Mittwoch, 12. August 2015

Kreuzzüge – Die arabische Einheit


Kreuzzüge – Die arabische Einheit

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/PugOHbHN51g

Im Jahre 1150 lagerte Nur ed-Din mit seiner Armee außerhalb von Damaskus, doch er machte keine Anstalten, es anzugreifen. Es war dies psychologische Kriegsführung, und er schickte einen Brief an Abaq, den Prinzen von Damaskus:

»Ich habe nicht die Absicht, indem ich hier lagere, Krieg gegen Euch zu führen oder Euch zu belagern. Ich bin nur wegen zahlreicher Beschwerden von Moslems zu die¬ser Handlung gezwungen..., denn die Bewohner des Landes wurden durch die Franken ihrer Güter beraubt, und niemand ist da, der sie verteidigt... Da mir von Gott die Macht gegeben wurde, den Moslems zu helfen und jihad gegen die Anhän¬ger der Vielgötterei zu führen, kann ich sie nicht im Stich lassen. «

Er bombardierte die Stadt mit Gedichten und offiziellen Briefen, während er zugleich heimlich Korrespondenz mit dem Militär führte.

Zufälligerweise hatte Nur ed-Dins »rechte Hand«, Shirkuh, einen Bruder namens Ayub, der nun ausgerechnet ein hochrangiger Offizier der Armee von Damaskus war. Shirkuh gelang es, ihn dazu zu überreden, seine Sache von innen zu unterstützen. Da Ayubs Treiben heimlich stattfand, wissen wir nicht genau, was er zur Unterstützung Nur ed-Dins tat, doch nach den großzügigen Dankesgeschenken zu urteilen, die Nur ed-Din ihm später gab, muß seine Unterstützung bedeutend gewesen sein.

Auf diese propagandistische Attacke hin fiel den Herren von Damaskus keine passen¬de Antwort ein. Jedenfalls taten sie genau das Falsche: Sie beschworen verdrießlich aufs neue ihr Vertrauen in die Franken. »Zwischen Euch und uns«, schrieben sie an Nur ed-Din, »gibt es nun nichts mehr als das Schwert. Franken werden uns zu Hilfe kommen, wenn Ihr uns belagert. « Sie spielten ihm damit genau in die Hände. Besonders als kurz nach Nur ed-Dins Ankunft die Frühlingsregen außerhalb der Stadt die lange Winter¬trockenheit beendeten und die Stadtbewohner dies fröhlich der »Güte, der Gerechtigkeit und der Frömmigkeit« des Herrschers von Aleppo zuschrieben.

DIE KREUZZÜGE    

Viermal in vier Jahren kehrte Nur ed-Din zurück und verstärkte seinen Druck jedes¬mal. Als die Herrscher der Stadt die Franken zu Hilfe riefen, »machte dies aufrechte Bür¬ger und Männer des Glaubens wütend und führte dazu, daß sie diese chaotische und scheußliche Lage noch mehr beklagten«. Im Api-il 1154 umzingelte Nur ed-Din Damas¬kus zum letzten Mal. Als der aleppische Kriegsruf durch die Stadt schallte, öffneten Sol¬daten wie Bürger die Tore und hießen die Belagerer willkommen. Die reife Pflaume fiel in Nur ed-Dins Schoß, wie er es von Anfang an erwartet hatte.

Zengis Sohn hatte schließlich ohne Blutvergießen das bekommen, was seinem Vater vorenthalten geblieben war. Außerdem stellte Nur ed-Din eine Art von Eroberer dar, wie man sich ihn nur erträumen konnte. Er versammelte alle wichtigen Personen der Stadt und versicherte ihnen, daß ihr Leben sowie ihr Hab und Gut sicher seien. Gleichzeitig organi-sierte er Vorratslager für die hungernde Bevölkerung. Über die nächsten paar Jahre kürz¬te Nur ed-Din Steuern oder hob sie auf; er gründete Schulen, Krankenhäuser, Moscheen, Klöster, öffentliche Bäder und Gerichtspaläste. Damaskus erlebte eine goldene Epoche. Seine Bürger bereuten niemals, mit ihrer Loyalität zum Emir von Aleppo gewechselt zu sein.

Zum ersten Mal, seit die Franken auf den Plan getreten waren, waren Damaskus und Aleppo unter einem einzigen Herrscher vereint. Die Macht eines geeinten Syriens konnte endlich gegen die Eindringlinge gerichtet werden. Erstes Schlachtfeld war Ägypten.

