Die Sex-Lustpille für Frauen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/DDo7xFoRjTA
Amerika gibt erstmals grünes Licht für
eine Pille, die das sexuelle Begehren
von Frauen steigern soll. Was kommt da
auf sie zu?
Der "Sweetest Day" fällt in diesem Jahr auf den
17. Ok¬tober. In einigen amerikani¬schen Bundesstaaten be¬glückt man sich an
diesem Tag traditionell mit Bonbons. Dass man dann erstmals auch „Addyi"
bekommen kann, besser bekannt als "Pink Viagra" für die Frau, weiß
inzwischen die ganze Welt. Vergangene Woche wurde die Zu-lassung für das
Medikament in den Verei¬nigten Staaten erteilt. Der Hersteller zeigt sich
natürlich hocherfreut, und nutzt das ungewöhnliche Handelsdatum - einen Samstag
- zu Marketing-Zwe¬cken. An einem mit Herzchen inszenier¬ten Feiertag, den einst
Süßwarenhändler ins Leben riefen, kommen nun rosa Lie-bespillen auf den Markt,
die alles andere als aus Zucker sind. Jede einzelne Ta¬blette enthält wo
Milligramm des Wirk¬stoffs Flibanserin. Einmal täglich einge¬nommen, soll er
Frauen zu mehr Lust und sexueller Befriedigung verhelfen. Zu¬mindest mehr, als
es ein Placebo vermag.
Statt Blumen und Pralinen zu besor-gen, werden amerikanische
Ehemänner im Oktober aber wohl kaum die Apothe¬ken stürmen. Die neuartige
Pille, für die bisher weder in Deutschland noch bei der europäischen Behörde
EMA eine Zu¬lassung beantragt wurde, gibt es nur auf Rezept. Frauen die ihr
sexuelles Begeh-ren stark vermr sen und nach medizini-scher Definitioe unter
„hypoactive sexu¬al desire disorder" leiden, können es vom Arzt verschrieben
bekommen. Aber nur dann, wenn nicht psychische oder medizi¬nische Probleme oder
eine bestimmte Medikation für ihre Lustlosigkeit verant¬wortlich sind. Und
stets vorausgesetzt, dass mit der Partnerschaft alles in bester Ordnung ist.
Wie sehr . die Qualität der Beziehung neben anderen äußeren
Umständen wie beruflichem Stress das Liebesleben be¬einflusst, zeigen Studien
immer wieder. Kritische Stimmen warnen nun davor, dass im Schlafzimmer schon
bald ein ho¬her Leistungsdruck entstehen könnte. Darüber hinaus drängt sich die
Frage auf, ob es nicht in Wahrheit darum geht, gesunde Frauen zu Patientinnen
zu ma-'chen. Weil die weibliche Sexualität ¬samt möglichen Schwierigkeiten -
über Jahrtausende einem männlichen Raster unterworfen wurde und sich nur lang¬sam
von den traditionellen Fesseln be¬freit, wittern Manche Feministinnen den
Ausverkauf an die Pharmaindustrie. Aber auch das Gegenargument wird laut: Man
habe die Frauen in Medizin und Forschung zu lange vernachlässigt, es sei
endlich an der Zeit, den weiblichen Be-dürfnissen mehr Aufmerksamkeit zu
schenken.
Davon täglich eine.
Bringt im Schnitt einen Sexualakt mehr pro Monat ¬inklusive
Nebenwirkungen.
Foto dpa
weils ist, wird derzeit in den verschieder ten
Fachdisziplinen untersucht (sie - Sonntagszeitung vom 26. Juli). Anatom
Physiologie, Psychologie und sozi, Komponenten spielen eine Rolle. Seil im
Erbgut lassen sich die individuell, Unterschiede aufspüren: Da Hormo: sowie
Botenstoffe bei der sexuellen Err, gung eine Schlüsselfunktion einnehme: kann die
Feinstruktur der entsprecher den Rezeptoren über ihre Wirkungswe se
entscheiden. Letztlich sind es Molekr le auf der Oberfläche von Hirnzeller
die über Lust, Erregung und Sexualver-halten bestimmen.
Während Dopamir, zum Beispiel die Lust steigert, erweist sich der Botenstoff
Serotonin dabei als Spielverderber und hemmt unter ande-rem den Orgasmus.
