskret und knapp
gehalten, doch waren sie wohl die eigentliche Sensation. Das sah zu seinem
Missfallen auch der auf Sittenstrenge bedachte Kaiser Augustus so und schickte
den Dichter im Jahr 8 v.Chr. in die Verbannung. Trotz vieler Eingaben durfte Ovid
nicht wieder nach Rom zurück. Mit seinem Hauptwerk, den „Metamorphosen",
schuf er ein farbiges Bild der griechisch-römischen Mythenwelt.
Gegen den Sittenverfall
Augustus und der Frieden (27 v.Chr.-14 n. Chr.)
So wichtig sein Adoptivvater Caesar für den Aufstieg des
Augustus gewesen war, so anders verstanden beide ihre Herrschaft. Nicht eine
Art hellenistischer Monarchie schwebte dem Neffen vor, sondern eine Erneuerung
des ur-sprünglichen Römertums, sittlich, kultisch und vom Gemeinschaftsgedanken
getragen. Entsprechend respektvoll als Erster unter Gleichen behandelte er die
Senatoren und überließ ihnen wichtige Verwaltungsaufgaben, ohne dass er
freilich die Zügel aus der Hand gab. Zu-gleich achtete er streng auf ihre
Eignung und entfernte Männer aus dem Gremium, die ihm unqualifiziert oder
bestechlich erschienen. Durch Ehegesetze und Vorschriften zur Lebensgestaltung
versuchte er Verschwendungssucht, Sittenverfall und Kinderlosigkeit in den
führenden Schichten zu bekämpfen. Damit hatte er wenig Erfolg, wie sich auch
Religiosität nicht kommandieren ließ, so dass es lediglich bei einer formalen
Wiederbelebung der alten Kulte blieb. Deren Erosion war bereits zu weit
fortgeschritten.
Die Bemühungen trugen dennoch insoweit Früchte, als das
römische Vorbild auf die Provinzen ausstrahlte, wenn auch vornehmlich auf die
westlichen, die wenig vom Hellenismus beeinflusst waren. Von dort, insbesondere
aus Spanien und Gallien, sollte bald der Nach-
wuchs für hohe Posten in Staat, Heer und Gesellschaft kommen.
Entscheidend dafür war auch, dass Augustus die senatorische Misswirtschaft in
den Provinzen brach, indem er nicht mehr ausgedienten Amtsträgern die dortige
Herrschaft überließ, sondern ein Berufsbeamtentum schuf, das dank fester Bezüge
und Aufsicht durch Ämter in Rom die Untertanen schonender behandelte.
Kaiserliche Legaten und Prokuratoren als Leiter der Finanzen lösten Prokonsuln
und Proprätoren ab.
Konzentration auf Grenzsicherung
So konsolidierte sich das Reich auch an der Peripherie, und
sie hatte damit teil am augus-teischen Frieden (pax Augusts oder pax Romana),
wenn auch nicht in dem Maß wie das
Kerngebiet und Rom selbst. Im Jahr 9 v.Chr. wurde ein Altar
des Friedens (ara pacis) auf dem Marsfeld geweiht, wo Augustus auch sein
Mausoleum errichten ließ (siehe Kasten). Er war eben kein Kriegsherr, und er
hielt das Volk für erschöpft von den unzähligen bewaffneten Konflikten der
letzten Jahrzehnte. Militär diente der Grenzsicherung, was manchmal auch
Vorschieben der Grenzen hieß, in erster Linie aber die ungestörte Entwicklung
des Staates garantieren sollte. Augustus setzte daher die Sollstärke des Heeres
auf 25 Legionen (mit fremden Hilfstruppen insgesamt etwa 300000 Mann)
Berufssoldaten herab und stationierte sie fast ausschließlich in den kaiserlichen
Provinzen; in Rom stand ihm nur die Leibgarde der Prätorianer zur Verfügung.
BI Puffergebiete im Norden
rrzl Bereinigung des Vorfelds in Germanien (16 v. Chr.-9
n.Chr.)
Wie schon an der Grenzsicherungspolitik gesehen, die
durchaus auch einmal offensiv betrieben wurde, war radikale Friedfertigkeit
selbst einem dezidierten Nichtsoldaten wie Augustus fremd. Nach seinem
Selbstverständnis hatte das Reich ein Recht zur Vorwärtsverteidigung und bei
Grenzverletzungen auch zu Strafexpeditionen. Im Osten kam der Kaiser den
Parthern gegenüber mit vertraglichen Regelungen aus. Im Norden dagegen mussten
erst noch sichere Auffanglinien gefunden werden. Die Grenze verlief den Rhein
hinauf durch die Alpen zur Adria, so dass ein Eindringen germanischer oder
keltischer Stämme selbst nach Italien nicht auszuschließen war. Erst die
Donaugrenze würde ein Vorfeld schaffen, in dem etwaige Vorstöße sich abwehren
ließen.
Zum Bodensee und nach Thüringen
Im Jahr 16 v.Chr. unternahmen daher die kaiserlichen
Stiefsöhne Claudius Drusus (38-9 v. Chr.) mit dem späteren Beinamen Germanicus
und Tiberius lulius Caesar (42 v.Chr.-37 n. Chr.), später Thronerbe, Feldzüge
bis zum Bodensee und zur oberen Donau. Die Provinzen Raetia und Noricum
(Österreich) wurden dabei dem Reich angegliedert. Doch auch die Rhein-grenze
schien Augustus nicht hinreichend sicher, da immer wieder germanische Einbrüche
im östlichen Gallien abgeriegelt werden mussten. Er nahm
daher die Rheingrenze ins Visier und ließ Drusus seit 12 v. Chr. vom Mittel-
und Niederrhein her zur nördlichen Elbe vorrücken. In dreijährigen Operationen
erreichten dessen Truppen die Saale in Thüringen. Als Drusus nach einem Sturz
vom Pferd starb, übernahm auch hier Tiberius das Kommando und vollendete die
Sicherung des Glacis. Die römischen Legionen kontrollierten damit auch das
Gebiet des heutigen Nordwestdeutschlands nördlich der Mittelgebirge.
Eine ganze Reihe germanischer Stämme, darunter auch die
Cherusker, gerieten unter römische Provinzialverwaltung und mussten
Hilfstruppen, oft auch Geiseln aus vornehmen
Familien stellen. Der Stamm der Markoman-nen im Maingebiet
unter ihrem König Mar-bod wich hingegen nach Böhmen zurück und gründete dort
ein erstes größeres germanisches Staatswesen. Wäre es nach Tiberius ge-gangen,
hätte es sich gar nicht erst entwickeln können, denn er plante bereits den
Angriff über die umgebenden Gebirgszüge hinweg. Als er im Jahr 6 n.Chr. seine
Verbände dazu umgruppierte, erreichten ihn jedoch Meldungen von Aufständen in
Illyrien (Dalmatien) und Pannonien (Ungarn, siehe Kasten). Alle Kräfte wurden
jetzt dort gebraucht. Marbod gewann eine Atempause, und die Germanen im bereits
römisch kontrollierten Gebiet witterten neue Chancen.
r interhalt
gegen die Übermacht
umph des Arminius über die Römer bei Kalkriese (9 n.Chr.)
Zum Eroberungsprogramm der Römer gehörte immer das Bemühen,
die Unterworfenen an die römische Kultur heranzuführen und damit eine innere
Bindung an das Reich herzustellen. Das geschah durch Rekrutierung von
Hilfs-truppen ebenso wie durch die Verbringung von Kindern und Jugendlichen aus
vornehmen Familien nach Rom. So erging es auch einem Fürstensohn der Cherusker,
den die Römer Ar-minius nannten; sein überlieferter deutscher Name Hermann
dürfte eine weit spätere Benennung sein. Um 18 v.Chr. geboren, kam er wohl
schon als Sechsjähriger nach Rom und blieb dort bis 7 n.Chr. Er trat in den
Heeresdienst ein und erwies sich als offenbar so talentiert, dass er die
Ritterwürde und das römische Bürgerrecht erlangte. Ein Sendbote des Römertums
aber wurde nicht aus ihm. Er kehrte zu seinem Stamm zurück, der zwischen Rhein
und Weser siedelte und nutzte sogleich die Unruhen in Pannonien (Ungarn) zum
Schmieden einer germanischen Widerstandsfront aus insgesamt elf Stämmen gegen
die Besatzer, gegen ihr Rechts- und vor allem gegen ihr Steuersystem.
Die Römer hielten sich aber vornehmlich in festen Plätzen
auf, und waren trotz der Schwächung durch Abgabe von Truppen an die Donaufront
kaum angreifbar. Eine Gele-
genheit bot sich erst, als drei Legionen (gut 20 000 Mann)
unter dem Befehlshaber Varus (siehe Kasten) im Jahr 9 n.Chr. von der Weser in
die Winterquartiere verlegt wurden. Doch auch auf dem Marsch auf
vorgezeichneten Wegen wäre ein Angriff gegen die materiell überlegenen Truppen
riskant gewesen. Mit einem Gerücht über römerfeindliche Ausschreitungen etwas
abseits der gewohnten Route lockte Arminius den Gegner in unwegsames Gelände,
wo sich dessen Reiterei nicht entfalten und die Germanen den
Überrumpelungs-effekt am besten ausnutzen konnten. In einer viertägigen
Schlacht wurden die Legionen fast vollständig vernichtet; Varus gab sich
verwundet den Tod.
Tödliche Falle
Wo sich die Katastrophe für die Römer abgespielt hat, ist
bis heute strittig. Viel spricht für den Ortsteil Kalkriese der Stadt Bramsche
im Osnabrücker Land. Die Bezeichnung „Schlacht im Teutoburger Wald" trifft
wohl nur hinsichtlich der dichten Bewaldung des Kampfgebiets zu, die aus dem
germanischen Hinterhalt die tödliche Falle machte. Trotz der ungeheuren
Verluste geriet die römische Macht allenfalls regional ins Wanken und wäre auf
Sicht auch rechtsrheinisch wieder zu festigen gewesen.
Unter dem Augustus-Nachfolger Tiberius jedoch, der Germanien
von der eigenen Kriegführung her genau kannte, setzte sich die Meinung durch,
dass die Rhein-Donau-Grenze für die Reichssicherung genüge. Von Arminius ging
zudem keine Gefahr mehr aus; er fiel im Jahr 21 einem Anschlag zum Opfer.
Publius Quinctilius Varus
Die römische Geschichtsschreibung ist sich einig im Urteil
über Publius Quinctilius Varus, den Verlierer der Schlacht gegen Arminius: Ihm
wird politisches, menschliches und militärisches Ver-sagen vorgeworfen.
Dahinter steckt aber eher eine Sündenbockstrategie. Zumindest teilweise, denn
der um 47 v.Chr. geborene Varus hatte sich als Statthalter in der an das
Partherreich grenzenden Provinz Syria (6-4 v.Chr.) durchaus in schwierigen
Situationen bewährt und sogar die Krise im von Rom abhängigen Judo nach dem Tod
des Königs Herodes (4 v.Chr.) entschlossen gemeistert. Wenn man ihm in
Germanien Fehlverhalten vorwerfen konnte, dann allenfalls insofern, dass er dem
Arminius als römisch erzogenem Fürsten trotz mancher Warnung zuviel Vertrauen
schenkte. Dadurch erst zog sich der mit einer Augustus-Nichte verheiratete
Varus das Image eines Versagers zu.
Mit Gift und Dolch
Die Epoche des Augustus-Nachfolgers Tiberius (14-37)
Je länger Augustus Roms Geschicke lenkte, desto besorgter
fragten sich die Menschen, wie es nach ihm weitergehen sollte, und am
besorgtesten fragte sich das der Kaiser selbst. Er hatte keine direkten
männlichen Nachkommen, in denen seine Tugenden nach römischem Ahnenglauben
weiterleben würden. Blieben die beiden von ihm adoptierten Söhne Livias (58
v.Chr.-29 n.Chr.), seiner dritten Frau, die er nach einer von ihm erzwungenen
Scheidung 38 geheiratet hatte: Tiberius, geboren 42, und Drusus, geboren 38 v.
Chr. Sie entsprachen auch nur in Maßen seinen Vorstellungen vom idealen
Nachfolger, waren aber wenigs-tens militärisch tüchtig. Die Wahl zwischen ihnen
entfiel dann, weil Drusus schon 9 v.Chr. bei einem Reitunfall umkam.
Obwohl Tiberius wegen seiner schroffen Umgangsformen wenig
beliebt war, rührte sich keinerlei Opposition gegen ihn im Senat, denn die
alles überstrahlende Autorität des Augus-tus verbot auch noch nach seinem Tod
jede Kritik an seinen Verfügungen. Unter dem nach der Adoption 4 v. Chr.
angenommenen Namen Tiberius lulius Caesar, der den aus der Familie der Claudier
stammenden Mann auch als Angehörigen der Sippe der Julier auswies, trat der
zweite Kaiser 14. n.Chr. sein Amt an. Es wurde erneut eine lange Regierungszeit
(bis
37), aber eine düstere, überschattet von politischem Mord
und üblen Intrigen. So konnten zwielichtige Figuren wie Seianus (20 v.Chr.-31
n.Chr.), Kommandeur der Prätorianer, ungeahnte Machtfülle gewinnen und eine Art
Nebenregierung aufbauen.
Aufstieg und Fall eines Günstlings
Diesem Gardepräfekten gelang es, den Kaiser, der sich in Rom
immer weniger wohl fühlte, im Jahr 27 zur Verlegung seiner Residenz auf die
idyllische Insel Capri zu verleiten. Dadurch
konnte Seianus in der Hauptstadt fast beliebig agieren und
tatsächliche wie angebliche Rivalen, auch solche aus der kaiserlichen Familie,
mit Gift oder Dolch beseitigen. Erst als Tiberi-us erkannte, dass der
Ehrgeizling auch vor Plänen nicht zurückschreckte, die ganze Macht („den
Purpur") zu usurpieren, ließ er ihm vom Senat den Prozess machen und ihn
mit seinen Kindern hinrichten; der Leichnam wurde zur Abschreckung öffentlich
ausgestellt. Von der pax Augusta im Innern des Reiches konnte keine Rede mehr
sein.
Prätorianer als Kaisermacher
Verfall der julisch-claudischen Dynastie (37-68)
Wer beim Tod des Tiberius aufgeatmet hatte, durfte das bald
bereuen: Da der als Nachfolger vorgesehene Claudius Germanicus schon 19 n. Chr.
gefallen war, kam nun dessen Sohn Gaius Caesar Augustus, geboren 12 n.Chr., zum
Zuge, besser bekannt unter dem schon als Kind empfangenen Spitznamen Caligula
(= [Soldaten-]Stiefelchen). Berüchtigt wurde er nach durchaus vernünftigen
politischen Anfängen durch wirre Fantasien und einen ausgeprägten
Verfolgungswahn. Er sah sich selbst als Gott und erstickte jedwede Kritik als
Lästerung im Keim durch Schauprozesse, in denen Todesurteile von vornherein
feststanden. Dass sein seit dieser Zeit als Cäsarenwahnsinn bezeichneter
Blutrausch nicht schlimmere Folgen hatte,
lässt sich nur mit der inzwischen erreichten Stabilität des
Reiches erklären. Der von Caligu-la schwer gedemütigte Senat und die
Prätorianer organisierten schließlich im Jahr 41 seine Ermordung.
Fatale Adoption
Hoffnungen auf eine Rückkehr zur Republik aber erfüllten
sich nicht. Die Garde erhob den schon fünfzig Jahre alten Claudius, einen Onkel
des Kaisers, zum Nachfolger. Gegen die Elitetruppe wagte niemand
einzuschreiten. Der neue Kaiser erwies sich als besonnener Regent, der
allerdings eine blühende Günstlingswirt-schaft entwickelte und Verwaltungsaufgaben
mit Vorliebe seinen Freigelassenen übertrug
die ihm besonders verpflichtet waren; der Senat geriet
erneut an den Rand. Vielleicht ist auf diesen Einfluss die von Claudius
verfügte Besserstellung der Sklaven zurückzuführen. Verdienste erwarb sich der
Kaiser als Bauherr zweier Aquädukte (siehe Kasten). Viermal war er verheiratet,
darunter mit der sittenlosen Messalina, die er 48 hinrichten ließ und danach
mit Agrippina, die den damals elfjährigen Sohn Lucius Domitius Ahenobarbus
(Ge-schlechterbeiname „Rotbare) in die Ehe mitbrachte. Sie beseitigte ihren
Mann 54 durch Giftmord, damit der vom Kaiser adoptierte Sohn die Nachfolge
antreten konnte.
Der als Kaiser Nero genannte junge Mann, „dankte" es
ihr, indem er sie 59 seinerseits aus Angst vor ihren Machtgelüsten umbringen
ließ und auch sonst vor politischem Mord nicht zurückschreckte. Trotz einiger
außenpolitischer Erfolge eskalierte der Konflikt mit dem Senat, der Neros
Prunksucht und Schulden-wirtschaft missbilligte. Obwohl der Kaiser beim Ausbruch
des großen Brandes von Rom im Jahr 64 in Antium kurte, wurde dem
Möchtegern-Dichter und -Sänger die Brandstiftung und der Tod zahlloser Bürger
angelastet. Doch erst als selbst die Prätorianer den Despoten fallen ließen,
war Nero 68 am Ende und gab sich selbst den Tod.
Zeitgemäß brutal
Der Brand, die Christen und der kaiserliche Prunk
Dass Nero beim Ausbruch des verheerenden Brandes in Rom 64
sozusagen ein Alibi hatte, konnte die Gerüchtmaschine nicht stoppen. Er hatte
ja seine Leute, allen voran Gaius Ofonius Tigellinus, den seit 62 amtierenden
skrupellosen Prätorianerpräfekten. Der würde schon dafür gesorgt haben, dass
die kaiserliche Weisung zur Brandstiftung unauffällig ausgeführt wurde. Dass
ein Herrscher sofort an den Ort einer derartigen Katastrophe eilt, ist
eigentlich selbstverständlich, doch Nero wurde auch dies als
Schuldeingeständnis ausgelegt, zumal er das Geschehen vom Maecenas-Turm aus
fasziniert beobachtet und dabei begeistert Verse vom Untergang Trojas rezitiert
haben soll. Man traute ihm zu, dass er die Hauptstadt abfackeln ließ, damit er
sich als Erbauer einer neuen profilieren und sie womöglich auch noch nach sich
benennen lassen konnte. Dass er sich ein großes Areal für seinen gigantischen
neuen Palast (siehe Kasten) reservierte, nährte den Verdacht weiter.
Menschliche Fackeln
Und dass er sogleich Schuldige für den Brand präsentierte,
machte ebenfalls stutzig: Die „Christen" sollten die Feuerteufel gewesen
sein, eine kleine Sekte aus dem Osten, aufgebaut von zwei wortgewaltigen jüdischen
Män-
nern namens Paulus und Petrus und inzwi-schen mehrere
Tausend Mitglieder stark. Nun gibt es Berichte, dass viele Christen
Geständnisse abgelegt hätten, keineswegs nur solche, die unter der Folter
erpresst worden waren. Manche dieser religiösen Eiferer sahen augen-scheinlich
im Feuer ein Flammzeichen dafür, dass ihr Gott Christus nun bald zum Jüngsten
Gericht erscheinen werde und dass alles Irdische mithin ohnedies eitel sei und
der Verdammnis anheimfallen werde. Insofern ist es
zumindest problematisch von einer auf Rom beschränkten
Christenverfolgung unter Nero zu sprechen, auch wenn viele Menschen zeitgemäß
brutal hingerichtet wurden; einige ließ man als Pech-Fackeln in den
öffentlichen Gärten verbrennen, andere im Circus von Hunden zerreißen, wieder
andere kreuzigen. Nach christlicher Überlieferung sollen auch die beiden
genannten Gemeindeführer oder Apostel (= Sendboten Gottes) Opfer der
kaiserlichen Justiz geworden sein.
Erneuerung des Prinzipats
Herrschaft der flavischen Kaiser (69-96)
Mit Nero war das julisch-claudische Kaiserhaus erloschen,
das nach dem großen Augus-tus nur mäßig begabte bis unfähige und vor allem
unwürdige Herrscher hervorgebracht hatte. Zu mehr als mörderischem Einschreiten
aber hatte sich auch der Senat nicht aufraffen können und die Initiative mehr
und mehr den Prätorianern überlassen. Dagegen machte das Heer in den
kaiserlichen Provinzen Front: Die Offiziere waren nicht mehr bereit
hinzunehmen, dass über die Thronfolge allein in Rom entschieden wurde und dass
ihnen Misswirtschaft und Willkürherrschaft die Basis entzogen. Gegen den
Prätorianer-Kandidaten Mar-cus Salvius Otho, geboren 32, der als Ehemann der
Nero-Geliebten Poppaea Karriere gemacht hatte, stellten sie erst den
Mittsechziger Sulpi-cius Galba aus Spanien auf und nach dessen Scheitern den
zehn Jahre jüngeren AulusVitel-lius von der Rheinarmee.
Frische Kraft aus den Provinzen
Dieser konnte sich zwar gegen Otho durchsetzen, nicht aber
reichsweit, denn in der Provinz Syria erhoben die Legionen ihren
sechzigjährigen Oberbefehlshaber Titus Flavius Vespasianus zum Kaiser, den auch
der Senat insgeheim favorisierte. Er besiegte Vitellius 69 und war damit der
vierte Herrscher in nur ei-
nem Jahr. Anders als seine adligen Vorgänger stammte
Vespasian aus bürgerlicher italischer Familie. Toleranz, Einfachheit und
Ordnung zogen bei Hofe wieder ein und stabilisierten die Herrschaft des
zupackenden Soldaten. Er berief sich bewusst auf die Tugenden des Au-gustus,
dessen Idee von der Herrschaft eines Ersten unter Gleichen (Prinzipat) er
erneuerte, indem er mit dem Senat vertrauensvoll zusammenarbeitete. Durch
politischen Mord war das Gremium freilich dezimiert worden; Ves-pasian ergänzte
es bevorzugt durch verdiente Männer aus den Provinzen.
So kam frische Kraft nach Rom, wo die Menschen aufatmeten
und dem Kaiser wie seinem 79 nachfolgenden Sohn Titus dankbar waren.
Trotz aller Sparsamkeit sorgten beide Kaiser für die
Verschönerung der Hauptstadt (u.a. Wiederaufbau des zerstörten Kapitols) und
für Zerstreuung. Der Stern des flavischen Kaiserhauses begann zu sinken, als
nach dem Tod des erst 41-jährigen Titus im Jahr 81 sein jün-gerer Bruder
Domitian, geboren 51, den Thron erbte. Er kehrte zurück zum hellenistischen
Herrscherideal und pflegte seine Verordnungen mit der Formel einzuleiten: „Euer
Herr und Gott befiehlt euch!" Das musste trotz umsichtiger sonstiger
Politik zu Spannungen mit dem Senat führen und im Volk böses Blut machen. Eine
Palastrevolution beseitigte den Tyrannen nach anderthalb Jahrzehnten zunehmend
blutiger Herrschaft im Jahr 96.
Brot und Spiele
Massenunterhaltung in der frühen Kaiserzeit
Aus kultisch-szenischen Anfängen entwickelte sich schon zu
Zeiten der Republik eine rasch wachsende Unterhaltungsindustrie in Rom und in
bescheidenerer Form auch in den Provinzen. Politiker nutzten das breite
Interesse an Bühnenstücken (ludi scaenici), Wagenrennen (ludi circenses),
Gladiatorenkämpfen (mu-nera) und Tierhetzen (venationes), sich durch solche
teuren Veranstaltungen beliebt zu machen. Später übernahmen diese Lustbarkeiten
die Funktion, das stets unruhige, nicht selten darbende Volk bei Laune zu
halten und von den Nöten des Alltags abzulenken. Der Dichter Juvenal (um
60-128) brachte diese Strategie auf die Formel: Man gebe den Leuten „Brot und Spiele"
(panem et circenses).
