Sonntag, 23. August 2015

König Ludwig II. von Bayern Author D.Selzer-McKenzie

König Ludwig II. von Bayern Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/Zxt6D-0R1j0

Schloss Nymphenburg bei München, hier wurde Ludwig am 25. August 1845 gekoren

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A m 25. August 1845 wurde Prinz Ludwig in Schloss Nymphenburg geboren und auf die Namen Otto r_udwig Friedrich Wilhelm getauft. Wohl auf Drängen seines 3roßvaters, König Ludwigs I., wurde Ludwig zu seinem -Iauptnamen. In einem überlieferten Gespräch mit dem ame--ikarnschen Schriftsteller LewVanderpoole schildert der jun-Ludwig seine Kindheit, die er als eine Kette demütigender )einigungen empfand. Nicht, dass er schlechter behandelt worden wäre als andere Kinder auch, aber er empfand seine fat-ur als so ungleich der von anderen Kindern, dass Dinge, he andere gar nicht bemerkten, ihn hingegen zutiefst kränk-en. Geselligkeit bedeutete für ihn Erniedrigung und nur eine ieiwillige Isolierung konnte ihm ein bescheidenes Maß von ?ufriedenheit gewähren. Für Erwachsene war das sicher eicht erreichbar — für ein Kind allerdings unmöglich. Er war eezwungen, sich dem Willen von plumpen, gefühllosen Leh-ern zu unterwerfen, und so flüchtete er, wann immer es nög_lich war, in seine eigene Welt, eine Welt mittelalterlicher Zitier und längst untergegangener Bourbonen-Könige.



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n einem Gespräch im Jahr 1875 beglückwünschte Kö-I
nig Ludwig den Kronprinzen Rudolf von Osterreich, eine so durch und durch ausgezeichnete, verständnisvolle Erziehung genossen zu haben. Es sei ein Glück, dass sich der Kaiser persönlich so lebhaft für seine Ausbildung in-teressiert habe. Bei seinem eigenen Vater wäre dies leider ganz anders gewesen, er habe ihn immer nur „de haut en bas" behandelt und höchstens mal „en passant" einiger gnädiger, kalter Worte gewürdigt, eine harte Aussage, die Kabinettssekretär Franz von Pfistermeister jedoch bestä-tigte, indem er in seinen Erinnerungen feststellte, dass der König seinen beiden Söhnchen, den Prinzen Ludwig und Otto, nur mittags beim zweiten Frühstück und abends bei der Hoftafel begegnete. Meist reichte er ih¬nen dabei die Hand zum Gruße und empfahl sich schleunigst wieder. Auch als Kronprinz Ludwig schon fast volljährig war, kostete es viel Mühe, König Max zu bewegen, seinen ältesten Sohn auf den Morgenspazier-

gang im Englischen Garten mitzunehmen, was sich je-doch nur wenige Male wiederholte. Die Erklärung des Königs: „Was soll ich mit dem jungen Herrn sprechen? Es interessiert ihn nichts, was ich anrege."
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udwigs Verhältnis zu seiner Mutter beschreibt sein i
Biograf Gottfried von Böhm wie folgt: „Die Eigen¬art der Königin Marie, die schon dem Gatten manche Schwierigkeit bereitet hatte, machte dem älteren Sohne das Zusammenleben mit ihr im Laufe der Zeit gänzlich unmöglich. War sie schon den hohen Bestrebungen des Gemahls auf geistige Erhebung seines Volkes fremd ge-genübergestanden, so erschien ihr das fantastische Tun und Treiben ihres Sohnes vollends ganz unverständlich und es erging ihr, wie der hausbackenen Henne der Fa-bel, die kopfschüttelnd und Protest gackernd dem Flug des ausgebrüteten Schwans ins Blaue nachsehen muss-
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Die Prinzen Ludwig und Or vor Schloss Hobenschwanzau


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edingt durch eine äußerst strenge Erziehung und wenig Kontakt zu seinen El¬tern waren die Kinder- und Jugendjahre für den jungen Ludwig eine wahre Qual. Wohl fühlte er sich lediglich bei seiner Erzieherin Sybilla Meilhaus und ganz besonders bei seinem Onkel Adalbert, dem jüngsten Bruder seines Vaters, einem sehr kunstsimii-

Nicht wenig Einfluss auf den jungen Prinzen nahm auch sein Großvater Ludwig, der 1848 zwar auf den Thron verzichtet, das Interesse am politischen Geschehen jedoch nicht verloren hatte. Besonders in seinem monarchistischen Empfinden fand der Einfluss des Großvaters auf
den Prinzen eine starke Prägung.
Dass sein Enkel bereits als Kind gerne mit Bau¬klötzchen spielte, erfreute den Großvater als leidenschaftlichen Bauherrn ganz beson-
ders und so berichtet er voller Stolz sei-
nem Sohn Otto nach Griechenland:
„Zu bauen liebt er, vorzüglich, überra-
schend, mit gutem Geschmack sah
ich Gebäude von ihm ausgeführt.
Ich erkenne auffallende Ähnlich¬keit im künftigen Ludwig II. mit dem politisch toten Lud¬wig I., auch in seiner Anhäng¬lichkeit an seine Erzieherin finde ich mich wieder ..."
König Ludwig 1. von Bayern


gen Menschen und glühenden Verehrer der Bourbonen.Vieles in der Entwicklung des spä-teren Königs ist auf die Verehrung für seine Erzieherin und die tief empfundene Liebe zu seinem Onkel zurückzuführen.
In Hohenschwangau lebte Ludwig in einer Welt seiner Fantasie. Hier war er umgeben von der Aura des Mittelalters, des Schwanenritter-rums und des Minnesängers Hildebold von Schwangau.
Beides, die Bourbonen im Symbol der Lilie und die Schwanenritter im Symbol des Schwans, sollten fortan sein Leben bestimmen.


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Die Zuneigung, die Prinz Ludwig bei seinen Eltern so schmerz-lich vermisste, fand er bei seinem Onkel Adalbert. Hier lernte er die Kunst, die Literatur, das Theater und vor allem die frühen Schriften Richard Wagners kennen, hier konnte er seine Neigungen und Interessen frei entfalten.
Auch auf Ludwigs Erziehung dürfte Prinz Adalbert großen Einfluss ausgeübt haben und seiner tiefen Abneigung gegen die Jagd und das Töten von Tieren dürfte der Einsatz seines Onkels für den Schutz der Kreatur zugrunde gelegen haben, frei nach dem Motto des Münchener Tierschutz Vereins, dessen Mitglied Prinz Adalbert war: „Grausamkeit gegen Thiere verhärtet das Gemüth auch gegen die Menschen."
Ganz besonders weckte Prinz Adalbert beim jungen Ludwig jedoch die Begeisterung für die Bourbonen und das Gottesgnadentum. In seinen Erinnerungen berichtet Prinz Adalberts gleichnamiger
Enkel über die Freundschaft Ludwigs zu seinen Eltern und be-sonders zu seinen Großeltern:
„Es ist erstaunlich, dass meine Eltern in den drei ersten Jahren ihrer Ehe mit dem menschenscheuen König (Ludwig II.) so engen Kon¬takt bekommen haben. Das Fundament dazu dürfte schon mein Großvater (Prinz Adal-bert) gelegt haben. Er war als Benjamin der Familie nämlich nicht nur das Lieblingskind seines Vaters Ludwig I. gewesen, sondern auch der Lieblingsonkel des zweiten Ludwig. Vielleicht hat seine Verbindung mit einer Infantin aus dem Hause Bourbon dazu bei¬getragen und die gemeinsame Schwärmerei für die Bourbonischen Lilienjedenfalls ge¬hörten die vielen Bände der Memoiren Saint Simons zur Lieblingslektüre von Onkel und Neffe. Auch die Freude an goldenen Kutschen und sonstiger höfischer Pracht des Ancien Rgime war ihnen gemeinsam ...
Fs gab noch mehr Übereinstimmungen zwischen Onkel Adalbert und Neffe Ludwig, fantastische Luftschlösser zum Bei¬spiel. Auch für Theater und Musik schwärm¬ten sie. Mein Großvater sang Bass und trat auch in der Liebhaberaufführung einer Oper von Mercadante in der Residenz auf ..."


