Kreuzzüge Die Helden-Schlachten
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/nq7jdh9oErc
DIE SCHLACHT DER HELDEN
R
ichard kam am 8. Juni mit fünfundzwanzig Kriegsgaleeren,
Isaac als Gefangenem ¬er hatte darum gebeten, nicht in Eisen gelegt zu werden,
und so ließ Richard silber¬ne Fußfesseln anfertigen — und dem Ruf eines
unbesiegbaren Kriegers in Akkon an. »Kein Stift kann die Freude der Menschen in
der Nacht, als der König ankam, hinreichend beschreiben«, erklärte der
Soldaten-Chronist Ambroise.
Die Belagerung von Akkon hatte beinahe zwei Jahre gedauert.
Nun war alles bereit, die Sache zu Ende zu bringen. Die Belagerungskatapulte
waren fertig und auf Namen wie »Böser Nachbar« und »Gottes Schlinge« getauft
worden. Es gab auch eine große Enter-leiter mit dem Namen »Die Katze«. Doch zwei
Jahre des Nichtstuns hatten die Moral der Belagerer untergraben, und wenn
Phillip auch gute Arbeit leistete, hatte er sich nicht gera¬de als geistreicher
Anführer erwiesen. Außerdem war er an arnaldia erkrankt, einem Lei¬den, durch
das ihm Haare und Fingernägel ausfielen.
Als schließlich der englische König ankam, schien seine
bloße Anwesenheit die Truppen mit jener Energie zu erfüllen, die nötig war.
Richard jedoch erkrankte noch hef¬tiger an arnaldia als Phillip. Und so gab er
seine Anweisungen einfach vom Bett aus. Er verstärkte das Bombardement und
forderte ein Treffen mit Saladin; Saladin verweigerte dies, schlug jedoch vor,
daß Richard seinen Bruder Al-Adil treffen solle.
Saladins größte Hoffnung bestand immer noch darin, daß sich
die Europäer durch innere Streitigkeiten selbst kampfunfähig machen würden, und
er hatte guten Grund anzu¬nehmen, daß es dazu auch kommen würde. Zwangsläufig
unterstützte Phillip Conrad gegen Guy — Conrad war Phillips Cousin —, und
Richard unterstützte Guy gegen Conrad — Guys Bruder war einer von Richards
wichtigsten Vasallen.
Es gab genügend Anlaß, sich zu streiten, denn Königin
Sibylla und ihre beiden Töch¬ter waren während der Belagerung gestorben. Guy
war natürlich nur dank seiner Ehe mit Sibylla König, und so löste ihr Tod einen
heftigen Streit darüber aus, ob Sibyllas Halb¬schwester Isabella nun die
rechtmäßige Königin sei oder nicht. Conrad hielt so viel von diesem Streit, daß
er Isabellas Ehe mit dem unmännlichen Humphrey von Toron annul¬lieren ließ und
sie selbst heiratete. Damit machte er die arme Isabella mit Sicherheit nicht
glücklich, sie hatte Humphrey offenbar wegen all seiner sanften Unmännlichkeit
geliebt, doch Conrad wurde so ein weiterer Anwärter auf die Krone.
Diese Streitigkeiten brodelten vor sich hin, sicherten
Saladin aber nicht Akkon. Er konnte die Stadt nicht länger auf dem Seeweg
versorgen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann die Kreuzritter Akkon
angreifen würden.
Schließlich, am 11. Juli, kapitulierte die türkische
Garnison. Sie willigte nicht nur ein, alles auszuliefern, was sich in der Stadt
befand, sondern auch, daß Saladin fünfzehnhun¬dert fränkische Gefangene
freilassen, zweihunderttausend Goldstücke zahlen und den Teil des Wahren
Kreuzes, das er bei Hattin erobert hatte, zurückgeben solle. Saladin hörte erst
von diesem Bedingungen, nachdem sie bereits angenommen waren — und er war
ver-ständlicherweise nicht gerade davon erbaut.
Die Stadt wurde von den Kreuzrittern besetzt, und es begann
das normale Gezänk dar¬über, wer genau was bekommen sollte und wer genau wo
wohnte und wer genau die Ober¬hand hatte, Guy oder Conrad. Richard und Phillip
stellten beide ihre Standarten auf, da sie vereinbart hatten, daß sie die Beute
des Kreuzzuges gerecht teilen wollten. Leopold von Österreich, der den mitleiderregenden
Rest von Barbarossas Kreuzzug anführte, stellte ebenfalls seine Standarte auf.
Richard war nicht gewillt, mehr als erforderlich zu teilen. Und so handelte er
mit seinem gewohnten Gespür für Diplomatie: Er riß Leopolds Stan¬darte fort und
warf sie in den Burggraben. Es war eine Tat, die er ein Jahr später bitter
bereuen sollte. Doch natürlich war der Hauptstreitpunkt nicht, welcher
Kreuzzugsanfüh-rer welche Gebäude bekam, sondern welche italienische Stadt
welche Handelsrechte erwarb. Besonders für Pisa und Genua ging es beim Kampf um
die Herrschaft in Akkon buchstäblich um Leben oder Tod — vor allem jetzt, da
die Kirche den Handel mit Ägypten verboten hatte. Die Pisaner waren auf Guys
Seite, und die Genuesen auf Conrads.
