Sonntag, 23. August 2015

Emerging Markets in der Kritik


Emerging Markets in der Kritik

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/cjeBqZuHqxw

Emerging Markets:

in Ungnade gefallen?

 

 

Die Zeiten, da der Begriff „Emerging Markets" in aller Munde war und mit der Erwartung von Traumrenditen aus 1001 Nacht einherging, gehören bis auf Weiteres allem Anschein nach der Vergangenheit an. Anders kann man das Zahlenmaterial, das NN Investment Partners unlängst vorstellte, kaum kommentie¬ren. Danach flossen im Verlauf von neun Monaten (Juli 2014 bis März 2015) rund 600.000.000.000 US-Dollar aus den 15 größten Schwellenländern der Welt ab. Letztmalig erreichten die Kapital-abflüsse ein solches Niveau während der Finanzmarktkrise 2008 - und nicht einmal dort wurde der jüngste Spitzenwert er¬reicht. NN Investment Partners überwacht direkte Investitionen und Anlagen über den Kapitalmarkt.

Und auch in den Ausblicken vieler Chefvolkswirte und Anlage-strategen schneiden die Emerging Markets dieser Tage zumeist schlecht ab oder bleiben gar unberücksichtigt. Die Musik, so wird deutlich, spielt derzeit vor allem in den entwickelten Märk¬ten und ist von den dort vorherrschenden Herausforderungen geprägt. Schwellenländerinvestments spielen zumeist eine un¬tergeordnete Rolle. Werden überhaupt einzelne Emerging Markets angesprochen, dann noch am ehesten China. Wenn von Invest-

 

ments die Rede ist, dann häufig von indirekten, in die Konsum-güterhersteller der USA und Europas.

Woher rührt die Ernüchterung? Die Gründe dürften vielschichtig sein. Sie sind beispielsweise in schrumpfenden Wachstumsraten zu suchen (wenngleich man diese auch in Relation zum gestiegenen Ausgangsniveau sehen muss). Sie erreichen in den Emerging Markets mittlerweile den niedrigsten Stand seit 2001. Lagen die Wachs¬tumsraten in den Schwellenländern nach Schätzungen des IWF zwischen 1996 und 2005 im Schnitt noch um etwa 5,2 Prozent herum, betrugen sie zwischenzeitlichen Erholungen zum Trotz 2014 nur noch 4,4 Prozent. Des Weiteren setzt sich im Kreis der Inves¬toren immer stärker die Erkenntnis durch, wie das Wachstum fi¬nanziert wird: mehrheitlich auf Pump (kreditfinanzierte Konsum¬ausgaben). Die Verschuldung der Schwellenländer, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), ist in den letzten Jahren von durch¬schnittlich 99 Prozent (2008) auf derzeit 125 Prozent gestiegen.

Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Beispielsweise gibt die politische Stabilität und die Berechenbarkeit der einzelnen Re-gierungen vielen Anlegern zu denken. Russland steht an dieserStelle nur stellvertretend für eine ganze Reihe anderer Länder. Be¬rücksichtigt man in diesem konkreten Fall beispielsweise die Aus¬wirkungen der Sanktionspolitik auf die Refinanzierung russischer Unternehmen am Kapitalmarkt, relativiert sich das eine oder an¬dere oberflächlich identifizierte Schnäppchen.

Experten machen aber auch einen stagnierenden Welthandel für das abflachende Interesse der Investoren verantwortlich, sin-kende Rohstoffpreise, die den Produzenten weniger Geld in die Kassen spülen, die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätszuwächse vieler Unternehmen in den Schwellen-ländern sowie zunehmende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft.

