Mittwoch, 12. August 2015

Kreuzzüge – Die Helfer


Kreuzzüge – Die Helfer

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/GFPwb8cWB8A

Saladin hatte Grund anzunehmen, daß diese Kleinigkeiten ziemlich leicht im Griff zu behalten sein müßten. Er stellte sich vor, daß sein nächster Schritt wahrscheinlich die Eroberung Europas sein werde. Saladin hatte jedoch die Rech¬nung ohne die Macht des Unternehmungsgeistes gemacht. Der Beweggrund des Profits sollte erreichen, was der religiöse Glaube nicht vermochte.

Das Geschäft mit dem Kreuzzug

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kkon war zu Geld geworden, besonders für die aristokratischen Händler aus Vene¬dig, Pisa und Genua. Diese drei Städte rangen heftig um den Mittelmeerhandel und versuchten, in allen Häfen Monopolrechte zu erlangen.

Zur Zeit des Ersten Kreuzzuges besaß Venedig die Oberhand und hatte ziemlich von oben herab eine Beteiligung abgelehnt; die Sache schien nicht besonders gewinnbringend zu sein. Die Genuesen jedoch hatten bei der Belagerung von Antiochia Nahrung und Aus¬rüstung geliefert, und sobald die Stadt besiegt war, erhielten sie dort ihren eigenen Markt. Plötzlich wurde das Geld, das in so einem Kreuzzug steckte, offensichtlich. Die Pisaner schickten schnell eigene Schiffe zu Hilfe. Die Venezianer sandten schließlich eine riesige Kreuzzugsflotte hinaus, die sofort in den Krieg zog — um die Flotte Pisas zu versenken und viertausend Gefangene zu nehmen. Sobald die Arbeit erledigt war, kehrte sie nach Hause zurück. Bis zu Saladins Sieg waren diese drei italienischen Städte weitgehend abhängig von ihren Übersee-Einkünften. Sie hatten ihre eigenen Viertel in den Haupthäfen, dazu das Recht auf ihre eigenen Märkte und die Benutzung ihrer eigenen Gewichte und Maße, und sie hatten das Transportwesen zwischen den Ländern der Christenheit und Syrien voll¬ständig unter Kontrolle.

Conrad wußte, wie wichtig dies alles für die italienischen Handelsländer war und wie dringend sie wieder Zugang zu Akkon haben wollten, das zum Zentrum des Orienthan¬dels geworden war. Conrad schlug als Ritter gänzlich aus der Art — er verstand etwas von Geschäften. Er zweifelte nicht daran, daß die italienischen Händler ihm helfen würden.

Pisa und Genua waren gerade im Krieg miteinander, als Jerusalem fiel, doch sie waren sich darin einig, daß dies ein Notfall war, der einen Waffenstillstand erforderlich machte — besonders als deutlich wurde, daß die Sizilianer Schiffe schickten, um Conrad zu helfen, und daß sie den Lohn dafür kassieren könnten. Conrad hielt Tyros weiterhin mit Hilfe von nur zweihundert Rittern sowie der sizilianischen Flotte. Saladin jedoch hatte gemerkt, daß er da eine harte Nuß zu knacken hatte, und beschloß, sich die den Europäer eigene Bega¬bung für interne Querelen zunutze zu machen. Um die Dinge voranzutreiben, gestattete er den meisten Franken, die sich ihm ergaben, nach Tyros oder Tripolis zu gehen.

Sogar König Guy wurde auf sein Versprechen hin freigelassen, nach Hause zu gehen und niemals wieder die Waffe gegen Saladin zu erheben. Guy muß sich von diesem Schwur sofort durch einen Kirchenmann befreien haben lassen. Saladin konnte gar nichts anderes erwartet haben, und die Kabbelei begann. Guy nahm seine Gefolgsleute aus Tripolis mit und marschierte nach Tyros — wo ihn Conrad, der die Macht nicht abgeben wollte, nicht hineinließ.

So weit, so gut — aus Saladins Sicht.

