Emerging Markets in der Kritik
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/cjeBqZuHqxw
Emerging Markets:
in Ungnade gefallen?
Die Zeiten, da der Begriff „Emerging Markets" in aller
Munde war und mit der Erwartung von Traumrenditen aus 1001 Nacht einherging,
gehören bis auf Weiteres allem Anschein nach der Vergangenheit an. Anders kann
man das Zahlenmaterial, das NN Investment Partners unlängst vorstellte, kaum
kommentie¬ren. Danach flossen im Verlauf von neun Monaten (Juli 2014 bis März
2015) rund 600.000.000.000 US-Dollar aus den 15 größten Schwellenländern der
Welt ab. Letztmalig erreichten die Kapital-abflüsse ein solches Niveau während
der Finanzmarktkrise 2008 - und nicht einmal dort wurde der jüngste Spitzenwert
er¬reicht. NN Investment Partners überwacht direkte Investitionen und Anlagen
über den Kapitalmarkt.
Und auch in den Ausblicken vieler Chefvolkswirte und
Anlage-strategen schneiden die Emerging Markets dieser Tage zumeist schlecht ab
oder bleiben gar unberücksichtigt. Die Musik, so wird deutlich, spielt derzeit
vor allem in den entwickelten Märk¬ten und ist von den dort vorherrschenden
Herausforderungen geprägt. Schwellenländerinvestments spielen zumeist eine un¬tergeordnete
Rolle. Werden überhaupt einzelne Emerging Markets angesprochen, dann noch am
ehesten China. Wenn von Invest-
ments die Rede ist, dann häufig von indirekten, in die
Konsum-güterhersteller der USA und Europas.
Woher rührt die Ernüchterung? Die Gründe dürften
vielschichtig sein. Sie sind beispielsweise in schrumpfenden Wachstumsraten zu
suchen (wenngleich man diese auch in Relation zum gestiegenen Ausgangsniveau
sehen muss). Sie erreichen in den Emerging Markets mittlerweile den niedrigsten
Stand seit 2001. Lagen die Wachs¬tumsraten in den Schwellenländern nach
Schätzungen des IWF zwischen 1996 und 2005 im Schnitt noch um etwa 5,2 Prozent
herum, betrugen sie zwischenzeitlichen Erholungen zum Trotz 2014 nur noch 4,4
Prozent. Des Weiteren setzt sich im Kreis der Inves¬toren immer stärker die
Erkenntnis durch, wie das Wachstum fi¬nanziert wird: mehrheitlich auf Pump
(kreditfinanzierte Konsum¬ausgaben). Die Verschuldung der Schwellenländer,
gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), ist in den letzten Jahren von
durch¬schnittlich 99 Prozent (2008) auf derzeit 125 Prozent gestiegen.
Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Beispielsweise
gibt die politische Stabilität und die Berechenbarkeit der einzelnen
Re-gierungen vielen Anlegern zu denken. Russland steht an dieserStelle nur
stellvertretend für eine ganze Reihe anderer Länder. Be¬rücksichtigt man in
diesem konkreten Fall beispielsweise die Aus¬wirkungen der Sanktionspolitik auf
die Refinanzierung russischer Unternehmen am Kapitalmarkt, relativiert sich das
eine oder an¬dere oberflächlich identifizierte Schnäppchen.
Experten machen aber auch einen stagnierenden Welthandel für
das abflachende Interesse der Investoren verantwortlich, sin-kende
Rohstoffpreise, die den Produzenten weniger Geld in die Kassen spülen, die
unzureichende Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätszuwächse vieler
Unternehmen in den Schwellen-ländern sowie zunehmende staatliche Eingriffe in
die Wirtschaft.
