Kreuzzüge – Mongolen und Mamelucken
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/TXf2WRP4kCc
MONGOLEN UND MAMELUCKEN
D
ie Schwäche der Ayubid-Brüder und ihre konsequente
Bereitschaft, Jerusalem kampflos aufzugeben, war nicht einfach eine Folge der
üblichen Bruderkämpfe. Aus den asiatischen Steppen kamen neue Eindringlinge,
die die islamische Welt bedrängten. Der Zerfall des seldschukischen Reiches,
der dem Ersten Kreuzzug eine Tür in den Osten geöffnet hatte, öffnete nun den
Menschen der Steppen die Tür zum Westen. Anders als die Seldschuken, die den
Islam bei ihrem Zug nach Westen übernommen hatten, waren diese ziehenden
Menschen keine Moslems. Es waren Heiden und nomadisierende Buddhisten, die
seltsamerweise von Christen begleitet und unterstützt wurden.
Die Gefolgsleute eines »ketzerischen« Patriarchen von
Konstantinopel aus dem fünf¬ten Jahrhundert namens Nestorius, der aus dem
Römischen Reich verjagt worden war, hatten ihre Hochburgen in Mesopotamien
aufgebaut und Missionsarbeit in Indien, Tur-kestan und China geleistet. Sie
glaubten, daß Jesus ein göttlich inspirierter Lehrer war und eben eher ein
Mensch als ein Gott. In den dreißiger Jahren des zwölften Jahrhunderts kamen
Mongolen, die Kara Kitai, aus der Mandschurei, mit einer Streitmacht, die auch
aus nestorianischen Christen bestand, nach Westen in das Gebiet des Taschketen
und Samarkander. Malik Shahs Sohn Sanjar, der der oberste Seldschuken-Sultan
war, versuch¬te, sie aufzuhalten, doch seine Armee wurde 1141 zerschlagen.
Die Nachricht von dieser Invasion bestürzte Europa,
insbesondere da sie praktisch gleichzeitig mit der Nachricht vom Fall Edessas
eintraf. Der Anführer der Kara Kitai wurde Gur-Khan genannt, gesprochen
Jur-chan, was leicht zu »Johann« wurde. Es ent¬stand eine Geschichte, daß ein
orientalischer christlicher Herrscher namens Priester Johann die Macht habe,
den Christen in Palästina zu Hilfe zu kommen.
Der Gur-Khan erfüllte ihre Hoffnungen nicht. Statt dessen
entwickelte sich in Persien ein neuer Aufstand. Die türkischen Chorasanen,
moslemische Bauern einer entlegenen Gegend südlich des Aralsees, wurden
abgeschnitten und von Chaos umringt. Ihre Shahs reagierten, indem sie eine
mächtige Armee aus heidnischen Türken von den Steppen bil¬deten. Da ihre
einzige Lebensgrundlage die Eroberung war, begannen diese Krieger, in Richtung
Zentralpersien vorzudringen. Sultan Sanjar versuchte sie aufzuhalten, wurde
jedoch 1153 gefangengenommen. Nach Sanjars Gefangennahme und baldigem Tod war
deutlich, daß sich das Reich der Seldschuken niemals von dieser Niederlage
erholen würde. In diesem größeren Zusammenhang hatte Nur ed-Din einen neuen
syrisch-ägypti¬schen Staat gegründet, und Saladin hatte seine kurdische Rolle
darin gefestigt.
Der Shah der Chorasanen bildete nun die Barriere zwischen
den Steppen und dem Mit-telmeer — jedoch ein nur sehr schwacher Schild. Seine
zum Großteil heidnische Armee besetzte Zentralpersien und lebte von Räuberei, und
auch roheste körperliche Gewalt war ihr nicht fremd, was sie bei den Persern
nicht gerade beliebt machte. Diejenigen, die unter der Herrschaft der
Chorasanen lebten, sehnten sich nach einem Befreier und fanden ihn in der
nächsten Macht, die aus den Steppen heranzog. Sie hießen die ankommenden Horden
des Dschingis Khan willkommen.
Die goldene Horde
A
nders als die vorigen Horden bildeten Dschingis Khans
Mongolen eine disziplinierte Einheit unter der Leitung eines einzigen
Alleinherrschers nomadischer Herkunft. Er hatte aus der Reiterei der Steppe
eine Armee gemacht, deren Kombination aus Geschwin¬digkeit, Disziplin und
Anzahl bis dahin unbekannt und offenbar nicht aufzuhalten war. Denjenigen, die
Widerstand zu leisten versuchten, gewährten sie keinerlei Gnade. Sie waren
ständig in Bewegung, besaßen schier grenzenlose Ausdauer und verwendeten
riesige Bogen mit hohlköpfigen Pfeilen, die im Flug heulten und Angst und
Schrecken verbreiteten.