Eine Flotte aus Pisa traf Anfang 1189 in Tyros ein, und da die Pisaner von Conrad nicht das bekamen, was sie wollten, schlossen sie einen Handel mit Guy ab. Sie unterstützten ihn bei seinem Marsch gen Akkon und statteten ihn mit einer kleinen Armee aus, um es zu belagern. Bald boten Guy und Conrad, die um ihre Unterstützung wetteiferten, den Pisanern und Genuesen immer größere Schätze des Königreiches an, — und die Belagerung Akkons wurde knifflig. Saladin belagerte die Belagerer, konnte sie aber nicht vom Fleck bewegen. Und eine neue Streitmacht kam von Westen, angeführt von den größten Helden ihrer Zeit.

 

Die Armeen gegen Saladin

Europa hatte sich seit den Tagen des Ersten Kreuzzuges sehr verändert. Das Leben war allgemein geordneter und stabiler geworden; der Handel hatte sehr zugenommen, Straßen wurden gebaut, große Messen und Märkte in Frankreich und Flandern ermög-lichten einen sich ständig ausweitenden Handel, vor allem mit Stoffen. Das Zeitalter der ländlichen Straßenräuber neigte sich dem Ende zu; die Messen der Champagne, die Bekleidungsfertigung in Frankreich und Brügge, der englische Wollhandel und die deutsche Hanse wurden zu bedeutend, um damit herumzutändeln. Die neue Klasse wohlhabender Händler war immer bereit, eine Ordnungsmacht zu unterstützen, die einen sicheren, gesetzlich festgeschriebenen Rahmen für ein friedliches Geschäftsleben ermöglichte.

England war, nachdem es von den Normannen vollständig erobert worden war, am schnellsten stabil. Heinrich II., der König von England war, als Jerusalem fiel, regierte einen hochorganisierten Staat — nach den damaligen Maßstäben. Es war ein Zeichen der Bedeutung des Hofes bei der Regierung, seines Reiches, daß die Engländer Opfer der höch¬sten Steuern Europas waren.

Frankreich war zersplitterter: Das gesamte westliche Frankreich, darunter Rouen und Tours, gehörten Heinrich von England, der Großteil des Südens Heinrichs Frau Eleonore von Aquitanien, und alles östlich von Lyon gehörte dem Heiligen Römischen Reich. Doch der junge König Phillip August verfügte über große Reichtümer aus der Champagne, West¬flandern, Paris und Burgund, und er hatte sich zum Ziel gesetzt, ein neuer Karl der Große zu werden. Der Heilige Römische Kaiser, Friedrich Barbarossa, war stolz darauf, ein alter Karl der Große zu sein und vom ursprünglichen Geschlecht abzustammen. Als König von Deutschland herrschte er über ein Gebiet, das sich von Brüssel nach Brandenburg und von Dänemark bis nach Tirol erstreckte. Die Kaiserkrone gab ihm die Herrschaft über Böh¬men, Schlesien und Norditalien. Obwohl die italienischen Städte heftig ihr Recht auf Selbstverwaltung verteidigten, ermöglichte ihm der Handel dieser Städte einen Reichtum, der dem von Heinrich II. glich.

Und nun wandten diese drei mächtigen Herrscher, Heinrich, Phillip und Friedrich ihr Augenmerk auf Saladin und kündigten an, daß sie ihn zu vernichten gedachten.

Das neue Ziel des Kreuzzuges

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s war für einen europäischen König nicht leicht, auf einen Kreuzzug zu gehen — tatsächlich war es sogar ziemlich lästig, kostete reichlich Zeit und eine atemberau¬bende Summe Geld. Es bedeutete auch, das eigene Königreich zu verlassen, und dies in einer Zeit, in der Herrschaft eine sehr persönliche Angelegenheit war. Es mußte schon einen guten Grund geben, um sich solchen Ärger aus freien Stücken aufzuladen. Dieser Grund war offenbar nicht ein direkter finanzieller Gewinn — jede Beute würde von den Kosten der eigenen Streitmacht mehr als aufgebraucht werden —, und es konnte sich auchkein europäischer Führer als von Saladin unmittelbar bedroht betrachten. Noch war es eine Sache persönlicher religiöser Überzeugung. Obwohl alle drei Herrscher ihre religiö¬sen Momente hatten, prägten diese sicherlich nicht ihr politisches Leben.