Klarer Favorit beim Publikum war der Kampf auf Leben und Tod
von Gladiatoren (gladius = Schwert) oder von möglichst exotischen und
gefährlichen Tieren zunächst auf dem Forum, später im sogenannten Kolosseum
(siehe Kasten S. 96). Besonders beliebt waren bizarre „Paarungen" wie
einer gegen mehrere, Tiere gegen Menschen, Löwe gegen Elefant, ganz
unterschiedlich Bewaffnete gegeneinander, Riesen gegen Zwerge. Es wurde hoch
auf Sieg gewettet, mitgefiebert, kommentiert und dis-kutiert, gejohlt beim
elenden Verrecken der Verlierer und gemurrt bei zu ruhigem oder zu schnellem
Sterben. Die Veranstalter flankierten das grausige Geschehen oft noch mit
Hin-richtungen von Verurteilten in „fantasievol-
ler" Form. Am Ende eines Kampftages türmten sich die
menschlichen und tierischen Kadaver.
Keilereien auf den Tribünen
Nicht ungern sah das Volk auch tödliche Unfälle bei
Wagenrennen im Circus Maximus, doch stand dort natürlich eher die Dramatik der
rasenden Wettfahrt der Gespanne im Vor-dergrund. Das Lenken der meist von vier
Pfer-den gezogenen Zweiradwagen erforderte hohes Geschick vor allem an den
Wendemarken. Stürze und Massenkarambolagen waren an der Tagesordnung,
Keilereien auf den Tribünen un-ter den Anhängern der farblich gekennzeich-neten
Parteien ebenfalls. Fähige Fahrer strichen enorme Honorarsummen ein und wurden
angehimmelt wie heute Popstars.
Schauspieler waren zwar oft nicht weniger be-liebt, galten
aber gesellschaftlich so wenig wie Gladiatoren. Vor allem weibliche Mimen
rückte man in die Nähe von Prostituierten, da die drastischen, manchmal auch
obszönen Stücke oft Nacktszenen vorsahen. Der Massenge-schmack hat sich da seit
damals als recht stabil erwiesen, auch was die sündhaft teure Aus-stattung und
die eingängige Begleitmusik angeht. Die Ansprüche an die literarische Qua-lität
der Stoffe und Texte hingegen blieben bescheiden.
Zerstörung
Jerusalems
Der römisch-jüdische Krieg (66-73)
Eine der unruhigsten Regionen des römischen Weltreichs war
Judäa (Palästina), das 6 n.Chr. der Provinz Syria zugeschlagen worden und damit
unter stärkeren griechischen Kulturdruck geraten war. Die Zeiten, als König
Hero-des (regierte 37-4 v.Chr.) im Auftrag seines Freundes Augustus für einen
einigermaßen friedlichen Ausgleich gesorgt hatte, waren vorbei. Die religiösen
Differenzen zwischen dem Eingott-Glauben (Monotheismus) der Ju-den und der
vielfältigen griechisch-römischen Götterwelt (Polytheismus) traten immer
stärker zu Tage, wozu die Selbstvergöttlichung von Despoten wir Caligula nicht
unwesentlich beigetragen hat. Im Jahre 66 entlud sich der Hass auf die römische
Fremdherrschaft in einem bewaffneten Aufstand, befeuert von den radikalen
Forderungen der Zeloten („Eiferer") nach Unabhängigkeit.
Unmittelbarer Anlass war der Befehl des verschwendungssüchtigen
Kaisers Nero, aus Tempeln Wertgegenstände nach Rom abzuliefern. Dass der Tempel
in Jerusalem und der dortige Schatz einen ganz anderen Stellenwert im jüdischen
Glauben hatten als die zahllosen Heiligtümer der diversen Kulte, begriffen die Besatzungsbehörden
vor Ort nicht, und der sich für mindestens halbgöttlich haltende Kaiser
verstand es schon gar nicht. Die Waffen muss-
ten sprechen: Mit zwei Legionen tauchte 67 der spätere
Kaiser Vespasian in Palästina auf, dem sich sein Sohn Titus mit einer weiteren
Legion aus Ägypten anschloss, so dass schließlich rund 60 000 gut geschulte
römische Soldaten gegen versprengte jüdische Guerillahaufen im Feld standen.
Wir sind über den Krieg durch einen Teilnehmer gut unterrichtet: Josef ben
Mathitjahu, der als Historiker Flavius Jose-phus berühmt wurde (siehe Kasten).
Selbstmorde nach Losentscheid
Der dem Vater im Kommando folgende Titus erwies sich als ein
zu allem entschlossener Stratege, der den Krieg zum siegreichen Ende führte. Im
Jahr 70 eroberten seine Legionen
Jerusalem, zerstörten Stadt und Tempel und damit den
religiös-kultischen Rückhalt der Aufständischen. Im Prinzip war der jüdische
Krieg mit dem Untergang der Hauptstadt entschieden. Nur die Festung Masada
ergab sich nicht; sie verfügte über große Vorräte und war vom Gelände her für
die Belagerer eine fast unknackbare Nuss. Erst nach drei Jahren waren die
Verteidiger am Ende. Doch sie ergaben sich immer noch nicht. Als die Römer
schließlich die Mauern bezwangen, fanden sie nur noch eine Handvoll
Überlebender der ursprünglich 960 Menschen in Masada und Scherben mit
eingeritzten Namen vor. Es waren die Lose, die über die Reihenfolge bestimmt
hatten, in der die Verteidiger Selbstmord begangen hatten.
Wie eine Momentaufnaime
Der Untergang der Landstadt Pompeji (2£ 8 9
„Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das
den Nachkommen so viel Freude gemacht hat", notierte Goethe, nachdem er am
13.3.1787 die ersten freigelegten Areale der antiken Stadt Pompei (heutige
Schreibung: Pompeji) besucht hatte. Weiter heißt es: „Ich weiß nicht leicht
etwas Interessanteres. Die Häuser sind klein und eng, aber alle inwendig aufs
zierlichste gemalt. Das Stadttor merkwür-dig, mit den Gräbern gleich
daran." Pompeji war neben Herculaneum und Stabiae dem ver-heerenden
Vesuv-Ausbruch vom 24.8.79 zum Opfer gefallen und ist seit der Goethezeit
all-mählich, seit 1860 systematisch von Archäologen ausgegraben worden. Die
Städte befanden sich nach einem Erdbeben im Jahr 62 in einer
Phase des noch nicht abgeschlossenen Wie-deraufbaus. Das
seit 80 v.Chr. als römische Ko-lonie und Handelsstadt florierende Pompeji war
mit rund 16000 Bewohnern der bei weitem größte der betroffenen Orte.
Von Gehsteigen gesäumte Straßen
Die Katastrophe hat ihn wie in einer Moment-aufnahme mitten
im emsigen Treiben gebannt und erlaubt uns Einblicke ins altrömische Leben, wie
sie aus keiner schriftlichen Quelle zu gewinnen wären. Eine drei Kilometer
lange Mauer mit sieben Toren und elf Türmen um-gürtet die Stadt. Aus dem rechtwinkligen
Stra-ßennetz hebt sich im Südwesten der alte Stadtkern heraus mit dem
Apollo-Tempel, dem
Forum und einigen öffentlichen Gebäuden. Östlich
anschließend ein offenes und ein ge-decktes Theater (Odeon) sowie ganz im Osten
ein großes Amphitheater. Es gibt mehrere Thermen und öffentliche Toiletten;
einige Häuser haben offenbar als Bordelle gedient. Die Straßen sind mit
Lavablöcken gepflastert und von Gehsteigen gesäumt. Ein Aquädukt stellte die
Wasserversorgung sicher. Einige herrlich farbig ausgemalte und mit Skulpturen
und Mosaiken geschmückte Häuser belegen, dass reiche Römer hier Landsitze
hatten.
Funde von Geräten, Gefäßen oder Geschirr ver-mitteln ein
Bild vom städtischen Alltag. Ebenso aufschlussreich sind Wandinschriften (siehe
Kasten). Das Bild der Stadt am noch schiffbaren Sarno prägten zu römischer Zeit
Kaufleute und andere Gewerbetreibende. Bezeichnend für die Weltzugewandtheit
der Pompejaner ist, dass Venus offenbar ihre Hauptgottheit gewesen ist. Manche
mögen die Vulkaneruption später als Ausbruch eifersüchtigen Zorns der anderen
Götter gedeutet haben, die sich durch die Venus-Verehrung zurückgesetzt
fühlten. Es wird aber auch christliche Stimmen gegeben haben, die das Schicksal
Pompejis dem von Sodom und Gomorrha an die Seite stellten als Menetekel für das
sittenlose Treiben einer gottvergessenen Gesellschaft.
Neue Blütezeit
.; Die Adoptiv aiser Trajan und -adrian (98-117)
Schon der griechische Philosoph Platon (427347) hatte in
seinem Werk „Politeieden idealen Herrscher als Philosophen entworfen, also die
Staatsführung nur dem zubilligen wollen, der über höhere Einsichten verfügt.
Diese Idee von der Auswahl des Besten für das Regieren lebte nach dem
Schreckensregiment des Do-mitian wieder auf. Die Rückkehr zu republikanischen
Zuständen erschien den maßgeblichen Männern Roms utopisch, die Idee jedoch,
einen weisen, integren Kaiser zu berufen, leuchtete ein. Die Wahl fiel auf den
bereits 66-jährigen Nerva, dessen Hauptaufgabe darin bestand, in der ihm
verbleibenden Lebenszeit einen würdigen und fähigen Nachfolger zu adoptieren;
die erbliche Thronfolge war durch
Hadrianswall
Schon Caesar hatte Erkundungsvorstöße auf die britischen
Inseln unternommen. Zur römischen Provinz Britannia wurde das Gebiet des
heutigen England seit dem Eroberungszug unter Kaiser Claudius 43 n.Chr. Nach
zeitweiligem Vordringen bis Schottland zogen sich die Römer auf eine Stellung
zurück vom heutigen Solway Firth im Osten über Newcastle bis zur Tyne-Mündung
im Westen. Diese Linie wurde auf Befehl von Kaiser Hadrian, der die Gegend
inspiziert hatte, seit 122
die Kaiser der julisch-claudischen wie der fla-vischen
Dynastie gründlich diskreditiert. Nerva berief den aus Südspanien stammenden,
53 geborenen Marcus Ulpius Traianus, kurz Trajan genannt. Mit ihm begann die
Reihe der Adoptivkaiser und eine neue Blütezeit des Reiches. Nach Nervas Tod 98
übernahm der tatkräftige und als Heerführer erfahrene Trajan die Zügel. Mit
seinem provinzialen Hintergrund hatte er eine sehr andere Perspektive als die
römischen Vorgänger, kannte die zentrifugalen Kräfte und wusste, wie wichtig
kompetente Leute auch und gerade in den außeritalischen Gebieten waren. In
enger Zusammenarbeit mit dem Senat, dessen Rechte auf Auswahl der Beamten und
Bestellung von Provinzverwaltern er
mit einem vier bis fünf Meter hohen und drei Meter breiten
Erd- oder Steinwall (Valium Hadriani) gegen die schottischen Pikten gesichert.
Im Abstand von einer römischen Meile (knapp anderthalb Kilometer) unterbrachen
die mit Wachttürmen bestückte Befestigung 80 Tore, an denen Reisende
kontrolliert und Zölle erhoben wurden. Vor dem Wall verlief ein mit spitzen
Hindernissen gespickter Graben, dahinter eine Militärstraße, die eine rasche
Verlegung von Truppen und Gerät ermöglichte.
stärkte, machte sich der Kaiser an die Sicherung des Reiches
durch Straßen-, Kanal- und Befestigungsbauten sowie durch strategische
Erweiterung: 106 konnte er das Reich der Na-batäer (heutiges Jordanien/Arabien)
sowie die Provinz Dacia (etwa Rumänien) angliedern; bis zu seinem Tod im Jahr
117 kamen noch Armenien, Assyrien und Mesopotamien (Irak) hinzu. Das Imperium
erreichte damit seine größte Ausdehnung.
Defensive Politik
Wohl wichtiger noch wurde Trajans letzte Amtshandlung auf
dem Sterbebett: Er adoptierte den ebenfalls aus Spanien kommenden Publius
Aelius Hadrianus oder kurz Hadrian, Jahrgang 75. Obwohl militärisch gut
ausgebildet, setzte der zwei Jahrzehnte (bis 138) regierende Hadrian ganz auf
Friedenspolitik und Reisediplomatie, gab die Eroberungen Trajans östlich des
Euphrats auf und ließ den nach ihm benannten Grenzwall im Norden der Provinz
Britannia anlegen (siehe Kasten). Er reformierte das Heer (Verringerung der
Sollstärke, Anwerbung fremder Hilftruppen), förderte den Straßenbau, senkte die
Steuern und errichtete in Rom einen Neubau des Pantheons sowie das Mausoleum
Hadriani (heute: Engelsburg); in Athen ließ er das Olympeion errichten.
Bedeutender Wirtschaftsfaktor
Gesellschaftliche Stellung unc Behandlung der Sklaven
Durch die Siege Trajans wurden noch einmal große Mengen von
Kriegsgefangenen versklavt, auf den Märkten verkauft (größter in Delos) und auf
den Gütern der Reichen oder in Manufakturen und Bergwerken eingesetzt. Die
nicht als Personen, sondern als Sachen angesehenen rechtlosen Menschen bildeten
den Bodensatz der römischen Gesellschaft, machten zeitweilig über ein Drittel
der Bevölkerung aus und waren ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Zu Sklaven
(servi) wurden ja nicht nur Gefan-gene gemacht, sondern auch überschuldete
Freie, zu Sklaverei verurteilte und von Menschenjägern (Piraten) auf den
Sklavenmärkten verkaufte Personen. Hinzu kam ihr Nach-wuchs, den sie trotz
Eheverbots bekamen und der qua Geburt Sklavenstatus hatte.
Stärkung der Arbeitsmoral
Generelle Aussagen über die Umstände, unter denen die
römischen Sklaven lebten, sind nicht möglich, weil sie je nach Herrschaft und
Verwendungszweck höchst unterschiedlich gestellt waren. Man fand sie bis in
hohe Posten der kaiserlichen Verwaltung, sie praktizierten als Ärzte und
unterrichteten in vornehmen Häusern, stammten viele doch aus hochgebildeten
Familien des Ostens. Manche brachten es zum Gutsverwalter (vilicus). Das Gros
frei-
lich dürfte niedere Dienste auf dem Feld, in der
Hauswirtschaft, auf dem Bau, im Transportwesen und unter Tage verrichtet haben.
Sklavinnen hielten sich manche aus sexuellen Gründen oder zwangen sie zur
Prostitution. Manchen Sklaven beließ ihr Herr (dominus) einen bestimmten Betrag
(peculium), mit dem sie wirtschaften durften. Kapital und Gewinn gehörten zwar
weiter dem Herrn, doch war es üblich, ihnen zur Förderung ihrer
Arbeitsmoti-vation gewisse Summen zuzuteilen.
Höchster Anreiz für Sklaven zum Erbringen guter Leistung war
die Aussicht, irgendwann zum Dank oder aus anderen Gründen (z. B.
Aussageverweigerung, die Sklaven nicht zustand) freigelassen zu werden. Das
geschah oft
testamentarisch oder unter Zeugen (inter ami-cos) oder vor
einer Amtsperson (per vin-dictam). Der auf diese Weise Freigelassene
(Ii-bertus) hatte alle Rechte eines römischen Bürgers, war aber mindestens
moralisch zu weiterer Loyalität und je nach Abmachung auch zu gewissen Diensten
seinem einstigen Besitzer gegenüber verpflichtet. Dieses Treueverhältnis band
beide Parteien oft weit stärker aneinander als der vorherige Sachbesitz und
entsprach mit der Zeit auch dem sich wandelnden Menschenbild: Während Cato der
Ältere im 2. Jahrhundert v.Chr. noch den Dingcharakter des Sklaven betonte,
verwendete der Philosoph Seneca (4 v.Chr.-65 n.Chr.) die Be-zeichnung
„Mensch" (homo).
Epos, Satire, Historiographie
Die literarische Epoche der silbernen Latinität (1./2. Jh.)
Nach der kulturellen Blüte des augusteischen Zeitalters
verfielen im Zuge der Entartung des Kaisertums auch Wissenschaft, Kunst und
Literatur. Gerade aus der Kritik aber an Fehlentwicklungen und Missständen schwang
sich die Literatur im Verlauf des 1. und 2. nachchristlichen Jahrhunderts
erneut zu großen Leistungen auf. Da sie dennoch, auch nach eigenem Verständnis,
weiter im Schatten der großen Dichter Vergil, Horaz oder Ovid stand, deren
Epoche als goldenes Zeitalter galt, spricht man von silberner Latinität, wenn
von den Werken der späteren Generationen die Rede ist. Auch hier ragt eine
Trias von bedeutenden Autoren hervor.
Da ist der beherzte aus Spanien stammende Marcus Annaeus
Lucanus (39-65), der sich trotz des einschüchternden Vorbilds Vergils an ein
Epos wagte, noch dazu an eines, das aktuelle Bezüge hatte: In seiner
„Pharsalia" (oder „De bella civil?' = Über den Bürgerkrieg) geht es um das
Ringen der Heroen Caesar und Pom-peius um die Macht, wobei Lukan, so die
Kurz-form, die unverbrauchte Kraft Caesars betont und seinen Sieg über den
Nimbus des alten Schlachtenlenkers Pompeius als letztlich unausweichlich
darstellt. Für diese Helden braucht er nicht den sonst in den antiken Epen
üblichen Aufmarsch von ins Geschehen ein-
greifenden Gottheiten, sondern konzentriert sich ganz auf
die dramatischen menschlichen Schicksale und die tragische Niederlage des
republikanischen Geistes. Der Verzicht auf Anbindung an die Götterwelt wurde
ihm seinerzeit angekreidet, sicherte seinem Werk aber gerade überzeitliche
Bedeutung.
Spiegel der Gegenwart
Eine genuin römische Gattung ohne direktes griechisches
Vorbild war die Satire, wie sie schon Horaz gepflegt hatte. Nun trat einer auf,
der sie gesellschaftskritisch scharf zuspitzte: Decimus lunius luvenalis (60-
nach 128), besser als Juvenal bekannt. Er spießte treffsicher menschliche
Schwächen und die Laster der rö-
mischen Gesellschaft auf und geißelte die Korruption der
Amtsträger in der kaiserlichen Verwaltung. An seinem Vorbild orientierten sich
die Satiriker bis in die Moderne. Den Sittenverfall der Zeit empfand auch der
dritte große Schriftsteller der Epoche schmerzlich und hielt seinen
Zeitgenossen durch Geschichtswerke den Spiegel vor: Publius Cornelius Tacitus
(um 55- nach 116) schilderte in den „Annalen" (an-nales) den Niedergang
des römischen Staates von Augustus bis Nero und in den „Historien"
(historiae) die letztlich enttäuschten Hoffnungen auf eine Wende unter den
flavischen Kaisern, die in der Verfinsterung unter Domitian endeten. Sein für
uns wohl wichtigstes Werk war die „Germania" (siehe Kasten).
Philosoph auf dem Kaiserthron
Höhepunkt und Ende der Adoptivkaiserzeit (138-180)
Die Nachfolgeregelung durch Adoption entfaltete ihre
segensreichsten Wirkungen beim Ableben Kaiser Hadrians 138. Er hatte ein halbes
Jahr vor seinem Ende den aus reicher gallisch-römischer Familie stammenden
Antoninus, Jahrgang 86, zum Thronfolger bestimmt unter der Auflage, seinerseits
den damals 16-jährigen Marcus Aurelius (Mark Aurel), einen Neffen der
Kaiserehefrau Faustina, und den noch jüngeren Lucius Verus (130-169) zu
adoptieren. Antoninus, ein ruhiger, abwägend urteilender, rechtschaffener Mann,
war offenbar nur als Übergangsherrscher gedacht, der aber 74 Jahre alt werden
und damit über 23 Jahre die Geschicke des Reiches bestimmen sollte. Bestes
Zeichen dafür, dass sein Zeitalter zu den
gedeihlichsten der Reichgeschichte gehörte, sind die kargen
Spuren, die es hinterlassen hat. Es war eine von wenigen schnell niedergewor-fenen
Aufständen geprägte Friedensära, in der allenfalls die Wiederbelebung der
altrömischen Religion und ein gewisser Kult um die 141 gestorbene Faustina
Akzente setzten. Deswegen erhielt der Kaiser den Beinamen Pius (= der Fromme).
Beider Tochter, die jüngere Faustina, wurde Ehefrau des Nachfolgers Mark Aurel
(121-180).
Schlimmste Seuche der Antike
Als Antoninus die Augen schloss, übernahm der Schwiegersohn
das Szepter zusammen mit Lucius Verus, der aber Juniorpartner blieb. Ob-
wohl auch die neuen Herren nur zu gern die defensive Politik
ihres Adoptivvaters fortgesetzt hätte, zwangen sie die Umstände zu einer nicht
abreißenden Kette von Kriegen. Es begann sogleich 161 mit einem Waffengang
gegen die Parther, die Armenien überfallen hatten. Verus konnte bis 166 einen
vollständigen Sieg erringen, aber um den Preis der wohl schlimmsten Seuche der
Antike, der soge-nannten Antoninischen Pest, mit der sich einige seiner
Soldaten infiziert hatten. Sie raffte große Teile des siegreichen Heeres dahin
und wütete danach auch in anderen Reichsteilen. Ob der frühe Tod des Verus auf
die vermutlich pockenartige Erkrankung zurückzuführen ist, blieb ungeklärt.
Mark Aurel stand seit 169 allein an der Spitze des Reiches, das nun im Norden
durch Einfälle der Markomannen aus dem böhmischen Raum bedroht wurde.
Bis zu seinem Tod zogen sich die Kämpfe hin, in denen der
militärisch wenig erfahrene Kaiser die Donaugrenze halten konnte. Im Feldlager
verfasste er seine „Selbstbetrachtungen" (siehe Kasten) und ernannte zu
seiner Hilfe 177 den Sohn Commodus zum Mitregenten. Damit durchbrach
ausgerechnet der als „Philosoph auf dem Kaiserthron" gepriesene Mark Aurel
das Adoptionsprinzip und beschwor eine Zeit neuer Wirren herauf.
Schutz der Gesundheit
Fortschritte der antiken Medizin (1./2,A)
Wissenschaftlich zehrte Rom von den grie-chischen
Vorarbeiten und von griechischen Immigranten, wobei Plinius der Ältere (siehe
Kasten) eine Ausnahme bildete. Zwei herausra-gende griechische Mediziner
bestätigen den Befund: Insgesamt 1016 Arzneimittel, davon 813 pflanzliche, 101
tierische und 102 mineralische, für 4740 verschiedene Anwendungen nennt
Dioskurides, ein Arzt aus Kilikien, in seinem pharmakologischen Werk, das er in
fünf Bücher gliederte und in den 60/70er Jahren des 1. Jahrhunderts abschloss.
Anders als die meisten Vorgänger ging er nicht alphabetisch, sondern nach
Gruppen vor und war bei Dosis-angaben sehr vorsichtig. Für den Fall der Fälle
nannte er bei riskanten Therapien auch Gegenmittel gegen etwaige Vergiftungen.
Der gut hundert Jahre später tätige und sonst eher kritische Galen war des
Lobes voll über Diosku-rides: „Mir scheint, er hat die Lehre von den
Arzneimitteln von allen am vortrefflichsten verfasst."
Anderthalb Jahrtausende maßgeblich
Das sagte der wohl berühmteste Arzt der Antike: Claudius
Galenus, meist nur kurz Galen genannt. Der im Jahr 129 in Pergamon geborene
Mediziner wurde mit 28 Jahren in seiner Heimatstadt Gladiatorenarzt, ging sechs
Jahre
später nach Rom und erhielt im Jahr 169 die Berufung zum
Leibarzt Kaiser Mark Aurels. Zu-gleich amtierte er als Leiter einer der großen
Thermen Roms und als Richter. Viele seiner wissenschaftlichen Arbeiten gingen
verloren, als 192 Galens Bibliothek abbrannte, doch existierten von manchen
schon eine Reihe von Abschriften, so dass wir über seine Ansichten recht gut
unterrichtet sind.
Bei seinem ärztlichen Tun leitete ihn der Ge-danke: „Da die
Gesundheit vor der Krankheit kommt, haben wir wohl zuerst darauf zu sehen, wie
man die Gesundheit erhält, und erst danach, wie man Krankheiten am besten aus-
heilt." Eine seiner Schriften galt daher auch dem
Schutz der Gesundheit („De sanitate tu-enda"), also der Prävention, wobei
die Elemente des Lebens im Mittelpunkt standen: Erde, Wasser, Luft und Feuer
sowie ihre Eigenschaften: trocken, feucht, kalt und warm. Der Begriff „Feuer.'
umfasste dabei die Stoffwech-selvorgänge, was mit unserem heutigen Begriff der
„Verbrennung" durchaus harmoniert. Beim Wasser, ob zum Trinken oder
therapeutisch verwendet, sei auf hohe Reinheit zu achten. Die physiologischen
Erkenntnisse des um das Jahr 199 verstorbenen Galen blieben bis ins 16.