Man einigte sich schließlich darauf, daß Guy König bleiben
sollte, was bedeutete, daß die Pisaner in Akkon sicher waren; Conrad aber
sollte Herr über Tyros werden, so daß Tyros zur Hochburg der Genuesen werden
würde. Conrad wurde jedoch auch zum Thron¬erben ernannt. Dies machte die
Pisaner nervös. Phillip war krank, müde und hatte die Nase voll von Richard, er
packte seine Sachen und ging nach Hause, nachdem er versprochen hatte, Richards
Länder in Frankreich nicht anzugreifen, ehe Richard zurückkam. Leopold und
andere, die von der Verteilung der Kriegsbeute ausgeschlossen worden waren,
gingen ebenfalls. Die zurückbleibenden Kreuzritter, soweit es nicht Richards
Männer waren, die ihn vergötterten, mißtrauten ihrem neuen Anführer genauso
sehr wie Phillip. Richard wollte unbedingt nach Jerusalem und hatte nicht die
Absicht, für die sich hinzie-hende Freilassung der Gefangenen in Akkon zu
bleiben. Er hatte beinahe dreitausend Moslems als Gefangene. Saladin hätte in
dieser Situation die Gefangenen freigelassen. Tat¬sächlich war Saladin von
seinen eigenen Leuten bereits kritisiert worden, weil er Gefangene freigelassen
und damit erlaubt hatte, daß Tyros mit diesen Männer wieder verstärkt wurde.
Richard teilte diese Kritik. Er nahm deshalb die nächstbeste
Gelegenheit wahr, das Frei-lassungsabkommen zu brechen und alle seine
Gefangenen abzuschlachten. Ungefähr 2700 Überlebende der moslemischen Garnison
mit ungefähr dreihundert ihrer Frauen und Kin¬der wurden in Ketten vor die
Stadtmauern gebracht und. vor den Augen von Saladins Armee kaltblütig
abgeschlachtet.
Dann, am 22. August, führte Richard seine Männer aus Akkon
heraus und zog süd¬wärts nach Jaffa. Die Kämpfer wollten nicht gehen, denn
Akkon war eine sehr lebhafte Stadt, wenn nicht sogar eine Stadt der losen
Sitten geworden. Saladins Sekretär beschrieb beispielsweise die Ankunft einer
Schiffsladung Prostituierter in bester Klatschspalten-Tra¬dition, indem er mit
saftigen Details beschrieb, was ihm mißfiel:
»Mit näselnden Stimmen und fleischigen Hüften, boten sie
ihre Ware zum Vergnü¬gen an, hoben ihre silbernen Fesseln, bis sie ihre
goldenen Ohrringe berührten, machten sich zur Zielscheibe männlicher Pfeile,
boten sich selbst den Lanzenstichen dar, brachten die Speere dazu, sich bis zu
den Schilden aufzurichten. Sie verflochten Bein mit Bein, fingen eine Eidechse
nach der anderen in ihren Löchern, führten Federn zu Tintenfässern, Sturzbäche
in die Tiefen des Tals, Schwerter in ihre Schwertscheiden, Feuerholz zu ihren
Öfen, und sie behaupteten, daß dies ein Akt der Frömmigkeit ohnegleichen sei,
besonders gegenüber denjenigen, die weit von Heimat und Ehefrauen entfernt
waren. «
Wer wollte dies gegen einen Marsch durch feindliches Gebiet
in eine Region mit wenig Nahrungsmitteln und noch weniger Wasser eintauschen,
in der vollen Sommerhitze und ohne einen sicheren Hafen am Ende des Marsches?
Richard. Es war eine Demonstration der Unbesiegbarkeit. Der Schlüssel zum
Marsch war strikte Disziplin. Saladins Biograph Baha' ad-Din beschrieb die
marschierende Kolonne, deren Flanken »wie eine Mauer zusammenhielten« :
»Jeder Fußsoldat trug Kleidung aus sehr dickem Filz und ein
so kräftiges Ketten¬hemd, daß unsere Pfeile sie nicht verletzten... Ich sah
Soldaten mit bis zu zehn Pfei¬len in ihrem Rücken, die einfach
weitermarschierten, ohne wegzubrechen... Man konnte nicht anders als die Geduld
dieser Menschen zu bewundern: Sie ertrugen die härtesten Leiden... und gewannen
keinen persönlichen Vorteil davon. «
Vorne und hinten gingen die Templer und die Johanniter.