Es hatte fünfzig Jahre lang nur wenig Begeisterung für einen Kreuzzug gegeben, seit dem schrecklichen Durcheinander des Zweiten Kreuzzuges. Doch der Fall Jerusalems erschütterte Europa. Papst Urban III. war so entsetzt, daß sein Herz zu schlagen aufhörte. Sein Nachfolger, Gregor VIII., veröffentlichte einen Aufruf, der mit den Worten begann: »Wir und unsere Brüder waren verwirrt und von solch tiefem Schrecken und Jammer ergriffen, daß nicht klar war, was wir tun sollten. « Doch einige wußten genau, was zu tun war. Freiwillige kamen schiffladungsweise nach Tyros und Tripolis: Ritter aus Flandern, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Dänemark — sogar eine Flotte Londoner —, und alle füg¬ten sich in das allgemein herrschende Gefühl ein, welches durch unzählige Gedichte und Lieder bestärkt wurde, die den Verlust des Heiligen Landes beklagten.

Sogar der arabische Chronist Ibn al-Athir, der siebenundzwanzig Jahre alt war, als Saladin Jerusalem einnahm, war von der Wucht dieser Gefühle überwältigt: »Ein fränki¬scher Gefangener erzählte mir, daß er der einzige Sohn seiner Mutter sei und daß ihr Haus ihr einziger Besitz gewesen, doch daß sie es verkauft und das Geld dazu verwendet habe, ihn auszustatten, damit er nach Jerusalem gehen und es befreien könne. Dort war er gefan-gengenommen worden. Solcher Art waren die religiösen und persönlichen Motive, die die Franken antrieben. «

Die öffentliche Meinung verlangte, daß die Könige von England und Frankreich auf¬hörten, einander zu bekämpfen, und daß sie Jerusalem befreien sollten. Der Druck war so stark, daß sie ihm nachgeben mußten. Heinrich und Phillip trafen sich, willigten ein, gemeinsam das Kreuz zu nehmen und detaillierte Regeln für ihren Kreuzzug aufzustellen. Man hielt Saladins Erfolg allgemein für eine göttliche Strafe, weshalb dies eine untadelige Unternehmung werden mußte. Flüche, Spiele oder Frauen waren nicht gestattet — »außer vielleicht eine Wäscherin zu Fuß, um über jeden Verdacht erhaben zu sein« —, jeder sollte sich ordentlich und einfach kleiden und nur zwei Mahlzeiten pro Tag einnehmen. Die Franzosen sollten rote Kreuze tragen und die Engländer weiße. Sie setzten auch eine neue Steuer fest, den »Saladin-Zehnten«, der für den Feldzug geleistet werden sollte. Doch schon bald stritten sie sich wieder, und Heinrichs Sohn Richard kämpfte mit Phillip gegen den eigenen Vater.

Friedrich Barbarossas Kreuzzug

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nterdessen hatte sich der Heilige Römische Kaiser, Friedrich Barbarossa, am 11. Mai 1189 bereits in Richtung Heiliges Land aufgemacht. Er war sechzig Jahre alt, und dies sollte die Krönung seiner großen Karriere werden. »Keiner in ganz Deutschland... wurde für männlich und zuverlässig gehalten, der ohne das Rettungszeichen gesehen wurde und der sich nicht der Gemeinschaft der Kreuzritter anschloß. «

Es war mit Sicherheit eine der größten Kreuzzugsarmeen, die Europa je verlassen hatte. Es war auch die am besten ausgestattete und die disziplinierteste und die am besten orga¬nisierte. Sie muß als unverwundbar erschienen sein. Saladin veranlaßte sie zu fieberhafter Diplomatie, mit der er versuchte, ein umfassendes islamisches Bündnis zusammenzuflicken, um dieser Bedrohung zu begegnen. Friedrichs Armee war so groß, daß es nicht genügend Schiffe gab, um sie zu transportieren, und sie mußte über Land marschieren, und zwar eine Route entlang, die keine Armee seit dem ersten Kreuzzug erfolgreich bewältigt hatte.