Kronprinz Ludwig im Kreise seiner Familie

Berchtesgaden, in des¬sen Schloss Kronprinz Ludwig zu seiner Groeiihekeit den Eid auf die Verfassung ablegte
Am 25. August 1863 wurde Kronprinz Ludwig großjährig, was die Familie mit einem festlichen Tag beging. Dieses Ereignis beschrieb er wenige Tage später in einem Brief an seine Erzieherin Sybilla Meilhaus und fiigte stolz hinzu, dass er, nachdem er nun volljährig sei, zum ersten Male in München allein ausgehen durfte, was ihn sehr unterhalten habe. Über seine Zukunft allerdings

machte er sich noch keine großen Gedanken, nur dass er demnächst den Eid auf die Verfassung schwören werde und dann wohl anschließend eine Universität besuchen müsse. Doch es sollte alles anders kommen, am 20. Sep¬tember legte er in Berchtesgaden den Eid auf die Verfas¬sung ab und bereits ein halbes Jahr später, am 11. März 1864, war er König von Bayern.

—ach kurzer, beunruhigender Krankheit wurde Kö¬- Ne nig Maximilian II. am 9. März 1864 immer schwä¬cher und bereits einen Tag später sahen die Ärzte keine Hoffnung mehr auf Besserung. Gefasst nahm der König die heiligen Sterbesakramente entgegen, segnete seine beiden Söhne und sprach noch einige Worte mit dem Kronprinzen. Kurz vor Mitternacht verstarb er. Erzbi¬schof Gregorius von Scherr, der am Sterbelager weilte,
trat ins Vorzimmer hinaus und verkündete mit fester Stimme: „Der König ist tot, er lebt nun im Himmel! Wir haben einen guten König verloren, beten wir, dass wir einen ebenso guten an seinem Sohn erhalten!"
onig Maximilian II. wurde in der Hofkapelle auf-Ilgebahrt, von wo aus er am 14. März zur feierlichen Beisetzung in einer Seitenkapelle der Theatinerkirche St. Kaj etan überführt wurde.


König Ludwig II. bei seiner jhronn ui« imihronsaal der Residenz in München


En seinem Tagebuch beschreibt Justizminister Eduard Lyon Bombard den jungen Monarchen als neunzehn-ihrigen Jüngling, übergossen vom Reiz jugendlicher ichönheit und mit wahrhaft prachtvollen Augen voller ;eist und Seele. Auffallend fand er allerdings bei einer raten Unterredung, dass Ludwig zuweilen ein etwas finsteres Wesen" annahm, und, so fügte er hinzu, sollten veri Naturen in dem Jüngling keimen, so möge doch tiit Gottes Hilfe die gute den Sieg davontragen. Auch ler Theologe Ignatz von Döllinger beschrieb den jungen 'Lönig als geistig begabter als sein Vater, gutmütig und ief religiös, zuweilen jedoch zu stiller, einsamer Zurück-ezogenheit neigend. Zugleich sei er sehr eifersüchtig uf seine Königsmacht, hierin seinem Großvater, dem teemaligen König Ludwig I. sehr ähnlich, eine Beschrei-tmg. die sich auch in einem äußerst kritischen Urteil

Taler, Gulden und Kreuzer, die Münzen aus
den ersten Regierungsjahren König Ludwigs II. Nach der Reichsgründung von 1871 wurden sie durch eine neue deutsche Reichswährung ersetzt


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König Ludwig II. erteilt den Ritterschlag in der Hofkapelle

des österreichischen Gesandten Gustav Graf Blome niederschlug. So fand dieser, dass in Ludwigs Erziehung das Herz wohl am meisten vernachläs¬sigt wurde, was sich beim jungen Monarchen in bedenklicher Weise durch ein übertriebenes Selbstgefühl, Eigenwilligkeit und gar Rücksichts¬losigkeit geltend machen würde. Von politischen Dingen und besonders von Fragen der Gegenwart wüsste Ludwig weniger, als es bei seinem jugendlichen Alter zu erwarten wäre, und so habe ihm die Natur wohl mehrEinbildungskraft als Verstand gegeben.
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en Regierungsgeschäften widmete sich der junge König mit dem größten Eifer, doch führte seine schüchterne Höflichkeit dazu, dass er von seinem Ministerium gehörig unterschätzt wurde. Man hatte sich schnell verständigt, seine Befehle zu ignorieren und ihm dafür die eigene Meinung aufzuzwingen. Doch souverän reagierte Ludwig mit einem Ministerwechsel. Liberale Beobachter, wie der Abgeordnete Graf Hegen-

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Kapitelsitzung des Ordens vom heiligen Georg im Audienzsaal der Reichen Zimmer
  Festbankett des Ordens vom heiligen Georg im Georgsaal der
 
Berg-Dux, merkten beunruhigt, wie der König „die Wonne des göttlichen Königtums" zunehmend zu ge-nießen begann. Seit 1848 war die monarchische Herr-schaft zwar durch ein Staatsgrundgesetz beschränkt wor-den, was jedoch einige Regierungsbeamte nicht hinderte, Ludwig in seinem hochschießenden Drang nach völliger Souveränität mit allen Kräften zu unter¬stützen.
Am glücklichsten fühlte sich der junge König an den Tagen der Hochfeste des Ordens vom heiligen Ge¬org. die mit großem Pomp in der Münchener Residenz gefeiert wurden. An solchen Tagen wurde die Welt der Ritter für ihn lebendig, konnte sich sein Majestätsbe-wusstsein voll entfalten.




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roße Menschenansammlungen waren dem König von Kind an zuwider und so mied er diese, wann immer es ihm möglich war. Bei vielen öffentlichen An¬lässen ließ er sich daher von seinem Onkel Adalbert ver¬treten, der selbst immer von der Königswürde geträumt hatte und diese mit Freuden wahrnahm. Bei einigen Festlichkeiten allerdings war die persönliche Anwesen¬heit des Königs unumgänglich, so bei der Parlamentser¬

öffnung, der Fronleichnamsprozession oder auch, zunün-dest in den ersten Jahren seiner Regierungszeit, der Eröffnung des Münchner Oktoberfestes. War dann der offizielle Teil der Feier vorbei, zog sich der König wieder in seine eigene Welt zurück, wobei die Roseninsel im Starnberger See zu einem seiner Lieblingsaufenthalte ge¬hörte. Hier, inmitten von Tausenden Rosen, konnte er sich fernab protokollarischer Zwänge seiner geliebten Lektüre hingeben. Zu den wenigen Gästen, die er auf der Roseninsel empfing, gehörte vor allem Kaiserin Eli¬sabeth von Österreich, die er sehr schätzte und mit der er eine leidenschaftliche Seelen-Korrespondenz führte.
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o manche Anekdote weiß die Überlieferung über Ludwig und die Roseninsel zu berichten, so auch, dass ihn einmal einer seiner Diener in vollem Indianer¬kopfschmuck überraschte: Er las gerade den Roman "Der letzte Mohikaner". Dass er bei seiner Maskerade erwischt würde, war nicht geplant.


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urz nach der Thronbesteigung Ludwigs II. befasste ich die Illustrierte Zeitung „Über Land und Meer" in einem längeren Beitrag mit der Studie der phrenolo-gischen Übereinstimmung zwischen Kopfgestalt und Charakter des Menschen. Eines der Hauptargumente für einen ernsten Hintergrund dieser Studie lautete: "So wie es keinen Menschen gibt, welcher ohne Augen sieht, so kann es z. B. keinen Menschen geben, welcher mit klei-nemVordergehirn ein großer Denker ist", wobei aller-dings eingeräumt wurde, dass auch die Unregelmäßig-keiten der Dicke der Hirnschale, der Einfluss der Erziehung und des Temperamentes auf den Charakter in die Betrachtung einzubeziehen sind.
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nter den neun angegebenen Beispielen befand sich auch der junge bayerische König mit folgender phrenologischer Charakterisierung:
„Beim König von Bayern ist die obere Stirne stark ent-wickelt, etwas stärker als die untere; der König ist mehr subjektiv als objektiv, er denkt mehr als er beachtet.Vor allem aber zeigt seine „Idealität" (an den oberen Schlä¬fen) eine ungewöhnlich starke Entwicklung. Der Sinn für Ideales ist ein Hauptzug im Charakter des Königs

und wird es darum durchs ganze Leben bleiben. Der König wird sich glück¬lich fühlen und schwär¬men in seinen Ideen für alles Gute, Edle, Schöne, doppelt glücklich als Fürst, da er so vieles zur Verwirklichung seiner Ideen zu thun vermag; unglücklich dadurch, dass er im Vergleich zu seinen idealen Wünschen und Hoffnungen wenig in der Wirklichkeit erreichen wird. Er wird das Schlechte. Niedrige, Gemeine der Menschen niemals begreifen un doch einen ständigen Kampf dagegen zu führen haben. Er wird zu den bevorzugten Sterblichen gehören, welch immer, bis ins späte Alter, jung bleiben."
Interessant ist, dass einige der Charakterzüge stimmten. dabei hatte sich der Schreiber wohl die ersten Pressebe-richte über den jungen König zunutze gemacht.