Dieses Wechselspiel von stimulierenden und hemmenden Fak¬toren kann tatsächlich
aus dem Gleichge¬wicht geraten. Also liegt die Idee nahe. nach einem Stoff zu suchen,
der im zen¬tralen Nervensystem ansetzt.
Vor zwanzig Jahren erkundeten For-scher von Boehringer
Ingelheim an-Standort Mailand in ersten Tierexperi-menten, auf welche Weise die
Substaund Serotonin reguliert. Aus BINITI7 wurde Flibanserin, das ursprünglich
ge-gen Depressionen eingesetzt werden soll¬te, aber in dieser Rolle nicht
überzeugen konnte. Stattdessen beschrieben weibli¬che Versuchspersonen eine
verstärkte Li¬bido, wenn sie über Nebenwirkungen sprachen. In Studien mit
blumigen Na¬men wie Daisy, Begonia, $nnflower und Violet wurde Flibanserir4
inzwischen an Tausenden von Probareümen getestet, teilweise über ein Jahr
hinweg. Im Durch¬schnitt erhöhte sich ihr Liebesglück um einen Sexualakt pro
Monat.
Ein erster Antrag von Boehringer. In-gelheim, den Wirkstoff
mit der Summen¬formel C2oH2IF3N.0 als Mittel zur Stei¬gerung weiblicher Lust
zuzulassen, schei¬terte zwo. Sprout Pharmaceuticals, eine kleine Firma mit Sitz
im amerikanischen Raleigh, übernahm die Aufgabe, Flibanse-rin auf den Markt zu
bringen. 2013 ging das ein zweites Mal schief, beim dritten Versuch ließ sich
die amerikanische Zulas-sungsbehörde FDA jetzt überzeugen. Un¬ter Einsatz von
zweihundert Pharmarefe-renten will Sprout das Medikament nun Gynäkologen und
Psychiatern näherbrin-gen. Dass die Firma künftig zum interna¬tional agierenden
Valeant-Konzern ge¬hört, der dafür rund eine Milliarde Dol¬lar auf den Tisch
legt und mit Addyi den Weltmarkt erobern will, ging in der allge¬meinen
Aufregung beinahe unter.
In Anbetracht der Erfolge von Viagra und ähnlichen
Präparaten für Männer, die seit 1998 auf den Markt drängten, er¬öffnet sich mit
dem Krankheitsbild der „weiblichen sexuellen Fehlfunktion", der „Female
Sexual Dvsfunction". kurz FSD,
ein neues, lukratives Geschäftsfeld. Falls sich die fehlende
Lust, Orgasmusproble-me und Schmerzen beim Geschlechtsver¬kehr wirklich ,
behandeln lassen, wäre Frauen, die darunter leiden, in der Tat ge¬hoffen. In
manchen Umfragen gibt jede zweite Frau an, mehr oder weniger häufig - betroffen
zu sein. Gerade jüngere Frauen wollen es nicht einfach hinnehmen, wenn sich
etwa ungewollt Lustlosigkeit ein¬stellt. Eine „hypoactive sexual desire
disor-der" kann das Selbstwertgefühl herabset¬zen, viele Frauen fühlen
sich dann weni¬ger weiblich, unsicher und frustriert. Ver-suche, moderne
Aphrodisiaka zu finden, werden deshalb viele unternommen. Der Viagra-Wirkstoff
Sildenafil, der über eine Muskelentspannung die Durchblutung der Genitalien
fördert, nicht aber die Li¬bido, zählt bereits zum Repertoire. Er zeigte in
Studien mit weiblichen Teilneh¬mern zwar nicht die erhofften Ergebnis¬se,
trotzdem wird der Ansatz weiterver¬folgt. Hormontherapien mit Östrogen,
Testosteron und anderen Androgenen werden ebenfalls ausprobiert, insbesonde¬re
nach den Wechseljahren, und es wer¬den mehrere Präparate entwickelt, die wie
Addyi im Gehirn wirken.
Einstweilen bleibt es bei der Therapie mit Addyi. Davon
müsste eine Frau jeden Abend eine Tablette schlucken, die sich nicht mit
Alkohol und einigen Medika¬menten verträgt, womöglich ihren Blut¬druck senkt,
zu Schläfrigkeit, Schwindel und Erschöpfung führt. Ihre Leber sollte gesund
sein; selbst Grapefruitsaft stört ¬die Liste mit Sicherheitshinweisen ist lang.
Wer all das bewusst auf sich neh-men möchte, um seine sexuelle Not zu
lindern
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