Den täglichen Stress austricksen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/AHNwZKSbsH8
Der Stress ist immer da, wo auch ich bin. Er sitzt mit mir
am Tisch, geht mit mir zu Bett und wacht morgens mit mir
auf." Dieser Satz ist nunmehr 70 Jahre alt und stammt
vom kanadischen Wissen¬schaftler Hans Seyle, der den Begriff „Stress"
überhaupt erst einführte. An der Gültigkeit seiner Aussage hat sich nichts
geändert: Kein Mensch kann dem Ein¬fluss seines eigenen Stresssystems
ent¬kommen. Auch und gerade dann, wenn es überlastet ist.
Stress an sich ist nicht ungesund — im Gegenteil: Unser
Körper
braucht zu gewissen Zeiten ein gewisses Maß des
Stresshormons Cortisol. Würde es morgens vor dem Aufstehen nicht ausgeschüttet,
kämen wir nicht aus dem Bett. „Auf die Menge kommt es an", er¬klärt die
Stressmedizinerin Dr. Ulrike Heye. Es ist wie bei einer Wippe: Solange sie
zwischen Stress und Entspannung hin und her kippt, geht es uns gut. Selbst wenn
wir kurz heftigem Stress ausge-setzt sind, ist das kein Problem. Gefähr-lich
wird es aber, wenn die Wippe sich nicht wieder senkt, dann stimmt die Bi-lanz
nicht mehr — und das hat Folgen. Der US-Stressforscher Bruce McEwen prägte den
Begriff der Allostase — ge-meint ist körperlicher Verschleiß. Die Alterung von
Haut-, Muskel- und Kno-chengewebe beschleunigt sich durch Dauerstress zum Teil
dramatisch. Im Um¬kehrschluss heißt das aber auch: Stress-abbau ist die
effektivste Anti-Aging-Strategie, die wir kennen.
Doch dem gestressten Gehirn einfach Gelassenheit zu
verordnen, bringt über-haupt nichts.,,Stress galt lange als Mana¬gerkrankheit
und war vor allem mit den hohen Anforderungen im Beruf verbun¬den", sagt
Dr. Heye.,,Doch das gilt längst nicht mehr. Natürlich haben viele Men¬schen
Stress im Job — das könnten sie aber kompensieren, wenn es dabei blie-
Kommen Sie runter - egal, wo Sie gerade sind und was Sie
gerade stresst. Auf dieser und den folgenden Seiten finden Sie vier Übungen,
die ebenso einfach wie wir¬kungsvoll sind. Sie sind überall möglich - in der
U-Bahn, im Park oder am Fenster im Büro - und sie wirken-schon nach wenigen
Sekunden. Suchen Sie sich Ihre Lieblingsübung aus, und gönnen Sie sich jeden
Tag ein paar wertvolle Momente der Entspannung! be", sagt sie.,,Das
Problem ist, dass Stress me addieren,
die der Körr
heute in fast allen Lebensbereichen auf¬ kompensieren kann. In ih,
tritt!' Oft bemerken wir das nicht, laden Dr. Heye gemeinsam mit i
uns immer mehr auf und machen so die auf die Suche nach den
Haben-Seite der Entspannung auch zum Schmerzen. Viele haben e
Soll - und damit zu Stress. Wir geben al¬ densgeschichte hinter sic
les, um unserer Familie gerecht zu wer¬ fangen in einem Teufelsk
den, engagieren uns ehrenamtlich und und Schmerz. „Stress ma,
haben jede Menge fir -
40-Stunden-Job?„Das das neben einem Freizeitstress. Und all
kann nicht gut ge¬ Soll und Haben:
die individuelle
Stressbilanz
hen", sagt Dr. Heye.
Denn - was wir meist nicht im Blick ha¬ gen, wir sind empfindlich-
ben: Auch innere Einstellungen stressen, Wahrnehmung von Ger.
z.B. Perfektionismus, Pessimismus oder Gerüchen - und natüri
ein geringes Vertrauen in die eigenen Schmerz", sagt die Hambur:,
Fähigkeiten. All das addiert sich: „Unser ist davon überzeugt: Schr,
Körper reagiert jedes Mal und schüttet sachen Stress. Und der sorg
Stresshormone aus", sagt Dr. Heye. Auch das Schmerzge-
viele kleine oder mittelschwere Belastun¬ dächtnis sich noch
gen können sich so zu einer großen Sum- schneller entwi-ckelt - unser Gehirn empfängt
somit im¬mer wieder Schmerzsignale. Mehr noch: „Stress schwächt den Körper so,
dass sich auch Entzündungen chronifizieren. Das hat eine Studie mit
MS-Patienten ge¬zeigt. In ihrem Körper laufen ständig Ent¬zündungsprozesse ab.
Ein Anti-Stress-Training hat die Entzündungen - und damit auch das
Fortschreiten der Krank¬heit - signifikant eingedämmt. Stress ist also ein
Hoch-Risikofaktor: Er verschlim¬mert Schmerzen, beschleunigt ihre
Chronifizierung und schwächt den Kör¬per erheblich im Kampf gegen
Entzün¬dungen." Seitdem Stress als Ursache für viele Krankheiten in den
Fokus der Medi¬zin geraten ist, wurde intensiv nach dem wirksamsten
Anti-Stress-Werkzeug ge¬forscht. Das Ergebnis ist verblüffend: Die effektivsten
und nachhaltigsten Übun-gen sind zugleich die einfachsten. Auf diesen Seiten
stellen wir vier der Übun-gen vor: Sie stammen aus der Kinesio-
logie, der Achtsamkeits- und Medi-tationspraxis und der
progressiven Muskelentspannung. Das Geheimnis all dieser Übungen: Sie zwingen
uns dazu, Luft zu holen, Abstand zu gewinnen und innezuhalten - und zwar
innerhalb we-niger Sekunden. Dadurch brechen wir aus dem Hamsterrad aus,
entspannen uns für einen Moment und tanken Kraft. Und wir nehmen wahr, wie es
uns geht. Indem wir uns etwa anspannen und wie-der locker lassen, nehmen wir
die Ent-spannung im Anschluss bewusst wahr (siehe Übung 4). Dadurch gewinnen
wir unser Körpergefühl zurück und werden sofort aufmerksamer.
Klar ist: Stress ist unser ständiger Beglei¬ter. Wenn wir
ihn zähmen und ihm nicht die Oberhand überlassen, kann er sogar zu einem guten
Freund werden, und wir können die Zeit mit ihm - und vor allem die nachfolgende
tiefe Entspannung ¬in vollen Zügen genießen.
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