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Am 2. Februar 1861 durfte der damals fünf-ehnjährige Ludwig zum ersten Male den "Lohengrin" in der Münchener Oper sehen. Die ganze Sagenwelt, die er bisher nur aus Büchern und von den Wandgemälden in Schloss Hohen-schwangau kannte, wurde nun für ihn leben¬„ dige Wirklichkeit.
Bereits kurze Zeit nach seiner Thronbe-steigung 1864 schickte er den Kabinett-sekretär Pfistermeister auf die Suche nach Richard Wagner. Mit dem Porträt des Königs solle er ihm einen Rubinring übergeben — denn so wr:e dieser Rubin glühe auch Ludwig vor Verlangen, den Schöpfer des „Lohengrin” kennen zu lernen. Pfister-meister fand Wagner auf der Flucht vor seinen Gläubi¬gern in der Schweiz.
Am 4« Mai 1864 konnte Ludwig dann endlich in das zerfurchte Antlitz Wagners blicken, eine Erscheinung, die den König etwas enttäuschte, auch auf die sächselnde Stimme war er nicht gefasst. Gleichwohl lud er den Meister ein, in München zu bleiben, übernahm die Til¬gung seiner Schulden und stellte ihm geniigend Geld zur Verfügung, um, unbehelligt jeglicher finanzieller Sorgen, sein Werk zur Vollendung zu bringen.
Wie betäubt erlebte Wagner dieses von Ludwig geför¬derte Leben, doch bangend schrieb er, den König schil¬dernd:
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„... Er ist leider so schon Tad geistvoll, seelenvoll und
herrlich, dass ich fürchejls'pin Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum ifi dieser gemeinen Welt zerrin¬nen ... Mein Glück ist so groß, dass ich ganz zerschmet¬tert davon bin, wenn er nur leben bleibt, es ist ein zu unerhörtes Wunder."

München wird für kurze Zeit zur Wagner-Stadt. Nach einer musterhaften Erstaufführung des ,.Fliegenden Holländers" im Dezember 1864, mit der sich Wagner mit großem Erfolg beim Münchener Publi¬kum einführte, folgte am 10. Juni 1865 die Uraufführung von „Tristan und Isolde", die zu einem Triumph Richard Wagners wurde.
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us diesem Mäzenatentum heraus entschloss sich Ludwig, für die Werke des bewunderten Meisters ein neues, monumentales Theater in München zu erbau¬en. Gleich dem Maxirnilianeum sollte es, durch eine Auf¬fahrtsallee mit der Residenz verbunden, auf den Isarhö-hen entstehen. Doch wurden die Finanzierung Wagners und die Kosten für ein neues Theater dem Kabinett und der Stadt zu hoch. Ludwigs königliche Macht reichte zur

Durchsetzung des Projektes nicht aus und so musste er am Ende verzichten. Seit dieser bitteren Enttäuschung zu Beginn seiner Regierung empfand Ludwig nur noch tiefe Abneigung für seine Residenzstadt München.
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och auch Wagner lernte die Münchner kennen. Intrigen, Missgunst auf seinen herrschaftlichen Lebensstil und nicht zuletzt die Tatsache, dass er auch versuchte, politisch auf den jungen König Einfluss zu nehmen, führten zu einer beispiellosen Kampagne gegen ihn und am Ende zu seiner Verbannung aus München. Wagner ließ sich in Triebschen am Vierwaldstätter See nieder, für König Ludwig, der bereits 1865 diese Gegend bereist hatte, eine gute Gelegenheit, mit einem Besuch bei Richard Wagner erneut in die ihm so lieb gewordene Bergwelt des Wilhelm Tell zu reisen.
Aus Dankbarkeit Fair die Freundsebali und finanzielle Unterstützung komponiert Richard Wagner dem König 1864 als Geburtstagsgruß einen Huldigungsmarsch

Presse-Illustration zur Münchener „Lohengrin"-Aufführung von 1867, dessen Bühnenbild sich in der späteren architektoni¬schen Planung von Schloss Neuschwanstein wiederfindet


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ach Wagners Weggang aus München erleb¬te die Stadt auch in den folgenden Jahren Höhepunkte seines Schaffens. Bereits 1867 kommt es zu einer neuen, auf lange Jahre hinaus mustergültigen Inszenierung des „Lohengrin", dessen Bühnenbild sich sogar in der späteren architektonischen Planung von Schloss Neu¬schwanstein wiederfindet. Es folgen neben den vielen regulären Aufführungen drei weitere
Uraufführungen:






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in Sommer 1864 reiste König Ludwig II. nach Bad LKissingen, wo sich alljährlich der europäische Hoch-del zur Kur einfand. Am 18. Juni erreichte er in Beglei-mg seines Bruders Otto und eines Hofstaats von acht-ndzwanzig Personen den Kurort. Anwesend waren laiser Franz Josephund Kaiserin Elisabeth von )sterreich, Zar Alexander II. nd Zarin Maria Alexandrowna an Russland und das württem-ergische Königspaar.
)a Ludwig eigentlich nur ein .1.31- Tage bleiben wollte, den Lufenthalt dann doch bis zum
eisten treffen in Bad Kissingen, König Lud-gig mit Zylinder im Gespräch mit der Zarin, aror tierenTivIner Marie, rechts davon der 5zr von Russland im Gespräch mit Kaise-h Elisabeth und dahinter Herzog Max in Wem. Ganz links im Bild ein Irish Setter, rzmutlich Shadow, der Lieblingshund der :aiseriti Elisabeth

15. Juli ausdehnte, kursierten in der Presse die wildesten Gerüchte. Da er besonders oft in Begleitung der Kaiserin von Osterreich gesehen wurde, vermuteten die einen eine geheime Liebe zu der um acht Jahre älteren Elisa¬beth aus Österreich, andere sahen in den Begegnungen mit dem russischen Kaiserpaar die Anbahnung einer
Hochzeit des Königs mit Marie, der da¬\
. mals erst elfjährigen Tochter des Paares.
, Doch keines der Gerüchte sollte sich . be-
stätigen. Ludwig genoss einfach nur die erholsame Zeit nach den doch sehr auf¬regenden Tagen seiner Thronbesteigung : in München.


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Die Gewächshäuser im Schlosspark von Biebrich
Herzog Adolph von Nassau
(1817-1905)


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ach ein m kurzen Aufenthalt i Schloss Berg am Starnberger See brach Ludwig zu einer erneuten Reise auf. Nach einer kurzen Visite bei der russischen Zarenfamilie, die sich zur Nachkur in Bad Schwalbach aufhielt, führte ihn sein Weg an den Rhein, wo er das am Flussufer gelege¬ne Landhaus aufsuchte, in dem Richard Wagner 1862 mit dem Komponie¬ren der „Meistersinger" begann. Unmittelbar neben dieser Stätte lag Schloss Biebrich, der Sommersitz der Herzöge von Nassau. Selbstver-
ständlich besuchte er Herzog Adolph, einen Vetter seines Vaters. Nach dem verlorenen Krieg von 1866 und dem Verlust seines Landes ließ sich Herzog Adolph auf Schloss Hohenburg in Bayern nieder. In der Vorderriß waren die beiden Fürsten fortan Nachbarn, was in den folgenden Jahren zu einer engen Freundschaft führte.
Das Biehricher Landhaus, in dem Richard Wagner mit dem Komponieren der „Meistersinger" begann

Preußens Kalizier, Fürst Otto von Bismarck
Attacke bayrischer Kurassiere auf preußische Infante¬rie hei Hünfeld


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öllig unvorbereitet, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. wurde Ludwig II. 1866 von der Kriegserklärung Preußens gegen Osterreich getroffen. Bismarck hatte diesen Krieg her¬beigeführt, um das jahrhundertelange Ringen Preußens und Österreichs um die Hegemonie in Deutschland endgültig für Preußen zu entscheiden. Getreu seinem Bündnis-Eid stellte sich der junge König, zusammen mit Herzog Adolph von Nas¬sau und einigen weiteren Fürsten, auf die Seite der Habsburceen
M
it der Niederlage Osterreichs bei Königgrätz war dann auch das Schicksal der mit ihm verbündeten Fürsten entschieden; Viele, wie auch Herzog Adolph von Nassau, verlo¬ren ihre angestammten Länder, Bayern hatte Glück und hatte lediglich denVerlust zweier Bezirksämter sowie die Zahlung einer Kriegsentschädigung zu beklagen. Ein Schutz- und Trutzbündnis aber sollte das Königreich in Zukunft noch t-erst.-.¬an Preußen binden. Damit hatte Ludwig zumindest einen TeL  seiner Souveränität verloren.