Jahrhundert maßgebend.
Bruch mit der Staatselite
Das Schreckensregiment des Commodus (180-192)
Von allem, was Mark Aurels Sohn und Nachfolger Commodus getan
hat, war seine erste Amtshandlung wohl die vernünftigste. Gegen den
ausdrücklichen Wunsch des Vaters, der am 17.3.180 im Feldlager von Vindobona
(Wien) gestorben war, schloss er Frieden mit Quaden, Markomannen und Jazygen,
und zwar einen für diese so vorteilhaften, dass in Rom Murren aufkam, es dafür
aber an der Donau-Grenze auf Jahre hinaus ruhig blieb. Dass dahinter nicht
staatsmännische Weitsicht steckte, erwies sich rasch: Der systematisch auf
seine herrscherlichen Aufgaben vorbereitete junge Mann (-161) hatte offenbar in
keiner Weise vor, diese ernsthaft in Angriff zu nehmen, sondern dachte in
erster Linie an Selbstinszenierung. Er eilte schleunigst von der Front in seine
Hauptstadt und feierte einen rauschenden Triumph, wozu bei den erheblichen Zuge-ständnissen
an die Germanen wahrlich kein Anlass bestand.
Mord und Diebstahl
Lange konnte sich Commodus auf das Volk stützen, das von
seinen aufwendigen Spielen profitierte und dessen Bedarf an religiöser
Überhöhung das Auftreten des Kaisers entgegenkam. Er ließ orientalische Kulte
(siehe Kasten) importieren und trat im Circus selbst gern
als Gladiator und stilisierter Herkules auf, ein Rückgriff
auf die römischen Anfänge, als dieser Halbgott der Sage nach sein Vieh auf dem
Forum Boarium hatte weiden lassen. Aus Spiel aber wurde rasch ernst, je mehr
Commodus sich selbst als Gott sah und verehren ließ und qua Göttlichkeit
tatsächliche wie angebliche Feinde zu ermorden oder nach Justizpossen
hinzu-richten befahl- nicht zuletzt Männer aus reichen Familien, deren Vermögen
er zur Aufbesserung der kaiserlichen Kasse einziehen lassen konnte. Geld
nämlich war knapp nach Ende der Expansion des Reiches. Die Verschwendung des
Hofes verschärfte die Lage noch, so dass nach immer neuen Einnahmequellen ge-
fahndet wurde. Eine erschloss sich Commodus durch die
Besteuerung auch der senatorischen Vermögen, was zum dauerhaften Bruch mit der
Elite des Staates führte. Hinzu kam des Kaisers schwer erträgliche
Günstlingswirtschaft, von der vor allem von ihm freigelassene orientalische
Sklaven profitierten.
Nach mehreren fehlgeschlagenen Anschlägen fiel Commodus auf
dem Höhepunkt seines cä-sarenwahnsinnigen Regiments dem Komplott des
Oberkämmerers Eclectus, des Prätorianer-präfekten Laetus und der
Lieblingsmätresse Marcia in der Neujahrsnacht 192/193 zum Opfer. Sie ließen ihn
von einem Ringer namens Narcissus erwürgen.
Gegengewicht gegen die Prätorianer
Thronwirren und der Sieg des Septimius Severus (193-211)
Als Commodus der von ihm provozierten Ge-gengewalt erlegen war,
hoffte mancher auf einen Neuanfang wie 98 mit dem alten Nerva, der die
segensreiche Epoche der Adoptivkaiser eingeleitet hatte. Und zunächst schien
das auch zu glücken, denn die Prätorianer und der Senat erhoben den erfahrenen
Mark-Aurel-Freund Pertinax auf den Schild. Die Zeiten aber hatten sich
grundlegend gewandelt. Die Prätorianer reute bald ihre Wahl, und ihrer Revolte
fiel der neue Herrscher 193 zum Opfer. Jetzt war die Bahn frei für
Prätendenten, die sich von ihren Truppen zum Kaiser ausrufen lie-
ßen; nicht das Jahr 98 wiederholte sich, son-dern das
schreckliche Vierkaiserjahr 68/69, nur dass sich die Kämpfe um die Macht über
Jahre hinzogen, ehe sich der aus Africa stammende Oberkommandierende der
Donauarmee Septimius Severus 200 durchgesetzt hatte. Als Alleinherrscher
versuchte er zu einer Ver-ständigung mit dem Senat zu kommen, schei-terte aber
am Misstrauen der adligen Haupt-städter gegenüber dem „Provinzler" (*146).
Das führte zu einem radikalen Kurswechsel: Severus ließ eine Reihe von Senatoren
vor Gericht stellen und aburteilen; ihr Vermögen zog
er wie inzwischen üblich für die eigene Kasse ein. Stütze
seiner Macht war die Truppe, die er mit Öffnung der Offizierskarriere auch für
Männer aus einfachen Schichten und durch Erlaubnis des Zusammenziehens der
Soldaten mit ihren Frauen in den Garnisonstädten fest an sich band. Zu seiner
Sicherheit legte er eine Legion in die Albaner Berge in unmittelbarer Nähe Roms
und schuf damit ein Gegengewicht gegen die allzu wankelmütigen Prätorianer. Seinen
Söhnen gab er den Rat: „Seht zu, dass es den Soldaten gut geht, dann braucht
ihr euch um andere nicht zu bekümmern."
Konstruierte Familienbande
Eben diese Söhne waren ein Novum, denn bis-her hatten die
Kaiser gewöhnlich keine männ-lichen Erben gehabt, von Marc Aurel abgese-hen.
Auf diesen beliebten Herrscher ließ Septimius Severus seine Familie
zurückführen, indem er sich Bruder des Commodus nannte und damit in die
Dynastie der Antonine eintrat. Seinen älteren Sohn Caracalla verlieh er denn
auch den Namen Marcus Aurelius Anto-ninus. Das wirkte alles etwas bemüht, wurde
aber vom Volk gern gesehen, das die kaiserliche Familie insgesamt verehrte, vor
allem auch die zweite Frau des Kaisers (siehe Kasten).
Ruin der Reichsfinanzen
Untergang des severischen Kaiserhauses (211-235)
Aus den Desastern der früheren Kaiserhäuser hatten auch die
Severer nichts gelernt. Der Dynastie-Gründer bestimmte seine Söhne gemeinsam
zur Nachfolge mit den im vorigen Abschnitt dargestellten mörderischen Folgen.
Caracalla, so benannt nach dem von ihm gern getragenen gallischen
Kapuzenmantel, war nun Alleinherrscher, aber das machte die Lage nicht besser.
Aller sorgfältiger Erziehung, die ihm Mutter und Vater hatten angedeihen
las-sen, zum Trotz brachen sich Rohheit und Hemmungslosigkeit im Charakter des
Kaisers immer stärker bahn. Nur in Sachen Verwöhnung der Streitkräfte folgte er
dem Ratschlag des Vaters, ruinierte aber damit und mit gewaltigen Bauten wie
den luxuriösen Caracalla-Thermen die Reichsfinanzen und setzte eine rapide
Geldentwertung in Gang. Beliebt machte sich der Kaiser durch die sogenannte
Constitutio Antoniniana, mit der alle freien Reichsbewohner 212 das römische
Bürgerrecht erhielten. Militärisch war der Soldatenfreund nur mäßig
erfolgreich. Immerhin gelang ihm 213 die Sta-bilisierung der Rheingrenze (siehe
Kasten) gegen die anrennenden Alemannen. Das aber ließ größenwahnsinnige Pläne
reifen: Er wollte nun endgültig mit den Parthern aufräumen und hatte sich dazu
eine Doppelstrategie ausgedacht: Er wollte die Tochter des feindlichen
Königs heiraten, die Parther damit ruhig stellen und sie bei
passender Gelegenheit schlagen. Die Sache ging auf beiden Ebenen schief und
rief bei Caracallas Truppen Unzufriedenheit hervor. Sie entlud sich in einem
Anschlag des Befehlshabers der Prätorianer Macrinus, der den Kaisers durch
einen bestochenen Leibwächter 217 umbringen ließ.
Operettenregiment
In direkter Linie waren damit die Severer ausgestorben.
lulia Domna aber hatte eine Schwester namens lulia Maesa, die ihr in Ehrgeiz
nicht nachstand und dafür sorgte, dass ihr 14-jähriger Enkel, wegen seines
Priestertums
für den syrischen Sonnengott Elagabal (oder griechisch
Heliogabalus) genannt, die Nachfolge antreten konnte. Sie selbst besorgte die
Politik, von der ihr gänzlich unbedarfter Abkömmling rein gar nichts verstand.
Und sie zwang ihn, den Neffen Severus Alexander (*NB) zu adoptieren, der nach
vier Jahren des Operettenregiments des Elagabal und dessen Ermordung 222 die
Nachfolge antrat. Sein Horizont reichte freilich nicht weiter als der des
Vorgängers, doch er störte wenigstens nicht. Erst als er bei militärischen
Anforderungen versagte, ereilte auch ihn 235 das mörderische Schicksal, dem im
3. Jahrhundert fast alle Herrscher zum Opfer fallen sollten.
;• Kunst der Auslegung
tot Das römische
Recht als Reichsklammer
Bis heute ist sich die Forschung nicht einig, was Caracalla
mit der Verleihung des Bürgerrechts an alle freien Reichsbewohner bezweckt
haben mag. Sicher steckte dahinter, dass so auch Erbschaften in den Provinzen
besteuert werden konnten, vielleicht aber auch der Versuch, eine weitere
Angleichung der Rechtsverhältnisse in allen Reichsteilen und damit eine
nachhaltige Romanisierung der Peripherie zu erreichen. Ob Absicht oder nicht:
Die Consti-tutio Antoniniana des Jahres 212 wirkte sich letztlich so aus und
hat die europäischen Rechtssysteme römisch geprägt.
Großer Einfluss der Juristen
Das frühe römische Recht bestand überwiegend aus
überlieferten Sitten (mores maio-res); die Rechtsprechung war stark ritualisiert
durch typisierte Symbolhandlungen (legis actiones). Das Zwölftafelgesetz von
450 v. Chr. stellte eher einen sozialen Ausgleich dar, als dass es kodifizertes
Recht gewesen wäre, und blieb bis ins 6. Jahrhundert n.Chr., also bis zum
Corpus luris von Kaiser lustinian, einzige schriftliche Rechtsquelle. Gerade
die in so knapper Form notwendig allgemein gehaltenen Grundsätze verlangten
nach Auslegung für die Einzelfälle und begründeten die ausge-prägte
interpretatorische Kunst der römischen
Juristen. Auf diese Weise geschaffene Präzedenzfälle hatten
Anteil an der Weiterentwicklung des Rechts, und die juristischen Schriften der
Gelehrten gewannen ihrerseits eine Art Gesetzeskraft. Sie beeinflussten
natürlich auch die Rechtsentscheidungen der Kaiser selbst, die oft auf
Ratschlägen ihres Staatsrats (consi-lium principis) basierten.
Man unterschied zwischen Zivilrecht (ius civi-le), das seine
Herkunft aus dem lateinischen Bauernrecht nicht verleugnen konnte, dem
Amtsrecht (ius honorarium) des Staates und seiner Amtsträger (Behörden) sowie
einem mit dem Wachsen des Reiches immer weiter entwickelten „Völkerrecht"
(ius gentium). Letzte-
res hatte mit dem, was wir heute darunter verstehen, kaum
etwas zu tun, sondern regelte vor allem den Handelsverkehr zwischen Rom und den
Stämmen sowie den der Stämme untereinander, die unter seiner Oberherrschaft
standen. Solange die rechtlichen Bräuche der einzelnen Ethnien dem römischen
Recht nicht widersprachen und den Bedürfnissen des Reiches nicht zuwiderliefen,
ließ die Zentralmacht sie in Geltung und passte sie nur dort an, wo es ihren
Interessen entsprach. Auf längere Sicht führte dies trotz der Rücksicht auf
regionale Besonderheiten zu einer Vereinheitlichung der Rechtsauslegung und der
Recht-sprechung.
Hang zum Gigantischen
Badebauten der Severer (Anfang 3. Jh.)
Septimius Severus stammte, wie erwähnt, aus Africa, genauer:
aus der Hafenstadt Leptis Magna, gut 100 Kilometer östlich von Tripolis
gelegen. Zur Macht gekommen, ließen der Kaiser und seine Nachfolger diese Wiege
ihrer Dynastie aufwendig schmücken mit Theatern, Foren, Prachtstraßen,
Ehrenbogen. Das seit 1921 ausgegrabene Ensemble gehört zum
UNESCO-Weltkulturerbe und beeindruckt auch durch Badeanlagen, die wegen der
Bildmotive ihrer Ausmalung als Jagdthermen bezeichnet werden. Anders als die
meisten vergleichbaren römischen Bäder sind die Jagdthermen mit einigem
Mauerwerk teils ganz, teils ergänzbar erhalten, so dass sogar Abzüge der
Wandrohr-
heizung zu erkennen sind. Vorhanden sind noch: das Kreuzgewölbe
über dem Schwimmbecken, das längliche Tonnengewölbe über dem Kaltraum, zwei
Rundkuppeln über achteckigen Baderäumen mit gut erkennbarer
Hohlfußbodenheizung, das Tonnengewölbe über dem Warmwasserbaderaum.
Was in der libyschen Heimat eher klein und fein gestaltet
worden war, trieben die Severer in Rom ins Gigantische. Schon Septimius hatte
den Auftrag für eine Badeanlage gegeben, die im Jahr 216 von seinem Sohn
Caracalla (188217, Kaiser seit 211) eröffnet wurde und nicht ganz korrekt nach
ihm Caracalla-Thermen hießen. Es waren die bis dato gewaltigsten öf-
fentlichen Badeeinrichtungen: Sie bedeckten eine Fläche von
124000 Quadratmetern; allein das dreistöckige Hauptgebäude war 353 Meter lang.
Den Besuchern standen 66 Baderäume, 1600 Badesessel aus Marmor, 4 große Becken
für Warmwasser und ein 1300 Quadratmeter großes Schwimmbecken zur Verfügung.
Die Flachkuppel über dem Warmraum maß mit 35 Metern Durchmesser kaum weniger
als die Kuppel des Petersdoms (42 Meter).
Geflecht von Gängen
Überall schmückten Bildwerke und Mosaiken die Räume und
Hallen. Es gab Turn- und Ruheräume, Lehrsäle, Sportplätze, Büchereien, Museen,
Gärten und Wandelhallen. Die Wasserzufuhr erfolgte über eine Zweigleitung der
seit 140 v.Chr. im Betrieb befindlichen Aqua Marcia und aus einer
Wasseraufbereitungsanlage: In 64 Gewölbekammern wurde das Wasser zum
Wasserwechsel angesammelt und nach ausreichender Absetzzeit in die Leitungen
eingespeist. Ein Geflecht von unterirdischen Gängen diente dem Personal zur
Erfüllung von Versorgungs- und Überwachungsaufgaben. Die Caracalla-Thermen
waren vorzeitig eröffnet worden. Fertigstellen ließ sie erst Alexander Severus
(208-235, Kaiser seit 222). Sie waren noch bis ins 6. Jahrhundert in Betrieb.
Sieger-Signaturen
Repräsentationskunst der frühen Kaiserzeit
Kunst und Repräsentation brauchen einander. Insofern
bedeutete die römische Kaiserzeit einen enormen Impuls für Architektur,
Bildhauerei und Malerei. Dabei kam es freilich auch zu künstlerischen Einbußen,
da die andere Schwester der Repräsentation die Propaganda ist. Die Lebensnähe
etwa von durch Statuen, Reliefs oder Bilder dargestellten Personen litt unter
den Zwängen zu heroisch-sa-kraler Überhöhung und wich einer gewissen
Typisierung; Requisiten von Herrschaft oder mythologischer Anbindung traten
hinzu und überluden nicht selten das Kunstwerk. Bauten brauchten zum höheren
Lob des Erbauers ein Mindestmaß an Größe und Schmuck, Wandmalereien oder
Mosaiken sollten Macht und Reichtum des Hausherren unterstreichen. Wer sich
heute in Nordafrika, in Spanien, in der Provence oder in anderen Gegenden des
einstigen Imperiums Relikte römischer Reprä-sentation der Kaiserzeit anschaut,
ist erstaunt über die Einheitlichkeit des Stils, die wir auch bei den in Museen
gezeigten Statuen oder Götterbildern bis etwa ins 3.14. Jahrhundert beobachten.
Selbst in griechisch geprägten Ländern des Ostens, hat der Formwille der
Zentralmacht Akzente gesetzt. Dieser Wille selbst war zwar seinerseits von der
überlegenen griechischen Kunst inspiriert, inzwischen
aber buchstäblich machtvoll aufgeladen. Die ungeheuren
Reichtümer, die aus den eroberten Gebieten nach Rom gespült worden waren,
kehrten zurück als Signaturen der Sieger im öffentlichen Raum. Nutz- wie
Repräsentationsbauten atmeten die Weite des Weltreichs. Privatbauherren standen
staatlichen Planern da in nichts nach.
Wirkungen auf die amtliche Kunst
Gerade die in den Provinzen reich gewordenen Familien aber
setzten eine Gegenbewegung zur kaiserlichen Typisierung in Gang. Sie schmückten
ihre Paläste und Parkanlagen zwar genauso mit erlesenen, oft nach griechischen
Vorbildern gearbeiteten Werken, legten zugleich aber ganz im
Geist der römischen Ahnentradition Wert auf die Verewigung der Person (siehe
Kasten). Das wiederum wirkte zurück auf die amtliche Kunst, wie wir sie etwa an
Monumenten wie der Trajanssäule in Rom bewundern: Detailtreue diente auf diesen
bebilderten „Ausrufezeichen" dem Ruhm von Kaiser und Reich; Siege
erhielten erst den ge-hörigen Glanz in der realistischen Schilderung auch der
Besiegten. Die römische Kunst entwickelte mit dem erzählenden Relief eine ganz
eigene Bildsprache, die durch die Mächtigkeit des Gesamtwerks ebenso
propagandistisch wirken sollte wie durch die einzelnen Szenen.
r
.1 Angst um Rom . Das
Zeitalter der Soldatenkaiser (235-284)
Hatte die Dynastie der Severer trotz aller Schwächen zuletzt
noch für eine gewisse Ordnung und Dauer gesorgt, so brach nach ihrem ruhmlosen
Ende das völlige Chaos an der Staatsspitze aus. In den fünf Jahrzehnten bis 284
beanspruchten nicht weniger als 25 bis 30 (je nach Wertung) Herrscher den
Thron, die selbsternannten Regenten einiger Teilreiche nicht einmal gerechnet.
In der Mehrzahl waren diese Usurpatoren, Prätendenten, tatsächlichen und
angeblichen Kaiser Offiziere aus den Provinzen, insbesondere aus Illyrien,
Thrakien und Pannonien (sogar ein Araber war darunter), ohne besondere Bildung
und ohne weiteren Rückhalt als den in ihren Truppenteilen, daher Soldatenkaiser
genannt. Nur einer von ihnen starb eines natürlichen Todes, die meisten fielen denen
zum Opfer, die sie auf den Schild gehoben hatten, oder kamen in den an allen
Grenzen entbrennenden Kämpfen ums Leben.
Rückkehr zum Tauschhandel
Das Heer war zum einzigen Machtträger des Reiches geworden -
mit fatalen Folgen. Die Maxime des Septimius Severus, nach der in erster Linie
das Militär bei Laune zu halten sei, wurde zur obersten Richtschnur
herrscherli-chen Handelns, die nur durch Ausplünderung
der Bevölkerung und immer neue Verspre-chungen durchzuhalten
war. Das musste mit der Zeit die Moral der Truppe untergraben, führte zu
Vandalismus und wachsender Rechtsunsicherheit. Die Wirtschaft litt
entsprechend, der Geldwert verfiel dramatisch, allenthalben breitete sich
wieder Tauschhandel aus. Die Regionen kapselten sich immer stärker ab, so dass
sich der Staatsverband lockerte. Sichtbarstes Zeichen für diese Zeit der
allgemeinen Verunsicherung und der Angst war die so genannten Aurelianische
Mauer, die Kaiser Aurelian (214-275, regierte seit 270) seit 271 in einer Länge
von fast 19 Kilometern um die Hauptstadt ziehen ließ. Selbst die tief im Reich
gelegene Metropole schien nun nicht mehr sicher, denn an
Rhein und Donau, Euphrat und Tigris, an den Küsten und im Wüstensand brannte es
lichterloh. Das eigentlich Erstaunliche war, dass den rasch wechselnden
Potentaten (allein 238 fünf, 250/51 ebenfalls fünf, 260/261 sogar neun), die
oft mehr gegen einander als gegen die äußeren Feinde kämpften, dennoch immer
wieder die Stabilisierung der Fronten gelang, wenn auch unter eini-gen
Gebietsverlusten: Dekumatland zwischen Rhein und Donau nach dem Durchbruch der
Alemannen durch den Limes (259/260), Provinz Dakien im Karpatenbogen 271,
Landstriche östlich des Tigris.
Neuer Feind im Osten
Zusammenstoß mit dem Reich der Sassaniden (257-269)
An der Ostgrenze des Imperiums war es immer wieder zu
Konflikten mit den hellenistisch geprägten Parthern gekommen, immer wieder aber
auch zu einem Ausgleich. Die Lage schien zu Beginn des 3. Jahrhunderts
einigermaßen stabil. Nicht ahnen konnten die Römer, dass sich im Innern des
Partherreiches Gefahr auch für sie zusammenballte. Persische Stämme hatten
unter König Sassan (1-208) im Südwesten einen sassanidischen Teilstaat
etabliert, der eine Erneuerung des 330 v. Chr. von Alexander dem Großen
zerstörten Großreichs der Achä-meniden anstrebte (Neupersisches Reich).
Vergeblich versuchte Partherkönig Artebanos IV., die Perser zu disziplinieren;
er unterlag 224 dem Sassan-Enkel Ardaschir (Artaxerxes) I. in der Schlacht bei
Hormizdaghan.
Antiochia geplündert
Der konsolidierte seine Herrschaft zunächst einmal nach
innen. Sein Sohn Schapur I., der ihm 241 nachfolgte, schlug eine expansive
Politik ein, gestützt auf ein schlagkräftiges Heer, das mit seinen
Panzerreitern (Kataphrakten) und Bogenschützen zum Schrecken der römi-schen
Legionen werden sollte. Sie vertrieb Schapur aus Armenien, unternahm Angriffe
auf die römische Provinz Syria und plünderte ihre Hauptstadt Antiochia, was in
Rom den
Abspaltungen
in Nord und Ost
Reichseinheit in Gefahr (260-273)
Im Jahr 260 ereignete sich eine Doppelkata-strophe: Im
Norden musste Rom den Limes aufgeben, und im Osten geriet das bislang ein-zige
Mal ein römischer Kaiser in Feindeshand. Beide Ereignisse brachten die Einheit
des Rei-ches in Gefahr, jedenfalls sah es zunächst ganz so aus. Am Rhein hatten
die Grenztruppen schon 259 ihren Kommandeur Marcus Pos-tumus zum Kaiser eines
Imperium Galliarum ausgerufen, das zeitweilig Britannien und Spa-nien
mitumfasste und das sich mit eigenem Senat und eigenen Behörden von der
Zentral-macht zu lösen schien. Hinter dieser Abspaltung aber stand eher die
Erfahrung, dass aus Rom zur Verteidigung der römischen Kultur gegen die
Germanen kaum mehr Hilfe zu erwarten war. Postumus ging es daher eher um eine
Bündelung der regionalen Kräfte in der Notsituation des Gesamtreiches. Der in
Rom herrschende Sohn des Valerian, Gallienus, ver-zichtete denn auch darauf,
gegen den Son-derkaiser Front zu machen.