Genau in der Mitte befand sich die königliche Standarte, ein Fahnenmast, der
auf einem Wagen befestigt war und von der Reserve, einer Gruppe Adliger,
umringt wurde. Die Flotte, die weitere Vorräte und Wasser trug, begleitete
ihren Marsch die Küste hinunter. Es gab überhaupt keine Diskussion über irgendwelchen
Anhang. Richard verbot ausdrücklich Frauen auf dem Marsch, außer
denWaschfrauen, die dazu da waren, »die Leinenwäsche der Kreuzritter
sauberzuhalten, ihre Haare zu waschen und sie zu entlausen, wobei sie so
geschickt wie Affen waren. « Diese Waschfrauen, die von allen westlichen
Anführern als notwendig betrachtet wurden, mach¬ten einen tiefen Eindruck auf
die Moslems. Ȇberall waren alte Frauen... Sie ermahnten und bewegten die
Männer dazu, ihren Stolz hervorzukehren, indem sie sagten, daß das Kreuz ihnen
die Verpflichtung auferlege, bis zum bitteren Ende durchzuhalten, und daß die
Krieger nur das ewige Leben gewinnen könnten, indem sie ihr eigenes Leben
opferten, und daß das Grab ihres Gottes in den Händen ihrer Feinde sei. « Wenn
sie gefangengenommen wurden, schickte man sie normalerweise gleich wieder
zurück zu den Kreuzrittern.
Die Schlacht von Arsuf
D
a Richards Armee nur in den Morgenstunden marschierte,
schaffte sie durchschnitt-lich nur sechs Kilometer pro Tag. Am 7. September,
als sie das nur fünfundzwanzig Kilometer von Jaffa entfernte Arsuf erreichten,
griff Saladin sie an. Seine einzige Hoffnung war es, die Kreuzritter so sehr
durcheinander zu bringen, daß sie ihre Formation aufgeben und in kleine Gruppen
auseinanderfallen würden, die man umzingeln und niederschlagen konnte. Er
schickte eine Angriffswelle nach der anderen gegen die Nachhut, die rückwärts
marschieren mußte, um sich zu verteidigen. Die Johanniter verloren Pferde, die
nicht so bedeckt und geschützt werden konnten wie Männer. Für Ritter, deren
ganzes Ehrver-ständnis auf Tapferkeit gründete und deren Pferde Teil ihres
Selbst waren, war diese Lage schändlich. Doch die Formation hielt zusammen.
Saladins Streitkräfte waren geschult und geübt, und ein Teil
ihrer Ausbildung hatte sich mit dem Erkennen des komplexen Vorganges befaßt,
mit dem die Ritter zum Angriff rüste¬ten. Dies war wesentlich, denn ihre
Reaktion sollte es sein, auszuweichen: Gruppen soll¬ten sich nach rechts und
links verstreuen, während ein großer Teil sich in einer geraden Linie
zurückziehen würde, um die angreifenden Ritter so weit wie möglich von der
Haupt¬armee wegzuziehen, so daß sie abgeschnitten und niedergemacht werden
konnten. Doch als Richards Armee an diesem Tag angriff, waren die Moslems
völlig überrascht. Der Angriff war eigentlich vorzeitig ausgelöst worden, doch
Richard hatte sofort die Kontrol¬le wiedererlangt, seine Streitmacht zu einer
großen Angriffsmauer formiert und sie zum Stehen gebracht, ehe sie
auseinanderbrechen konnte. Die Ritter ordneten sich und führten dann
diszipliniert zwei weitere Angriffe durch. Saladins Biograph Baha' ad-Din
befand sich im Zentrum des moslemischen Angriffs, der zerschlagen wurde. Er
berichtet, wie er zum linken Flügel hinüberritt, der sich rasch zurückzog, dann
einige Kilometer zum rech¬ten Flügel ritt, wo die Lage noch schlimmer war. Dann
zog er sich zu Saladins Verbandzurück, »da sich dort alles sammeln sollte. Doch
ich fand nur siebzehn Männer dort, obwohl die Banner flatterten und die
Trommeln immer noch schlugen. «
Die Moslems waren geschlagen. Saladin hatte es brillant
verstanden, einen jihad gegen einen christlichen Staat zu organisieren, doch er
vermochte nicht mittels öffentlicher Mei¬nung, verbreiteter Wut oder religiösen
Eifers eine gut geführte Militärmacht zerstören.
Verhandlungen
R
ichard nahm Jaffa ein. Doch Jerusalem einzunehmen,
bedeutete, ins Binnenland zu marschieren, und seine Armee war von ihren
Schiffen entfernt weniger wirkungsvoll. Er begann deshalb, mit Saladin zu
verhandeln. Saladin hätte vermutlich nur zu gerne einen Waffenstillstand
unterzeichnet, doch seine Position war nun sehr schwach. Er hatte die
tri-umphierende Aura seines Wiedereroberungsfeldzuges verloren und war von ihm
unterge¬benen Emiren umgeben, die sich nicht länger wie Untergebene verhielten.
Er weigerte sich, Richard zu treffen, und schickte erneut seinen Bruder Al-Adil
an seiner Stelle.