Seine Armee war dem byzantinischen Kaiserreich nicht willkommen und hatte eine schwere Zeit. Sie überquerte im März die Dardanellen in Richtung Asien (wobei sie Kon¬stantinopel umging) und fügte den armenischen Türken eine Reihe ernsthafter Niederla¬gen zu — doch sie litt schrecklich unter Durst, Hunger und Hinterhalten. Die Soldaten waren verzweifelt und kauten auf der Suche nach Feuchtigkeit sogar Pferdeäpfel. Die Männer wurden auf dem Marsch so schwach, daß sie sich einfach zum Sterben hinlegten, und viele gingen von den Fahnen. Die Überlebenden gelangten zum Taurusgebirge und überquerten einen Paß, der sie in das Tal des Gösku führte — einen schnell fließenden Fluß, der sich durch Schluchten windet, welche sich hie und da zu bewaldeten Wiesen öffnen. In der glühenden Julihitze konnte Barbarossa nicht widerstehen, in das kalte, erfrischende Wasser zu springen. Zum ungläubigen Erstaunen seiner Truppen ertrank er.

Das war's dann auch. Friedrichs Kreuzzug endete so am 10. Juni 1190. Mehr als die Hälfte seiner Armee war bereits bei der Anreise dahingeschwunden. Einige der Überle¬benden nahmen einfach das nächste Schiff zurück nach Europa. Friedrichs Sohn tat, was er konnte, um den Rest des Feldzuges zusammenzuhalten, aber es hatte keinen Zweck. Er fischte sogar die Leiche seines Vaters aus dem Wasser und ließ ihn in Essig einlegen und ihn dann in einem Faß transportieren, damit wenigstens der Schwur des alten Mannes erfüllt wurde und er Jerusalem erreichte. Doch in Antiochia, wo sie unter einer schreckli¬chen Epidemie litten, erkannten die Kreuzritter, daß der Essig nichts genützt hatte und der Leichnam verweste. Er mußte schnell verbrannt werden.

Im Oktober kam der klägliche Rest von Friedrichs großer Armee in Akkon an, um die Belagerung zu unterstützen. Die ganze moslemische Welt atmete erleichtert auf. » Und so ersparte uns Gott die Bösartigkeit der Deutschen.«

Richard Löwenherz

K

önig Heinrich von England war ebenfalls tot. Er war während des Kampfes gegen Phillip von Frankreich erkrankt. Sein Sohn Richard wurde König von England, während Friedrich und seine mächtige Armee nach Osten zogen. Richard war von König Ludwig von Frankreich zum Ritter geschlagen worden. Als Ludwig starb und Phillip 1180 König von Frankreich wurde, hatte dieser Richard ermutigt, den Familienzwist fortzu¬führen. Auf diese Weise rechnete er sich die beste Chance aus, Heinrichs Reich in Frank¬reich zu zerstören. Richard hatte nur so kurz wie möglich in England gelebt. Er haßte das Land, das er naß und langweilig fand, das eine fremde Sprache sprach — Englisch; seine Sprache war natürlich Französisch — und nichts zu bieten hatte, wenn man nicht die Gesellschaft von Schafen besonders schätzte. Abgesehen von Geld. Also besser, man nahm das Geld und machte sich davon. Mit seinen eigenen Worten: »Ich würde London ver¬kaufen, wenn ich einen Käufer fände. «

Sein Vater hatte sogar Turniere verboten, weil sie die öffentliche Ruhe störten. England war ein totes Nest. Es gab nicht einmal jemanden, gegen den man kämpfen konnte.

Nun hatte Richard noch einen Grund mehr, England zu hassen. Während seiner Krö¬nung brachen in London die üblichen Pro-Kreuzzug-Anti-Juden-Tumulte aus, verbreiteten sich wie eine Seuche und gipfelten schließlich im März 1190 in York in einem entsetzli¬chen Massaker. Dabei standen Juden unter dem besonderen Schutz des Königs. Und zwar deshalb, weil sie für ihn eine wichtige Geldquelle waren. Die Engländer waren ebenso dumm wie langweilig. Richard war wütend.