Auch im Osten musste er eine bedenkliche Entwicklung
hinnehmen nach dem Untergang der Heere seines Vaters: Hier gelang es Septi-mius
Odaenathus, dem Stadtfürsten von Pal-myra, die syrische Grenze gegen die
siegreichen Perser zu festigen und sich zum „König" eines palmyrenischen
Reiches zu krönen. Dem
Kaiser blieb nur die Flucht nach vorn: Er verlieh Odaenathus
den Titel eines „corrector to-tius orientis", also die Statthalterschaft
im ganzen römischen Osten, die dieser und die
Neuplatonismus
Die Abspaltungstendenzen im Osten waren die gefährlicheren,
denn dieser griechisch geprägte Teil des Reiches war kulturell führend. Gerade
im 3. Jahrhundert entfaltete das Griechentum noch einmal großen denkerischen
Einfluss durch die von Ammonius Sakkos (um 180-um 242) be-gründete
Philosophenschule des Neuplatonismus. Dieser von Platin (um 205-270) auf den
Höhepunkt geführten Lehre ging es nicht so sehr um Fragen der Sittlichkeit im
Zusammenleben der Menschen, sondern vor allem um die Seligkeit des Einzelnen,
seine Erlösung aus den materiellen Bindungen und Zwängen, um die Befreiung vom
Theoretisieren, ja von allen Tugendanstrengungen. Ziel der Lebensführung müsse
die Ruhe im Übervernünftigen, Überweltlichen und Übersinnlichen sein. Sie sei
nur selten und nur von wenigen im Zustand des ekstati-schen Au ßersichseins
wirklich zu erreichen und gipfele in einer Gottesschau, in der Schauender und
Geschautes verschmelzen, wie es Platon (427-347 v. Chr) beschrieben habe.
ihm 267 nachfolgende Witwe Septimia Zeno-bia im Namen ihres
Sohnes Vaballathus bis Ägypten und an die Ägäis ausdehnte. Die hellenistisch
gebildete Frau aber war nicht so harmlos wie Postumus, sondern betrieb eine
Politik mit antirömischer Spitze und belegte mit der Annahme des Titels
„Augusta" (271), dass sie eigene Wege zu gehen beabsichtigte.
Zu schwache nationale Kräfte
Ihr Pech war, dass in Rom 270 ein hochenergi-scher Mann an
die Macht gekommen war: Lu-cius Aurelianus (214-275), kurz Aurelian ge-nannt,
dem wir schon als Erbauer der Mauer von Rom begegnet sind. Er zog nach ersten
Siegen über germanische Völker in den Osten, nahm 272 Zenobia gefangen und gliederte
Palmyra wieder der Provinz Syria an. Dann eilte er nach Gallien, wo seit 269
Tetricus als Nachfolger des Postumus herrschte, und konn-te 273 auch diese
Gebiete wieder fest mit der Zentralmacht vereinigen. Beide Potentaten führte
Aurelian 274 in seinem Triumphzug als „Wiederhersteller der Welt"
(restitutor orbis) mit durch Rom. Die nationalen Kräfte waren noch zu schwach
entwickelt und zu uneinheitlich, als dass sich auf Dauer Teilreiche auf
römischem Boden hätten halten und entwickeln können.
Geistliches und soziales Netz
Die Ausbreitung des Christentums (2./3. Jh.)
Sonnenkult, Isis-Verehrung, Zoroastrismus, Neuplatonismus -
in Zeiten der Unsicherheit haben sinnstiftende Heilslehren Konjunktur. Die
genannten kamen alle aus dem hellenistisch geprägten Osten, und auch das
Christentum schien zunächst nur ein weiterer Myste-rienkult zu sein. Lange
hielt man es für eine obskure jüdische Sekte, deren Lebenshaltung und Glauben
ihre Anhänger in den Augen der römischen Bevölkerung suspekt machte. Ihre demonstrative
Friedfertigkeit, das Bemühen um Arme und Kranke, ihre Glaubensfestigkeit auch
unter der Folter, ihr enger Zusammenhalt in gut organisierten Gemeinden und
ihre Lehre vom Tod des Gottessohns Jesus als Erlösung der Sünder - all das ging
über antiken Verstand. Solche Menschen mussten für den Nor-malbürger mit dem
Bösen im Bunde stehen.
Nachfolger der Apostel
Schon Nero hatte diese Stimmung für seine
Sündenbockstrategie beim Brand Roms genutzt, und auch spätere Herrscher
erließen christenfeindliche Verordnungen bis hin zu Opfergeboten wie dem unter
Kaiser Decius. Dennoch wuchsen die Gemeinden weiter und dennoch entstanden
ständig neue, nun vor al-lem auch in den westlichen Reichsteilen. Die Gemeinde
der Stadt Rom hatte dabei als
Gründung der Apostel eine besondere Bedeu-tung; der dortige
Bischof (griechisch episko-pos = Aufseher) wuchs in eine reichsweite
Führungsrolle hinein; seine Auslegung der „frohen Botschaft" (evangelium)
von Christus wurde maßgeblich, die von ihm geleitete Kirche zu einer „katholischen"
(= allgemeinen). Die Lehre war um das Jahr 180 weitgehend in der Form des
heutigen Neuen Testaments nie-dergelegt und die darin versammelten Evange-lien
stellten die Basis dar für die theologische Entwicklung.
Geistliche Disziplin und klare Führung ver-schafften dem
Christentum gegenüber anderen Lehren organisatorische Vorteile. Es bot
mit den Gemeinden ein - modern gesagt - so-ziales Netz für
die von den Nöten der Zeit ge-plagten Menschen und mit seinem überzeitli-chen
Versprechen Hoffnung, dass Gott dem Glaubenden mehr zu schenken vermag als das,
was er im irdischen Jammertal vorfindet. Gefahr drohte der Lehre vor allem von
innen heraus. Es traten immer wieder Prediger auf, die Kernaussagen
bezweifelten, abwandelten oder gar leugneten. Inzwischen aber gab es
Autori-täten wie den Bischof von Rom und Versamm-lungen der Bischöfe auf
Synoden (griechisch = Zusammenkunft), die solchen Streit schlichten oder
entscheiden konnten, wie es im Fall der Gnosis (siehe Kasten) geschah.
I..,,Rückfall ins Chaos - Das Jahrzehnt zwischen Aurelian
und Diokletian (275-285)
Aurelian hatte das Imperium konsolidiert; seine Autorität
schien Garant dafür zu sein, dass wieder ruhigere Zeiten anbrechen würden. Das
erwies sich als Illusion, denn schon 275 fiel der Kaiser bei Byzanz auf dem Weg
zu einem Perserfeldzug einem Anschlag zum Opfer. Es steckten wohl private
Motive dahinter, denn das Offizierkorps wurde völlig überrascht, so dass es
nicht gleich einen Nachfolger präsentieren konnte. Der Senat bestellte daraufhin
einen gewissen Tacitus zum Herrscher, der mit einigem Erfolg gegen die Goten
kämpfte, bei den Soldaten aber als Nichtmilitär keinen Rückhalt fand und von
ihnen 276 beseitigt wurde. Seinem Bruder Florianus, der ihn beerben wollte,
ging es nicht anders, so dass noch im selben Jahr Probus (* 232), ein
pannoni-scher Offizier des Aurelian, an die Macht kam und sich für damalige
Verhältnisse relativ lange, nämlich fast sechs Jahre, halten konnte. Er erbte
ein Problem, das ihm sein früherer Chef eingebrockt hatte: Die Beseitigung des
gallischen Sonderreichs durch Aurelian hatte die Stämme der Burgunder, Franken
und Alemannen dazu ermutigt, den Rhein zu überschreiten und römisches Gebiet zu
verheeren. Dagegen bildeten sich Einwohnerwehren der Landbevölkerung, die sogenannten
Bagauden (keltisch baga = Kampf), die ihrerseits plün-
dernd zu einem Sicherheitsproblem wurden. Probus musste in
langwierigen Kämpfen gegen Germanen und Aufständische die Situation bereinigen.
Danach plante auch er einen Perserkrieg, und wie Aurelian fiel er während
Manichäismus
Eines der spätesten religiösen Systeme, das im römischen
Reich Fuß fasste, war die Lehre des Mani (216-275), eines Mannes aus vornehmer
persischer Familie. Er verstand sich als letzter der Propheten in der Reihe
Buddha, Zoroaster, Jesus und erklärte den Weltprozess als eine Ver-mischung von
Licht und Materie. Diese gelte es für den Menschen zu durchschauen, damit er
die Lichtteile von der Materie seines Leibes befreien könne. Nur dann vermöge
sich seine Seele nach dem Tod mit der himmlischen Lichtwelt zu vereinen. Damit
sei sie nicht mehr der ewigen Seelenwanderung, oder, wie es bei Mani heißt, der
„Umgießung" unterworfen. Zu Erreichen sei dieses Ziel allein durch radikal
asketische Lebensführung. Der streng hierarchisch ausgerichtete Manichäismus
entwickelte im römischen Reich kirchenähnliche Strukturen, verlor aber in dem
Maße an Einfluss, in dem das weniger abstrakte Christentum an Boden gewann.
der Vorbereitung 282 durch Mörderhand. Er soll sich den
Unwillen seiner Truppen dadurch zugezogen haben, dass er sie zur Erntehilfe,
also zu in ihren Augen „unwürdigen" Arbeiten, hatte heranziehen wollen.
Blitzschlag im Zweistromland
Der bisherige schon 60-jährige Prätorianer-präfekt Carus
wurde von den Truppen zum neuen Augustus ausgerufen. Er begriff, dass einer
allein der Herrscheraufgabe im Riesenreich nicht gewachsen war, berief seine
beiden Söhne Carinus und Numerian zu Mitregenten und machte sich mit letzterem
zum Perserkrieg auf. Carinus hielt die Stellung im Westen. Doch selbst diese
Verteilung der Last auf mehrere Schultern reichte nicht: Carus kam 283
angeblich durch Blitzschlag in Mesopotamien um, Numerian erlag 284 einer
Krankheit, und Carinus wurde wie so viele seiner Vorgänger im Folgejahr Opfer
der eigenen Offiziere. Zum Nachfolger schon Numerians hatte sich der
il-lyrische General Diocles (* um 245) erheben lassen, dem nun die
Alleinherrschaft zufiel. Er nannte sich fortan Diokletian. Dass ihm eine
Erneuerung des Imperiums glücken könnte, wagte wohl nicht einmal er selbst beim
Amtsantritt zu hoffen. Und doch sollte es so kommen.
Religiöse
Aufladung
Die Tetrarchie des Diokletian (285-305)
Diokletian übernahm ein morsches Staatsge-bäude. Bindungen
sozialer wie politischer Art waren zerschlissen, die meisten Grenzen in akuter
Gefahr, viele Bauern unter der Last der Abgaben von ihren Feldern geflohen, die
Handwerker ins städtische Proletariat abge-sunken. Die bürgerliche Welt
existierte nicht mehr, die Verwaltung verwaltete den Mangel und die eigene
Korruption. Das Bandenunwe-sen in Italien und Gallien bedrohte den
schrumpfenden Handel und untergrub die öf-fentliche Sicherheit. Einem anderen
wären wohl die Hände gesunken angesichts des Pro-blembergs. Doch Diokletian war
aus hartem Holz geschnitzt. Er sicherte sich im ersten Amtsjahr die Mithilfe
des alten Kampfgefähr-
Heeresreform
Diokletian institutionalisierte den Wandel des
Militärischen, der sich unter seinen Vorgängern angebahnt hatte. Die permanente
Kriegsgefahr hatte bewirkt, dass Truppen in den Grenzprovinzen auf Dauer
stationiert und aus der Umgebung ergänzt wurden. Nur noch Männer vom Land
wurden eingezogen, während die städtische Bevölkerung vornehmlich in Gewerbe
und Produktion tätig war. Dieses regionale Konzept führte zu vermehrter
Anwerbung reichsfremder Soldaten,
ten und Landsmannes Maximian (*240), den er zum Caesar und
im Jahr darauf zum formal gleichrangigen Augustus ernannte. Ihm über-ließ er
den Westen, während er selbst den Ost-teil des Reiches regierte und sich für
den Ge-samtstaat die oberste Entscheidung vorbehielt. Hauptstadt blieb Rom,
doch residierte Maximi-an auch in Augusta Treverorum (Trier) und Mediolanum
(Mailand), Diokletian vor allem in Serdica (Sofia) und Nikomedia (Ismit,
Türkei).
Nur noch Knechte
Diokletian legte sich den Beinamen lovius zu, der ihn als
Spross des Jupiter auswies. Seinem Mitregenten erkannte er als Herculius eben-
die so das Bürgerrecht erwerben konnten. Neben diesen
Grenzlegionen, die verkleinert und vermehrt wurden, gab es eine mobile
Reichsarmee, vornehmlich aus starker Kavallerie bestehend, die man rasch an
Brennpunkte verlegen konnte. Als Eliteverband kam eine Hoftruppe hinzu zur
ausschließlichen kaiserlichen Verwendung. Sie löste mit der Zeit die
Prätorianergarde ab, da die Kaiser nun in wechselnden Hauptquartieren
residierten. Die Kommandeure nannten sich denn auch co-mes (Begleiter).
falls Göttlichkeit zu, wenn auch eine rang-niedrigere. Die
religiöse Aufladung des Kaiser-amtes als „heilig" (sacer), wie sie auch
schon von manchen Vorgängern beansprucht worden war, sollte klar machen, dass
Opposition gegen allerhöchste Entscheidungen nicht nur eine Art
Gotteslästerung, sondern angesichts der göttlichen Allmacht auch aussichtslos
war. Neben dem Kaiser als Herrn (dominus) der Welt gab es nur noch Sklaven
(servil; diese Herrschaftsform wird Dominat genannt. Die Bürger wurden fest an
ihre beruflichen Auf-gaben gebunden. Steuern hatten sie wie ein Opfer für die
Majestät aufzubringen und den Beamten des Gott-Kaisers Folge zu leisten. Selbst
zwei Kaiser waren militärisch mit den Grenzproblemen überfordert und so
adoptierten beide nach einem ersten Schub innerer Reformen 293 je einen Caesar,
als eine Art Un-terkaiser. Constantius Chlorus stand fortan im Westen Maximian
zur Seite, Galerius komman-dierte im Osten dort, wo Diokletian nicht zur Stelle
sein konnte. Da die beiden neuen Männer zudem mit ihrem jeweiligen Augustus
ver-schwägert, ebenfalls Offiziere, etwa gleichaltrig (* um 250) und
illyrischer Herkunft waren, glückte eine fast reibungslose Aufgabenvertei-lung.
Die Tetrarchie (Vierherrschaft), wie das Modell genannt wurde, bewährte sich.
Fast aus
heiterem Himmel
Christenverfolgung Kaiser Diokletians (303-311)
Schon die Benennung beider Kaiser nach altrömischen Göttern
wies daraufhin, dass sich Diokletian eine Rückbesinnung auf altrömische
Traditionen vorgenommen hatte. Dass er bei der Umsetzung Gewalt gegen
Andersgläubige anwenden würde, schien wenig wahrscheinlich, gab es inzwischen
doch sogar an seinem Hof einige Christen und zudem viele Menschen, die mit
diesen sympathisierten. Nach fast zwanzig Regierungsjahren würde er sich einen
solchen Konflikt doch nicht mehr aufladen? Vielleicht aber war es gerade diese
lange Zeit, die beim Kaiser den Wunsch wachsen ließ, auch ein geistlich
ordentlich bestelltes Haus zu hinterlassen. Berichtet wird jedenfalls, dass er
einmal im Jahr 303 bei einer Opferhandlung von den Göttern keine Ant-wort
erhielt. Er führte das darauf zurück, dass sich anwesende Christen bekreuzigt
und damit die Götter erzürnt hätten. Er sah sich als ihr irdischer Rächer.
Zunächst erfolgte eine Zurückstufung der Personen, die sich
offen als Christen bekannten, zu Bürgern zweiter Klasse, denen kein rechtliches
Gehör mehr zustand; christliche Soldaten wurden aus dem Heer entlassen. Dann
gingen die Sicherheitskräfte dazu über, Kirchen und Versammlungsräume zu
zerstören und heilige Schriften zu vernichten. Als dann auch noch
ein Brand in der kaiserlichen Residenz von Ni-komedia
ausbrach, griff Diokletian zum selben Mittel wie vor ihm Kaiser Decius und
verfügte ein allgemeines Opfergebot.
Zu Tode peitschen
Anders aber als sein Vorgänger ließ er keine Bescheinigungen
ausstellen, sondern ordnete an, dass die Opferhandlung von den Christen sofort
zu erzwingen war. Verweigerer verfielen der Todesstrafe in all ihrer antiken
Grausam-keit. Der Kirchenhistoriker Eusebios von Caesa-rea (263-339) schilderte
einen Fall bei Hofe: „Bewunderungswürdig benahm sich ein kaiserlicher Page. Als
er sich weigerte zu opfern, wurde befohlen, er solle nackt in die Höhe gezogen
und solange ausgepeitscht werden, bis
er verscheide. Er erduldete aber diese Pein ohne Wanken.
Schon waren die Knochen an ihm sichtbar, da rieben sie ihm Essig und Salz in
die zerfleischten Teile seines Körpers. Als er auch dagegen gleichgültig blieb,
wurde er auf einem Rost langsam gebraten, bis er mitten in den Qualen den Geist
aufgab."
Erfolg hatte Diokletian mit seinem brutalen Vorgehen nicht.
Und auch seine Nachfolger, die das Programm bis ins Jahr 311 (Toleranzedikt von
Mailand) fortsetzten, mussten schließlich erkennen, dass ihre kaiserliche Macht
nicht bis in die Seelen der Untertanen reichte. Im Gegenteil: Das heldenhafte
Beispiel der unzähligen Märtyrer, die bis heute den Heiligenkalender prägen,
brachte der Kirche nur weiteren Zulauf.
Schädlicher Dirigismus
Maßnahmen zur Wirtschaftslenkung unter Diokletian
Die Stabilisierung des Staates gelang Diokleti-an und seinen
Kaiser-Kollegen trotz der schlimmen Folgen der Christenverfolgung und trotz des
Fehlschlags der wohl bekanntesten Reform: Mit einem Erlass versuchte die
Regierung im Jahr 301 die Geldentwertung zu stoppen, indem sie für über tausend
Produkte und Dienstleistungen amtliche Höchstpreise festsetzte. Das führte
allerdings eher dazu, dass sich ein blühender Schwarzmarkt entwickelte, als
dass die genannten Waren auch für ärmere Menschen erschwinglicher wurden. Damit
arbeitete das Edikt gerade denen in die Hände,
gegen die es sich richtete: „Menschen, die nur auf ihren
Gewinn und ihre Prozente bedacht sind: Diesen in ihrer Habgier das Handwerk zu
legen, das ist es, unsere Untertanen, was die Rücksicht auf die Menschheit von
uns fordert."
Teure Kontroll-Bürokratie
Obwohl auch das Zurückhalten von Waren mit der Todesstrafe
bedroht war, ließ sich nicht verhindern, dass sich Knappheit einstellte. Wie
wollte man auch feststellen, was jemand nicht oder doch nur dann produzierte,
wenn er dafür entsprechend unter der Hand bezahlt wur-
de? Auch die Münzverschlechterung war nicht per Gesetz zu
bremsen, weil Wohlhabende Edelmetallprägungen horteten und mit minderwertigen
Kupfermünzen zahlten. Der Tauschhandel, den der kaiserliche Fiskus hatte
eindämmen wollen, ließ sich preislich schon gar nicht regulieren und breitete
sich unter dem staatlichen Preisdiktat eher noch weiter aus. Der in Gang
gebracht Dirigismus schuf zudem eine teure Kontroll-Bürokratie und erhöhte die
Steuerlast. Den von Diokletian be-schworenen altrömischen Idealen entsprach er
in keiner Weise, und die großen staatlichen Güter und Manufakturen hielten sich
vielfach selbst nicht an die Vorgaben.
Ins Geld ging auch die kaiserliche Bautätigkeit, die unter
den Vorgängern fast zum Erliegen gekommen war. Diokletian setzte nun wieder auf
architektonische Repräsentation und sorgte in den Residenzen für Theater und
andere Stätten der Unterhaltung. Rom, immer stärker vernachlässigte Hauptstadt
des Reiches, erhielt seit 298 gewaltige Thermen, die auf einer Fläche von 375
mal 361 Metern 3000 Badegästen Platz boten. Und in der Nähe von Salo-na, der
Heimatstadt der Oberkaisers in Dalmatien (IIIyricum), begann im selben Jahr der
Bau eines Altersruhesitzes für ihn, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte
(siehe Kasten).
Zu viele Kaiser
Nachfolgekämpfe um Las Erbe Diokletians (305-313)
Diokletian hatte die Nachfolge klar geregelt, indem er die
Lehren aus den gescheiterten dynastischen Verfahren zog und die beiden neuen
Augusti dazu anhielt, nicht Söhne oder enge Verwandte als Caesares zu
bestellen. Es sollte sozusagen ein doppeltes Adoptivkaiser-tum installiert
werden. Constantius Chlorus erhielt zur Unterstützung im Westteil des Reiches
einen Freund des Galerius namens Severus, und Galerius selbst berief den Neffen
Maximinus Daia. Maxentius (* um 279), Sohn des Maximi-an, und Constantin 273),
Sohn des Constan-tius Chlorus, wurden übergangen. Das rächte sich umgehend,
denn Constantin setzte sich aus Nikomedia, der Residenz des Augustus Ga-
lerius, zu seinem kranken Vater nach Gallien ab. Dessen
Truppen riefen ihn beim Tod des Con-stantius 306 zum Nachfolger aus. Das ließ
Ma-xentius nicht ruhen, den in Rom die Prätorianer im selben Jahr zum Kaiser
erhoben.
Jetzt hatte das Reich de facto sieben Kaiser: die beiden
mächtigen zurückgetretenen, Galerius als Nachfolger Diokletians, Severus
sozusagen als Caesar ohne Land, Maximinus Daia als Cae-sar des Galerius,
Constantin und Maxentius. Es lief alles auf einen neuen Bürgerkrieg hinaus, den
auch der um Vermittlung gebetene Diokle-tian nicht mehr abzuwenden vermochte.
Selbst erneut die Macht zu übernehmen, lehnte der Altkaiser ab. Sein Vorschlag
im Jahr 308 aber,
neben dem ranghöchsten Augustus Galerius einen neuen namens
Licinius ("um 265) für den verstorbenen Constantius Chlorus zu bestellen,
häufte weiteren Zündstoff an, denn er überging erneut Constantin und Maxentius
und verärgerte Maximinus Daia, der sich eine Aufwertung zum Augustus
versprochen hatte. Ein Ausgleich zwischen den Rivalen war nur noch mit
Waffengewalt möglich.
Sieg an der Milvischen Brücke
Der pensionierte Maximian und der amtierende Augustus
Galerius starben 311. Constantin hatte es daher zunächst im Westreich mit
Ma-xentius zu tun, der bereits Severus ausgeschaltet hatte. 312 setzte
Constantin seine Truppen gegen das Hauptquartier des Maxentius in Rom in
Marsch. An der Milvischen Brücke siegte Constantin, der in der Nacht zuvor eine
seltsame Traumerscheinung gehabt haben soll (siehe Kasten), und war nun
Alleinherrscher im Westen; Maxentius war im Tiber ertrunken. Zur Absicherung
seiner Herrschaft traf sich Con-stantin 313 mit dem Ostkaiser Licinius und
verheiratete ihn mit seiner Stiefschwester Con-stantia. Maximinus Daia sah
darin ein Bündnis gegen sich, fiel in Thrakien ein, unterlag aber seinerseits
Licinius, so dass nun nur noch zwei Kaiser das Imperium regierten.
ig Von der Vor- zur Alleinherrschaft
....., . Rivalität zwischen Constantin und Licinius
(313-324)
Zwei Kaiser erwiesen sich auf Dauer immer noch als zu viele.
Constantin fühlte sich von der Macht des Licinius bedroht, denn dessen Ostteil
des Reiches war der wirtschaftlich stärkere und kulturell überlegen. Constantins
für Italien zuständiger Unterkaiser (Caesar) Bassianus entwickelte zudem
wachsende Sympathien für Licinius, so dass der Westkaiser sich Sorgen um das
römische Kernland zu machen begann. Er ließ Bassianus beseitigen und griff
gegen den Ostrivalen zu den Waffen. Bei Cibalae (Pannonien) besiegte er 317 ein
Heer des Licinius und verfolgte ihn bis nach Nord-griechenland, wo es erneut zu
einer Schlacht kam, die allerdings keiner für sich zu entscheiden vermochte.