Über allem aber prangt gleichsam die Angst vor einer
restriktiveren Geldpolitik der US-Notenbank inklusive sich abzeichnender
Zins¬wende. Sie dürfte den größten Teil der Mittelabflüsse aus den
Schwellenländern begründet haben, die schon im dritten Quartal 2014 nach
Ankündigungen möglicher Zinserhöhungen in den USA das Weite gesucht haben. Die
Sorge dahinter: Zinsanhebungen und mit ihnen ein erwarteter Anstieg des
US-Dollars könnten die Schuldendienste und Kreditlasten vieler Regierungen,
Banken,
Unternehmen und Haushalte in den Emerging Markets in lokalen
Währungen erheblich verteuern.
Im Ergebnis liegt der MSCI Emerging Markets seit
Jahresbeginn in US-Dollar gerechnet bei, -5 Prozent und nur dem Euro sei Dank
aus Sicht deutscher Anleger 2 Prozent im Plus. Zum Vergleich: Der von den
entwickelten Märkten dominierte MSCI World schneidet rund 5 Prozent besser ab.
Zeitlich befristeten Kursraketen wie Viet¬nam (16 Prozent lokale Währung) und
Russland (13 Prozent) stehen Enttäuschungen wie Latein-Amerika (-11 Prozent)
und volatile, um nicht zu sagen spekulative Märkte wie die Börse für chinesische
Aktien in Shanghai gegenüber. Wie wir Ihnen im Newsletter Spezial zu China am
09.07. mitgeteilt hatten, weisen die Private Investing Varianten aktuell keine
Investition in China auf, ebenso keinen In¬vestitionsschwerpunkt in
Schwellenländer-Aktien.
Was tun? Wenngleich alle diese Punkte nicht von der Hand zu
weisen sind und eine wiederentdeckte Attraktivität des Abendlandes - also der
entwickelten Märkte - derzeit als schick gilt, lohnt es sich nach unserer
Einschätzung, auf dem erreichten Niveau selektiv wieder über Investments
nachzudenken, allein schon unter antizy¬klischen Gesichtspunkten. Schließlich
hat sich an der grundsätzli¬chen Argumentation „pro Schwellenländer"
(Demografie, Kon¬sum, preiswerte Arbeitskräfte, Aufbau von Infrastruktur etc.)
nichts geändert und müssen die den Chancen gegenüberstehen¬den Risiken jetzt
erst recht als hinreichend bekannt angesehen werden. Nach wie vor erscheint uns
das Risiko, in den Schwellen¬ländern langfristig investiert zu sein, kleiner,
als ihnen nicht in an¬gemessener Weise Rechnung zu tragen. Zudem ist die
Zinsanhe¬bung in den USA mittlerweile so lange vorangekündigt und dürfte zudem
wahrscheinlich auch so „klein" ausfallen, dass die Auswir¬kungen auch in
den Schwellenländern weitaus geringer zu erwarten sein sollten als ursprünglich
befürchtet.
Wer den Blick über das Anlage- und Fondsuniversum schweifen
lässt, sollte daher vor allem auf bewährte „Stockpicker" setzen. Gutes
aktives Management dürfte in breiter gefassten Invest-ments im aktuellen Umfeld
passiven Lösungen überlegen sein. Der Einsatz von ETF empfiehlt sich nur dann,
wenn einzelne Teilmärkte gezielt und zeitlich befristet abgedeckt werden
sollen. Chancenorientierte Anleger sollten zudem via Sparplan oder auch
Depotbeimischung (Einmalanlage) die „Frontier-Markets" berücksichtigen,
die sich nicht selten aufgrund lokaler Entwick-lungen von den übergeordneten
Trends in den Schwellenländern entkoppeln können.
Unter dem Aspekt „Stockpicker" sollte auch nicht
vernachlässigt werden, dass bei der Vielzahl an Schwellenländer-Aktienfonds,
wie etwa im Rahmen des Newsletters Spezial zu China im Ansatz deutlich wurde,
die Einschaltung zusätzlichen Sachverstands in Form von Dachfondsmanagern der
Private Investing Strategien sinnvoll ist. Der Dachfondsmanager beobachtet den
Markt konti-nuierlich und kann in Sekundenschnelle agieren.
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