Der Kampf um Ägypten

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A

gypten war immer noch ein enorm reiches Land, doch seine Regierung war in Ungnade gefallen. Der Kopf war Kalif Fatimid, der religiöse Führer, der Anspruch darauf erhob, ein Nachkomme Fatimas, der Tochter des Propheten, zu sein. Doch viele Jahre lang war der Kalif eher eine Marionette, und die wahre Macht lag in den Händen seines Ratgebers und heimlichen Führers, des Wesirs.

Wesir von Ägypten zu sein, war in vielerlei Hinsicht ein schöner Beruf: außerordent¬lich gut bezahlt, mehr Vergünstigungen als ein Tennisspieler, ein großer Palast zum Woh¬nen und unbegrenzte Macht. Der Haken war nur, daß man es nicht unbedingt einen siche¬ren Beruf nennen konnte. Tatsächlich hatte von den letzten fünfzehn Wesiren nur einer seine Amtszeit überlebt. Und man darf sich nicht einbilden, daß die anderen an Alters¬schwäche gestorben wären. Sie wurden vergiftet, erstochen, erhängt, gekreuzigt, geköpft, vom Mob gelyncht und auf allerlei andere Weise von ihren Gegnern oder ihren Nächsten und Liebsten beseitigt. Wesir zu sein hieß, an einem blutigen Reise-nach-Jerusalem-Spiel mitzumachen, das offenbar immer in Tränen enden mußte.

1163 tauchte Shawar, der letzte Ex-Wesir von Ägypten, dem es gegen alle Regel gelun¬gen war, mit dem Leben davonzukommen, am Hof von Nur ed-Din auf und bat um Hilfe bei dem Versuch, sein nur so kurz beherrschtes Königreich wiederzuerlangen. Als beson¬deren Anreiz konnte er ziemlich viel Geld, Land und ein Drittel der Getreidegewinne Ägyptens anbieten! Nur ed-Din weigerte sich, sich zu einer Entscheidung drängen zu las¬sen. Nach Ägypten zu kommen, bedeutete ein Marsch durch fränkisches Gebiet. Es hatte keinen Sinn, eine kleine Armee zu schicken, doch eine große würde den Rest Syriens preis¬geben.

Schließlich schlug Nur ed-Din wahllos den Koran auf und zog ihn zu Rate. Er rief dann seinen Ratgeber und Feldherrn zu sich, jenen kleinen, dicken, einäugigen Mann namens Shirkuh. Shirkuh war eine eher ungewöhnliche Wahl für die engste Vertrauensperson des heiligen Königs. Er war ein Kurde niederer Herkunft, der durch eigene Verdienste seinen hohen Rang erlangt hatte. Doch er war kein Heiliger. Oft war er betrunken, gelegentlich gewalttätig und rücksichtslos oder rückhaltlos großzügig. Doch er wurde von seinen Män¬nern geliebt, und er war ein genialer Feldherr.

Noch ehe der Mai 1164 vorüber war, hatte er Shawar wieder als Wesir in Kairo einge¬setzt. Der Thronräuber wurde auf Befehl des Kalifen getötet und sein Körper den Straßen¬hunden vorgeworfen. »Denn einem großen Herrscher ist es egal«, erklärt William von Tyros, »ob von zwei gegnerischen Thronanwärtern der eine oder der andere gewinnt, solange es jemand ist, der sich sklavisch der Sache seines Herrn und der des Reiches unter¬wirft. «

Nachdem er sein Ziel erreicht hatte, zeigte Shawar seine Dankbarkeit, indem er sein Versprechen an Nur ed-Din brach und Shirkuh befahl, aus seinem Land zu verschwinden. Als Nur ed-Dins Feldherr keine Anstalten machte, zu gehen, traf Shawar eine verhängnis¬volle Entscheidung. Er bat die Franken, ihm zu Hilfe zu kommen! Der König der Franken mußte nicht erst überredet werden. Seit er 1162 den Thron von Jerusalem bestiegen hatte, lag das Auge König Amalrics auf Ägypten. Tatsächlich hatte er dieselbe Stadt, in der Shir-kuh nun in der Klemme saß, schon einmal angegriffen und belagert.

Amalric war eine seltsame Person. Er »war unglaublich fett«, informiert uns William von Tyros, »mit Brüsten wie die einer Frau, die bis zu seinem Gürtel herunterhingen«. Doch ansonsten sah er gut aus, hatte strahlende Augen und blondes, wenn auch leicht zurückgehendes Haar. Er trat wie ein Prinz auf, lachte jedoch auf eine Weise, daß sein ganzer Körper durchgeschüttelt wurde, und er war kein einfacher Gesprächspartner — viel¬leicht wegen seines leichten Stotterns.