Richard freute sich über Al-Adils Gesellschaft und ließ
Saladin durch ihn einen Brief überbringen. »Die Moslems und Franken verbluten,
das Land ist völlig zerstört, und auf beiden Seiten wurden Güter und Leben
geopfert. Die Zeit ist gekommen, damit auf¬zuhören. Das Ziel ist Jerusalem, das
Kreuz und das Land. « Saladin antwortete, daß Jeru¬salem »ebenso unser wie
Euer« sei, daß das Land des Königreiches Jerusalem erst vor kurzem in die Hände
der Franken gefallen sei und daß sie das Kreuz nur dann übergeben würden, wenn
sie etwas Wertvolles dafür bekämen. Dies verschloß einer Einigung zwar nicht
die Tür, brachte die Dinge aber keineswegs voran. Richard wußte, daß Saladin
heim¬lich mit Conrad verhandelte und daß er versuchte, die Christen
gegeneinander auszuspie¬len — was kein großes Problem war —, und so machte er
Al-Adil ein außergewöhnliches Angebot: Er, Saladins Bruder, solle Richards
Schwester Joan heiraten. Sie würden Palästi¬na gemeinsam von Jerusalem aus
regieren, Richard solle Akkon und Jaffa an Joan abtre¬ten und Saladin den Rest
Palästinas an Al-Adil. Conrad und Guy wären damit beide aus dem Rennen, Al-Adil
hätte ein Königreich, und Richard könnte nach Hause gehen.
Dies war so weit von der Idee eines Kreuzzuges entfernt, wie
es nur sein konnte.
Saladin stimmte den Bedingungen zu, »da er sehr wohl wußte,
daß es ein Witz war«, wie Baha' ad-Din erklärt. Als jedoch Joan davon erfuhr,
war sie wütend und schwor, daß sie niemals einen Moslem heiraten werde, nein
danke! Und so fragte Richard Al-Adil, ob es ihm etwas ausmachen würde, zum
Christentum überzutreten. Saladins Bruder lehnte höflich ab, und die ganze
Angelegenheit endete mit einem großen Bankett und Freund-schaftsbeteuerungen,
aber nicht mit einem Bündnis.
Richards Dilemma
I
m Winter dann, als Saladin den Großteil seiner Armee
aufgelöst hatte, nahm Richard seine Streitmacht mit auf eine Expedition in die
Berge. Sie näherten sich Jerusalem bis auf zwanzig Kilometer. Doch es war klar,
daß die Stadt nicht zu halten war, sobald Rich¬ard und seine Armee abgezogen
waren. Es gab nicht genügend christliche Ritter, die ihr Leben im Heiligen Land
verbringen wollten.
Richard zog sich nach Ascalon zurück, das Saladin hatte
schleifen lassen, und beschäf¬tigte seine Männer damit, es wieder zu einer
mächtigen Festung auszubauen. Conrad wei¬gerte sich, zu Hilfe zu kommen, und
der Herzog von Burgund, dem Phillip die Aufsicht über die Truppen übertragen
hatte, führte eine große französische Armee nach Akkon. Dadie Franzosen Conrad
stets unterstützt hatten und Conrad ein Werkzeug der Genuesen war, empfanden
die Pisaner dies als Bedrohung.
Sie besetzten die Stadt in dem Moment, als die Franzosen
ankamen, vertrieben die¬selben und hielten die Stadt drei Tage lang, wobei sie
Richard baten, ihnen zu helfen und die Ordnung wiederherzustellen. Richard zog
nach Norden, flickte, was zu flicken war, ohne irgendein Problem zu lösen, und
kehrte nach Ascalon zurück.
Die Franzosen bauten ein sehr hübsches Lager um Tyros herum
und betrübten den eng-lischen Soldaten und Chronisten, der sie in weichen,
engen Kleidern mit goldenen Ketten an den Ärmeln, verzierten Gürteln,
geschmückten Krägen und Blumenkränzen im Haar herumspazieren sah. Die Franzosen
waren offensichtlich entartet.
Soweit es nach Richard ging, mußte es einen Waffenstillstand
mit Saladin gegeben. Saladin konnte theoretisch einfach dasitzen und darauf
warten, daß Richard verschwand, doch er brauchte den Waffenstillstand genauso
wie Richard. Al-Adil war jetzt ehrgeizig und schien auf eigene Rechnung mit
Richard und Conrad zu verhandeln. Wenn Saladin keine Einigung erzielen konnte,
konnte es vielleicht Al-Adil — und er hätte vielleicht die Unterstützung von
Saladins murrenden Emiren.
Ende März scheint man zu einer Einigung gekommen zu sein.
Die Christen sollten behalten, was sie erobert hatten, sie sollten das Recht
zur Pilgerfahrt bekommen und Prie¬ster in Jerusalem lassen dürfen. Das Heilige
Kreuz sollte ihnen zurückgegeben werden. Sie konnten auch Beirut haben, sobald
seine Befestigungsanlagen geschleift waren.
Richard gab bekannt, daß er abziehe. Sein Bruder John machte
in England Ärger, und Phillip bedrohte die Normandie. Außerdem konnte sein
Erfolg als Diplomat die Tatsache nicht verdecken, daß ihm nun die absolute
Sinnlosigkeit der Eroberung Jerusalems klar¬geworden war, die doch der ganze
Zweck der Reise gewesen war. Es war definitiv Zeit, nach Hause zu gehen.