Die Kaiserbug; in Nürn-berg auf einem Hoizstki um 1865


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Tudwig litt sehr darunter, dass er durch den ihm Iauf-
'gezwungenen und von ihm mit Sicherheit nicht ge-wollten Krieg gegen Preußen einige seiner souveränen Rechte aufgeben musste. Sogar eine Abdankung zog er M Erwägung, was sicher einige seiner Politiker begrüßt härten. Wagner allerdings, dem er diese Gedanken eben¬falls mitteilte, beschwor ihn, auf keinen Fall die Krone niederzulegen, eine Haltung sicher nicht ohne Eigen¬nutz, denn was hätte ihm ein abgedankter König ohne Zugriff auf die Kabinettskasse noch genützt?

Historis,-;k- F:
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demi! i2hnzimync- dier Nürnberger Kaiserhax
in ihrer am K‘iesig Alaximilian II. eine-richteten neugctisJnen
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blieb auf dem Thron und entschloss sich so£-.2:7 , zu einer Reise in das vom Krieg besonders in Mn-leidenschaft gezogene Franken. Diese Reise wurde einem wahren Triumphzug. Begeistert von der Stadt Nürnberg und ihrer mittelalterlichen Kaiserburg, ervvc Ludwig sogar, eventuell seine Residenz hierher zu ver-ie-gen. Doch die Tatsache, die Kaiserburg als ehema.14-en Sitz der römischen Kaiser deutscher Nation mit König von Preußen und anderen teilen zu müssen. ihn diese Gedanken schnell wieder vergessen.

1640
von Freiherr Hans Friedrich Hörwarth er¬baut, kam Schloss Berg 1676 durch Kauf in den Besitz des Hauses Bayern. Seine Glanzzeit erlebte das Schloss in der Zeit der Kurfürsten Max-Emanuel und Karl-Albrecht im frühen 18. Jahrhundert. König Maximilian II., der sich oft mit seiner Familie in Berg aufhielt, ließ das Schloss von 1849 bis 1851 in neugoti¬schem Stil umbauen und die Außenfassade durch Zin¬nen und vier Ecktürme ergänzen, denen König Ludwig noch einen fünften, den das Schloss überragenden Berg¬

fried hinzufügte. Diesen Turm nannte der König ..Isol-de", als Gegenstück zu seinem Dampfer „Tristan". ---:-dem er über den Starnberger See fuhr. Das Innere -:. :-Schloss Berg ließ er unverändert, lediglich Figuren -_-_:-__: Aquarelle mit Szenen aus den Opern von Richard Wig-ner zierten die Wände.
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ehörte Schloss Berg zeitlebens zu den Lieblinzs.--_-_:--- enthalten des Königs, so sollte es am Ende seiner Tage zu seinem Schicksalsschloss werden. Hier wurde der König nach seiner Absetzung 1886 interniert und hier fand er wenige Tage später seinen Tod in den Flutet des Starnberger Sees.


Historische Postkarten vom Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Schlafzimmer des Königs in Schloss Berg

stein, ebenso eines Abends beschlossen zu heira-ten, und aus „lauter Gesellschaft", wie es Böhm so trefflich formulierte, wollte sich Ludwig ihnen wohl anschließen.
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ie aus dem Briefwechsel mit Herzogin Sophie ersichtlich, in dem sie sich liebe¬voll Elsa und Heinrich nach Figuren aus Wag¬ners Oper „Lohengrin" nannten, hatte Ludwig Sophie seiner ganzen Zuneigung versichert, ei¬ner Liebe „wie zu einer Schwester", sodass seine Bedenken gegen eine Heirat, die er ihr gegen¬über oft geäußert hatte, sie wohl anfangs nicht überraschten. Doch die Vorbereitungen nahmen ihren Lauf, der Druck zur Festlegung eines Hochzeitstermins wurde immer stärker, und als Herzog Max den König ultimativ aufforderte, die Hochzeit nun nicht länger aufzuschieben, war der Skandal perfekt. So überraschend wie sich Ludwig einst zu seiner Verlobung entschlos¬sen hatte, so überraschend entschloss er sich nun zur Auflösung derselben. Im letzten Brief an sei¬ne Braut erklärte er ihr, dass er nun genügend Zeit gehabt hatte, sich zu prüfen, und feststellen musste, dass er zwar innige Bruderliebe zu ihr empfinde, nicht aber die Liebe, die wohl eine Ehe erfordere.
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n liebenswürdiger Weise bat er um Fortdauer ihrer Freundschaft, Sophie möge ihm ihr Wort ohne Groll und Bitterkeit zurückgeben; die An-denken an ihn durfte sie aber behalten.
Bei allem Entsetzen war doch diese Entwicklung bereits im Briefwechsel der beiden ablesbar: Ludwig war nie „Lohen¬grin", der Geliebte seiner Braut „Elsa", sondern "Heinrich", ihr Beschützer!
Erinnerungsmedaille auf die Hochzeit von König Ludwig mit Herzogin Sophie Charlotte

Entw4zeichnung zum Wiederar au der Wartburg
König Ludwig II. und sein Bruder Prinz Otto in der Zeit um 1867


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uf Richard Wagners Spuren reisten König Ludwig II. und sein Bruder Otto Ende Mai 1867 für drei Tage zum Originalschauplatz der Tannhäuser-Sage auf der Wartburg in Eisenach. Ausführlich ließ sich Ludwig die einzelnen Räume zeigen. Er war so sehr begeistert, dass er sich entschloss, in Hohenschwangau, an der Stelle der alten Burgruine Vorderhohenschwangau, sich auch eine solche Ritterburg erbauen zu lassen. Bereits ein Jahr spä-ter wurde der Grundstein zu seiner neuen Burg Schwan-stein gelegt, in deren Innenräumen nicht nur der Festsaal, sondern auch im Wohnbereich des Königs viele Details der Wartburg übernommen wurden. Mit einem Eintrag unter dem 31. Mai ins Gästebuch beendeten sie ihren Besuch.
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m darauf folgenden Tag bestiegen die beiden Brü¬der den Hörselberg, in dem laut Wagner der arme Tannhäuser bei Frau Venus schmachten musste. Dann ging die Fahrt zurück nach München.

Im Juli 1867, mitten in den Vorbereitungen zur
geplanten Hochzeit mit Herzogin Sophie, be-suchten der ehemalige König Ludwig I. und sein Enkel Ludwig II. die Internationale Weltausstel-lung in Paris. Der inzwischen 81 Jahre alte erste Ludwig war wohl vor allem wegen des gesell-schaftlichen Ereignisses in die französische Haupt¬stadt gereist, da er fühlte, dass sich sein Lebensweg langsam dem Ende zuneigte. So genoss er noch einmal die Gesellschaft der Großen dieser Welt, um sich am Tag nach der Ankunft seines Enkels aus dem öffentlichen Leben zu verabschieden. Im Gegensatz zum Großvater empfand Ludwig II. wenig Gefallen an den großen Diners und Bällen, bei denen sich die Besucher am Rande der Aus¬stellung die Zeit vertrieben. Er besuchte das Palais des Tuileries, die Residenz Kaiser Napoleons, des-

Die Pariser Gewächshäuser, Vorbild für Ludwigs 117utergarten auf dem Dach der Residenz in München

sen offizielle Räume er sich in seiner Residenz in München kopie¬ren ließ, und vor allem die exotischen Gewächshäuser, die seine Fan-tasie zum Bau eines großen Wintergartens in München beflügelten. Die Abende verbrachte er in der Oper oder war mehrmals Gast bei Napoleon III., der sich viel Zeit für den jungen König nahm. Ge-meinsam fuhren sie nach Compiegne und Pierrefonds. Hier durfte Ludwig den genialen Architekten Viollet le Duc kennen lernen, der gerade mit dem Wiederaufbau des mittelalterlichen Schlosses von Pierrefonds beschäftigt war. Einige Details, wie die Türme, fanden später sogarVerwendung bei der Planung von Neuschwanstein.
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eim Besuch der Weltausstellung bewunderte er vor allem die vielen interessanten technischen Errungenschaften, wobei ihm besonders der aus Zinkguss gefertigte maurische Kiosk gefiel, den der Berliner Architekt Karl von Diebitsch als preußischen Beitrag
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zur Ausstellung gefertigt hatte. Ludwig entschloss sich, ihn zu kaufen, doch der Industrielle Bethel Henry Strousberg hatte ihn bereits für sein Gut in Sbirow er-worben.Jahre später, als Strousberg Konkurs anmelden musste, konnte ihn der König dann doch noch kaufen und in Linderhof aufstellen lassen.
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eider fand die Reise des Königs ein unerwartetes, i frühzeitiges Ende. In Bamberg war sein Onkel Otto, der ehemalige König von Griechenland, verstorben und so kehrte Ludwig ohne seinen geplanten Besuch in Versailles nach Bayern zurück.