Daraufhin einigten sich die Augusti darauf, dass ihre ältesten Söhne zu
Caesaren erhoben werden sollten und dass Li-cinius sich ganz auf die
asiatischen Provinzen konzentrieren werde; nur Thrakien blieb ihm als
europäischer Besitz.
Spannungen geschürt
Die Waage hatte sich zugunsten von Constan-tin geneigt,
dessen Sohn Crispus bereits 13 Jahre zählte, während der Sohn Licianus des
Licinius noch in den Windeln lag. Gesichert aber war Constantins Vorherrschaft
nicht, denn Licinius wollte sich mit der Zurückstu-
fung nicht abfinden. Die Spannungen wuchsen bald wieder, und
der Historiker Eutropius (-I- um 390) schilderte sie so, als habe sie
Con-stantin bewusst geschürt: „Der hochbegabte Constantin pflegte alles
durchzusetzen, was er sich vorgenommen hatte. Alleinherrschaft über das ganze
Reich war sein Ziel, und am Krieg gegen Licinius ließ er sich auch nicht durch
ihre Verschwägerung abhalten." Er brauchte allerdings einen halbwegs
plausiblen Anlass, und den lieferten ihm im Jahr 323 die Goten, die in das zum
Reichsteil des Licinius gehörende Thrakien einfielen.
Constantin machte gegen sie Front, was Licini-us als
Einmischung in seine Herrschaft ansah; dem Amtskollegen erklärte er den Krieg.
In
einer Schlacht bei Adrianopel (Edirne) behielten die unter
dem Labarum kämpfenden Truppen Constantins die Oberhand; Licinius setzte sich
nach Kleinasien ab, um Verstärkungen an sich zu ziehen. Unterdessen besiegte
die Flot-te seines Rivalen unter dem Befehl des jungen Crispus im Hellespont
(Bosporus) die Seestreitkräfte des Licinius, so dass Constantin übersetzen und
den Gegner bei Chrysopolis (heute Stadtteil Istanbul-Üsküdar) am 18.9.324
erneut vernichtend schlagen konnte. Mit Rücksicht auf seine Schwester
Constantia schenkte Constantin dem Geschlagenen zunächst das Leben. Im Jahr
darauf ließ er ihn wegen an-geblicher Konspiration mit den Goten dann doch
hinrichten.
Kampf um einen Buchstaben
Kaiser Constantin und das Konzil von Nicaea (325)
In der Zeit der schweren Auseinandersetzungen mit Licinius
hatte Constantin auch mit allerhand Streitigkeiten in der christlichen Kirche
zu kämpfen, die er seit dem zweiten Toleranzedikt 313 massiv förderte. Er war
der festen Überzeugung, dass die alten Kulte endgültig ausgedient hatten und
dass nur die Kirche allein dem Reich den nötigen inneren Zusammenhalt zu geben
vermochte. Er selbst trat ihr zwar vorerst nicht bei, was ihn aber nicht
hinderte, sich mit seiner Autorität in kirchliche Belange einzumischen. Ihre
Einheit war für ihn politisch so kostbar, dass er sie notfalls herbeizwingen
wollte. Als theologischer Laie erschienen ihm Lehrstreitigkeiten wie die um die
Auffassungen des Alexandri-ners Arius (um 260-336) als abseitige
Haarspaltereien, die mit Blick auf das Ganze zu unterbleiben hätten.
Endlich Alleinherrscher geworden, berief Con-stantin daher
schon 325 eine allgemeine Kirchenversammlung nach Nicaea in Bithynien (heute
lznik, Türkei) ein, die den Konflikt schlichten sollte. Arius behauptete im Gegensatz
zur kirchlichen Lehre von der Trinität (Dreieinigkeit), dass Jesus Christus
nicht wesensgleich (griechisch homoousios) sei mit Gott, sondern nur
wesensähnlich (homoiou-sios). Die Brisanz des Konflikts, bei dem es um
einen einzigen Buchstaben zu gehen schien, wurde auf der
Versammlung erst offenbar, und Constantin musste sein ganzes politisches
Gewicht in die Waagschale werfen, damit ein Beschluss zustande kam. Der
Arianismus wurde verdammt, doch austilgen ließ er sich dadurch nicht. Noch
Jahrzehnte prägte der Streit die kirchliche Entwicklung. Vor allem dass die
Ger-manenvölker von arianischen Missionaren bekehrt wurden, sollte für
Konfliktstoff sorgen.
Palast am Goldenen Horn
Militärische Notwendigkeiten, aber auch religiöse Gründe
veranlassten den Kaiser zur Schaffung einer neuen Hauptstadt des Reiches, die
am Schnittpunkt zwischen Ost und
West, zwischen lateinischer und griechischer Welt liegen
sollte. Seit 326 wurde das alte Byzanz am Hellespont (Bosporus) zur neuen nach
dem Kaiser benannten Metropole Constanti-nopel ausgebaut und 330 eingeweiht.
Christliche Kirchen und eine gewaltige Palastanlage am Goldenen Horn mit der
Apostelkirche im Zentrum schmückten die Stadt. Sie gewann im 4. Jahrhundert im
ständigen Kampf um die Einheit des Reiches und um seinen Bestand herausragende
Bedeutung, während Rom nur deswegen nicht in Bedeutungslosigkeit versank, weil
hier der Bischof als Nachfolger des Petrus und Stellvertreter Christi auf Erden
zum geistlichen Oberhaupt der Christenheit aufstieg.
Abkehr von der Welt
Entsteiung der Eremiten- unc Mönc isbevveung (3./4. Jh.)
Der Aufstieg des Christentums zu einer er-wünschten
Religion, wenn auch mit Rücksicht auf andere Kulte noch nicht zur einzigen
dieser Aufstieg war verbunden mit Macht-und Prachtentfaltung. Der Kaiser selbst
wurde oberster Kirchenbauer (siehe Kasten) und ver-stand sich als weltlicher
Herr der Kirche, obwohl er nicht getauft war, auch das zur Schonung der anderen
religiösen Gruppierungen. Die Kirche dankte ihm die Förderung mit einer Verurteilung
von Soldaten, die den Militärdienst verweigerten. Aus der Kirche der
Fein-desliebe und der radikalen Friedfertigkeit war eine Art verlängertes
Schwert des Herrschers geworden. Das Bündnis Thron und Altar nahm erste Formen
an.
Ganz dem Glauben leben
Das rief eine Gegenbewegung auf den Plan, in deren Augen die
Verweltlichung und staatliche Vereinnahmung eine gefährliche Entwicklung
darstellte und die daher eine Rückbesinnung verlangte. Das schien nur in einer
Abwendung von der Welt möglich, die mit ihren Verlockun-gen von der Nachfolge
Christi nur ablenke. Es breitete sich ein Einsiedlerwesen (Eremiten-tum) aus,
wobei Gleichgesinnte zueinander fanden, die auf Reichtum, Sexualität und
Genüsse verzichten wollten, um ganz dem Glau-
ben zu leben. Dabei spielte auch die nicht nur im
Christentum verbreitete Ansicht eine Rolle, die materiell-leibliche Welt sei
böse und müsse so weit möglich überwunden werden. Allein, bald auch in Gruppen
zogen sich diese „Mönche" genannten Männer (von griechisch monachos =
allein Lebender) in die Einsamkeit zurück, in Höhlensysteme und Wüstengebiete.
Einer der berühmtesten wurde der Heilige An-tonius (251-356), um dessen
„Versuchungen" sich zahlreiche Legenden rankten und dessen Einsiedelei in
Mittelägypten zum Pilgerziel wurde. Die anderen Eremiten der Gegend er-
Hagia Sophia
Des Kaisers Selbstverständnis als Kirchenfürst wird deutlich
in seiner umfangreichen Bautätigkeit auf sakralem Gebiet. Er stattete
insbesondere Rom mit aufwendigen Kirchenbauten aus, zum Beispiel um 325 über
der Stelle, wo nach der Überlieferung Petrus den Märtyrertod erlitten hatte.
Auch im Heiligen Land, das die Kaiserin-mutter Helena mehrfach bereiste, ließ
Constantin an den heiligen Stätten Gethsemane, Golgatha, Ölberg, Bethlehem
Kirchen errichten, unter denen die fünfschiffige Bethlehemer Geburtskirche mit
dem oktogonalen (achteckigen) Chor und die prachtvolle Grabeskirche in
Jerusalem besonders
wählten ihn sich zum „Vater' (hebräisch: abba, daher das
Wort „Abt" für den Klostervorsteher) und zeigten damit, dass auch viele
Einsiedler ihr Christentum in Gemeinschaft leben wollten, wie von Jesus immer
gefordert. Diesen Gedanken betonte auch des Aptonius Zeitgenosse und Landsmann
Pachomius (287-347), der damit zum Begründer des Klostermönchtums vor allem
östlicher Prägung wurde. Im Westen setzte sich der umfassendere Ordensgedanke
durch, doch erst später, als die politischen Voraussetzungen günstiger geworden
waren.
zu nennen sind. Diese Bautätigkeit erlebte ihren Höhepunkt
bei der Entstehung der neuen Haupt-stadt Constantinopel seit 330. Zwar wurde
die erst Sophienkirche (Hagia Sophia) erst 360 vollendet, doch trug die Planung
deutlich die Handschrift des ersten christlichen Herrschers über das Weltreich.
Sein Mausoleum wurde mit Stelen für die zwölf Apostel versehen, in deren Mitte
sein Sarkophag stand, so dass er als dreizehnter „Apostelgleicher" die
ewige Ruhe finden würde. Die Verehrung für Constantin nahm in der östlichen
Kirche Formen eines christlich gewendeten Kaiserkults an, der Westen blieb distanzierter,
huldigte ihm aber ebenfalls als „dem Großen".
Grenz- und Kirchenkämpfe
Das Reich unter den Söhnen Constantins (337-350)
Im Mai 337 starb Constantin der Große nach Empfang der
Taufe. Er hinterließ ein gefährliches Machtvakuum. Zahlreiche Verwandte
meldeten Ansprüche auf Teile der Macht oder gar auf die alleinige Nachfolge an,
bis das Heer zwar nicht Klarheit schuf, aber doch eine über-sichtlichere Lage
herbeiführte. Entferntere männliche Angehörige der Dynastie wurden in einem
Blutbad beseitigt und die drei Söhne Constantin II., Constantius II. und
Constans zu Augusti ausgerufen. Dem Massaker entkommen waren außerdem deren Vettern
Gallus und lulianus. Constantin II. mit der Machtbasis im Westen (Spanien,
Gallien, Britannien) beanspruchte als Ältester den Vorrang vor den Brüdern und
die Vormundschaft über den unmündigen Constans, der Nordafrika, Italien und
Illyricum als Herrschaftsgebiet erhalten sollte. Der Osten ging an Constantius
II.
Der Ausgleich erwies sich als wenig haltbar. Da sein
„Mündel" Constans sich als zu selbständig erwies, griff Constantin II.
schon 340 in Italien ein, erlitt aber bei Aquileia eine Niederlage gegen den
Bruder und fiel. Constans herrschte nun über den gesamten lateinischen Westen
des Reiches. Der verbliebene Bruder Constanti-us II. musste das so hinnehmen,
waren ihm doch durch schwere Abwehrkämpfe gegen das persische Reich die Hände
gebunden. Constans
stand ebenfalls vor schweren Aufgaben, weil der Bruderkrieg
Randvölker im Westen, vor allen Franken und Sachsen, zu Vorstößen über den
Rhein ermuntert hatte. Bis 342 trieben die Römer die Eindringlinge wieder
zurück, und Constans gewann die Franken als Bundesgenossen.
Tyrannische Züge
Brenzliger war die Lage in Britannien, wo wieder Pikten und
Scoten, dieses Mal aber im Verein mit sächsischen Stämmen gegen den
Ha-drianswall drückten und ihn stellenweise überwinden konnten. Mit mäßigem
Erfolg führte Constans 343 auch dort Krieg, musste sich dann aber kirchlichen
Auseinandersetzun-
gen in seinen Kernländern stellen. Aus Glaubens- waren
längst Machtfragen geworden, und auch eine von Constans nach Serdica (Sofia)
einberufenen Reichsynode vermochte sie nicht zu klären, im Gegenteil: Der
Anspruch Roms auf kirchlichen Vorrang vertiefte den Graben zur Ostkirche, die
sich als „orthodoxe" zu etablieren begann und sich an „ihren" Kaiser
Constantius II. anlehnte. Constans versuchte, in seinem Reichsteil die Glaubenseinheit
mit Zwang und Drohungen durchzusetzen. Auch sonst entwickelte er tyrannische
Züge, schuf sich viele Feinde, auch in der Armee, die den Offizier Magnentius
in Gallien zum Gegenkaiser ausrief. Der erst 27-jährige Constans wurde auf der
Flucht vor ihm 350 erschlagen.
in Der Thron, die Macht und der Tod
Gefährdete Alleinherrschaft des Constantius II. (350-360)
Den Bruder, mit dem es über kurz oder lang zum Kampf
gekommen wäre, war Constantius II. los. Der Usurpator Magnentius war allerdings
mit seinem Rückhalt im Heer auch nicht zu unterschätzen, wie gleich ein erstes
Ge-fecht zeigte, bei dem Constantius im Frühjahr 351 das Feld räumen musste.
Sein Gegner verlangte nun die Abdankung des Kaisers, der sich aber im September
des gleichen Jahres bei Mursa (Osijek/Kroatien) erneut zur Schlacht stellte und
dieses Mal dank fränkischer Überläufer und trotz enormer Verluste siegte.
Mangels Legitimität brach die Herrschaft des Mag-nentius rasch zusammen, und er
musste sich nach Spanien zurückziehen. Den entscheidenden Schlag bereitete der
Kaiser akribisch vor,
so dass es 353 wurde, ehe Magnentius in Süd-ostgallien
geschlagen werden konnte; der Unterlegene gab sich den Tod.
Köln in Gefahr
Wieder gebot nur noch ein Kaiser über das Reich, das
allerdings vom Bürgerkrieg geschwächt war. Franken und Alemannen hatten ihn
genutzt und die Rheingrenze an vielen Stellen durchbrochen; Colonia
Agrippinensis (Köln) war aufs Äußerste bedroht. Constantius II. wagte nicht
einmal, die Residenz Augusta Tre-verorum (Trier) zu beziehen und schlug sein
Hauptquartier in Arles an der Rhönemündung auf. Die Alemannen ließen sich 354
bändigen und in ein Bündnis einbinden. Mit den Franken
taten sich die Römer schwerer, aber eher weil sie es sich
selbst schwer machten. Der Franke Silvanus, der den Kaiser bei Mursa durch
seinen Übertritt gerettet hatte, war inzwischen sein Heermeister (magister
militum), Constan-tius aber aufgrund von Gerüchten immer arg-wöhnischer gegen
ihn geworden. Als Silvanus Köln gegen seine einstigen Stammesgenossen
verteidigte, verdächtigte ihn sein Herr, er wolle mit den Feinden gemeinsame
Sache machen. Da Unschuldsbeteuerungen nichts halfen, ging Silvanus in die
Offensive und ließ sich zum Kaiser ausrufen; er fiel 355 gedungenen Mördern zum
Opfer.
Auch im Osten des Reiches gärte es. Hier hatte der Kaiser
seinen Vetter Gallus als Caesar installiert, der aber militärisch völlig
versagte und mit harten Maßnahmen die Bevölkerung gegen sich aufbrachte (siehe
Kasten). Constan-tius zitierte ihn nach Mailand, ließ ihm den Prozess machen
und den 29-Jährigen hinrichten. Er selbst musste nun auch im Osten nach dem
Rechten sehen und ließ den Westen in der Obhut des Gallus-Bruders lulianus,
verdeutscht Julian, den er 355 zum Caesar erhob und mit seiner Schwester Helena
verheiratete. Der junge Mann (* 331) sprach kaum Latein und schien als
Stubengelehrter keine Gefahr für die kaiserliche Position.
Atemberaubendes Tempo
Versuch einer heidnischen Restauration unter Julian
(361-363)
Constantius erlebte eine zwiespältige Überraschung mit
seinem West-Caesar Julian. Der angeblich linkische Gelehrte lernte nicht nur
rasch Latein, sondern bewährte sich auch als Heerführer: Er hatte Fortune, und
er wusste Offiziere und Soldaten richtig zu nehmen und zu motivieren. Ihm
gelang die Rückgewinnung Kölns und 357 durch einen Sieg über ein fränkisches
Heer bei Straßburg auch insgesamt eine Stabilisierung der Rheingrenze, so dass
er neben Lutetia (Paris) auch Trier wieder zu einer seiner Residenzen machen
konnte. So sehr die Erfolge im Interesse des Reiches waren, so eher besorgt
nahm sie der Kaiser zur Kenntnis. Der junge Feldherr wurde ihm unheimlich, und
er forderte ihn auf, einige kampferprobte Ver-
bände zu seiner Hilfe an die bedrohte Ostgrenze abzugeben.
Das stieß bei Julians Leuten auf Widerstand; die betroffenen Truppenteile
meuterten und riefen Julian 360 zum Augus-tus aus.
Der lehnte das zunächst aus taktischen Gründen ab, spielte
dem Vetter gegenüber auf Zeit und ließ sich schließlich doch zur Annahme des
Herrschertitels bewegen. Krieg wurde un-ausweichlich. Ehe jedoch die
Streitkräfte aufeinander prallen konnten, starb der erst 44jährige Constantius
Ende 361 in Kilikien. In den wenige Monaten der folgenden Herrschaft Julians
legte der neue Kaiser ein atemberaubendes Reformtempo vor. Er verschlankte den
Hofstaat, reduzierte den Beamtenappa-
rat, verfügte Höchstpreise für Getreide, ergriff Maßnahmen
gegen die Korruption und entrümpelte das Zeremoniell. Vor allem drängte er das
Christentum zurück und versuchte, durch eine Vereinheitlichung der
traditionellen Religion und der orientalischen Kulte eine Art heidnische
Gegenkirche zu schaffen. Tempel wurden restauriert, Christen bevorzugt
entlassen, und ein Verbot erging, nach dem sie Klassiker nicht mehr auslegen
durften („Philosophengesetz"). Diese Autoren seien Heiden gewesen und
würden durch die falsche Sicht christlicher Lehrer besudelt. Julian erhielt in
der christlichen Geschichtsschreibung den Bei-namen „Apostata" (= der
Abtrünnige).
Tödlicher Pfeil
Wie weit Julian letztlich gegangen und ob er nicht doch vor
dem sich versteifenden Widerstand aus der übermächtigen Kirche zum Rückzug
gezwungen worden wäre, darüber ist viel spekuliert worden. Eine wirkliche
heidni-sehe Restauration wäre wohl nicht nur an Christentum und Kirche, sondern
auch daran gescheitert, dass die alten Kulte keine Strahl-kraft mehr hatten.
Die Probe aufs Exempel fiel aus, weil Julian einen großen Feldzug gegen das
Perserreich (siehe Kasten) unternahm. Am 26.6.363 erlag er einer
Pfeilverwundung.
Grenzen unter Druck
Valentinian, Valens, Gratian (364-383)
Mit Julian war die Constantinische Dynastie erloschen. Nach
dem Rückzug aus Mesopota-mien bestimmte das Heer 364 den pannoni-schen General
Valentinian (* 321) zum Augus-tus, der seinen jüngeren Bruder Valens (* 328)
zum Mitregenten erhob. Obwohl sich Valenti-nian den Westen des Reiches als
Herrschaftsge-biet wählte, lag hier keine Reichsteilung vor, denn er blieb
stets der ranghöhere Herrscher, der sich die letzte Entscheidung vorbehielt. In
erster Linie aber kümmerte er sich um die schon wieder mehrmals von
Germanenstäm-men durchlöcherte Rheingrenze. Durch politische Zugeständnisse an
die Gegner und erfolgreiche Strafexpeditionen gelang ihm eine Festigung der
römischen Position. 367 erhob er
Schlacht bei Adrianopel
Die Goten zogen sich beim Herankommen des Heeres unter
Volens zunächst zurück. Der Kaiser unterschätzte daher ihre Kampfkraft und
entschloss sich, nicht auf die Verstärkungen zu warten, die Gratian
heranführte, und am 9.8.378 loszuschlagen. Anfangs erwiesen sich die Römer dank
ihrer Kavallerie tatsächlich als überlegen, doch trafen nach und nach
Reitereinheiten be-freundeter Stämme bei den Goten ein, so dass diese zur
Gegenoffensive übergehen und das kai-
seinen achtjährigen Sohn Gratian zum Mitau-gustus,
vielleicht ahnend, dass ihm nicht mehr allzu viel Zeit blieb. 375 starb
Valentinian; sein germanischer Heermeister Merobaudes sicherte sich die
indirekte Nachfolge, indem er den erst vierjährigen von ihm abhängigen Sohn
Va-lentinian (II.) zum Mitherrscher des Gratian ausrufen ließ, was dieser
akzeptierte.
Goten irn Reichsgebiet
Unterdessen hatte der Druck von Steppenvöl-kern (Hunnen) in
Südrussland die Goten in Be-wegung gebracht, die nun nach Süden fluteten. Ihnen
stellte sich Kaiser Valens 378 bei Adrianopel (Edirne) entgegen (siehe Kasten).
Gratian eilte herbei, begleitet von seinem neu-
serliche Heer vernichtend schlagen konnten. Zwei Drittel des
auf 20 000 Man geschätzten Heeres des Volens kamen auf dem Schlachtfeld um,
auch der Kaiser selbst fiel; sein Leichnam wurde nie gefunden. Die Stadt
Adrianopel konnte sich allerdings holten. Die militärische Katastrophe wurde
von den Zeitgenossen als Zeitenwende empfunden, nach der zunehmend Unsicherheit
das Lebensgefühl im Reich prägte, Später diente das Datum zur Markierung des
Beginns der Völker-wanderungszeit.
en Heermeister Theodosius, dessen Vater schon an der Spitze
der Weststreitkräfte gestanden hatte. Dem geschickten Strategen gelang die
Stabilisierung der militärischen Lage an der unteren Donau durch Ansiedlung der
Goten auf Reichsgebiet (Thrakien und Mösien) und durch einen Vertrag über
Abstellung gotischer Verbände für das römische Heer. Gratian erhob Theodosius
379 zum Augustus und wies ihm den bisherigen Reichsteil des Valens als Macht-gebiet
zu.
Damit kam der Osten zunächst zur Ruhe. In seinem Reichsteil
aber bekam es Gratian mit einer Usurpation des Generals Magnus Maximus in
Britannien zu tun. Dessen Leute in Gallien organisierten 383 die Ermordung des
Kaisers; es sollte fünf volle Jahre dauern, ehe Theodosius den aufrührerischen
Maximus bezwungen hatte. Und dann war da noch Valen-tinian II., für den
inzwischen der neue Heer-meister Arbogast, ein Franke, die Geschäfte führte.
Als der junge Valentinian schon 392 starb, wurde Arbogast des Mordes bezieht
o:. zumal er mit dem hohen christlichen Bear-7t-Eugenius sogleich einen neuen
Kaiser präse--tierte. Theodosius konnte das nicht h ^ e- - men, hatte er doch
gerade durch Ehe r- 7 77.-la, einer Tochter Valentinians I., in Dynastie
eingeheiratet.
Der letzte Herr über das ganze Reich
Die Ausschaltung aller Rivalen durch Theodosius (379-395)
Theodosius I., von christlichen Historikern später „der
Große" genannt, war am 11.1.347 in Nordwestspanien zur Welt gekommen. Bei
seinem Vater ging er in eine harte militärische Schule. In Kämpfen gegen
Alemannen und (baden erwarb er die ersten Lorbeeren. Nach der Schlacht von
Adrianopel wählte ihn der 19-jährige Kaiser Gratian 379 zum Mitregen-ten. 382
legte Theodosius den Konflikt mit den Goten bei. Nach langen Verhandlungen kam
es auch mit dem persischen Sassanidenreich 387 zu einer Einigung.
Bedeutenden Einfluss nahm der neue Kaiser auf das
Christentum. Erst 380 getauft (obwohl Eltern und vermutlich auch Großeltern
bereits Christen waren), griff er in den seit dem Konzil von Nicaea (325)
weiter schwelenden Kirchenstreit zwischen Arianern und Athanasiern zu-gunsten
der letzteren ein. Das Konzil von Con-stantinopel 381, auf dem die arianische
Lehre endgültig verworfen wurde, war sein Werk. Massiv ging Theodosius gegen
die letzten Reste heidnischer Überlieferung vor. Er machte das Christentum 391
zur Staatsreligion, verbot alle heidnischen Kulthandlungen und sogar die immer
noch (seit 776 v. Chr.) zu Ehren des Zeus veranstalteten Olympischen Spiele.