In der dritten Juliwoche 1164 belagerte eine vereinte Armee der ehemaligen Feinde, Ägypter und Franken, Shirkuh in der Stadt von Bilbeis. » Welch ein Wunder!« rief Al-Qadi al-Fadil in einer Lobrede auf Shawar. »Du greifst einen Feind mit Hilfe eines anderen an!... Die Kreuze dienen der Hilfe des Islam! « Doch Nur ed-Din hatte nicht die Absicht, seinen besten Heerführer zu verlieren. Und so versuchte er, Amalric aus Ägypten heraus¬zulocken, indem er eine fränkische Festung unweit Antiochias angriff. Die fränkischen Truppen, die innerhalb des Königreichs geblieben waren, eilten zu der Belagerung, doch Nur ed-Din gelang es bald, sie in eine Falle zu locken, wobei viele massakriert und die Anführer gefangengenommen wurden.

Das syrische Selbstbewußtsein muß beim Anblick so vieler stolzer Frankenprinzen, die »wie die niedrigsten Sklaven« zusammengekettet nach Aleppo schlurften, gelitten haben. Unter ihnen befanden sich der Prinz von Antiochia, der Graf von Tripolis, der Statthalter von Silizia und der Graf von Edessa. »Man warf sie ins Gefängnis zum Vergnügen der Ungläubigen. « Nur ed-Din schickte dann einen Sack voller fränkischer Kopfhäute und Banner zu Shirkuh mit der Maßgabe, sie auf die Zinnen zu hängen, damit die Franken sie sehen konnten. Amalric verstand den Hinweis und einigte sich mit Shirkuh. Beide Seiten waren einverstanden, Ägypten zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. In Shirkuhs Fall bedurfte es einer zusätzlichen Bestechung mit 30.000 Dinaren von seiten des Wesirs, um ihn endgültig auf den Weg zu bringen.

Zwei Jahre später sickerte die Nachricht durch, daß Nur ed-Dins Feldherr sich wieder mit dem Gedanken an einen Besuch Ägyptens beschäftige — diesmal mit der klaren Absicht zu bleiben. Der Wesir drängte Amalric sofort, ihm zu Hilfe zu kommen, und das Rennen um den Nil begann von neuem.

Saladin

ein Onkel Shirkuh wandte sich an mich und sagte: >Yusuf, pack deine Sachen,

wir gehen.. Als ich diesen Befehl hörte, hatte ich das Gefühl, als werde mein Herz von einem Dolch durchbohrt, und ich antwortete: >In Gottes Namen, auch wenn man mir das ganze Königreich Ägypten böte, ich würde nicht gehen.«< So erinnerte sich Saladin später an den Beginn seines großen Abenteuers. Und er schloß in bemerkenswer¬ter Kürze: »Am Ende ging ich doch mit meinem Onkel. Er besiegte Ägypten, dann starb er. Gott legte mir dann die Macht in die Hände, die ich niemals erwartet hatte. « Die erste Härteprobe, die Saladin überstehen mußte, war ein Sandsturm, während er mit seinen Leuten die Sinai-Wüste durchquerte:

»Die Männer wagten nicht, den Mund zu öffnen, um miteinander zu sprechen, noch konnten sie ihre Augen offenhalten. Sie stiegen von ihren Pferden, legten sich ausgestreckt hin und klammerten sich an den Boden, wobei sie die Hände so weit wie möglich in den Sand preßten, denn sonst wären sie von der Gewalt des Wir-belwinds hinweggeweht und wieder zu Boden geworfen worden. Denn in dieser Wüste steigen und fallen die Sandwellen wie die Wellen des Meeres im Sturm. «

Trotzdem gelang es Shirkuh, die fränkisch-ägyptische Streitmacht zu überraschen. Anstatt sich Kairo von Süden zu nähern, wie man erwartete, tauchten er und seine riesige Armee plötzlich hinter den Pyramiden von Gizeh auf der anderen Seite des Nils auf, außerhalb der Reichweite seiner Gegner.

Aber auch er konnte nicht an sie herankommen, noch konnte er an Kairo heran. Es war eine Zwickmühle. Die Franken zeigten den bewunderswerten Geist von Privatunterneh¬mern, indem sie drohten, nach Hause zu gehen, wenn der Wesir ihnen nicht viel mehr Geld zahle. Nur ed-Dins Feldherr hatte für seinen moslemischen Kollegen in Kairo auch ein Angebot: »Der fränkische Feind befindet sich in unserer Gewalt, abgeschnitten von seiner Basis. Laßt uns unsere Armeen vereinigen und ihn ausschalten. Die Zeit ist reif; die Gele¬genheit wird vielleicht nicht wiederkommen. «

Doch Shawar hatte mit dem jihad nichts im Sinn. Er ließ Shirkuhs Boten hinrichten, machte den Franken pflichtbewußt vom Inhalt der Botschaft Mitteilung und zeichnete einen Vertrag mit Amalric ab. Der jährliche Tribut sollte erhöht werden. Viertausend Goldstücke sollten den Franken übergeben werden, und Amalric sollte »mit eigener Hand, in gutem Glauben, ohne Hinterlist oder böse Absicht garantieren, daß er nicht aus dem Land Ägypten weichen werde, bis Shirkuh und seine ganze Armee vollkommen aufgerie¬ben oder aus den Gebieten verjagt sein würde«.