Irgendwie mußte aber der Streit zwischen Guy und Conrad noch beigelegt werden.
Richard berief einen Rat ein, um die Ritter und Freiherren zu bitten, sich
zwischen Guy und Conrad zu entscheiden.
Die Ermordung Conrads
C
onrad hatte sich nun vollständig den Genuesen verschrieben,
und Genua investierte viel in ihn; dies mag den Umstand erklären, daß der Rat
ungewöhnliche Einigkeit zeigte, ihn zum König zu wählen. Guy hatte verloren,
und Richard traf Vorbereitungen, ihm das Königreich Zypern als Trostpreis zu
übergeben. Bedeutender noch war vielleicht, daß die Pisaner verloren hatten.
Sobald Conrad König würde, mußten sie davon ausgehen, daß Genua das Monopol in
Akkon erhalten würde.
Als die Vorbereitungen zur Krönungsfeier liefen, wurde
Conrad auf der Straße von zwei Assassinen niedergeschlagen und getötet. Niemand
wußte warum; viele dachten, der Mord sei von Richard organisiert worden. Es gab
genauso viele Theorien über diesen eigenartigen Mord, wie über die Ermordung
John F. Kennedys. Ein seltsamer Punkt war die Rolle Isabellas. Conrad wurde
getötet, weil er ausgegangen war, um jemanden zu suchen, mit dem er essen
konnte, nachdem sie sich geweigert hatte, das Bad zu verlassen, um mit ihm zu
speisen. Die Assassinen warteten auf dem Rückweg auf ihn: Jemand hatte ihnen
einen Tip gegeben.
Am offensichtlichsten profitierte Heinrich von Champagne
davon: Er tauchte, sobald er von dem Anschlag erfuhr, in Tyros auf — um sofort
von der Bevölkerung zum neuen Herrn und Mann der verwitweten (und schwangeren)
Isabella erkoren zu werden. Er war jung, beliebt und der Neffe von Richard und
Phillip. Er und Isabella wurden innerhalb von achtundvierzig Stunden nach dem
Mord verheiratet. Richard war einverstanden. Doch obwohl Heinrich als König
regierte, wurde er niemals gekrönt. Keiner weiß warum.
Die Chronisten widmen Händlern und Matrosen nicht viele
Zeilen. Sie sind von rit¬terlicher Ehre und religiösem Eifer beeindruckt, nicht
von Buchhaltung und Streitereien Pisaner waren. Richard und Heinrich gewährten
ihnen nun Privilegien, die ihnen die Kon¬trolle über das gesamte wirtschaftlich
wichtige Gebiet von Akkon sicherten. Damit gaben sie sich jedoch nicht
zufrieden, und im folgenden Jahr wurde ein Plan der Pisaner aufge¬deckt,
demzufolge sie Tyros mit einer Armee besetzen wollten und Guy de Lusignan aus
Zypern zurückkommen sollte, um dort zu regieren. Heinrich verbannte alle
Pisaner.
Zwei Jahre nach dem Mordanschlag, als der Alte Mann aus den
Bergen starb, lud sein Nachfolger Heinrich von Champagne ein, ihn auf seiner
Burg zu besuchen. Er entschuldig¬te sich für den Mord an Conrad und bat
Heinrich dann, einer Demonstration beizuwoh¬nen. Männer in weißen Roben standen
paarweise auf den Zinnen. Der Assassinen-Anfüh-rer erklärte, daß diese Männer
ihm besser gehorchen würden, als irgendeiner von Heinrichs Soldaten Heinrich
gehorche. Er gab einen Befehl, und ein Paar sprang von den Zinnen in den Tod.
Wollte Heinrich diese Demonstration vielleicht noch einmal sehen? Heinrich
lehn¬te tief erschüttert ab. Er wurde höflich gefragt, ob es vielleicht irgend
jemanden gebe, den die Assassinen für ihn töten könnten? Kurz danach erhielten
die Pisaner ihre Länder und Privilegien wieder. Der Vorfall erhielt eine
tragische Note, als Heinrich wenig später selbst in den Tod stürzte, als er
versehentlich rückwärts aus einem Fenster seiner Burg trat.
Nachdem Conrad tot und der Kampf der rivalisierenden
Parteien offenbar beigelegt war, konnte sich Richard darauf konzentrieren, seine
Verhandlungen mit Saladin zu einem Ende zu bringen. Er beschloß, den Druck zu
verstärken, nahm Daron, Saladins letzte Festung an der Küste, ein und ließ
seine Armee noch einmal gen Jerusalem marschieren. Er wartete dort einen Monat
lang, wirkte bedrohlich, war aber eigentlich machtlos.