Phillip und Richard mußten zusammen zum Kreuzzug antreten — nicht weil sie so gute Freunde, sondern weil sie nun Feinde waren. Solange der König von England halb Frank¬reich regierte, mußten sie Feinde sein. Wäre nur einer gegangen, hätte der andere sofort angegriffen. Richard war der Inbegriff eines romantischen Kriegers: groß, kräftig, gutaus¬sehend, mit flammend rotem Haar und den anmutigen Manieren, die er am Hofe seiner Mutter gelernt hatte. Phillip dagegen war schlicht, wenig gebildet, nicht gerade wild auf körperliche Risiken, und sein Anblick war nach dem Verlust eines Auges entstellt. Phillip war kein Held, doch die öffentliche Meinung zwang ihn, am Kreuzzug teilzunehmen.

Einen Monat nach Friedrichs Tod — ein Jahr nach seiner eigenen Thronbesteigung — traf Richard Phillip in V6zelay. Ihre Armeen wurden zusammengeführt. Sie waren bereit, das Heilige Land zu befreien. Ihr Plan sah vor, über Sizilien zu reisen. Es war ein Plan, dem König William II. von Sizilien zugestimmt hatte. Er war mit Richards Schwester Joan ver-heiratet und hatte vorgehabt, selbst am Kreuzzug teilzunehmen. Doch auch er war gestor¬ben, vier Monate nach Heinrich. Sizilien wurde nun von Williams illegitimem Cousin regiert, der den berühmten Namen Tankred trug. Tankred hatte Joan eingesperrt, ihre Mitgift genommen und ebenso einen großen Betrag, der an Richard hätte gehen sollen. Er freute sich bestimmt nicht auf Richards Besuch. Phillip ließ seine Armee nach Genua mar¬schieren, wo Schiffe für sie bereitlagen. Richard führte seine Streitmacht nach Marseille, wo sie von einer englischen Flotte aufgenommen werden sollte. Die Flotte verspätete sich, und er ließ seine Armee darauf warten, während er selbst die Küste Italiens hinunterreiste. Er verbrachte fünf Tage in Salerno und besuchte die große medizinische Schule. Von dort zog er nach Süden, um sich nach Sizilien einzuschiffen.

Kurz vor der Überfahrt beschlagnahmte er einen Falken von einem Bauern. Falken dien¬ten der Jagd, und die Jagd war etwas für die Adligen, nicht für Bauern. Es war eine gefähr¬liche Überheblichkeit: Da er nur einen einzigen Begleiter hatte, fand er sich schon bald inmitten eines wütenden Mobs wieder. In der Hitze des Gefechts schlug er einen Mann mit der flachen Seite seines Schwertes. Das Schwert zerbrach. Richard mußte sich seinen Weg bahnen, indem er alles, was ihm unter die Hände kam, auf seine Verfolger warf.

Die Kreuzritter in Sizilien

Süditalien war Schnittpunkt östlicher und westlicher Kultur; das medizinische Zentrum in Salerno soll von einem Lateiner, einem Griechen, einem Juden und einem Araber gegründet worden sein, und das Wissen aller vier Kulturen war dort in der Tat vorhanden. In Sizilien veröffentlichten die normannischen Herrscher ihre Erlasse auf lateinisch, grie¬chisch und arabisch. 1186 war der moslemische Reisende Ibn Jubayr, der Sizilien besuch¬te, vom orientalischen Gepräge der Insel erstaunt: Der König hielt schwarze Sklaven, und seine Kammerherren waren Eunuchen.

SCHWERTER UND DAMASZENERSTAHL

Schwerter waren die wichtigste Waffe der Kreuzfahrer, und so mag es überraschen, daß ein königliches Schwert im entscheidenden Moment in zwei Teile zerspringen kann. Es war spröde, denn die Waffenschmiede in Europa stellten nicht mehr die hochwertigen Schwerter her, die ihren Vorfahren den Ruf von Zauberern eingetragen hatten. Deren Schwerter waren aus unzählige Male gefalteten Strängen unreinen Eisens hergestellt worden: erhitzt, gehämmert und geflochten, bis sich die Eisen-moleküle zu Stahl verbunden hatten. Die Qualität des Stahls hing von den beige-mischten Verunreinigungen ab, und jeder Schmied hatte sein eigenes Verfahren. Das Ergebnis war hart, scharf und elastisch — doch völlig unbrauchbar zum Zerteilen einer Rüstung.