Knapp sechs Monate nach seinem Besuch in Paris starb im 29. Februar 1868 in Nizza König Ludwig I. im Alter von 82 Jahren. Wegen das guten Klimas hatte er sich häufig ans Mittelmeer zurückgezogen. Seine beiden Söhne, Prinz Luitpold und Ludwigs Lieblingsonkel Prinz Adalbert, weilten an seinem Sterbelaffe: Sie begleiteten seine Leiche nach München, wo sie am 9. März in der Basilika Sankt Bonifaz beigesetzt wurde.
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udwig vertiefte vor allem seine Freundschaft , 1  zur Zarin Maria Alexandrowna, was, wegen seiner gelösten Verlobung ein halbes Jahr zuvor, erneut zu den wildesten Gerüchten führte. Doci Ludwig blieb unbeeindruckt und lud die Kaise¬rin zu einem Besuch nach München ein, wo er für sie die Residenz in einen blühenden Garten verwandeln ließ. Als Wohnung wurden der Kai¬serin die für die zukünftige Königin von Bay¬ern eingerichteten Räume zur Verfügung gestell Beim Besuch auf Schloss Berg ließ der König ei grandioses Feuerwerk für die Kaiserin abbrenne] ausgerechnet am Vorabend des Tages, an dem sei¬ne ehemalige Braut Sophie Charlotte in Possen-hofen dem Herzog von Alenym das Jawort gab.

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om 2. bis 10. August 1868, vier Jahre nach seinem ers¬ten Besuch, reiste König Lud¬wig II. zusammen mit seinem Bruder Otto ein weiteres Mal nach Bad Kissingen. Erneut trafen sich wie bereits 1864 die Häuser Bayern, Osterreich, Württemberg und Russland, doch war die Stimmung dies¬mal mit Sicherheit etwas ge¬trübter. 1866 hatten Österreich, Bayern und Württemberg den Bruderkrieg gegen Preußen verloren und die Hegemonie-politik Bismarcks ließ bereits neues Ungemach am Horizont erkennen.

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Herzogin Sophie Charlotte und Prinz Ferdinand von OrlMns, Herzog von Alenfon
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m 28. September 1868 wurde Herzogin Sophie Charlotte, die ehemalige Braut des Königs, die Frau des Prinzen Ferdinand von Orleans, Herzog von Alen-
Das Paar hatte zwei Kin¬der, Prinzessin Louise, die später den Prinzen Alphons von Bayern heiratete, und Prinz Emanuel, der die Prin¬zessin Henriette von Belgien zur Frau nahm.

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m 22. August 1869 reiste der König zu einem Be¬such in die ehemalige Wittelsbacher Residenzstadt Landshut und auf die hoch über der Stadt gelegene, mächtige Burg Trausnitz. Wie einst in Nürnberg, war er von der Anlage so sehr angetan, dass er den Entschluss fasste, sich hier eine Wohnung einrichten zu lassen. Dieses königliche Absteigequartier, wie sie in der Hof¬korrespondenz genannt wurde, war passend zur Burg im Neorenaissance-Stil eingerichtet und bestand aus drei Räumen, einem Audienzzimmer, dem Wohn- und Ar-beitszimmer, an das sich das königliche Schlafzimmer

anschloss. Da Landshut von München aus mit der B leicht zu erreichen war und vor allem der König sich hier ohne lästigen Hofstaat aufhalten konnte. ist zu -, er-muten, dass die Trausnitz zu seinen geheimen Quartieren gehörte, wo er vor dem Alltag fliehen und sich unzes: seiner Lieblingsbeschäftigung, der Lektüre.
konnte. Wie oft er auf der Trausnitz weihe. ist mich: bekannt, dass er dort gewesen sein musste, bele:-:1.- Tatsache, dass nach seinem Tode die Bezüge der Möhe: wegen starkem Verschleiß, komplett erneuert wurden.

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Wohnzimmer, dem sich das über dem Hofgarten gelegene Schlaf-zimmer anschloss.Vom daneben liegenden Arbeitszimmer aus betrat man den großen Wintergarten, den sich Ludwig nach dem Vorbild der Gewächshäuser in Biebrich und in Paris auf dem Dach der Residenz hatte anlegen lassen.

V
ier Jahre nach dem deutschen Bruderkrieg provozierte Bismarck einen erneuten Krieg, diesmal gegen Frankreich. Nur in der Vernichtung Napoleons III. und seiner Herrschaft sah er die Entstehung eines deutschen Kaiserreiches gewährleistet. Damit war für Bayern der Bündnisfall gege¬ben, was für das bayerische Heer unter dem Kommando der Generäle von der Tann und von Hartmann einen Krieg an der Seite Preußens bedeutete. Lud¬wig entglitt nun jede Entscheidung, auch die des Friedensschlusses, und da¬mit hatte er auf das höchste Kronrecht zu verzichten. Dass er auf Druck der eigenen Regierung nach Frankreichs Kapitulation gezwungen wurde, dem König von Preußen nun auch noch die Kaiserkrone anzubieten, dürfte die wohl größte Demütigung seiner Re-gentschaft gewesen sein.Verständlich, dass er die Sieges-Parade an der Seite Preußens als seinen ersten Vasallenritt bezeichnete.

Nationale Huldigung vor der Residenz in München

B
ei der für Preußen „mächtig ergreifenden" Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles empfand Ludwigs Bruder Otto nur ein „namenloses Weh".
M
hatte der König seine Souveränität gegen-ehr als sämtliche Räte der Krone Bayerns
über Preußen zu wahren gesucht und er erkann¬te schneller als diese Praktiker die Aussichtslosig¬keit seiner Bestrebungen. Aus dem souveränen König, von Bayern, einem Fürsten von Gottes Gnaden, war ein Schattenkönig geworden. Dieser Souveränitätsverlust und das ständige Gefühl, den korrupten Machenschaften seiner Minister ausgeliefert zu sein, trieben Ludwig in eine Stimmung tiefster Depression. Mehrfach

57


gab er sich dem Gedanken der Abdankung hin, doch stets überwog seine innere Überzeugung, ein Amt von Gottes Gnaden nicht aufgeben zu können. Je mehr er sich zwang, diesem Amt gerecht zu werden, umso mehr entfremdete er sich der realen Welt und den Menschen, mit deren Hilfe er sein Land regierte. Für ihn hatten die Politiker es verlernt, sich nach dem Wahren, Guten und Schönen zu orientierten, da sie nur noch beliebt sein wollten, um gewählt zu werden.Wahrheit hatte keine Bedeutung mehr, nur noch der Wille derer, denen sie ihre Macht verdankten.
1—\ er preuf3enfreundliche Fürst Hohenlohe schätzte
  diese Lage richtig ein, als er erkannte, dass die
Minister alles tun würden, um ihre Stellung zu behalten und um sich mit Preußen gut zu stellen. Dafür würde die Bürokratie sogar die Dynastie im Stich lassen. Die Siegesfeier in illiincheit, Ludieigs erster „ I ji,i/Icrui[r
 
58



Titelseite der Leipziger Illustrierten Zeitung mit dem von König Ludwig gestifteten Denkmal an die Passionsspiele

Kreuzigungsgruppe schenkte, die am Osterbichl ihre Aufstellung fand. Die zwölf Meter hohe Fi-gurengruppe galt damals als das größte Steindenkmal ihrer Zeit. Nicht einfach war allerdings die Aufstellung: Eine eigens von der Firma Maffei hergestellte Dampf¬lokomobile zog den Steinkoloss vom Atelier des Künstlers in München nach Oberammergau, ein einmaliges Ereignis, das die Presse über die Grenzen Bayerns hinaus ausführlich würdigte.

Erinnerungsmedaille auf das Passionsspiel von 1880 mit dem Denkmal und einer Ansicht von Oberammergau




D
urch ihre ungewöhnlich schöne landschaftliche Lage und besonders wegen ihrer prunkvollen In¬terieurs sind die Schlösser König Ludwigs II. bis heute etwas Einmaliges und Besonderes geblieben. Für Lud¬wig waren sie keine Bauten für höfisches Zeremoniell oder gar Sitz der königlichen Familie, sondern örtli¬che und geistige Stützpunkte seines ruhelosen, hin- und hergetriebenen, ständig in Träumereien verstrickten Le-bens. Bei Nacht leuchtete aus ihnen das Kerzenlicht, und wenn Ludwig die Nacht zum Tage machte, öffne¬ten sich plötzlich die Tore und man erblickte für einen kurzen Moment den König, tief in seinen Pelz gehüllt.