Richards letzte große Schlacht
R
ichard hatte geschworen, daß er nur als ihr Eroberer seinen
Blick auf die Heilige Stadt richten wollte, und so bedeckte er traurig seine
Augen mit seinem Schild, als er vom Gebirge aus in der Ferne die Stadtmauern
erblickte. Schließlich befahl Richard den Rückzug zur Küste. Die französischen
Soldaten, die Richards Zögern, die Stadt einzuneh¬men, nicht verstanden und die
Bewunderung seiner eigenen Truppen nicht teilten, began¬nen, ein Schmählied auf
ihn zu singen. Richard schrieb sein eigenes auf sie. Leider ist kei¬nes der
beiden überliefert.
Die Verhandlungen neigten sich, wie es schien, dem Ende zu,
und Richard ging nach Akkon, wo er seine Abreise vorbereitete. Dann tauchte
Saladins Armee plötzlich vor Jaffa auf, und die Stadt ergab sich. Saladins
Streitmacht hatte jedoch ihre Kriegslust verloren; das einzige, was sie noch
zusammenhielt, war die Aussicht auf Plünderung. Saladin hatte zugestanden, daß
die Christen Jaffas mit ihren Gütern abziehen können sollten, doch seine
Truppen stellten sich das ganz anders vor und begannen zu plündern. Saladin
postierte wütend Wachen an den Toren und beschlagnahmte jegliches Beutegut.
Richard erfuhr von dem Angriff und segelte sofort mit der kleinen Armee, die er
zur Verfügung hatte, nach Jaffa. Als er eintraf, flatterte Saladins Banner
bereits über der Stadt, doch ein Schwimmer brachte ihm die Nachricht, daß die
Garnison sich noch nicht zurückgezogen habe. Richard brachte seine Schiffe an
Land, sprang, nur mit dem oberen Teil der Rüstung geschützt, in die Brandung
und begann zu kämpfen. Seine Begleiter folgten seinem Beispiel.
Richard war ein vorsichtiger Anführer, aber ein maßlos
unvorsichtiger Kämpfer. Drei Jahre zuvor, als er gegen seinen Vater gekämpft
hatte, hatte er eine zurückweichende Armee mit derartiger Begeisterung
mitgerissen, daß er sich nicht einmal darum geschert hatte, ob er Rüstung
getragen hatte. Der Krieger, der sich ihm dann entgegenstellte, war William
Marshal gewesen, ein in vielen Kämpfen siegreicher Soldat, und Richard hatte
plötzlich bemerkt, daß er sich in Lebensgefahr befand. »Bei den Beinen Gottes,
Marshal«, rief er, »töte mich nicht! Ich trage keine Rüstung!« Marshal hatte
geantwortet, das werde er nicht, »aber ich hoffe, der Teufel tut es«, und er
hatte Richards Pferd getötet. Jetzt hatte Richard es wieder getan. An Land zu
waten und mit der Brandung im Rücken zu kämp¬fen, wäre Selbstmord gewesen, wenn
die Moslems einen ernsthaften Versuch gemacht hät¬ten, sich ihm entgegenzustellen.
Sie taten es nicht. Sie liefen einfach davon.
Jaffa war zu stark beschädigt, und der Gestank der Leichen
war zu arg, als daß man sie hätte besetzen können. Richard und seine kleine
Armee (vierundfünfzig kampffähige Ritter mit nur fünfzehn Pferden und ein paar
Mann Fußvolk) lagerten vor den Mauern. Ein paar Tage später befahl Saladin
einen vollen Angriff seiner Reiterei auf diese kleine Truppe.
Richards Chronisten beschrieben das, was folgte, als eine
heroische Schlacht, ein herr¬liches Bild von Richard, dem Inbegriff eines
Kriegers im Getümmel, der über erdrücken¬den Widerstand triumphierte:
»Der König war ein Riese in der Schlacht — jetzt hier, nun
dort, wo immer die Angriffe der Türken am heftigsten tobten. Er tötete viele
mit seinem Schwert, das wie ein Blitz zuckte; manche von ihnen wurden von ihren
Helmen bis zu ihren Zäh¬nen entzwei geschlagen, während andere ihre Köpfe, Arme
und anderen Glieder verloren, die mit einem einzigen Schlag abgetrennt wurden.«
Tatsächlich war es nicht ganz so. Obwohl die Mamelucken
(Sklavenkrieger aus Ägypten) angegriffen hatten und von den Bogenschützen der
Kreuzträger vertrieben worden waren, hatte der Rest von Saladins Truppe
gemeutert. Saladin wurde erklärt, daß er, da er ihre Beute konfisziert habe —
wahrscheinlich für seine eigene Familie —, doch gehen und allei¬ne kämpfen
solle. Sie jedenfalls hätten genug.
Als Al-Adil in der Schlacht sah, daß Richards Pferd unter
ihm gefallen war, schickte er ihm zwei Ersatzpferde und bat darum, daß Richard
ihn später entschädigen möge. Ein Chronist, der bei seiner Geschichte einer
dramatischen Begegnung der beiden Helden blieb, erklärte, daß Al-Adil von
Saladin den Befehl dazu erhalten hätte, und daß die Pfer¬de ausgebildet waren
zu flüchten. Eine wahrscheinlichere Erklärung ist, daß Al-Adil mehr Nutzen als
Saladin darin sah, Richard zu helfen.
