Die grosse Wende an den Kapitalmärkten
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/Qv1rPAJ5OXQ
Die Zinsen dürften nicht nur in den USA, sondern auch in
Europa den Tiefpunkt hinter sich gelassen haben. Damit dürften sich die
Vorzeichen an den Rentenmärkten geändert haben. Berater und Fondsanleger müssen
umdenken.
Deutsche Bundesanleihen sind der „safe haven"
schlechthin, der sichere Zufluchtsort für Kapital. Oder sie waren es zumindest.
Es ist nicht zu erwarten, dass 10-jährige Bundesanleihen mit weniger als 0,05
Prozent verzinst werden. Insofern sollte der Tiefpunkt hin¬ter uns liegen. Wenn
also die Zinswende stattgefunden hat, ist es höchste Zeit, die Wende auch im
Kopf zu vollziehen.
Aber zumindest kurzfristig funktionieren die alten Reflexe
noch: Als ein drittes Rettungspaket für Griechenland Ende Juni und An-fang Juli
zu scheitern drohte, stieg der Bund-Future, der Kurs deut¬scher Bundesanleihen
an der Terminbörse, binnen weniger Tage von 150 auf 153,4. Deutsche
Bundesanleihen brachten also rasche Kursgewinne von mehr als zwei Prozent,
immerhin ungefähr das Dreifache dessen, was sie als reguläre Jahresrendite
einbringen.
Kursgewinne haben in den zurückliegenden Jahren bei
Rentenpa-pieren immer größere Bedeutung gewonnen - in dem Maße, in dem die
reguläre Verzinsung immer niedriger wurde. Kein Dauer-zustand, das sollte
mittlerweile jedem klar sein. Anders als Aktien, die mit dem Wert des
Unternehmens immer weiter steigen können,
haben die Kurse ein natürliches „Gravitationszentrum",
nämlich ihre Rückzahlung. Und Höhenflüge weit über den Nennwert müssen früher
oder später ins Gegenteil umschlagen. Die Frage ist nur, ob es ein gemächlicher
Sinkflug oder ein Absturz wird. Seit der letzten Aprilwoche dieses Jahres wurde
es zumindest schon mal sehr tur¬bulent: Kurseinbrüche von 5, 10 oder gar 20
Prozent binnen weni¬ger Wochen kannten Anleger bis dato eher vom Aktienmarkt.
Vor allem Rentenfonds, die sich auf lang laufende Anleihen - vorran¬gig auf
Staatspapiere aus der Euro-Zone - konzentriert hatten, gingen in die Knie.
Mahner und Warner hatte es genug gegeben. Noch am 21. April,
unmittelbar vor den Crash-artigen Kursverlusten, hatte der bekannte
US-Rentenfondsmanager Bill Gross getwittert: "German 10yr Bunds = The
short of a lifetime. Better than the pound in 1993. Only question is Timing /
ECB QE". Auf Deutsch: Deutsche zehnjährige Bundes¬anleihen seien die beste
Spekulation des Lebens auf fallende Kurse. Besser noch als die Spekulation
gegen das britische Pfund 1993. Die Frage sei nur wie man das Timing gegen das
laufende Anleihe-kaufprogramm der Europäischen Zentralbank am besten gestalte.
Zu diesem Zeitpunkt stand der 10-Jahres-REX-Performanceindex bei 619 und der
Bund-Future bei 159,9. Beide Gradmesser für die Börsenkurse von langlaufenden
Bundesanleihen hatten kurz zuvor erst neue Allzeit-Rekordhöhen erreicht, wobei
der Begriff „Allzeit-Rekordhoch" in diesem Fall Chancen hat, für den
Bund-Future tat-
sächlich für alle Zeit, also auch für die Zukunft zu gelten.
Denn bis zum 7. Mai ging es rasant abwärts: Der REX-Index fiel auf 586, ein
Kursverlust von 5,3 Prozent binnen weniger Tage. Der an der Ter-minbörse
gehandelte Future auf Bundesanleihen fiel bis auf 153 Prozent, womit alle
Gewinne seit Anfang Dezember binnen weniger Tage verloren gingen. Der Tweet von
Bill Gross, dem einst gefeier¬ten Gründer der Investmentgesellschaft PIMCO und
Manager des weltgrößten Rentenfonds, dürfte in die Börsengeschichte einge¬hen.
Welche Rolle die Kurznachricht als Auslöser des Kursein¬bruchs gespielt hat,
wird Gegenstand von Börsenlegenden blei¬ben. Sie zeigt aber auch, wie schwierig
das Timing ist, denn wäh¬rend Gross noch die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt
stellte, war dieser schon gekommen. Zumindest nach Informationen der
Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg soll Gross, der inzwi¬schen Rentenfonds
bei Janus Capital managt, selbst noch gar nicht in nennenswertem Umfang
„short" gewesen sein.
Der Kursrückschlag blieb nicht auf deutsche Bundesanleihen
be-grenzt. Zunächst „erwischte" es auch andere Staatsanleihen, dann
weitere Segmente der Rentenmärkte. Die Rendite zehnjähriger US-Bonds stieg von
1,85 Prozent auf über 2,28 Prozent - ebenfalls zurück auf das Niveau vom
vergangenen Dezember. Die Kursver-luste an den Rentenmärkten summierten sich
binnen drei Wochen auf über eine Bio. US-Dollar.
Dass diese Verluste die Anleger nicht so stark getroffen
haben, wie die Zahlen vermuten lassen, liegt vor allem daran, dass die jetzt
verlorene Billion für alle Anleiheinvestoren, die zumindest ein halbes Jahr und
länger investiert sind, „nur" den Verlust vorher er-zielter Buchgewinne
bedeutet. Die Zahl derer, die erst bei Höchst-kursen eingestiegen sind, ist
ebenso wie die Zahl derer, die recht-zeitig auf fallende Anleihekurse gesetzt
haben, gering. Das Volumen aller marktgängigen Anleihen auf den Welt-Rentenmärkten
beträgt insgesamt gut 45 Bio. US-Dollar.
Auch die Erschütterungen für Renten- und Mischfonds hielten
sich noch in Grenzen. Hauptverlierer sind - wie zu erwarten war - jene
Rentenfonds, die erklärtermaßen auf lang laufende Rentenpapie¬re ausgerichtet sind,
beispielsweise entsprechende Renten-ETFs oder stark an der Benchmark „10 Jahre
Bund" ausgerichtete Fonds. Sie haben alle Gewinne seit Jahresbeginn
verloren und lie-gen nun im laufenden Jahr leicht in der Verlustzone. Die große
Mehrheit der aktiv gemanagten Renten- und der beliebten Misch-fonds konnte die
Kursverluste aufgrund der breiten Streuung über verschiedene
Rentenmarktsegmente und im Durchschnitt meist kürzere Restlaufzeiten abmildern,
sodass die Fondsanteile gegenŸber Jahresbeginn noch im Plus notieren.
Als problematisch für die meisten Mischfonds erweist sich,
wie be¬reits im Frühjahr 2013 nach der „Tapering"-Ankündigung in den USA,
dass parallel zum Rentenmarkt auch die Aktienmärkte den Rückwärtsgang eingelegt
haben. Einmal mehr hat in der Abwärts-bewegung, dann wenn es darauf ankommt,
die Korrelation zwischen den Haupt-Asset-Klassen Renten und Aktien zugenommen.
Insbe¬sondere Risk-Parity-Fonds gehören deshalb zu den Verlierern der
Entwicklung seit April.
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