Heinrich Kreisel, ein profunder Kenner der Person Kö-nig Ludwigs, nennt ihn eigenartig, anders als du und ici aber gerade darum war er der König. Er selbst sah sich nicht als konstitutioneller, bürgerlicher Monarch, er wai ein König von Gottes Gnaden, ein Monarch aus ferner, sagenhafter Zeit; ein König mit Krone, Zepter und Her melin, der in goldenen Wagen und Schlitten fuhr und sich mit Riten umgab, die dem gemeinen Volke ver-schlossen bleiben mussten. Die Schlösser waren die Büh ne seines Lebens und so wurde er für die Bevölkerung seiner Unwirklichkeit zum einzig echten, wahren Köni zum „Märchenkönig".

62


Die .. Cour
oder Ehrenk,::::.: dessen
sich das Par.:2,1,..--zimmer als
an Ludwig _VI: belinder
Das Paradt-5,-zimmer als an Lardn.:--


nigtums, das nur einmal unter den absolutistischen Bour-bonen und hier im Besonderen unter Ludwig XIV seine höchste Form erlebt hatte.
Seine persönliche Wohnung schuf Ludwig sich im Sei¬tenflügel des Schlosses. Leider blieb Herrenchiemsee, wie alle seine Schlösser, eine Baustelle und so blieb auch das Denkmal an die Bourbonen unvollendet.
r, in ebenso unvollendeter großer Schrein in Form ei
I  nes -
überdimensionalen Tabernakels steht heute als so genannter Schrank für Musikinstrumente in einem der Vorzimmer. Wer ihn öffnet, muss feststellen, dass Musik-instrumente hier nur schwer unterzubringen sind, da der Innenraum weder eine Vorrichtung zum Aufstellen noch eine solche zum Ablegen derselben aufweist.Vielmehr ist der Innenraum so gestaltet wie der Tabernakel eines barocken Hochaltars, zur Aufnahme eines Ziboriums mit dem Allerheiligsten oder der Monstranz mit einer wert¬vollen Reliquie. Die Französische Revolution hatte die Gräber der Bourbonen zerstört, ihre Asche wurde später in einem gemeinsamen Grab beigesetzt. Asche aus die¬sem Grab wäre aber möglicherweise die Vollendung des Denkmals an die Bourbonen gewesen.
Stilistisch passt der Schrein ins Paradeschlafzimmer, in zentraler Aufstellung vor dem mittleren Fenster, im di¬rekten Blickfeld des hier ruhenden Geistes von Ludwig XIV, umgeben von den Strahlen der aufgehenden Sonne.

Im echten Stil der deutschen Ritterburgen sollte der Gralstempel für die Werke seines verehrten Meisters Richard Wagner werden. Inspiriert von der Wartburg und Schloss Pierrefonds, entstand ab 1868, auf einem Bergkegel hoch oben über der Pöllathschlucht, anstelle der ehemaligen Burg Vorderholienschwangau, die neue Burg zum Schwanstein, eine mächtige Kulisse für Lud-wigs Welt des Mittelalters und der Schwanenritter. In ihr wurden Parsifal und Lohengrin
lebendig, im Sängersaal
Entwurf zum Schloss Neuschwanstein. Weder der große Hauptturm noch die Gärten rechts wurden je gebaut Blic; 117
mit der nicht gebauten
und dem Ha

konnten Tannhäuser und seine Minnesänger erbitterte Dichterkämpfe führen. In seinen Privatgemächern des Torbaus lebten die mittelalterlichen Rittertugenden wie¬der auf und im Treppenhaus eröffnete sich die Sagenwelt der Edda.
7
 4 entraler Raum für Ludwig aber wurde der Thron-
 saal.Wie ein Altar des Gottesgnadentums sollte der
Thron in der Apsis stehen. Uber ihm Christus. der Köni,..:- über Himmel und Erde, umgeben von Maria undJohan-nes dem Täufer sowie dem seligen Casimir von Polen und den heilig gesprochenen Königen Stephan I. von Ungarn, Heinrich II. von Deutschland, Ludwig IX. von Frankreich, Ferdinand III. von Spanien und Eduard dem Bekenner von England. Rechts und links vom Thron die zwölf Apostel. Doch dieser Thron wurde nie gebaut. Neuschwanstein blieb unvollendet, ganz ohne Bauge“...-te hat der König:sein Schloss nie gesehen.

Die Baustelle von Schloss Neuschwanstein um das Jahr 1_-7

1 87 z starb völlig unerwartet Ludwigs Lieblings-
onkel Adalbert. Nachdem sich dieser einst beim Tode Maximilians um die Prinzen Ludwig und Otto gekümmert hatte, war es für Ludwig eine Selbst-verständlichkeit, nun seinerseits die Vormundschaft für dessen Kinder zu übernehmen. Besonders zu Prinz Lud-wig Ferdinand, seinem "Luisito", wie er ihn liebevoll nannte, entwickelte er eine so innige Zuneigung, wie er sie einst dessen Vater entgegengebracht hatte.

König Ludwig II. um 1882, links eine Fotografie von Joseph Albert in rechts eine Zeichnung von Gräfin Maria von Pocci, „eines der wenigen geschminkten Porträts des Königs, auf dem auch sein träumerisches IU sichtbar wird", wie auf der Rückseite vermerkt ist
u Beginn der Achtzigerjahre wurde das Leben Ll
wigs immer rastloser. Für den glücklos regierend König wurden seine Schlösser und Quartiere seine g( tige Heimat, zugleich aber auch die Zuflucht vor der Wirklichkeit. Kaum war er in einem seiner Schlösser



I
m bayerischen Oberland bis hin nach Tirol sind die Hüt¬ten und Absteigequartiere ver¬teilt, die König Ludwig bei sei¬nen Fahrten durchs Gebirge zum Übernachten brauchte. Eines dieser Quartiere war der alte Gasthof am Fernstein in Tirol. Hier, unterhalb der alten Burg, ließ Ludwig 1872 von seinem Architekten Georg Dollmann zwei Zimmer an-


Ankunft Kö/11:z Ludan"zs Il. au Fernstein


Ludwigs Wohnung im Gasthof am Fernstein, links das Wohnzimmei; rechts das Schlafzimmer


Die Buiy Fernstein mit dein Gast?:_: der Brücke, in dein sich Ludipt,, Stockwerk seine Wohnung


König Ludwig beim Spaziergang im Englischen Garten
König Ludwig bei de:
fahrt im

eine Residenzstadt München besuchte Ludwig nur selten und meistens nur dann, wenn es für die Regie-rungsgeschäfte notwendig war.
Die Münchner bekamen ihren König kaum noch zu sehen, höchstens einmal im Hofgarten die Kutsche, die mit dem König auf dem Weg zum Englischen Garten an ihnen vorbeirauschte.
D
ie Abende verbrachte Ludwig meist im Theater
  oder in der Traumwelt seines Wintergartens auf der
Residenz. Hierher lud er sich gelegentlich Schauspieler ein, was natürlich umgehend zu gesellschaftlichem Tratsch führte. Auch die berühmte Kammersängerin Frau Scheffsky hatte darunter zu leiden: Zum Singen in den Wintergarten eingeladen, sollte sie ihre Lieder in
S1-
72

nährend einer 1
Residr,:z


Auffahrt des Hof- und Nationaltheaters

J fitglieder der Münchener Honthne runter Ludwig II.: die Schauspielerinnen Lila von Buliowsky, Ma¬rie Dahn-Hausmann, Clara Ziegler und Johanna Meyer sowie die Schauspieler Emil Rohde, Friedrich Dahn, Bernhard Rittkling, Ernst Possart, Heinrich Richter und Franz Herz
einem Boot sitzend vortragen. Wohl wegen ihrer Körperfülle aber kippte plötzlich der Kahn. Böse Zungen be-haupteten, dies sei nur geschehen, um vorn König persönlich gerettet zu wer¬den: Ludwig ließ Frau Scheffsky jedoch von einem Diener aus dem Wasser he-raushelfen.

ZA.


A
uf der Suche nach einem geeigneten Platz für sein Fest-spielhaus kam Richard Wagner 1871 nach Bayreuth. Hier kaufte er sich ein Grundstück, auf welchem in den darauf fol¬genden Jahren sein Wohnhaus, die Villa Wahnfried, entstand. Am Vormittag des 22. Mai 1872 wurde am „Grünen Hügel" der Grundstein zum neuen Festspielhaus gelegt. Dem Festakt folgte am Nachmittag im Markgräflichen Opernhaus die feierliche Aufführung der IX. Symphonie von Beethoven. Nach drei Jah¬ren Bauzeit war Richard Wagners Festspielhaus vollendet und am 13.August 1876 wurden mit dem „Ring des Nibelungen" die ersten Bayreuther Festspiele feierlich eröffnet.
74


Eine der letzten Aufnahmen Richard Wagners


Z:(42(49—
I
n seinen letzten Lebensjahren konzentrierte sich Richard Wagner vor allem auf die Vollendung seines Bühnenweihfestspiels „Parsifal", das er am 26. Juli 1882 zur Uraufführung bringen konnte. König Ludwig war nicht zugegen. Erschöpft und müde zog sich Wagner im September nach Venedig zurück, wo er noch am 24. De-zember im „Teatro la Fenice" seine C-Dur-Symphonie dirigierte und am 13. Februar 1883, völlig unerwartet, an einem Herzanfall verstarb.