Der Apollo-tempel in Olympia und das Serapeion in Alexandria wurden
geschlossen.
Auf dem Höhepunkt der Macht
Der Kampf gegen die alten Götter hatte einen politischen
Hintergrund: Usurpatoren beriefen sich auf die heidnischen altrömischen
Traditionen. 388 wurde Maximus, der sich 383 von seinen Truppen zum Kaiser
hatte ausrufen lassen, an der Drau geschlagen, 394 der von Ar-bogast auf den
Schild gehobene Usurpator Eu-genius bei Aquileia in Venetien; Arbogast beging
Selbstmord. Theodosius stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Da auch Gratian
nicht mehr lebte (383 in Lyon ermordet), führte er die Herrschaft allein. Der
Feldzug gegen Eugenius aber hatte seine Gesundheit stark angegriffen, zum
Triumphzug kam es nicht mehr. In der Nacht zum 17.1.395 starb der Kaiser.
Das römische Weltreich wurde nun endgültig geteilt. Der
17-jährige Kaisersohn Arcadius erhielt den Osten, der 11-jährige Honorius den
westlichen Reichsteil. Als Berater und Vormund des Honorius wurde der Wandale
Stilicho (sie-he Kasten) eingesetzt. Gab es zuvdr trotz der
„Mitregentschaften" noch so etwas wie eine einheitliche römische Politik,
schlugen nun die Reichsteile eigene Wege ein. Im Osten (Con-stantinopel) gingen
römisches Recht und Verwaltung, griechische Traditionen und das Christentum eine
dauerhafte Synthese ein, die noch ein Jahrtausend halten sollte. Im Westen
dagegen (zunächst Mailand, von 404 an Ravenna) zeichnete sich bald der
Untergang des Reichsteils ab.
Welthauptstadt im Abseits
Die Rolle des Senatsadels im ausgehenden 4. Jahr iundert
Das Heidentum war seit Julian immer weiter an den Rand
geraten. Hort der alten römischen und auch der neuen orientalischen Kulte war
Rom, ausgerechnet die ebenfalls ins Abseits geratene einstige Welthauptstadt,
wo auch der oberste Christ oder doch der, der diesen An-spruch erhob,
residierte: der Papst. Vielleicht war gerade deswegen die Tradition hier so
stark, weil sich die senatorische Führungs-schicht vom Zeitgeist abzugrenzen
bemüht war. Sie hatte ja allen politischen Einfluss an den kaiserlichen Hof
verloren. Umso intensiver pflegte sie das inzwischen rein repräsentative
Ämterwesen. Wer es bis zum Konsul brachte, hatte die höchsten Weihen erreicht,
denn sein Name und der seiner Familie würde auch noch der Nachwelt etwas sagen;
nach den Konsuln nämlich wurden die Jahre benannt. Solche Ehre war allerdings
teuer, denn die diversen Spiele, die das Volk von den hohen Herren in ihrer
Amtszeit erwartete, mussten sie aus eigener Tasche finanzieren.
Vielen machte das wenig aus, denn dank nie aufgehobener Privilegien
hatten die führenden Geschlechter Roms enorme Reichtümer horten können. Damit
waren sie von den Herrschern ruhig gestellt und über den Machtverlust
hinweggetröstet worden. Sie verfügten über Paläste in der Stadt und über
Latifundien
in den lieblichsten Landschaften Italiens. Bei
Hungerrevolten in Rom setzten sie sich dorthin ab. Hatte sich die Lage
beruhigt, kehrten sie zurück und erschienen nun als Heilsbringer: Endlich gab
es wieder Spiele und Gratis-Getrei-de! An der immer weiter klaffenden Schere
zwischen Arm und Reich rüttelte im Prinzip aber niemand, und Kaiser wie
Valentinian denen das Elend der Massen Sorgen bereitete, erreichten mit
Reformen allenfalls vorübergehend etwas.
Kult- und Kulturpflege
Nicht nur die alten Kulte förderte der nicht-christliche
Adel in Rom, sondern auch die alte Kultur. Man widmete sich mit großem Eifer
der Überlieferung und Kommentierung der klassi-
schen griechischen wie römischen Dichtungen, pflegte das
Theater, übte sich in Rhetorik und Philosophie und ließ dem Nachwuchs eine
ent-sprechende Bildung angedeihen. Beispielhaft für den Grad der Verfeinerung
sind die etwa 390 entstandenen „Saturna!ia" des.Macrobius, die mit Bezug
auf das gleichnamige Fest Ende Dezember philosophische Gespräche nach der Art Platons
und literarische Diskussionen ent-halten. Teilnehmer sind hochgestellte
römische Persönlichkeiten, darunter der seinerzeit wohl bedeutendste Redner der
Stadt Symmachus (siehe Kasten). Ein Leitmotiv ist die Abgrenzung vom
Christentum, die nur indirekt erfolgt, weil Macrobius die der römischen
Gesittung feindliche Religion gar nicht erst beim Namen nennen will.
Farbiges Zeitbild
Das große Geschichtswerk des Ammian
Die rückwärts gewandte Haltung der Füh-rungsschicht in Rom
inspirierte einige Autoren zur Veröffentlichung von handlichen
Ge-schichtswerken (breviaria). Und vielleicht erhielt auch das monumentale Werk
eines zuge-wanderten Griechen dadurch den entschei-denden Impuls: Der um 330 in
Antiochia in der Provinz Syria geborene Ammianus Marcellinus, kurz Ammian,
hatte sich nach Jahren als Offizier und Teilnehmer an diversen Feldzügen unter
Constantius II. und Julian sowie nach ausgedehnten Reisen in Rom niedergelassen
und war beinahe römischer geworden als viele Alteingesessene. Die große
Vergangenheit von Stadt und Reich faszinierte ihn, und er fasste den kühnen
Entschluss, das im Jahr
96 n.Chr. endende Geschichtswerk des Tacitus fortzuführen.
In 31 Büchern schrieb er die Er-eignisse seit Kaiser Nerva bis ins Jahr 378 auf
Lateinisch nieder. Die ersten 13 Bücher sind verloren, so dass nur die
Schilderung der 26 Jahre von 353 an auf uns gekommen ist.
In den „Res Gestae" (Geschehnisse) genannten Schriften
werden die behandelten Jahre aller-dings ständig in den früheren Epochen
gespie-gelt, so dass wir Ammians Ansichten auch über die klassische römische
Geschichte kennen. Sie hat für ihn Vorbildcharakter, was ihm zuweilen den Blick
trübt. Im Vordergrund der überliefer-ten Texte aber steht die Zeitgeschichte in
dem Sinn, dass er ihr Zeitgenosse war, vieles selbst miterlebt hatte und auf
Zeitzeugen zurück-
greifen konnte. Die dadurch erreichte Leben-digkeit dämpft
Ammian durch sehr sachliche Darlegungen, wollte er doch dem Ideal des Ta-citus
gerecht werden, „ohne Zorn und Eifer" (sine ira et studio) zu berichten.
Das ist ihm fast besser gelungen als seinem Vorbild, auch wenn er nicht immer
persönliche Zu- und Ab-neigungen zu verbergen vermag.
Vertrauen in die Reichsstabilität
Dieser letzte der großen nichtchristlichen
Ge-schichtsschreiber des Römischen Reiches hatte durchaus ein Gespür dafür,
dass er in Zeiten des Niedergangs lebte; die Gründe dafür aber scheint er nur
geahnt zu haben. Was die Völker, die gegen die Grenzen des Imperiums
an-brandeten in Bewegung gebracht hatte, blieb ihm dunkel. Auch die eigentümliche
Erstarrung der Gesellschaft in privilegierte Oberschicht und ausgebeutete Masse
kam ihm kaum zu Bewusstsein. Hingegen behandelte e' das Thema Christentum, das
sonst von heidrC-schen Autoren meist übergangen wurde„ durchaus tolerant, wie
er denn überhaupt weltanschaulich offenbar wenig festgelegt war. Sein Werk
endet mit der Katastrophe vor Adrianopel und doch zuversichtlich: Das
ü..7e-tausend Jahre alte Reich würde auch SC schweren Rückschläge überwinden.
Eine ungewöhnliche Karriere
Bischof Ambrosius von Mailand und der Kaiser
Christliche Historiker haben Kaiser Theodosius schon bald
nach seinem Ende als „den Großen" gefeiert. Sie würdigten damit seine
großen kirchenpolitischen Leistungen und seinen Kampf gegen das Heidentum. Was
für eine Macht dadurch neben dem Kaisertum entstanden war, musste Theodosius
schon zu Lebzeiten erfahren. Ihm erwuchs nämlich im Bischof seiner
Residenzstadt Mailand eine Persönlichkeit von derartigem Format, dass selbst
der Kaiser gewisse Rücksichten nehmen musste: Ambrosius (339-397), als Sohn
eines hohen Beamten in Trier geboren, trat in die väterlichen Fußstapfen, wurde
Jurist und übernahm 374 die Präfektur in Ligurien mit Sitz in Mailand unweit
des kaiserlichen Hofes. Als im Jahr darauf der dortige Bischofsstuhl vakant
wurde und sich kein Nachfolger fand, wählte man Ambrosius, obwohl er erst in
der Taufvorbereitung stand und keine theologische Qualifikation hatte.
Kompromisslos im Glauben
Obwohl er sich gegen die Wahl sträubte, musste er sich auf
kaiserliche Anordnung hin fügen. Er nahm die neue Aufgabe äußerst ernst,
eignete sich rasch die nötigen Kenntnisse an und gewann als weithin gerühmter
Prediger schnell an Autorität. Einer, den er mit seiner Wortgewalt so
beeindruckte, dass er
Hang
zum Symbolhaften
Die plastische Kunst im 4. Jahrhundert
a.a lt0-14.
ti tktkt...t-C
Nur gut sechs Jahrzehnte liegen zwischen den Amtszeiten der
„großen" Kaiser Constantin I. und Theodosius I., und doch lässt sich an
den künstlerischen Hinterlassenschaften ein deutlicher Wandel der Formensprache
feststellen. Er zeigt sich schon beim Vergleich der beiden Hauptmonumente, dem
Constantinsbogen in Rom und dem Obelisken in Constantinopel. Nach seinem 312
erfochtenen Sieg über Ma-xentius an der Milvischen Brücke widmete der Senat im
Namen des Volkes Constantin einen Triumphbogen, der 315 eingeweiht wurde. Er
ist der größte (21 Meter hoch, 25 breit, 7 tief) und jüngste in Rom und zeigt
bereits einen gewissen Verfall der plastischen Kunst in zweierlei Weise: Die
Perspektive, auf Reliefs ohnedies nicht sonderlich ausgeprägt, ist fast ganz
zugunsten bloßer Staffelung der Motive aufgegeben, und viele
Teile des Bauwerks sind einfach von älteren aus der Zeit Trajans und Hadrians
(erste Hälfte 2. Jahrhundert) abmontiert und hier angebracht worden. Auch im
Vergleich mit neueren Teilen wird die gesunkene Kunstfertigkeit sichtbar. Hier
ging es um Monumentalität, weniger um Details.
Frontal erstarrt
Gerade in der Verwendung alter Versatzstücke aber steckt
auch die Betonung der Kontinuität. Es ging dem Senat offenbar gerade um die
Integration des neuen Herrschers in die Reihe seiner ruhmvollen Vorgänger; ein
gewisser Sparzwang mag mitgespielt haben. Von einem solchen nostalgisch-stolzen
Rückblick
ist auf den Reliefs der beiden Marmorsockel (zusammen 6
Meter hoch) des ägyptischen Obelisken nichts mehr zu spüren, den Theodo-sius
390 in der Mitte des Hippodroms von Constantinopel aufstellen ließ. Allenfalls
Stolz auf die Ingenieursleistung ist bemerklich. Das Bild auf der Ostseite zeigt
den Kaiser, der den Siegerkranz bereithält, zwischen seinen Söhnen und hohen
Beamten in der Loge; die Größe der Figuren spiegelt ihren jeweiligen Rang. Hier
fehlt nicht nur die Perspektive, auch auf eine Darstellung der Personen im
Profil hat der Künstler verzichtet und alle Akteure frontal aufs Bild gebannt.
Es scheint, als habe er kein einmaliges Ereignis, sondern einen Mo-ment von
ewiger Geltung festhalten wollen. Diese Tendenz lässt sich auch an
Ganzplastike-aus derselben Zeit feststellen. Schon dass s weit seltener
geworden sind als in früherer Epochen, belegt den Hang zum Symbolhaftem Der
Schmuckgedanke, wie er in NischenfigG-ren zum Ausdruck kommt, tritt zurück. Es
dominieren Herrscherstatuen, die kaum De--sönliche Züge aufweisen und eher Werte
Würde repräsentieren. In christlicher 5 —hat sich das Individuum zugunsten der
P.,-4-tion im Heilsplan verflüchtigt. Nur -
Kleinkunst hat es weiterhin seinen Platz Ls Kasten).
Licht und Wasser
infrastru
In der Forschung lange umstritten war die Fra-ge, ob die
größeren römischen Städte des 4. Jahrhunderts über eine Straßenbeleuchtung
verfügten. Für markante Punkte wurde das all-gemein angenommen, in der Fläche
aber blieben Zweifel. Hinweise beim Schriftsteller Liba-nios (314-393) brachten
keine Klarheit; er spricht von „Hängeleuchten" in Antiochia (Syrien), die
von Saboteuren abgeschnitten worden seien. Und bei Hieronymus (347-419) heißt
es zwar ebenfalls über Antiochia, ein Streitgespräch habe dort so lange
gedauert, dass draußen ringsum bereits die Lichter angezündet wurden. Das sagt
aber nichts darüber, ob dahinter staatliche Verfügungen standen. Erst die
Ausgrabung von Pompeji und anderer Städte schuf Sicherheit: Es gab vielerorts
städtische Beleuchtung und entsprechende Vorschriften dafür. Die von Antiochia
war wohl bloß beson-ders eindrucksvoll, weil die durch Handel reiche Stadt sich
eine helle Petroleum-Beleuchtung leistete. Sie brannte die ganze Nacht
(„per-noctantium luminum claritudo), wie es bei Ammianus Marcellinus heißt.
Sehr gut erhaltene Stützbogen
überhaupt hielt sich der hohe Standard im Os-ten länger,
denn seit 330 war Konstantinopel neue Reichshauptstadt. Ihre Einwohnerschaft
Innere
Gefahr?
Die Goten zwischen den rivalisierenden Reichsteilen
Die beiden Reichsteile drifteten unter den Söhnen des
Theodosius nicht nur auseinander, sie arbeiteten in manchem sogar
gegeneinander. In Mailand bestritt man den Vorrang des älteren Ostkaisers
Arcadius, und in Constanti-nopel sah man mit Misstrauen den großen Einfluss des
Germanen Stilicho, dem es gelang, seine Tochter Maria mit dem Westkaiser
Hono-rius zu verheiraten. Die früher gepriesene Politik, Germanen auf
Reichsboden anzusiedeln und das Heer mit ihnen zu verstärken, war inzwischen in
Verruf geraten. Man sah am Hof des Arcadius wieder mehr die Barbaren als die
Verbündeten, ja man entwickelte eine gewisse Furcht, dass sie sich zu einer
inneren Gefahr
entwickeln könnten. Goten saßen ja inzwi-schen auch in
großer Zahl schon in der Hauptstadt und wagten es sogar, eine eigene
ariani-sche Kirche zu fordern, was aber am Widerstand des mächtigen Patriarchen
Johannes Chrysostomos (siehe Kasten) scheiterte. Die neue
„Barbaren"-Feindlichkeit in Constan-tinopel nahm insofern besonders
Wunder, weil sie vor allem durch Eudoxia, seit 395 mit Kaiser Arcadius
verheiratet, geschürt wurde. Als Tochter eines Frankenfürsten hätte man von ihr
eher ausgleichende Töne erwartet. Sie mochte aber spüren, dass der Trend gegen
die Goten lief, und wollte um ihres Einflusses willen sich dem nicht
entgegenstellen. Führer der
gotischen Hilfstruppen war ein gewisser Gai-nas, der sich
bemühte, die antigotische Stimmung zu wenden, indem er im Jahr 400 Chal-cedon
besetzte und Kaiser Arcadius zwang, die Gotenfeinde am Hof zu entlassen. Damit
aber hatte er den Bogen überspannt, und erkannte das auch. Er versammelte seine
Männer in Constantinopel und befahl den Abmarsch. Kurz nach Verlassen der Stadt
gerieten sie in einen Hinterhalt und wurden niedergemacht; nur Gainas und
einige wenige Mitkämpfer entkamen, wurden aber wenig später Opfer einer
weiteren Attacke.
Marsch nach Italien
Dieses Massaker warnte die in Epirus ansässigen Westgoten
unter ihrem König Alarich, de-sich nun sehr zur Freude das Kaiserhofes i•-•
Constantinopel mit seinem Volk nach Weste Richtung Italien wandte. Es kam 402
zum bereits erwähnten Zusammenprall mit den Trup-pen Stilichos. Doch trotz der
Niederlage konnte Alarich die Seinen bald wieder sammeln und erneut zur
Bedrohung des Westreiches werden. Wegen dieser relativ raschen Erholurrg
entstand das Gerücht von der Kumpanei St '-chos mit den Goten, das seinen Ruf
bei Kaiser Honorius untergrub und ihn schließlich 40€ Macht und Leben kostete.
L Endzeitzeichen
Erstürmung und Plünderung Roms durch die Goten 410
Aufgrund der Gotengefahr war der kaiserliche Hof schon 404
von Mailand nach Ravenna verlegt worden, das wie das heutige Venedig im Wasser
lag und von der Landseite her kaum angreifbar war. Außerdem wurden Truppen aus
Britannien (siehe Kasten) zur Verstärkung des Kernlandes Italien abgezogen. Ob
doch etwas dran war an dem Getuschel, Stilicho konspiriere mit Gotenkönig
Alarich? Dafür spricht, dass der Heermeister eigentlich gar nicht anders
konnte, denn germanische Stämme fluteten über den Rhein nach Gallien hinein;
eine geordnete Verteidigung war gar nicht mehr möglich. Da konnte man es sich
mit den Goten im eigenen Land nicht auch noch verderben. Nach Stilichos Ende
408 jedenfalls spielte sich Alarich als dessen Rächer auf und begann erneut
eine Offensive in Italien, wo es zur gleichen Zeit zu schweren Verfolgungen
germanischer Söldner und ihrer Familien kam. Die überlebenden flüchteten sich
zu den Westgoten Alarichs, der sich auch als ihr Anwalt gegenüber Kaiser
Honorius verstand.
Der Feind im Herzen des Reiches
Da dieser im sicheren Ravenna Verhandlungen verschleppte,
stieß Alarich noch 408 nach Rom vor und belagerte die Stadt, die bald unter
Hunger litt. Gegen ein enormes Lösegeld
konnte sie noch einmal den Abzug der Goten erkaufen.
Allerdings nur vorübergehend, denn immer noch verweigerte Honorius das von
Alarich geforderte Siedlungsland. Die Goten machten daher kehrt und erschienen
410 erneut vor Rom. Dieses Mal aber ließen sie sich von der Aurelianischen
Mauer nicht aufhalten, sondern erstürmten sie und plünderten die Stadt drei
Tage lang. Ein Schock ging durch die gesamte Mittelmeerwelt. Militärisch von
be-sonderer Bedeutung war der Fall Roms im Grunde nicht, doch dass der Feind
plötzlich, zum ersten Mal seit achthundert Jahren (387 v.Chr. Galliereinfall)
im Herzen des Reiches stand, wurde als Zeichen verstanden. Bei den Heiden für
den Zorn der Götter über den Ab-
fall der Römer von der angestammten Religion, bei den
Christen für den Anbruch der Endzeit und das baldige Jüngste Gericht. In
Städten aber wachsen keine Nahrungsmittel, und als die Goten alle Vorräte an
sich gebracht und verbraucht hatten, stellte sich für Alarich wieder die Frage
nach einer Ernährungsgrundlage für sein Volk. Er brach mit seinen Scharen nace
Süden auf, wo er auf Sizilien oder in der Provinz Africa eine Basis zu finden
hoffte. Er st-i^^ jedoch noch 410 und wurde im Busen:: r.e• Cosenza begraben.
Der Legende nach le::e7e-die Goten den Fluss für die Beisetzung u— _re gaben
ihm erst danach sein altes Bett
damit das Grab ihres verehrten Führers e ze-funden und nie
geschändet werden ko
el Geisel, Gotin, Kaiserin
BI Das bewegte Leben der Ga la Placidia (390—L50)
Bei der Erstürmung Roms fiel den Goten eine ganz besondere
Beute in die Hände: Galla Pla-cidia, 390 geborene Tochter des großen Theo-dosius
I., Schwester der Kaiser Honorius und Arcadius. Mit ihr wollte Alarich Druck
ausüben, um von Honorius Land für sein Volk zu erzwingen. Als Alarich früh
starb, übernahm Athaulf die Krone der Westgoten, führte sie nach Südgallien und
heiratete dort 414 die Geisel Galla Placidia. Von den Römern unter dem
Heermeister Flavius Constantius bedrängt, wich Athaulf nach Spanien aus, fiel
dort aber schon 415 durch Mörderhand. Sein Nachfolger Vatia erreichte 417 ein
Arrangement mit Constantius, indem er gegen die Rückgabe von Galla Placidia und
gegen die Erneuerung des Bündnisvertrags mit den Römern 418 die Ansiedlung der
Goten in Aqui-tanien zwischen Atlantik und Rhone, Hauptort Tolosa (Toulouse),
erreichte.
Atempause in Constantinopel
Die Forderung nach Heimkehr der Kaisertochter war von
Constantius nicht ganz uneigennützig, jedenfalls gelang es ihm, Honorius dazu
zu bringen, ihm die Schwester 417 zur Frau zu geben. Sie schenkte ihm noch im
ersten Ehejahr die Tochter Honoria und 419 den Sohn Valentinian, benannt nach
dem kaiserli-
chen Großvater. Einmal in die Dynastie aufge-
nommen, setzte Constantius 421
auch sei-
ne Erhebung zum Augustus und die Galla Pla-cidias zur
Augusta durch. Der Ehemann starb noch im gleichen Jahr, und seine Frau geriet
in die Mühlen der Hofintrigen. Sie setzte sich 422 nach Constantinopel ab, wo
sie auf zwei weitere Kaiserinnen traf. Der dort seit dem Tod des Vaters
Arcadius 408 regierende Theodosius II. (* 401) hatte 414 seine Schwester
Pulcheria und 423 nach der Hochzeit mit Eudokia auch diese dazu ernannt.
Westkaiser Honorius starb 423, was dessen Kanzleichef Johannes dazu nutzte,
nach dem Purpur zu greifen.
Theodosius II., der wohl erkannte, dass er eine
Gesamtherrschaft über beide Reichsteile nicht
würde halten können und der auch dem Osten zu sehr verbunden
war, ernannte den erst 5-jährigen Valentinian (III.) zum Mitkaiser und
entsandte ihn mit der Mutter sowie einem Truppenaufgebot 424 nach Italien. Als
recht-mäßige Mitglieder der Kaiserdynastie konnten sich beide dort rasch durchsetzen
und den Usurpator Johannes beseitigen. Die tatkräftige und erfahrene Galla
Placidia führte nun die Regentschaft für den unmündigen Sohn bis um 435, als er
volljährig wurde. Danach zog sie sich mehr und mehr aus der Politik zurück.
starb 450 in Rom und wurde dort auch bestattet. Der Sarkophag in der für sie um
430 in Ravenna erbauten wuchtigen Grabkapelle (siee'e Kasten) blieb leer.
g Geistig-geistliche Unruhe
II Sinnsuche und Bekehrung des Augustinus (354-430)
Die Krise des Imperiums erfasste auch einen Mann, der später
eben dieser Krise die Zei-chenhaftigkeit absprechen sollte, die viele Christen
zu erkennen meinten: Augustinus, 354 in Thagaste (Africa) geboren, war
christlich erzogen worden, wandte sich aber als Ju-gendlicher ganz dem Kultur-
und Vergnü-gungsbetrieb in Karthago zu, studierte Rhetorik und wurde selbst
Dozent für dieses Fach. Bei allen Ablenkungen beschäftigte er sich trotzdem mit
den klassischen Schriften, vor allem mit Cicero, der in ihm die Liebe zur
Philosophie weckte. Die erhoffte Orientierung aber vermochte er Augustinus
nicht zu geben, und auch die Bekanntschaft mit den Lehren
der Manichäer ließ die geistig-geistliche Unruhe in dem
jungen Mann eher wachsen, die sicher auch gespeist war durch die wachsende Not
der Zeit. Er ging 384 nach Rom, erhielt einen Ruf als Rhetorik-Professor nach
Mailand, der kaiserlichen Residenz, und fand Kontakt zum dortigen Bischof
Ambrosius.