Doch Shirkuh ließ sich nicht so leicht aufreiben. Er zog mit erstaunlicher Geschwin¬digkeit durch Ägypten, verfolgt von Amalric und Shawar. Erst als er ein passendes Schlachtfeld gefunden hatte, inverschwenden hier unsere Zeit, und die Tage vergehen ohne Ergebnis. Viele Pflichten erwarten uns zu Hause. « Amalric, der tatsächlich wegen der Lage im Königreich Jerusa¬lem nervös wurde, willigte ein. Es gab einen seltsamen Waffenstillstand, ehe sich alle auf den Heimweg machten: Amalric ließ seine Fahne vom Leuchtturm von Pharos flattern, und Saladin erholte sich im fränkischen Lager. Man gab ihm einen Leibwächter zur Seite, er freundete sich mit vielen Franken an und wurde allgemein mit großem Respekt behan¬delt. Man munkelte sogar, daß er vom Hauptmann Humphrey von Toron zum Ritter geschlagen worden sei.

Doch Shirkuh und Saladin müssen als enttäuschte Männer nach Damaskus zurückge¬kehrt sein. Es sah allmählich so aus, als läge die Eroberung Ägyptens außerhalb ihrer Mög¬lichkeiten — mit Sicherheit so lange, wie Shawar sich auf den Schutz der Franken verlassen konnte. Nur ed-Din sagte zu Shirkuh: »Du hast dich zweimal bemüht, doch du hast nicht das bekommen, was du gesucht hast«, und machte ihn zum Herrscher der Stadt Horns. Saladin soll gesagt haben: »Ich habe in Alexandria solche Torturen erlebt, daß ich sie nie vergessen werde. « Keiner hätte geglaubt, daß innerhalb von eineinhalb Jahren beide nach¬einander Herren von Ägypten werden würden.

Der Fall Ägyptens

D

er Überraschungszug ging von Amalric aus. Anfang November 1168 erschien er plötzlich vor den Mauern von Bilbeis, fiel in die Stadt ein und massakrierte die Ein¬wohner ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht oder Religion. William von Tyros war über diesen verräterischen Bruch des Bündnisses ziemlich besorgt. Der Grund, den manche für den Angriff anführten, war, daß Shawar mit Nur ed-Din gegen die Franken gemeinsame Sache gemacht habe. Doch andere, schreibt er, »behaupten, daß all diese Behauptungen falsch seien, daß der Sultan Shawar gänzlich unschuldig war und, weit entfernt, eine sol¬che Behandlung zu verdienen, in gutem Glauben den Vertrag eingehalten habe... Sie ver¬sichern, daß der Krieg, der gegen ihn geführt wurde, ungerecht und gegen die heiligen Gesetze sei; daß es nur ein Vorwand für einen großen Angriff gewesen sei. «

Es war ein Abenteuer, das nirgends hinführen konnte; auch wenn Amalric Kairo bela¬gerte, konnte er nicht darauf hoffen, Ägypten zu regieren. Es gab einfach nicht genug Lateiner im Osten, um das zu bewerkstelligen. Er zog sich zurück. Doch in der Zwi¬schenzeit hatte Shawar bei Nur ed-Din um Hilfe gebeten. Shirkuh konnte sein Glück wahrscheinlich kaum fassen. Hier wurde er tatsächlich ein
 
 
 
geladen, die Stadt zu betreten, die er so lange begehrt hatte. Bereits nach wenigen Wochen war er auf dem Weg.

Am 8. Januar 1169 zog Shirkuh schließlich triumphierend in die Stadt Kairo ein. Zwei Tage später hatte er eine Unterredung mit dem Kalifen. Und eine Woche später wurde der Wesir Shawar getötet. Die Drecksarbeit wurde Saladin und einigen anderen Emiren über-tragen. Sie zerrten den Wesir vom Pferd und zogen ihn in ein Zelt, wo man ihn bewachte, bis der Befehl vom Kalifen kam, ihn zu enthaupten. »So wurde Shirkuh durch die Macht eines einzigen Schwertes zum Herrn von ganz Ägypten. « Doch er sollte seinen Traum nicht lange genießen. Drei Monate später war auch er tot. Das Amt fiel dann an seinen ersten Stellvertreter, seinen Neffen Saladin.

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