Drei Tage später wurde er nach Bayreuth überführt und am 18. Februar im Garten seiner „Villa Wahn-fried" beigesetzt. König Ludwig war nicht angereist, auf seinen Befehl hin blieben die Münchner Theater an die¬sem Tag geschlossen.

78

E
inen letzten Freund am Münchner Hoftheater hatte Ludwig im Schauspieler Josef Kainz gefunden. Mit ihm reiste er 1881 in die Schweiz zu den Orten der Handlung des „Wilhelm Tell" von Schiller. Die Ge-genwart dieses Jünglings, der ihm große Figuren des Schauspiels so vortrefflich verkörperte, berauschte den König. Gemeinsam be¬suchten sie die Teilplatte und das Rütlihaus. Dann aber verlief die Reise leider nicht mehr ganz nach Plan.

Die enormen Strapazen in der Gebirgswelt nicht ge-wohnt, kapitulierte der übermüdete junge Mime und versagte seinem König den Auftritt. Kainz war damals viel zu jung, um Ludwig zu verstehen, auch fühlte er sich wohl in seinem künstlerischen Schaffen zu beengt und so musste ihn Ludwig am Ende enttäusch entlassen.Wenig später zo Kainz nach Berlin, wo er als gefeierter Schauspieler Karriere machte.
Das Rütlihaus und die Rütlistube am Vierwaldstätter See

achdem abzusehen war, dass Ludwig und auch Ni sein Bruder Otto ohne direkten Thronerben blei-ui sollten, hatte die Luitpoldinische Linie des Hauses rittelsbach, in ihren Bestrebungen, die Macht an sich i reißen, bereits in den vorangegangenen Jahren keine [üben gescheut, den regierenden König zu diskreditie-n. Zweimal erteilte er ihnen dafür sogar Hausverbot, is er nach einer Weile jedoch wieder aufhob.
ie Bautätigkeit Ludwigs verschlang enorme Sum-
men, sodass die Kabinettskasse zu Beginn der :htzigerjahre in arge Turbulenzen geriet. Warum Fi-nzminister Eduard Riedel, der auch Chef über die Ka-nettskasse war, nicht eingriff, kann nur als die Absicht deutet werden, den König bewusst in eine Finanzkri-gleiten zu lassen. Auch die Tatsache, dass eine Schul-ntilgung durch Herzog Adolph von Nassau verhindert arde, bestätigt diese Vermutung. Der Herzog, ein lei-nschaftlicher Jäger und Freund des Königs, bot ihm gen die Überlassung der Hofjagden auf Lebenszeit die lgung aller Schulden an. Ludwig war einverstanden, ch wie aus der Hofkorrespondenz ersichtlich ist, wur-
de diese Vereinbarung vonseiten des Kabinetts vereitelt. Dem Herzog wurde mitgeteilt, der König sei an einer Überlassung der Jagden nicht mehr interessiert, und dem König erklärte man, der Herzog habe sein Geld an die Kinder verteilt und sei nun nicht mehr vermögend.
Tudwig geriet immer tiefer in die Isolation, und nur i
wenigen konnte er in den letzten Jahren noch ver¬trauen. Seine letzten Freunde blieben am Ende wohl sein Flügeladjutant, Graf Dürckheim-Montmartin, der ihm bis zum Tod die Treue hielt, und vor allem sein Vetter Ludwig Ferdinand, der mit seiner Frau Maria de la Paz bis zum Ende nichts unversucht ließ, ihn aus sei¬ner verfahrenen finanziellen Lage zu befreien.
Alfred Graf Dürckheim-Montmartin, Flügeladjutant des Königs

Was sich nicht mit Händen greifen und mit Augen und Oh¬ren wahrnehmen lässt, ist suspekt und eines denkenden Gehirns unwürdig, so vergreift sich unsere „aufgeklärte" Epoche heute gerne an etwas, was ihr im Zeitalter von Fortschritt und Vernunft unzugänglich geworden ist.
Doch die Forschung befasst sich inzwischen auch mit dem Un-sichtbaren und bringt so verschüttetes Weisheitsgut wieder ans Licht, wandelt Sagen in Aussagen und bemüht sich um die Wie-derentdeckung alter Mysterienkulte. Leicht ist das wahrlich nicht denn Mysterien waren das, was ihr Name besagt: Eingeweihte standen unter Schweigepflicht, so auch die Mitglieder des Schwa-nenordens.
Unter „Schwan" verstand man einen Menschen, der sich vom Wesen eines großen Toten durchdringen ließ und ihm seine irdische Hülle zurVerfügung stellte, denn „die Toten bedürfen, uff auf Erden Taten zu verrichten, der Hülle solcher Erdenmen-schen". In der Mysteriensprache wird das Bestreben, eine derarti-ge Verbindung herzustellen, „Meerfahrt" genannt. Der Umgang mit den Toten wurde bewusst gepflegt, sie galten als die „wahrhaft Lebenden". Diese Vorstellung zu verstehen bereitet dem christli¬chen Denken keine Schwierigkeit, geht doch jede Anrufung um Fürbitte an die Adresse eines großen Toten, stellt den Kontakt her mit ihm und appelliert an seine Macht und Wirksamkeit.
Dem Schwanenorden war geheime Menschenführung anver-traut, ein „Schwan" durfte der Begegnung mit dunklen Mächten nicht ausweichen und er musste die Lebensprüfungen als Ausgleich für eigene, noch ungesühnte Schuld hinnehmen. Im Gralsbereich — also im Bereich der Schwanenorden — durfte kein Tier getötet werden. Ein Tier zu töten galt als unerhörter Frevel. Das Hochfest des Grals, des „heilenden Geistes", war Pfingsten und die Schwanenmysterien wurden zur Sommersonnenwende, gefeiert, denn in der sagenhaften Gestalt des Schwanenritters er-kannte man den Gott des Lichts, das aus dem Dunkel hervorgeht und wieder dahin zurückkehrt.


K
önig Ludwig II. war sich selbst ein Rätsel. Ohne Zweifel hat er eine gewisse Andersartigkeit, die ihn von der „normalen" Menschheit trennte, deutlich gespürt, doch die Ursache blieb ihm verborgen. Sie bleibt auch uns verborgen und wir können uns nur an Tatsachen halten.
T
atsache ist, dass er im Schwangau aufwuchs und ihn diese
  Gegend ein Leben lang unwiderstehlich anzog, dass er dort
seine Gralsburg errichtete und dass sich in dieser Burg sein Schicksal erfüllte — entgegen den Plänen seiner Widersacher, die Linderhof als Tatort bestimmt hatten. Tatsache ist, dass der Schwan ihm mehr bedeutete als jedes andere Symbol, und Tatsa¬che ist auch, dass er das „edle Waidwerk", die aristokratische Lieblingsbeschäftigung, hasste, zeitlebens blieben ihm „passionier¬te Jäger ein Gräuel".
Und die Toten? Sie waren seine „liebsten Gäste"!
Marotte eines Verrückten?
Außer Ludwig wusste und weiß niemand, ob diese Gäste für ihn wahrnehmbar wurden. Mit ihnen Umgang zu pflegen empfand er als etwas durchaus Natürliches.
Alles Zufall? Auch das Todesdatum?
Der 13. Juni ist nicht mehr weit von der Sommersonnenwende entfernt, aber was auffallender ist: Es war der Pfingstsonntag. An Pfingsten, dem Hochfest des Grals, fand der König seinen Tod im Wasser.
97- ye-4-r-e er4.-7C
T
udwig suchte nicht den Tod, er suchte die Freiheit, die er j I   dann freilich nur im Tod gefunden hat. Doch war dieser Tod
nichtein Höhepunkt, ein Fanal, das die Zeiten überdauert? Noch
heute steht er da als Markstein, an dem sich die Geister scheiden!
D
er Zeichenstift der Karikaturisten hat ihn als königlichen
  Schwanenritter verhöhnt. Hohn ist die billigste Waffe, mit
der sich der Unverstand zur Wehr setzen kann gegen etwas, was über seinen engen Horizont hinausragt.
(Nach Helena von Fortenbach.)