Diese Begegnung wurde wegweisend für den Sinn suchenden
Grübler, dem die Genüsse der Welt schal zu werden begannen. Und hier kam es 387
auch zu dem Bekehrungserlebnis, das Augustinus in seinen zehn Jahr später
nieder-geschriebenen „Confessiones" (Bekenntnisse) geschildert hat. Er
wandte sich von der Welt ab, und verinnerlichte ganz die Worte, die er
bei seiner Erleuchtung im Römerbrief des Pau-lus (13, 13f.)
gelesen hatte: „Lasset uns ehrbar wandeln wie am hellen Tag, nicht in
Schwel-gereien und Gelagen, nicht in Wollust und Ausschweifung, nicht in Streit
und Eifersucht. Ziehet vielmehr an den Herren Jesus Christus und pflegt nicht
das Fleisch zur Erregung eurer Lüste." Augustinus ließ sich von Ambrosius
taufen, kehrte nach Africa zurück, erhielt die Priesterweihe und wurde 395
Bischof von Hip-po Regius (Annaba, Algerien).
Nichtigkeit irdischer Zeichen
Er veröffentlichte theologische und philoso-phische Werke,
darunter das Buch „De civita-te dei" (Über den Gottesstaat, verfasst
413426), das auch auf den Schock der Eroberung Roms durch die Goten reagierte.
Er warnte vor einer Gleichsetzung des christlichen Röme--reiches mit dem von
Jesus angekündigte-Reich Gottes, das eben nicht von dieser Vle sei. Der
vergängliche Staat der Menscher. se immer auch von antigöttlichen Kräfter
stimmt. Den „Gottesstaat" dageger
der Herr im Innern des Glaubenden. De- szä-x:.--als Kirchenlehrer
und Heiliger vere'i--:e -2,..c_:5-tinus erlebte noch den Einfall de- \ a-za .t-
-
Africa und starb 430, währerc se - zr,rf.-
gius belagerten.
Sprung nach Africa
Siegeszug der Vandalen unter Geiserich (428-439)
Mit wandernden Völkerschaften hatte es das Römische Reich
schon mehrere Male zu tun gehabt. Bisher war es mit ihnen aber entweder
militärisch fertig geworden, hatte sie durch Zahlungen abwehren oder als
Bundesgenossen gewinnen können. So war es zunächst auch zum Arrangement mit den
Westgoten gekom-men, und als ihnen der Kaiser 418 das Gebiet in Südwestgallien
zugewiesen hatte, schien auch diese Vereinbarung noch im alten Rahmen zu
liegen. Doch schon bald stellte es sich heraus, dass daraus ein rein germanisch
geführter Staat entstand, der zwar bei ähnlichen Interessen mit dem
verbliebenen Weströmischen Reich kooperierte, sonst aber eigene Wege ging.
Gegen die schon 406/07 oder noch
früher an und über den Rhein gefluteten Fran-ken, Sueben,
Alanen und Burgunder ließen sie sich nur in Einzelfällen zum Kampf gewinnen, so
dass nördliches und östliches Gallien fast schutzlos deren Beutezügen
ausgesetzt waren. Einige Stämme waren schon 409 vor Ankunft der Westgoten
weiter nach Spanien gewandert, vor allem die Vandalen, die aus dem böhmisch-ungarischen
Raum vor den Hunnen ausgewichen waren. Mit ihren nur etwa 80 000 Menschen,
davon allenfalls 20 000 Bewaffnete, stellten sie in der römischen Provinz nur
eine kleine Minderheit dar, waren aber ein enormer Machtfaktor, dem die lokalen
römischen Verbände wenig entgegenzusetzen hatten, wie eine Niederlage im Jahr
422 bewies.
Der Zusammenstoß hatte sich beim Marsch der Vandalen nach
Süden ereignet, wohin sie sich vor den Westgoten absetzten, die ihren
südwestgallischen Machtbereich nach Spanien auszudehnen bestrebt waren (nach
der Stadt Toledo so genanntes Toledanisches Reich). Die Vandalen sammelten sich
um Cartagena und erhielten 428 mit König Geiserich (389-477) einen
Befehlshaber, der sie zu neuen Ufern führte.
Geiserich in Hannibals Heimat
Schon im ersten Amtsjahr setzte er mit all seinen Scharen
nach Africa über und machte sich auf den Vormarsch nach Osten. Galla Placidias
Heermeister Bonifatius bemühte sich vergeblich, ihn zum Stehen zu bringen,
wurde geschlagen und musste sich 432 mit seinem Restheer nach Italien
zurückziehen. Geiserich hingegen genoss wachsende Unterstützung durch Berber
und Oppositionelle in der Provinz, nutzte kirchliche Konflikte aus und konnte
schließlich einen eigenen Staat aufbauen den Kaiser Valentinian III. 435 anzuerkenner
gezwungen war; der formale Bündnisvertrag konnte das nur notdürftig bemänteln.
439 e--oberte Geiserich Karthago und machte
seiner Residenz. Seine Flotte beherrschte 7.2s westliche
Mittelmeer.
wo.., Erpressen und erbeuten
Der Vorsto3 der Hunnen nach Westen (405-453)
.Vie schon bei den Westgoten gesehen, war die Völkerwelle,
die an und schließlich über die Grenzen des Imperiums rollte, von Vorstößen der
Hunnen nach Westen ausgelöst worden. Dieses Reitervolk aus den asiatischen
Steppen umfasste verschiedene Stämme und war den Goten, auf die es zuerst
stieß, militärisch über-legen, obwohl es zunächst nicht unter einheit-licher
Führung stand. Nach Eroberung und Zerstörung des Ostgotenreichs des Ermanarich
(1- 375) am Schwarzen Meer und Verdrängung der rechts des Dnjestr siedelnden
Westgoten hielten die Hunnen nur vorübergehend inne. Sie unternahmen immer
wieder Beutezüge in die römischen Orientprovinzen und ins Reich der Sassaniden,
stießen 405 nach Pan-nonien (Ungarn) sowie an die untere Donau vor und arrondierten
ihr Machtgebiet mit Zentrum westlich der Karpaten.
Burgunderreich vernichtet
Es folgte wohl eine Phase der Konsolidierung, ehe die Hunnen
unter ihrem Führer Rua (herrschte 425-434) wieder aktiv wurden, und zwar gegen
Ostrom. Mit dem Westen nämlich war es zu einem Arrangement gekommen: Der
weströmischen Regentin Galla Placidia (für den Sohn Valentinian III.) war ihr
Heermeister Flavius Aetius (*um 390, sprich: A-etius) zu
mächtig geworden; sie beschloss, ihn durch den in Africa
gegen die Vandalen glücklosen Bonifatius abzulösen. Obwohl dieser den Rivalen
und seine hunnischen Hilfstruppen 432 schlagen konnte, brachte das nichts mehr,
weil Bonifatius noch im gleichen Jahr starb. Aetius aber sicherte sich bei Skua
den Beistand der Hunnen, konnte sich so in Ravenna als starker Mann des
Westreiches durchsetzen und mit hunnischer Hilfe 436 das Burgunderreich um
Worms vernichten (im Nibelungenlied besun-gen). Wegen der guten Verbindungen
des Ae-tius blieb der Westen zunächst verschont, während die Hunnen in Thrakien
einfielen und hohe Summen von Constantinopel erpressten. Unter Ruas Neffen und
Nachfolger Attila blieb
es zunächst bei der Politik der Attacken gegen den Ostkaiser
Theodosius II. (t 450). Die enor-me Beute setzte Attila zur Sicherung seiner
Herrschaft über die von ihm abhängigen ger-manischen Völker (z. B. Gepiden,
Ostgoten) und zu Rüstungszwecken ein. Anderthalb Jahrzehnte nach seiner
Machtübernahme schien ihm endlich die Gelegenheit gekommen, wieder dem
ursprünglichen Westdrang zu folgen. Einer der Gründe war wohl, dass er die
Ostkarte für ausgereizt hielt, zumal der neue Kaiser Markian (regierte 450-457)
weitere Zahlungen verweigerte. 451 zog Attila mit seinen ge-fürchteten Reitern
plündernd nach Gallien_ Auf den Katalaunischen Feldern kam es zu,
entscheidenden Schlacht (siehe Kasten).
Göttliche Vollmacht
Leo 1. und die Wurzeln des Papsttums (440-461)
Die Bischöfe von Rom haben schon früh ihren Vorrang vor
anderen propagiert, weil sie ihr Amt auf den Apostelfürsten Petrus direkt
zurückführten. Das war und ist historisch zwar nicht gesichert, doch spricht
einiges dafür, dass Petrus tatsächlich einer der Gründer der römischen Gemeinde
war und dass er hier den Märtyrertod erlitten hat. Ihm gegenüber aber hatte
Christus erklärt: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche
bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Und dir will ich
geben die Schlüssel über das Himmelreich. Was du auf Erden bindest, soll im
Himmel gebunden sein. Und was du auf Erden lösest, soll im Himmel gelöst
sein." Diese göttliche Vollmacht reklamierten die Nachfolger für sich,
womit sie zunächst allerdings nur regional und nur zeitweilig durchdrangen.
Erst 304 ist erstmals für den Bischof von Rom der Titel „papa" verbürgt.
Nach der christlichen Wende des Reiches unter Constantin dem
Großen wurde der Führungsanspruch schon deutlicher artikuliert. Erst aber als
West- und Ostreich weiter auseinander drifteten, wurde er im Westen auch
weitgehend akzeptiert, während er im Osten nur dann von Bedeutung war, wenn es
den Kaisern ins Konzept passte. Sonst beanspruchten sie selbst die Führung auch
der Kirche (siehe Kas-
ten); die Patriarchen der Metropolen Jerusalem, Alexandria
und vor allem Constantinopel beugten sich ebenso wenig dem römischen Primat.
Die politische Entwicklung in der unruhigen Völkerwanderungszeit brachte eine
Vertiefung des Grabens zwischen den Reichsteilen mit sich, und das machte sich
auch kirchlich bemerkbar.
Disziplinierung der Vandalen
Wo die staatlichen Autoritäten im Ansturm der Germanen
bröckelten, übernahmen wie selbstverständlich kirchliche die Ordnungsfunktion.
Ihre Organisation erwies sich als krisenfest, ja die Kirche profitierte sogar
von den Nöten der Zeit: Viele Menschen suchten bei ihr Halt und Schutz, das
irdische Elend ließ ihre
Heilsversprechungen nur noch verlockender erscheinen. Zum
weithin sichtbaren Signal der gewachsenen Macht der Kirche wurde die lange
Amtszeit von Leo I. dem Großen als Bischof von Rom (440-461). Er übernahm den
Titel eines Pontifex Maximus, den Kaiser Gratian 379 niedergelegt hatte, und er
leitete die Verhandlungen mit Attila, als dieser 452 in Italien einfiel. Seine
Autorität war wohl nicht ausschlaggebend für den Rückzug der Hunnen, doch die
Menschen schauten auf diesen „Papst" mit Vertrauen. Als ihm 455 auch die
Disziplinierung der Vandalen glückte, die Rom plünderten, umwehte ihn der
Nimbus, der den Kaisern in Ravenna längst abhanden gekommen war. Der Papsttitel
verfestigte sich zwar erst später, doch Leo hatte den Grund gelegt.
Ha-celszentrum am Niederrhein
III Ca- \v'etera, Co
onia Ulpia Traiana, Tricensimae, Xanten
Die germanische Landnahme in Westeuropa war nicht nur auf
den Druck der Hunnen zu-rückzuführen, sondern ebenso auf die Schwä-che des
Reiches, das den wenig zivilisierten S:änmen und Völkerschaften wie das gelobte
Land vorkommen musste. Vor allen die schon lange im Grenzland lebenden Germanen
wuss-ten, was da zu holen war. Eine der römischen S:äcte in solchem Gebiet war
Colonia Ulpia T-a ana (Xanten), 110 n.Chr. nach Kaiser Trajan benannt Schon
vorher hatte hier eine römische Garnison bis zum Bataveraufstand 70 n.Chr.
existiert, wovon noch die Reste eines Militär-krankenhauses zeugen (siehe
Kasten). Die nach Colonia Agrippinensis (Köln) wichtigste Stadt in der Provinz Germania
inferior wurde 275 bei einem fränkischen Angriff zerstört und als Tricensimae
kleiner und besser befestigt wieder aufgebaut.
2.-2_J-Jukt in der Rheinaue
t7...a 10 000 Einwohner zählende antike damals durchflossen
von einem Rhein- .,.ar ein Handelsknotenpunkt mit Hafen. t ihr Wasser aus einer
etwa acht Kiloernten Quellfassung in der Hees, ei-t- Hüge andschaft südwestlich
von Xanten. t Fassung der Leitungsrinne hatte eine Brei-
:t
freier Tiefe, abgedeckt mit Schieferplatten. Sie erhielt
durch Tonrohre Wasserzufuhr auch aus anderen Quellen. Bei Eintritt in die
Rheinaue ging die bis dahin unterirdische Leitung in eine drei Meter hohe
oberirdische auf Stützbogen über. Das Wasser wurde in der Stadt an Lauf-brunnen,
Thermen, Werkstätten und Bürger-häuser verteilt.
Bemerkenswert ist in Xanten das römische Handwerkerviertel.
Hier siedelten sich vor-nehmlich Veteranen an, die ihr früher ausge-übtes oder
beim Militär gelerntes Handwerk nach Ende des Dienstes weiterführen wollten.
Das Viertel bestand aus gleichartigen zweistö-
ckigen Reihenhäusern, zusammengefasst in ei-nem Wohnblock
(„insula"), den ein gedeckter, zum Bürgersteig offener Gang umgab. Im
Erd-geschoss lagen die Werkstätten und Verkaufs-räume von Bäckern, Brauern,
Metzgern, Schmieden mit Heiz-, Back- oder Schmelzöfen. Im Innenhof lieferten
Ziehbrunnen das Wasser, das auch in Zisternen vorgehalten wurde. Vom Hof
gelangte man zum Abtritt-raum und zu den Anbauten für Waren- oder
Materiallager. Im Obergeschoss befanden sich die Wohn- und Schlafräume. Manche
Handwerker konnten sich sogar Fußbodenheizungen und Glasfenster leisten.
A ptraum des Imperiums
III Schrumpfendes Reich unter Marionettenkaisern (455-472)
Valentinian III. ertrug es 454 nicht länger, „unter'
Heermeister Aetius Kaiser zu sein; während einer Audienz brachte er ihn
eigenhändig um. Mit bösen Folgen, denn der Getötete hatte mächtige Freunde, die
ihn ungesäumt rächten: Ein halbes Jahr später fiel Valentinian einem Anschlag
zum Opfer. Seine Dynastie war damit erloschen. Kaiserlos aber mochte auch der
Westen nicht leben. Constantinopel rea-gierte zunächst nicht auf die Meldungen
aus Italien, vielleicht weil der dortige Kaiser Mar-kian mit dem Gedanken einer
Gesamtherrschaft spielte, vielleicht weil ihm ein noch schwächerer Westen
erwünscht war. Und da auch Rom wegen des Vandalen-Einfalls von 455 (siehe
Kasten) gelähmt war, beschlossen Adelskreise in Gallien die Berufung eines
gewissen Avitus zum Kaiser, der aber weder von Rom noch von Markian anerkannt
und von Heermeister Ricimer 456 besiegt wurde.
Heermeister als Herrschermacher
Dieser konnte wegen seiner westgotisch-sue-bischen Herkunft
(" um 405) die Nachfolge nicht anstreben, wurde aber durch Ernennung zum
Patricius belohnt, was eine Art Aufnahme in die Herrscherfamilie bedeutete. Er
fühlte sich daher ermächtigt, seinen Offizierskollegen Maiorianus zum Kaiser
ausrufen zu lassen,
der 457 auch die Anerkennung des neuen Ostkaisers Leo I.
erhielt. Nach Ricimers Geschmack agierte er allerdings etwas zu selbstständig,
und als Maiorianus 461 beim Kampf mit den Vandalen eine Schlappe erlitt,
ergriff der Heer-meister die Gelegenheit, den Kaiser zu beseitigen. Drei
weiteren Kaiserkreaturen erging es nicht anders, ehe Ricimer 472 starb.
Die Wirren hatten zu weitgehendem Verlust des römischen
Einflusses in Gallien geführt; das Westreich bestand fast nur noch aus Italien,
Illyrien sowie aus Resten der südgallischen Provinzen. Nördlich der Loire bis
zur Somme hatte sich 464 ein gallorömisches Sonderreich unter Syagrius
gebildet, der sich Kö-
nig der Römer (rex Romanorum) nannte und mit Duldung der
Franken seine Selbstständigkeit zwanzig Jahre lang behaupten konnte. Die
Westgoten hatten 466 endgültig die Bindungen an Rom gekappt. Ihr seitdem
regierender König Eurich (um 440-484) kündigte den oh-nedies nur noch formal
bestehenden Bündnisvertrag. In Spanien hatten sich seine Westgoten und andere
germanische Stämme festgesetzt. Und Africa war nach gescheiterter Versuchen,
die Vandalen mit massiver Hilfe aus Constantinopel zu vertreiben, 468 ebenfalls
verloren. Vandalenkönig Geiserich, der fast ein halbes Jahrhundert bis 477
herrschte, war zu—Alptraum des Imperiums geworden.
BI
„Barbare" auf dem Thron Stabilisierung ces Ostens durch
Leo I. und Zeno (457-491)
Das Oströmische Reich hatte zwar ähnliche Probleme wie der
Westen durch die Ostgoten, die sich aus der hunnischen Abhängigkeit gelöst
hatten und nun zu einem eigenen Machtfaktor in Pannonien geworden waren. Aber
mit den Kaisern hatte Constantinopel mehr Glück: Auf Markian folgte 457 Leo I.,
der zwar ein Mann von Gnaden des Heermeisters Aspa-rus war, sich aber von ihm
zu lösen verstand durch Ausgleich mit den Ostgoten und durch Schaffung einer
schlagkräftigen Palasttruppe (excubitores; schon früher waren auch die Prätorianer
so genannt worden) aus Isauriern unter ihrem Anführer (comes) Zeno. Dieses
kriegerische Bergvolk aus Südwestanatolien galt als „barbarisch", obwohl
die Isaurier schon seit Jahrhunderten Reichsbürger waren. Zeno
schaltete Asparus gewaltsam aus und heiratete die
Kaisertochter Ariadne.
Mit den Goten war ein Arrangement dahingehend gelungen, dass
sie 457 den sechsjährigen Königssohn Theoderich aus dem Geschlecht der Amaler
(in der Sage: Amelungen) als Geisel an den Kaiserhof abgaben und dafür Jahr-gelder
erhielten. Der junge Gote genoss eine vorzügliche Ausbildung und wurde von
Kaiser Leo 1.473 zu seinem Volk zurückgeschickt, das er im oströmischen Sinne
beeinflussen sollte. Kurz darauf verschied Leo 474 und hinterließ als legitimen
Erben nur den minderjährigen Enkel Leo II., Sohn des Zeno und der Ariadne. Das
kaiserliche Kind berief auf Rat seiner Großmutter Verina und seiner Mutter den
Vater zum Mitregenten, der beim Tod Leos noch
im selben Jahr die Alleinherrschaft übernehmen wollte.
Zunächst scheiterte er an Vorurteilen gegen ihn als „Barbaren" und an
einer Intrige der Schwiegermutter Verina, die ihren Bruder Basilikos als
Herrscher installieren wollte. Zeno musste nach Antiochia ins Exil.
Das Kaiserchen
Nach zwanzig Monaten hatte Basilikos abgewirtschaftet; Zeno
konnte mit seiner isauri-schen Palasttruppe im August 476 zurückkehren, ohne
auf nennenswerten Widerstand zu treffen; das ihm entgegengesandte Korps lief zu
ihm über. Zeno übernahm die Herrschaft (bis 491) in einer Zeit, als im Westen die
Machtbalance zugunsten der Germanen kippte. 475 hatte dort der Heermeister
Orestes seinen 14-jährigen Sohn Romulus zum Kaiser ausrufen lassen, der wegen
seiner Jugend als Augustulus (Kaiserchen) bespöttelt wurde. Gegen ihn erhob
sich 476 Odoaker (*um 433), e•-hunnisch-germanischer Adliger, dessen Force-rung
nach Land für seine Veteranen von 0--- tes zurückgewiesen worden war. Er setzte
5 :-gegen Orestes in einer Schlacht durch _-: dessen Sohn als letzten
weströmischen Kz-
ab. Er selbst übernahm die West-Regie-_ - - und nannte sich
selbstbewusst rex !to
nig von Italien).
I Ostuten gegen den Westen
C 7:aKers Herrschaft und Theoderichs Vormarsch (476-493)
Ging mit dem Jahr 476 das Weströmische Reich unter? So steht
es in den meisten Geschichtsbüchern. Es gilt aber zu bedenken, dass die
Zeitgenossen die Ereignisse zunächst nicht so deuteten und dass auch Odoaker
selbst Italien keineswegs aus dem Reichsverband zu lösen gedachte. Er ließ
vielmehr durch eine Senatsdelegation die Insignien des West-kaisers (ornamenta
palatii) an Ostkaiser Zeno überstellen und signalisierte so, dass er diesen als
Herrscher über das Gesamtreich betrachtete. Einen neuen Kaiser für den Westen
hätte er allerdings auch nicht akzeptiert; ihm schwebte die Position eines
Reichsverwesers in kaiser-lichem Auftrag vor. Dafür erbat er die Erhebung zum
Patricius, die Zeno aber verweigerte. Andererseits unternahm Constantinopel zu-
nächst nichts gegen die faktische Selbstregierung Odoakers,
zumal dieser auf eigene Gesetzgebung verzichtete und die Verwaltungsstrukturen
unangetastet ließ.
Unruhefaktor in Mösien
Ihm ging es eher um Sicherung Italiens als seiner
Machtbasis, aber auch als Kernland des Imperiums. Gleich im ersten Amtsjahr
pachtete er das von den Vandalen besetzte Sizilien zurück, wandte sich dann
nach Nordosten und konnte 481 Dalmatien gewinnen. Das aber weckte Argwohn in
Constantinopel hinsichtlich weiterer Gelüste Odoakers. Was tun? Probleme hatte
der Kaiser schon genug mit den Ostgoten. Sie hatten sich unter ihren
byzantinisch erzogenen König (seit 474) Theoderich
483 in Moesia inferior (Niedermösien, heutiges
Nordwestbulgarien) niedergelassen, blieben aber wegen ihrer Schlagkraft ein
Unruhefaktor. Theoderich selbst war zum Heermeister aufgestiegen und hatte
damit eine Machtposition erlangt, die politisch ebenfalls Risikopo-tenzial
barg.
Zeno beauftragte ihn daher, Italien in seinem Auftrag
Odoaker wieder abzunehmen. In der Hoffnung, endlich ergiebiges Land und
dauerhafte Wohnsitze für sein Volk zu finden, brach Theoderich 488 mit dem Gros
der Ostgoten nach Westen auf und erreichte im Frühjahr 489 den lsonzo in
Nordostitalien. Dort schlug er Odoaker zum ersten Mal, ließ im Jahr 490 Siege
über dessen Truppen bei Verona und a^ der Adda folgen und rückte auf die
Residenz Ravenna vor. Über zwei Jahre zog sich de-Kampf um die Stadt, die
sagenumwobene benschlacht" (siehe Kasten), hin, denn Odoz• wurde über See
versorgt, während Theade- :eine Flotte fehlte. 493 kam es zu einem 1:-kommen
der beiden über eine künftig gerne --same Regierung, so dass Theoderich mit se
Kerntruppen in die Stadt einziehen kor-Der fragile Frieden hielt keine zwei Woc
Am 15. März 493 erschlug der noch reka-:.4, junge Theoderich
den immerhin schon 60-,ä--rigen Rivalen im Palast.