Die Energie des jihad hatte sich mit der Eroberung
Jerusalems verflüchtigt, und Sala-dins Zeit in der Geschichte war vorbei. Im
Jahre 1098 waren den Kreuzfahrern in Antio-chia Siege unter ähnlich schwierigen
Umständen gelungen, als die Türken sich geweigert hatten, für ihren Herrn zu
kämpfen. Damals war der Sieg der göttlichen Fügung zuge¬schrieben worden; nun,
beinahe hundert Jahre später, wurde er dem Helden zugesprochen. Gott wurde
nicht länger gebraucht. Die Energie des Heiligen Krieges hatte sich auf der
christlichen Seite ebenso verflüchtigt wie auf der moslemischen.
Jerusalem sollte nie wieder von Kreuzrittern erobert werden.
Die Teile des Königrei¬ches, die bestehenblieben, waren diejenigen; die den
italienischen Händlern nützten. Jeru¬salem hatte keinen Hafen.
Nach der Schlacht wurden sowohl Richard als auch Saladin
krank. Beide waren erschöpft und hatten versagt. Saladin schickte Richard
Früchte und Schnee sowie einen Arzt. Am 2. September 1192 unterschrieben sie
das Abkommen über einen dreijährigen Waffenstillstand. Die Christen durften die
Küste behalten (mußten aber das Fort in Asca-Ion aufgeben), und christliche
Pilger durften Jerusalem besuchen. Viele Ritter taten es, aber nicht Richard.
Am 9. Oktober segelte er davon.
Doch es war nicht das Ende seiner Leiden.
Richard erlitt auf dem Heimweg Schiffbruch und war
gezwungen, über Land durch das Gebiet von Leopold von Österreich zu reisen,
dessen Banner er in Akkon in den Graben geworfen hatte. Er verkleidete sich als
Tempelritter, wurde aber dennoch erkannt, als er in der Wachau in einem Gasthof
einkehrte. Leopold ließ ihn wegen Mordes an Conrad ge-fangennehmen und dann an
Kaiser Heinrich VI. übergeben, der ihn ein Jahr lang gefan-genhielt. Nach
Zahlung eines enormen Lösegeldes wurde Richard schließlich wieder freigelassen.
Saladin, der Idealchrist?
S
aladin starb vollkommen ausgelaugt fünf Monate, nachdem
Richard Akkon verlassen hatte. Für einige seiner Landsleute war er der
»Emporkömmling« geblieben; ein Mann, der eher bereit war, seine moslemischen
Landsleute zu bekämpfen als die Franken und der den Wortschatz des jihad nur
benutzte, um seinen eigenen Ehrgeiz zu befriedigen. Er brachte. Nur ed-Dins Werk
durch die Rückeroberung Jerusalems zum logischen Abschluß, wurde jedoch von
seinen Zeitgenossen dafür kritisiert, die Franken nicht rücksichtslos genug
behandelt und sie nicht endgültig aus Palästina vertrieben zu haben. Im Westen
wurde Saladin jedoch ein Idol der Ritterlichkeit. Er wurde ob seines Sinnes für
Humor gerühmt, für seine Großzügigkeit und für seinen Abscheu vor unnötigem
Blutvergießen.
Jedenfalls war er ein Mann, dessen Wort galt, wenngleich er
auch scheinheilig sein konnte. Als Amalric starb, schrieb Saladin zum Beispiel
an dessen Sohn, den unglücklichen zehnjährigen, leprakranken Balduin: »Der
König soll wissen, daß wir eine tiefe Zuneigung für ihn empfinden, genau wie
für seinen Vater... Er kann sich auf uns verlassen. « Doch seinem eigenen Neffen
gegenüber witzelte Saladin über den Namen des toten Königs, der auf arabisch
Maury lautete: » Gott soll ihn verfluchen und ihn verstoßen und ihn so bitter
(murr) bestrafen, wie es sein Name sagt«.
Saladins Großzügigkeit ist unbestreitbar. Sie brachte seine
Schatzmeister oft zur Ver-zweiflung. »Er war arm genauso großzügig wie reich«,
erinnerte sich ein Mitglied seines Hofes, »und seine Schatzmeister hielten
gewisse Reserven vor ihm versteckt, aus Angst, daß eine finanzielle Notlage
eintreten könne. « Als der Herrscher über so viele Länder starb, war seine
Schatzkiste praktisch leer, bis auf siebenundvierzig Silberdrachmen und ein
Goldstück.