Rüstungen aber waren zu Richards Zeiten groß in Mode gekommen. Zu dem alten Kettenhemd hatten sich metallene Bein- und Armschienen, Panzerhandschuhe und schließlich ein metallener Helm gesellt. Selbst die Pferde trugen einen Panzer. Man konnte daher keine elastische Klinge mehr gebrauchen, die am besten zum Durchtrennen geeignet war. Nun wurde eine unelastische, spitze Metallstange zum Durchstoßen des Panzers gebraucht. Ein Schwert, das sich bog, konnte das nicht. Der Nachteil der neuen Schwerter war, wie Richard herausfand, daß sie sich nicht zum Fechten oder Dreinschlagen eigneten. Versuchte man es trotzdem, zersprangen sie.

Die alte Kunst der Waffenschmiede lebte im Osten weiter, wo kaum Rüstungen getragen wurden. Aus vielfach geflochtenem Metall wurden Schwerter mit wunderbar schimmernden Oberfläche, auf der bis zu einer Million hauchdünner Metallschichten glänzten. Händler, die ihre Ware über Damaskus vertrieben, kauften diese Schwerter, und so kam es zu dem Namen »Damaszenerstahl«. Er war überaus scharf und seine Beschaffenheit bewirkte, daß eine neue Kante entstand, sooft ein Stück Stahl — etwa bei einem Hieb — abbrach: Das islamische Schwert schärfte sich selbst. So erzählt eine Geschichte zweifelhafter Herkunft von Richard, der sein hartes Schwert mit viel Kraft durch eine Tischplatte schlagen konnte, während Saladin die Qualität der islamischen Klinge dadurch bewies, daß er damit ein schwebendes Seidentuch zerteilte.

Für Richards Armee, die vor Messina lag, war es schwer, mit der Situation klarzu¬kommen. Die Männer waren immerhin unterwegs, um gegen die Sarazenen zu kämpfen, und nun waren rings um sie herum Sarazenen. Zudem war die Insel voller Griechen, und sie haßten Griechen. Das Verhältnis zwischen den Besuchern und den Einheimischen erreichte bald den Siedepunkt. Ein anglo-normannischer Kreuzritter, Ambroise, schrieb einen Bericht über seine Erfahrungen in Versform:

»Denn der Pöbel und der Abschaum der Stadt, einige davon waren griechische Bastarde und einige Sarazenen,

Die Einheimischen wagten es sogar, die Kreuzritter beim Einkaufen zu übervorteilen. Bald entwickelte sich ein bewaffneter Streit zwischen den Soldaten und den Bewohnern der Stadt; Richard legte ihn bei, indem er die Stadt angriff und sie plünderte. Woraufhin Tank-red Joan freiließ, ihre Mitgift auszahlte und Richard für seinen Teil des Erbes entschädigte.

Die Kreuzritter überwinterten in Sizilien, was ihnen ausreichend Zeit gab, sich über kleine und große Angelegenheiten zu streiten. Eine der kleinen war ein Zwist wegen Wil-liam de Barr, einem französischen Ritter, der Richard in einem spontanen Duell mit Stöcken angriff. Richard war so wütend darüber, lächerlich gemacht worden zu sein, daß er darauf bestand, daß William den Kreuzzug verließ. Es bedurfte der gemeinschaftlichen Diplomatie der gesamten Führerschaft, der Kirche und des Adels, um Richard wieder zu beruhigen. Eine der großen Angelegenheiten war, daß Richard mit Phillips Schwester Alice verlobt war, seine Mutter und er aber organisiert hatten, daß er Berengaria, die Tochter des Königs von Navarra, heiraten und auf diese Weise die Grenze zwischen Spanien und Aquitanien stabilisieren würde. Richard erklärte Phillip taktvoll, daß man nicht wirklich von ihm erwarten könne, Alice zu heiraten, da sie als Kind an den englischen Hof geschickt worden sei, wo sein Vater Heinrich mit ihr geschlafen habe. Das Klima zwischen den beiden Königen wurde noch eisiger.