Geschickte Konfliktprävention Das Ostgotenreich unter
Theoderich 1. (493-526)
Viel änderte sich durch den Machtwechsel in Ravenna nicht
für die Bewohner Italiens und seiner Randländer von Illyrien bis Sizilien. Es
kehrte allerdings eine sehr lange und lange nicht gekannte Ruhe ein, weil es der
Goten-könig verstand, Konflikten vorzubeugen. Das Hauptproblem löste er durch
geschickte Personalpolitik: Er bestellte den jungen Liberius (' um 465-554) zum
Prätorianerpräfekten mit der Sonderaufgabe, die Ansiedlung der Goten im
nördlichen Italien so schonend wie möglich in die Wege zu leiten. Offenbar
griff dieser vor allem auf Grund und Boden gefallener Anhänger des Odoaker
sowie auf Staatsland zurück, so dass es kaum zu Enteignungen oder gar zu
Aufruhr kam. In erstaunlich kurzer Zeit konnte Liberius Vollzug melden.
Die nächste drängende Frage war. Wie würde es Constantinopel
aufnehmen, dass Theode-rich so umstandslos in die Rolle des von ihm beseitigten
Odoaker schlüpfte? Anastasios, seit 491 Nachfolger von Kaiser Zeno, spielte
zu-nächst auf Zeit, sah aber schließlich keine Möglichkeit, wirksam in die
italischen Verhältnisse einzugreifen, übersandte Theoderich 497 die Insignien
und anerkannte damit seine quasi selbstständige Herrscherrolle im verbliebenen
Westteil des Reiches. Formal hielt Theode-rich an der Oberhoheit des Kaisers
fest und berücksichtigte sie etwa auf dem Gebiet der Münzprägung. Zur
Beruhigung in Byzanz dürfte auch beigetragen haben, dass es der Gote bei den
überkommenen römischen Ver-waltungsstrukturen beließ und auch das Steu-
ersystem beibehielt und es sogar auf die neuen gotischen
Grundbesitzer anwandte.
Konfessionelle Kluft
Die Beamtenschaft blieb ebenfalls weitgehend römisch, nur
bei Hofe, im engeren Beraterkreis und natürlich beim Militär dominierte das
gotische Element. Die Herrschaft der gotische-Minderheit beruhte ja auf der
bewaffneter Macht und auf einem von Theoderich planvol durch Heiraten
geknüpften „familiären" Netz der germanischen Könige in den Reichen au'
römischem Boden. Er selbst ehelichte gleich nach Amtsantritt 493 Audofleda,
eine Tochter des 482 verstorbenen Frankenkönigs Childe-rich und Schwester
Chlodwigs, des momentanen Herrschers in Gallien und mächtigsten aller
Germanenfürsten. Zwar kam es zu eine-gewissen Romanisierung der Goten, doch
stand ihrer Integration in die römische Bevö,-kerung ihre arianische Konfession
im Wege auch wenn Theoderich sich der katholische-Kirche und ihren Anhängern
gegenüber schor aus politischen Gründen recht tolerant zeigte. Erst gegen Ende
seiner Herrschaft kam es r... Konflikten, in die auch die Nachfolgefrage
h—neinspielte. Befriedigend geregelt war s e nicht, als Theoderich am 30.8.526
starb (siehe Kasten).
g Mahnung zur Mäßigung
Gesundheitstipps für einen Germanen
Aährend seiner Zeit als Geisel am Kaiserhof von Constantinopel
hatte der spätere Goten-könig Theoderich die zivilisatorischen Standards des
Römerreiches schätzen gelernt (siehe Kasten). Er hielt auch sein Volk zu mehr
Sauberkeit an, als sie sonst bei den Germanen üblich war, und achtete auf
vernünftige Er--änrung. Die Germanen schätzten nämlich e'-er das Deftige und
Reichliche und konnten römischer Verfeinerung nur wenig abgewinnen. Darüber
erfahren wir etwas aus einem demerkenswerten Brief, zu dem es so kam: A— Hofe
des oströmischen Kaisers Zeno lebte e'r griechischer Arzt namens Anthimos,
dessen oraeschichte uns nicht überliefert ist. Er be-ret aber zum Ärger des
Kaisers nicht nur ihn, sondern auch den Ostgotenführer Theoderich, der wieder
einmal mit Constantinopel im Zwist ag. Zeno entließ kurzerhand seinen Arzt, der
sich ungesäumt bei Theoderich verdingte und ir Italien zu dessen Leibarzt
wurde. Theoderich entsandte seinen Arzt um 515 - vielleicht auf Anforderung -
zu seinem Namensvetter, dem seit 511 als Nachfolger Chlodwigs I. die Franken
regierenden Theoderich I., nach Metz. Anthi-Tos hat sich dort offenbar eine
ganze Weile aufgehalten, denn der ungemein ausführliche lateinische Brief, den
er dem Frankenkönig nach der Rückkehr von Ravenna aus schrieb,
zeigt Vertrautheit mit den fränkischen Lebens-gewohnheiten.
Anthimos gab darin Ratschläge für vernünftige Ernährung.
Milch bei Schwindsucht
Er warnte zunächst einmal die anscheinend sehr essfreudigen
Franken vor den enormen Mengen, die sie zu verspeisen pflegten, nicht aber vor
dem Genuss von Met und Bier (cerve-sia), vermutlich weil das ohnedies
aussichtslos gewesen wäre. Die Vorliebe für Speck aber und insbesondere für die
Schwarten rügte er und mahnte zur Mäßigung, wie er auch einen steinharten Käse
ablehnte, den es bei Goten wie Franken gab und der Steinleiden verursa-
chen könne - ein in der antiken Medizin häufiger
Analogieschluss von der Konsistenz einer Speise auf deren Verarbeitung durch
den Körper. Seinen Rat zu leicht verdaulicher Kost wo" allem für Reisende
würden auch heutige Er-nährungskundler unterschreiben. Und manche der Tipps für
Speisen bei Krankheiten weh auch. Einige wenige Beispiele: Gerstengrütze in
lauwarmem, reinem Wasser verdünnt de' Fieber; Gurken bei Nierenleiden;
Mandelmilcn und getrocknete Feigen bei Halsentzündungen; Kuh- oder Ziegenmilch
bei Schwindsuc4,z geschälte Quitten bei blutiger Ruhr; und etries Feines bei
Durchfall: Rebhuhn mit Koriander allerdings ungesalzen und ohne Öl.
I
Harter Herrscher Ez Hinrichtung
des Boethius (526)
Mit wachsender Dauer der Regierungszeit Theoderichs machten
sich Sorgen breit, wie es nach einem so übermächtigen Herrscher weitergehen
werde. Er selbst hatte als Nachfolger Eutharich, seinen westgotischen
Schwiegersohn, aufbauen wollen, doch verstarb dieser schon 523. In der
unsicheren Situation begannen einige Senatoren Fäden nach Constanti-nopel zu
spinnen, wo ihrer Meinung nach ohnedies noch immer der eigentliche Kaiser
residierte. Theoderichs Spitzeln fielen 524 entsprechende Briefe in die Hände,
die Material für Hochverratsprozesse lieferten. In Verdacht geriet auch der
politisch hochrangige etwa 45-jährige Anicius Boethius (sprich: Bo-ethi-us),
der 522 zum Chef der Reichsverwaltung (Magister officiorutn) ernannt worden war
und dessen Söhne Symmachus und Boethius im gleichen Jahr Konsuln waren.
Zum Schein überparteilich
Es gab keine direkten Beweise gegen Boethius. Argwohn
schöpfte Theoderich, als sich sein oberster Beamter in seiner Gegenwart im
Staatsrat massiv für einen der Hauptverdächtigen einsetzte und erklärte, dessen
Fall gehe den gesamten Senat an. Wollte Boethius etwas vertuschen? Der
Gotenköng ließ ihn festnehmen und in Pavia einkerkern, während die Sa-
che in Rom vor einem Gericht verhandelt wurde. Immer wieder
beklagte sich der Häftling, dass er sich nicht ordnungsgemäß verteidigen könne.
Seine Klagen aber erreichten den Herrscher nicht, vielleicht weil er sich nicht
in das laufende Verfahren einmischen wollte oder sich zum Schein überparteilich
gab, vielleicht weil ihn seine Umgebung von dem Fall abschirmte. Wie auch
immer: Mochte der König auch nicht direkt am Todesurteil mitgewirkt haben, so
spiegelt es dennoch seinen Willen, der von den senatorischen Richtern in
vorauseilendem Gehorsam umgesetzt worden war.
Und die Vollstreckung des Urteils an einem derart
prominenten Häftling wäre ohne die Bestätigung Theoderichs vollends undenkbar
gewesen. Er gab seine Einwilligung, obwohl er wusste, wie tief er damit die
römische Führungsschicht traf. Nicht von ungefähr ist Bo-ethius später oft als
„der letzte Römer" be-zeichnet und als letzter bedeutender antiker
Philosoph gefeiert worden (siehe Kasten). Wann genau Boethius sterben musste,
ließ sicin nicht ermitteln; am meisten spricht für das Jahr 526, in dem auch
sein einstiger Diensther-Theoderich das Zeitliche segnete.
Bündnis mit der Kirche
Das Frankenreich unter Chlodwig 1. (482-511)
Die Reiche der Vandalen in Africa und der Ost-goten in
Italien waren nicht von Dauer. Auch die Herrschaft der Westgoten in Spanien
hielt sich nur anderthalb Jahrhunderte länger. Al-ein das gallische Reich der
Franken vermochte ein neues Kapitel in der Geschichte des Abendlands
aufzuschlagen und schließlich sogar das Erbe des Imperiums anzutreten. Das
hatte mehrere Gründe: Lage an der Peripherie der spätantiken Welt, gut zu
verteidigende natürliche Grenzen und - am wichtigsten - erfolgreiche kulturelle
Verschmelzung von römischer Tradition und germanischem Import. Natürlich
spielte auch eine Rolle, dass die richtigen Anführer die Weichen entsprechend
stellten. Schlüsselfigur wurde König Chlodwig I. (regierte 482-511), Sohn
Childerichs und Schwager von Ostgotenkönig Theoderich. U'ter seiner Führung
waren die Franken 486 aus den südlichen Niederlanden tief nach Gallien
vorgestoßen, hatten das römische Restreich des Syagrius überrannt und dort das
Zentrum ihres Herrschaftsgebiets gefunden. Bald darauf heiratete der König die
katholische Burgunder-Prinzessin Chrodechilde, was entscheidend dazu
beigetragen hat, dass die Franken ihren alten Götterglauben aufgaben und
Christen wurden. Das verhielt sich bei den anderen Germanen auf römischem Boden
zwar
nicht anders, aber sie alle hatten sich für die Richtung des
Presbyters Arius entschieden, die nur eine Gottähnlichkeit Christi annahm und
seit dem Konzil von Nicaea (325) als Ketzerei galt. Die Franken dagegen folgten
der römischen Kirche, die sich die Lehre des alexandri-nischen Bischofs
Athanasius von der vollkommenen Gottgleichheit Jesu zu eigen gemacht hatte, und
dieser gehörte die Zukunft.
Trägerin der Zivilisation
Ihr König Chlodwig ging voran. Um 498 ließ er sich von
Bischof Remigius taufen und befahl seinem Volk, seinem Beispiel zu folgen.
An-geblich war ein Erlebnis in der Schlacht von 496 gegen die Alemannen der
Auslöser: Die
drohende Niederlage vor Augen, gelobte der Frankenkönig den
Übertritt zum Christentum - und schon wendete sich das Kriegsglück zu seinen
Gunsten. Er drängte die Alemannen nach Südosten ins Gebiet der heutigen Schweiz
ab und schlug 507 (siehe Kasten) auch die Westgoten, so dass ganz Gallien in
fränkischer Hand war. Chlodwigs Bündnis mit der römischen Kirche förderte die
Konsolidierung der fränkischen Herrschaft, denn die Kirche besaß nicht nur die
Macht über die Seelen, sie war auch eine Trägerin der Zivilisation. So nahm sie
vielfältige Aufgaben wahr, die ehemals der römische Staat geleistet hatte, etwa
im Bereich der Armenpflege. Das konnten de Franken jetzt für sich nutzen.
I Erfüllt von der Rom-Idee
Die Anfänge der Herrschaft Justinians 1. (527-534)
Von den Umwälzungen der Völkerwande-rungszeit war das
oströmische Reich kaum betroffen; kein germanischer Stamm hatte sich hier
staatenbildend festzusetzen vermocht. Eine günstige Wirtschaftslage und eine
effiziente, wenn auch stark formalisierte Verwaltung schufen die finanziellen
Voraussetzungen für den Unterhalt eines schlagkräftigen Heeres aus den
kräftigen Bergvölkern des Bal-kans und Vorderasiens und damit die Möglichkeit,
Gefahren für die Grenzen abzuwehren. In Constantinopel kam 527 ein Mann an die
Macht, der schon in den Jahren zuvor die Politik seines kaiserlichen Onkels Justin
I. (regierte 518-527) maßgeblich mitgeprägt hatte.
Justinian I. stammte aus Illyrien rum 482) und war der
letzte Kaiser mit der Muttersprache Latein. Er erwarb sich in Constantinopel
natürlich auch perfekte griechische Sprachkenntnisse, doch blieb er westlich
orientiert und war von der Rom-Idee durchdrungen. Fast volle vier Jahrzehnte
waren ihm als Herrscher ver-gönnt, so dass er seine weitreichenden Pläne
umsetzen konnte. Der erste galt der Herstellung der Rechtseinheit in seinem
Reich, wofür er die Sammlung aller kaiserlichen Erlasse seit Hadrian (Kaiser
117-138) anordnete und damit das sogenannte Corpus luris (Gesetzeskanon) schuf,
dessen Grundlagen schon 529 vorlagen; 533 folgten die Digesten oder griechisch
Pan-
dekten mit den Auslegungen der großen Jur ten als Lehrbuch
für das Rechtsstudium.
Rückgewinnung Africas
Außenpolitisch bemühte sich der neue He-scher umgehend um
einen Ausgleich mit de—Perserreich, da er den Rücken frei haben bsC.-te für
seine Pläne im Westen. Nach Absen uss eines „ewigen Friedens" (der
immerhin bis 540 hielt) mischte sich Justinian im Vandalemee! in Africa ein,
der einst reichsten Prob''-z zb Imperiums. Dort war der in den Augen des
Kat-sers rechtmäßige König Hilderich 530 ange-setzt und durch Gelimer, einem Urenke Leserichs,
abgelöst worden. Der Kaiser erSgreitier ein Expeditionskorps von 15000
'.'_•seinem im Osten erprobten Feldre
dem es ziemlich rasch gelang, die .1- '
ben und ungewohntem Klima -
gewordenen Vandalen zu besiege-
gefangen zu nehmen und eine os-.•f - säe Herrschaft in
Karthago zu etabliere-. :mak war ein Unruheherd im Mittel - • aisige-schaltet:
Die Vandalen hatter :t- -arm'
durch Piraterie mit ihrer starker F "›:
in Mitleidenschaft gezogen. Der rt
Erfolg nährte beim Kaiser de,- -
hegten Wunsch nach Wiede-ce. des Kernlandes Italien.
Blutgetränktes Herzland
Rückeroberung Italiens durch Ostrom (536-553)
Auch in Italien lieferten Thronwirren Anlässe für Justinian
zum Eingreifen: Nach dem Tod des großen Theoderich 526 entwickelte sich eine
erbitterte Rivalität zwischen dessen Tochter Amalasuntha, die für ihren
unmündigen Sohn Athalarich (.517) die Regentschaft beanspruchte, und ihrem
Vetter Theodahad. Da der Sohn schon 534 starb, suchte die Theode-rich-Tochter
den Ausgleich und erhob Theoda-had zum Mitregenten. Der ließ sie im folgenden
Jahr ermorden. Justinian rüstete zur Strafexpedition, die Theodahat auch nicht
durch Fürsprache des Papstes beim Kaiser abzuwenden vermochte. Noch 535
landeten die siegreichen Truppen unter Belisar von Afrika kommend in Italien;
aus Dalmatien rückte ein weiteres oströmisches Korps vor.
Konnten die Goten den nördlichen Angriff noch zum Stehen
bringen, so versagte ihre Verteidigung im Süden; Belisar besetzte Sizilien und
Neapel. Das lag auch daran, dass Theodahad kaum Rückhalt im Volk hatte und 536
von Witichis abgelöst wurde. Inzwischen rückte Belisar weiter vor und nahm das
noch immer mit etwa 100000 Bewohnern wichtige Rom. Der gotische Gegenangriff
blieb liegen und verwandelte sich in eine Flucht vor Belisar, der das Land nordwärts
aufrollte. Die Kämpfe nutzten fränkische Truppen zum Einbruch in
Norditalien, was die Goten in weitere Be-drängnis brachte,
die sich in Pavia und in der Residenz Ravenna verschanzten. 540 eroberte
Belisar auch diese Stadt, nahm Witichis gefangen und ließ ihn nach
Constantinopel bringen.
Zweiter Akt des blutigen Dramas
Die Hoffnung aber, damit sei der Gotenkrieg für Justinian
gewonnen, erwies sich als doppelt trügerisch. Die mit ihm in angeblich ewigem
Frieden verbundenen Perser unter Chos-rau I. nahmen die Angriffe gegen die
Ostgrenzen des Reiches wieder auf, so dass die oströmischen Streitkräfte
zersplittert werden mussten. Und in Pavia wählten die Goten mit
Totila einen neuen Anführer, der sich als organisatorisch
und militärisch fähig zeigte. War schon die erste Phase der Kämpfe in Italien
für das Land im Wortsinn verheerend gewesen, so entwickelte sich nun eine Art
zweiter Go-tenkrieg, der noch blutiger und verwüstender ausfallen sollte. Die
Stadt Rom wechselte zwischen 546 und 550 mehrmals den Besitzer. Inzwischen war
Belisar durch den kaiserlichen Eunuchen Narses abgelöst worden. Der brachte
Verstärkungen mit und besiegte die Goten in Umbrien; Totila fiel. Im Herbst 552
blieb Narses auch am Milchberg (siehe Kasten) Sieger. Das blutgetränkte
Herzland des Imperiums wurde wieder kaiserlicher Oberhoheit un-terstel lt.
Milde Strenge
II, Benedikt von Nursia (529)
Wie schon im krisengeschüttelten Zeitalter der
Soldatenkaiser zogen sich auch in den Wirren des 6. Jahrhunderts viele Menschen
aus der Welt zurück und lebten ganz ihrem Glauben. Einer von ihnen sollte
wegweisend werden für das abendländische Klosterwesen: Als um das Jahr 529 der
wandernde Er'emit Benedikt aus der Stadt Nursia (heute Norcia, Provinz
Peru-gia) den 519 Meter hohen Berg über der Stadt Cassino in Mittelitalien
bestieg, fand er dort Reste von Heiligtümern altrömischer Götter vor. Gerade
deswegen schien dem nach Abge-schiedenheit suchenden Mann der Ort ideal für
Andacht und Gebet, die das Heidnische überwinden und Christi Sieg um so
sinnfälliger machen würden.
Benedikt stammte aus einer wohlhabenden Gutsbesitzerfamilie,
hatte in Rom ein Studium begonnen, war dann aber von der Sittenlosigkeit in der
Stadt derart entsetzt, dass er sich einer Asketengemeinschaft anschloss. Nach Jahren
der Buße in einer Höhle im Anio-Tal bei Subiaco wählte ihn eine Gruppe von
Einsiedlern zum Vorsteher. Sie erkannten aber bald, dass Benedikt Anforderungen
an ihre Tugend und Frömmigkeit stellte, denen sie nicht gewachsen waren. Vor
ihren Nachstellungen musste er schließlich fliehen, sammelte nun noch
sorgfältiger ausgewählte Mönche um
sich und siedelte sich mit ihnen auf dem Mon-tecassino an,
wo er der Gemeinschaft seine „Regulae" (die Benediktinerregel) in 73
Kapiteln gab und damit das erste bedeutende europäische Kloster begründete.
Hochburg des Mönchtums
Es wurde dank der einzigartigen Persönlichkeit des Gründers
zu einer ersten Hochburg des Mönchtums. Dabei achtete Benedikt in seinen
Vorschriften sehr darauf, dass er nicht wieder den Fehler machte, zu hohe
Maßstäbe an die Fähigkeiten der Mönche anzulegen. Er ver-langte zwar die Abkehr
von der Welt, aber keine strikte Askese, weil das die „Kleinmütigen"
überfordern könnte. Die Mischung aus Milde und Strenge
machte den heute noch bestehenden Orden der Benediktiner (Ordo Sancti
Benedicti) zum erfolgreichsten des Mittelalters. Der Orden bestand zunächst
weitgehend aus Laien; die Klerikalisierung begann erst Jahrhunderte nach dem
Tod Benedikts 547. Im Jahr 673 wurden die Gebeine des Heiligen angeblich nach
Frankreich verbracht, während im Stammkloster nur wenige Reliquien verblieben
sein sollen. Ob das beim Wiederaufbau der Abtei nach dem Zweiten Weltkrieg
gefundene Grab vielleicht doch die Gebeine Benedikts enthielt, bleibt in der
Forschung umstritten.
Brückenbauer
Übernahme des antiken Erbes durch die Kirche
Die Rückkehr Italiens zum Reich war nur von kurzer Dauer.
Drei Jahre nachdem Kaiser Justi-nian 1. gestorben war, drangen die Langobarden
568 über die Alpen vor. Dieser Germanen-stamm war aus dem Gebiet der Unterelbe
von den Slawen verdrängt worden und traf im aus-gebluteten Italien auf wenig
Widerstand. Nur Ravenna und Rom sowie schmale Küstenstreifen verblieben noch in
oströmischer Hand. Die neuen Herren verhandelten auch gar nicht mehr mit dem
Staat, sondern mit der Kirche, der eigentlichen Macht im Lande, wie beson-ders
deutlich wurde, als 590 Gregor I. der Große den Stuhl Petri bestieg und 14
Jahre lang amtierte. Ihm gelang es, die Langobarden zum katholischen Glauben zu
bekehren und damit
eine Verbindung zum ebenfalls schon seit 498 katholischen
Frankenreich in Gallien herzustellen; die Westgoten in Spanien folgten dem
Beispiel wenig später.
Neues Zeitalter
Mit zunehmendem weltlichen Einfluss von Papst und Kirche im
Westen wuchs die Kluft zum Osten, wo der Kaiser Kirchenherr blieb. In den Augen
der Westkirche dagegen war er allenfalls der oberste Gläubige und als solcher
der geistlichen Leitung des Papstes unterworfen. An diesem Konflikt sollte die
Einheit der Kirche zerbrechen. Auch rituell ging der Westen eigene Wege. Gregor
gab dem katholischen Gottesdienst die im Wesentlichen noch
heute gültige Form und ließ ihn durch den Gesang der
Priester (cantus choralis, daher „Choral") in einförmigem Takt, dem
sogenannten cantus firmus, begleiten, woraus sich der „gregorianische
Gesang" reich entwickelte. Geistlichkeit und Mönchtum sorgten für die
Tradie-rung antiker Bildung, sofern sie mit dem christlichen Glauben
harmonierte. Der oberste Pontifex (pons = Brücke, fex von facere = machen) wurde
damit ganz im Wortsinn zum Brückenbauer in eine neue Epoche der Weltgeschichte,
die wir Mittelalter nennen.
Dem Osten erwuchs ein Jahrhundert später eine ähnliche
Bedrohung, wie sie die Völkerwanderung für den Westen dargestellt hatte. Der
vom Propheten Mohammed (um 570-632) begründete Islam in Arabien entwickelte
sich zu einer ungemein expansiven religiösen Be-wegung mit weltlichem
Machtanspruch. Er beerbte das römische Reich im Nahen Osten. in Ägypten, in
Nordafrika und schließlich auch in Spanien; erst an den Pyrenäen kam er zum
Stehen. Und er zerstörte das persische Reich der Sassaniden, womit er im Osten
und Südosten zum gefährlichen Nachbarn des oströ - schen oder byzantinischen
Reiches wurde_ 7-ses aber erwies sich als deutlich sta: verglichen mit Westrom
und sollte ct— 1 - sturm noch jahrhundertelang stand+-.;.-
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