Über allem aber prangt gleichsam die Angst vor einer restriktiveren Geldpolitik der US-Notenbank inklusive sich abzeichnender Zins¬wende. Sie dürfte den größten Teil der Mittelabflüsse aus den Schwellenländern begründet haben, die schon im dritten Quartal 2014 nach Ankündigungen möglicher Zinserhöhungen in den USA das Weite gesucht haben. Die Sorge dahinter: Zinsanhebungen und mit ihnen ein erwarteter Anstieg des US-Dollars könnten die Schuldendienste und Kreditlasten vieler Regierungen, Banken,

 

Unternehmen und Haushalte in den Emerging Markets in lokalen Währungen erheblich verteuern.

Im Ergebnis liegt der MSCI Emerging Markets seit Jahresbeginn in US-Dollar gerechnet bei, -5 Prozent und nur dem Euro sei Dank aus Sicht deutscher Anleger 2 Prozent im Plus. Zum Vergleich: Der von den entwickelten Märkten dominierte MSCI World schneidet rund 5 Prozent besser ab. Zeitlich befristeten Kursraketen wie Viet¬nam (16 Prozent lokale Währung) und Russland (13 Prozent) stehen Enttäuschungen wie Latein-Amerika (-11 Prozent) und volatile, um nicht zu sagen spekulative Märkte wie die Börse für chinesische Aktien in Shanghai gegenüber. Wie wir Ihnen im Newsletter Spezial zu China am 09.07. mitgeteilt hatten, weisen die Private Investing Varianten aktuell keine Investition in China auf, ebenso keinen In¬vestitionsschwerpunkt in Schwellenländer-Aktien.

Was tun? Wenngleich alle diese Punkte nicht von der Hand zu weisen sind und eine wiederentdeckte Attraktivität des Abendlandes - also der entwickelten Märkte - derzeit als schick gilt, lohnt es sich nach unserer Einschätzung, auf dem erreichten Niveau selektiv wieder über Investments nachzudenken, allein schon unter antizy¬klischen Gesichtspunkten. Schließlich hat sich an der grundsätzli¬chen Argumentation „pro Schwellenländer" (Demografie, Kon¬sum, preiswerte Arbeitskräfte, Aufbau von Infrastruktur etc.) nichts geändert und müssen die den Chancen gegenüberstehen¬den Risiken jetzt erst recht als hinreichend bekannt angesehen werden. Nach wie vor erscheint uns das Risiko, in den Schwellen¬ländern langfristig investiert zu sein, kleiner, als ihnen nicht in an¬gemessener Weise Rechnung zu tragen. Zudem ist die Zinsanhe¬bung in den USA mittlerweile so lange vorangekündigt und dürfte zudem wahrscheinlich auch so „klein" ausfallen, dass die Auswir¬kungen auch in den Schwellenländern weitaus geringer zu erwarten sein sollten als ursprünglich befürchtet.

Wer den Blick über das Anlage- und Fondsuniversum schweifen lässt, sollte daher vor allem auf bewährte „Stockpicker" setzen. Gutes aktives Management dürfte in breiter gefassten Invest-ments im aktuellen Umfeld passiven Lösungen überlegen sein. Der Einsatz von ETF empfiehlt sich nur dann, wenn einzelne Teilmärkte gezielt und zeitlich befristet abgedeckt werden sollen. Chancenorientierte Anleger sollten zudem via Sparplan oder auch Depotbeimischung (Einmalanlage) die „Frontier-Markets" berücksichtigen, die sich nicht selten aufgrund lokaler Entwick-lungen von den übergeordneten Trends in den Schwellenländern entkoppeln können.

Unter dem Aspekt „Stockpicker" sollte auch nicht vernachlässigt werden, dass bei der Vielzahl an Schwellenländer-Aktienfonds, wie etwa im Rahmen des Newsletters Spezial zu China im Ansatz deutlich wurde, die Einschaltung zusätzlichen Sachverstands in Form von Dachfondsmanagern der Private Investing Strategien sinnvoll ist. Der Dachfondsmanager beobachtet den Markt konti-nuierlich und kann in Sekundenschnelle agieren.

 


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