Phillip segelte am 30. März 1191 mit seiner Armee los; einige Stunden, ehe Eleonore mit Berengaria ankam. Er reiste nach Tyros und von dort mit Conrad nach Akkon. Phillip orga-nisierte die Belagerung neu und bereitete die Belagerer auf den letzten Schlag vor. Doch er mußte auf Richard warten, der losgezogen war, um seine zukünftige Frau und seine Mutter wiederzufinden. Sie waren in einen Sturm geraten und an der Südküste Zyperns gestrandet.

Richards ideale Flitterwochen

7 d ypern befand sich in den Händen eines bizarren Trickbetrügers namens Isaak Ducas

             Comnenus. Isaak war ein Mitglied der byzantinischen Kaiserfamilie und war Statt-

halter von Sizilien gewesen, als er 1182 eine Revolte gegen einen neuen Kaiser angezettelthatte. Er war schließlich Gefangener des türkischen Herrschers von Armenien geworden. Irgendwie hatte er die Templer davon überzeugt, daß sie, wenn sie ihn freikaufen, ihr Geld mit hohen Zinsen wiederbekommen würden — alles, was er tun müsse, sei, es von seinen Freunden in Zypern zu holen. Die Templer hatten nicht den Ruf, leichtgläubig zu sein, doch sie fielen auf die Geschichte herein.

Isaak kreuzte dann mit einem eindrucksvollen Gefolge (und mit besten Empfehlungen seines Schwagers, eines sizilianischen Admirals) in Zypern auf und brachte Dokumente bei, die ihn als den neuen von Konstantinopel abgesandten Statthalter auswiesen. Der ver¬blüffte Statthalter von Zypern übergab ihm die Insel, und Isaak übernahm die Kontrolle über die Festungen. Dann gab er bekannt, daß er Kaiser genannt zu werden gedachte. Er regierte Zypern als Tyrann und schloß einen Waffenstillstand mit Saladin. Die Templer sahen ihr Geld natürlich nie.

Isaak muß der Ankunft der Franken an seiner Küste ungefähr ebenso freudig entge-gengesehen haben wie ein Mann, der einem Gangsterboß Geld gestohlen hat, dem Her¬annahen von Autos mit dunkel getönten Scheiben. Erschrocken ließ er diejenigen, die an Land kamen, einsperren, verweigerte Joans Schiff Trinkwasser und begann, seine Vertei¬digungsanlagen zu verstärken.

Richard kam seekrank, schlecht gelaunt und verärgert über die Behandlung der Frau¬en an Land. Er griff Limassol an. Isaak zog sich zurück, und die Einwohner der Stadt hießen Richard als ihren Befreier willkommen. Isaak ließ sich dann freies Geleit zusichern, kam zu Richard und willigte ein, seine Gefangenen freizulassen, Entschädigung für die Waren zu zahlen, die er aus Schiffswracken gestohlen hatte und überhaupt sehr hilfsbereit zu sein. Er war vermutlich höchst angetan davon, daß niemand die Tempelritter erwähn¬te oder das Geld, das er diesen schuldete.

Dann beging Isaak den Fehler, sich in Sicherheit zu wiegen, und als er in seine Festung im Norden der Insel zurückgekehrt war, forderte er Richard auf zu gehen. Am selben Tag liefen jedoch unglücklicherweise König Guy und seine Kampfgefährten bei der Belagerung von Akkon in Limassol ein, um nachzuforschen, was mit Richard passiert war. Mit ihnen kam zufällig eine größere Anzahl führender Mitglieder der Templer. Nemesis war zu Isaak gekommen. Es war nicht schwer, Richard dazu zu bewegen, vor seiner Abreise mal eben schnell Zypern zu erobern.

Er heiratete Berengaria am 12. Mai, einen Tag nach Guys Ankunft. Dann verbrachte er mit ihr die in der mittelalterlichen Vorstellung eines Prinzen wahrscheinlich idealen Flit¬terwochen: zwei Wochen Plündern und Erobern. Am Ende gehörte Zypern ihm. Von nun an hing das kränkelnde Königreich Jerusalem nur noch am seidenen Faden





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