Saladin war großzügig — bis zur Übertreibung —, aber seine
Großzügigkeit war Teil sei¬ner politischen Methode. Und während selbst seine
Feinde diese Art außerordentlich anziehend fanden, merkten die klügeren nach
den Worten von William von Tyros, daß sol¬che Großzügigkeit eigentlich eine von
Saladins Hauptwaffen darstellte: »Er war ein Mann weise im Rat, kühn im Krieg
und über alle Maßen großzügig... genau aus diesem Grund mißtrauten ihm die
Adligen, die vorausschauender waren... es gibt keine bessere Metho¬de, mit der
Prinzen die Herzen ihrer Untertanen gewinnen können... als sich ihnen gegenüber
großzügig zu zeigen. «
Saladin schätzte Geld mit Sicherheit nicht als solches, aber
er brauchte es, und zwar in großer Menge. Seine Macht basierte auf Stärke — auf
seiner Armee —, und ohne Geld konn¬te er nichts ausrichten. Er verbrachte
fünfmal so viel Zeit mit seinem Militär wie mit irgend etwas anderem. Das war
das Problem eines »Emporkömmlings«. Er war in einem Kreis der Eroberung und
Expansion gefangen. Er benutzte den Reichtum Ägyptens, um Damaskus zu erobern,
er benutzte den Reichtum von Damaskus, um Aleppo zu erobern, er benutzte den
Reichtum Aleppos, um die Küste zu erobern — doch, wie der Chronist al-Fadil
bemerkte, kamen in einem solchen System »die Hoffnungen auf Expansion niemals
zu einem Ende. «
Saladins Menschlichkeit ist vielleicht sein bestechendstes
Charaktermerkmal. Seine humane Behandlung der Zivilisten nach der Eroberung
Jerusalems ist bemerkenswert, und doch wäre es ein Fehler, ihn im modernen
Sinne als Humanisten zu sehen. Daß er in Mos-sul und Aleppo ein sinnloses
Blutvergießen vermied, hatte nur politische Gründe: Er woll¬te die Menschen,
die er retten sollte, nicht befremden, und er brauchte auch die Arbeits¬kraft,
die sie zu bieten hatten.
Zu anderen Gelegenheiten, etwa beim Massaker des Schwarzen
Regiments in Kairo, oder als er fatimidische und schiitische Rebellen
kreuzigte, handelte er mit all der Bruta¬lität, die von einem Herrscher seiner
Zeit erwartet wurde. Am irritierendsten war vielleicht seine Gepflogenheit, aus
der Hinrichtung von Gefangenen ein amüsantes Spektakel zu machen. Bei mehr als
einer Gelegenheit befahl er, daß eine Gruppe von Gefangenen durch »Männer der
Frömmigkeit« getötet werden solle. Wahrscheinlich war die Angst derer, die
sterben sollten, ebenso groß, wie die Angst der »Männer der Frömmigkeit«, die
das Töten übernehmen sollten. Dies — zusammen mit der Unerfahrenheit der Sufis
beim Führen eines Schwertes sowie die unnötigen Leiden der Opfer, wenn die
ungeübten Henker herum¬pfuschten — muß für die abgestumpften soldatischen
Zuschauer eine rasend komische Unterhaltung gewesen sein.
Saladins Biograph Imad ed-Din erinnert sich, wie er selbst
einmal zu einer solchen Begebenheit befohlen wurde. Zu seinem Entsetzen stellte
er fest, daß der Gefangene, den er töten sollte, ein Junge war. Dies war
wahrscheinlich für Saladin und seine »rauhen Kumpane« ein doppelt guter Witz,
da Imad ed-Din allgemein als homosexuell beschrieben wird. Jedenfalls weigerte
er sich, die Hinrichtung durchzuführen und fragte statt dessen, ob er den
Jungen als Sklaven behalten dürfe. Doch er machte deutlich, daß er dies nicht
aus Mitgefühl tat, sondern um sich nicht lächerlich zu machen: »Ich wandte mich
von die¬ser Tat ab, damit die Gesellschaft nicht über mich lachte wie über die
anderen.«
Saladin bleibt ein Geheimnis, eine anziehende und doch
zwiespältige Person. Sogar sein Mausoleum in Damaskus enthält nicht ein Grab,
sondern deren zwei: ein einfaches aus Holz, das von seinen Landsleuten kurz
nach seinem Tod errichtet wurde, und ein pracht¬volles aus Marmor, das vom
deutschen Kaiser im letzten Jahrhundert errichtet wurde, um damit Saladin als
den großen romantischen Helden, den der Westen in ihm sah, zu ehren.
In vielerlei Hinsicht ist er eher ein Held des Westens als
des Ostens.
Saladins Tod war der Tod seines Reiches. Sein Bruder Al-Adil
brauchte zehn Jahre, um die Teile wieder zu vereinigen. In der Zwischenzeit
hatte die Logik, die Richard bewegt hatte, Jerusalem nicht anzugreifen, ihre
Überzeugungskraft verloren. Wäre er noch sechs Monate länger geblieben, bis
nach Saladins Tod und nach der Auflösung seiner Armee, so hätte Richard der
Eroberer der Heiligen Stadt werden können. Richard selbst starb 1199 an einer
entzündeten Pfeilwunde, die ihm zugefügt worden war, als er unvorsichtig die
Verteidigungsanlagen einer kleinen Burg untersuchte, die er anzugreifen gedachte.
Doch es gab andere, die sich für Jerusalem zu interessieren begannen.
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