Ludwig XIV von Frankreich nach dem König Ludwig II. als Großmeister des Bayrischen Haus-Ritter-Ordens vom hl. Georg,
Gemälde von Hyacinthe Rigaud Radierung von Wilhelm Hecht, 1883
85

)rin z Luitpold (Bild Mitte) der spätere Prinzregent, und seine Söhne, die Prinzen Leopold nie Ludwig


A
nfang Juni 1886 war Ludwig auf Schloss Neuschwanstein mit der Bearbeitung diverser Staatsakten beschäftigt, deren Veröffentlichung in der Tagespresse halbe Zeitungsseiten füllte.
Z
ur gleichen Zeit wurden in München die Vorbereitungen
  zur Entmündigung des Monarchen getroffen. Als der Kö-
nig nun aber in den ersten Monaten des Jahres 1886 begann, sich nach einem neuen Kabinett umzusehen, gerieten die Mi-nister unter Druck, wollten sie ihr Vorhaben durchsetzen, Lud¬wig zugunsten seines Onkels Luitpold abzusetzen. Besonders Ministerpräsident Lutz hatte hierzu hervorragende Vorarbeiten geleistet, indem er vor allem den Bayerischen Landtag mit sei-


Graf Holnstei
kgl. Oberst-Stallmeist

nen zerstrittenen Parteien auf einen Nenner gebracht und sich das freund-schaftliche Vertrauen des preußischen Ge¬sandten gesichert hatte. Obermedizi-nalrat und Chef-Irrenarzt Dr. von Gudden sollte ein Gutachten gegen den König erstellen. Der eher widerstrebende Prinz Luit¬pold war, geschoben von seinen Söh¬nen, in Stellung gebracht, die königli¬chen Hofämter waren informiert und Oberst-Stallmeister von Holnstein wurde zum aktiven und resoluten Mitstreiter. Sogar die katholische Kirche, der Ludwig, durch seinen Glauben gestärkt, stets kritisch und distanziert gegenüberstand, hatte Lutz gewinnen können. Besser, umsichti¬ger und umfassender konnte ein Staatsstreich nicht vorbereitet sein.
u
nd so geschah es dann auch. In der Nacht zum 12. Juni wurde Ludwig auf Neuschwanstein eröffnet, dass er wegen Geisteskrankheit ent¬mündigt und abgesetzt worden sei. Noch in dieser Nacht brachte man ihn nach Schloss Berg, wo er bis zur vollständigen Genesung verbleiben sollte. Erstaunt mussten die Ärzte fest¬stellen, dass sich Ludwig nicht wie ein Geisterkranker gebärdete. Ruhig un¬terhielt er sich mit seinen Arzten und plante, sich in den nächsten Tagen seine Bibliothek nach Berg kommen zu lassen, ein Wunsch, den man ihm gerne gewährte.
A
m 13. Juni, dem Pfingstfest. hatte es den ganzen Tag geregnet. Trotzdem bat Ludwig am Abend um einen kleinen Spaziergang. Gegen IS Uhr verließen er und Doktor von Gudden das Schloss. Auf ausdrückli¬chen Wunsch des Arztes sollten die Pfleger nicht folgen. Als sie nach zwei Stunden nicht zurück waren, wurde Alarm gegeben und der Park nach ihnen abgesucht. Man fand die bei-den Männer tot im Starnberger See. Der kgl. Staatsminister Freiherr von Crailsheim gab bekannt, der König habe mit Doktor von Gudden einen Spaziergang unternommen, während dem er habe flüchten wollen.Als der Arzt versuchte, ihn zurückzuhalten. habe der König ihn getötet. Dann sei er selbst in den Fluten ums Leben gekommen. Alle Anwesenden wur¬den auf diese Wahrheit eingeschwo¬ren und das Kapitel Ludwig inder bayerischen Geschichte für beendet erklärt.
D
och bereits als die Nachricht vom Tode des Königs und vor allem die Umstände, die dazu geführt hatten, die Residenzstadt München erreichten, wurden erste Zweifel laut
und bis heute
will eigentlich niemand so recht an diese offizielle Wahrheit glau¬ben.

87


das Gutachten verfertigt und den König für geisteskrank erklärt hatte. Damit war er mit Sicherheit erledigt, Grund genug, dieser Schande durch seinen Freitod zu¬vorzukommen. Nun war der Weg frei für die Legende, die so wunderbar ins Bild eines geistig umnachteten Monarchen passte.
U
m etwaige Spuren zu verwischen, wurde die Bade¬hütte umgehend abgerissen, was durch zwei zeitge-nössische Presse-Illustrationen belegt werden kann: Am 26. Juni 1886 brachte die „Leipziger Illustrierte" einen Bericht über die Vorgänge des 13. Juni mit einer Zeich¬nung von Robert Aßmus. Auf ihr der Badesteg, der in die königliche Badehütte mündete. Auch ..L'Illustration", eine französische Zeitschrift, berichtete über die Ereignisse. Auf der begleitenden Zeichnung ih¬res Korrespondenten de Haenen ist am linken Bildrand zwar noch der Badesteg, aber nicht mehr die daran an¬schließende Badehütte des Königs zu sehen. Da Aßmus schon imVorfeld der Tragödie aktuelle Berichte an Ort und Stelle illustriert hatte, war seine Zeichnung wohl bereits vor dem 13. Juni entstanden, die von de Haenen, als aktueller Beitrag zum bereits Geschehenen, offen¬sichtlich erst nach dem Tode Ludwigs.


lese Blätter waren Zeugen des unglücklichen Todes unseres Königs und wurden gepflückt d. 18.Juli 1886 in Schloss Berg." Stumme Zeugen an den 7bd des Königs aus dem Nachlass der Prinzessin Adelgunde von Bayern

Während der Aufbahrung des Königs kam es vor der Residenz zu einer wütenden Kuneelniug gegen den Prinzen Luitpold, der als Prinzrtgenr die Nachfolge Ludwigs angetreten hatte. Um einen Übergriff aür die Resi¬denz zu verhindern, wurde die aufgebrachte Menge von berittener 13,.hriz,-: auseinander getrieben, ein Zwischenfall über den nur in derAuslandspres berichtet wurde, den aber Prinzessin Maria de la Paz in einem Brief an ihre Mutter bestätigte
D
er verstorbene König wurde in Schloss Berg aufe-
  bahrt, von wo aus er in der Nacht vom 14. Juni
über Percha und den Forstenrieder Park nach München überführt wurde. Gegen ein Uhr kam der Trauerkonduk: in Sendling an und eine Stunde später hielt der König seinen letzten Einzug in die Residenz. Nach der Obduk¬tion und der Einbalsamierung des Leichnams wurde er in der Hofkapelle aufgebahrt, wo nun auch dasVolk von ihm Abschied nehmen konnte.

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Das Sterbebildchen König Ludwigs 11.
Stunde später der Sarg des Königs aus der Residenz herausgetragen wurde, riss der bis dahin tief verhangene Himmel auf und die Sonne begleitete den Monarchen auf seinem letzten Weg durch die Residenzstadt. Kurz bevor der Sarg St. Michael erreichte, zogen wieder schwarze Wolken auf und ein heftiges Gewitter entlud sich über München, bei dem, wie als himmlisches Zeichen, ein kräftiger Blitz in das Kreuz der Michaelskirche einschlug.
N
ach dem feierlichen Requiem wurde der König in einem prunkvollen Sarg in der Fürstengruft, inmitten seiner verstorbenen Ahnen und neben seinem geliebten Onkel Adalbert, beigesetzt.

91













N
ach dem Tode König Ludwigs II. richteten sich alle Blicke nach Fürstenried, dem kleinen Schloss vor den Toren Münchens, in dem Ludwigs Bruder Otto nun seit über zehn Jahren sein Dasein fristete.
N
ach dem Deutsch-Französischen Krieg begannen die gesundheit¬lichen Probleme, die langsam zu seiner geistigen Umnachtung geführt hatten. Zuerst wurde er in Nymphenburg behandelt, als sich jedoch keine Besserung einstellen wollte, wurde Schloss Fürstenried zu seinem ständigen Sanatorium. Mit dem Tode Ludwigs war nun Otto als König Otto I. bis zum Ende seines Lebens Bayerns Monarch. Für ihn regierte sein Onkel, der von nun an den Titel Prinzregent Luitpold trug. Ihm folgte 1912 sein ältester Sohn Ludwig. Durch eine Verfas-sungsänderung ließ er 1913 den in Fürstenried noch lebenden Otto absetzen und sich selbst zum König ausrufen. König Otto I. verstarb am 11. Oktober 1916. Zwei Jahre später wurde König Ludwig III. gestürzt.


König Ludwig II. von Bayern Author D.Selzer-McKenzie
 König Ludwig II. von Bayern Author D.Selzer-McKenzie
 König Ludwig II. von Bayern Author D.Selzer-McKenzie
 König Ludwig II. von Bayern Author D.Selzer-McKenzie
























































































































































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