Als die mongolische Armee nach Westen vordrang, wurde das
Reich des Chorasanen-Shahs zerstört. Bokhara wurde niedergebrannt, Samarkand
entvölkert. Große Städte ver¬schwanden einfach. Verzweifelte chorasanische
Banden flohen zu Tausenden nach Syrien, plünderten, brandschatzten und boten
ihre Dienste jedem Emir an, der ihnen Beute ver¬sprechen konnte.
1240 willigte der ägyptische Sultan, der christliche
Verbündete brauchte, ein, alle Län¬der, die er westlich des Jordans bis nach
Gaza von Saladin erobert hatte, dem Königreich Jerusalem wiederzugeben,
ausgenommen lediglich Nablus und Transjordanien. Die mos¬lemische Macht im
Nahen Osten wurde schwächer, und das Königreich Jerusalem erstand aufs neue,
ohne daß ein einziger Schlag geführt worden war! Doch die Franken waren zu
zerstritten, um Vorteil aus ihrem Sieg zu ziehen. Die Templer und Johanniter
bekämpften sich offen; Tyros und Akkon befanden sich in einem nicht erklärten
Krieg. Es herrschte Anarchie.
1243 boten der Herrscher von Damaskus und der von Kairo an,
moslemische Beamte aus dem Tempelbezirk von Jerusalem abzuziehen, um die
Unterstützung der Franken zu bekommen. Die Franken beschlossen, Damaskus zu
unterstützen, taten aber nichts, um Jerusalem zu schützen. Im Juni 1244
stürzten sich zehntausend chorasanische Reiter auf Damaskus, wozu sie der
ägyptische Sultan angestiftet hatte. Da die Angreifer merkten, daß sie die
Stadt nicht erobern konnten und deshalb keine Beute bekommen würden, zogen sie
weiter nach Jerusalem. Sie hatten leichtes Spiel. Die christliche Bevölkerung
war klein — nur ungefähr sechstausend Menschen. Dreihundert Christen schafften
es an die Küste. Der Rest wurde getötet. Die Plünderer gruben die Knochen der
Könige aus, räumten die Häu¬ser leer und zündeten die Kirchen an, auch die
Grabeskirche.
Als alles weg und Jerusalem zerstört war, ritten die
Chorasanen weiter, um bei Gaza auf die ägyptische Armee zu treffen. Diese
beiden griffen dann vereint die Armeen von Damaskus und von Akkon an und
zerschlugen sie. Das Königreich Jerusalem war wieder da, wo es gewesen war, als
Friedrich II. ins Heilige Land gekommen war.
Im Dezember dieses Jahres schwor der König von Frankreich,
Ludwig IX., der an Malaria erkrankt war, daß er sich zur Rettung des Heiligen
Landes aufmachen werde, falls er nicht stürbe. Er starb nicht. Er machte sich
auf. Und er versagte völlig.
Soviel zur Spannung.
Der heilige Ludwig
D
ie völlige Zerstörung Jerusalems machte keinen besonderen
Eindruck auf Europa. Es gab kein großes Wutgeschrei, und der Papst dachte nicht
einmal daran, einen klei¬nen Herzinfarkt zu bekommen. Jerusalem hatte seinen
Platz in den europäischen Phanta¬sien verloren. Pilgerreisen waren jedoch ein
gutes Geschäft und mittlerweile gut organi¬siert. Es gab jährlich zwei Konvois,
die im Frühling und im Herbst von Marseille und den italienischen Städten aus
loszogen und den Pilgern eine zweiwöchige Reise von Akkon nach Jerusalem und
zurück ermöglichten. Obwohl Ritter diese Reise wie eine Art Kreuz-zugstourismus
gestalteten, hatte man allgemein das Gefühl, es sei ziemlich gleichgültig, ob
Jerusalem nun von Moslems oder Christen kontrolliert werde. Ganz normalen
Pilgern schienen die Moslems tatsächlich bessere Beschützer zu sein, als der
Abschaum Europas, der in Akkon ange'chwemmt wurde: »Sie zogen Söhne auf, die
den Verbrechen ihrer Väter nacheiferten, und von schlechten Eltern kamen noch
schlechtere Söhne und von diesen die schlimmsten Enkel, die die heiligen Orte
mit verdreckten Füßen betreten. « Sogar der Patriarch von Jerusalem sprach gut
über die Sarazenen, die »trotz häufiger Besetzung des christlichen Landes die
heiligen Orte immer nach bestem Vermögen erhalten haben. «
Die Moslems wurden nicht länger als die dunkle, böse Macht
angesehen wie 1095; Dichter hatten Saladin als noblen Heiden besungen, und der
Konflikt zwischen Christen und Sarazenen schien eine gewisse Tragik zu haben.
Die Kreuzfahrt hatte auch ihre Geg¬ner. Unter ihnen befanden sich die, die
argumentierten, daß Gott — wenn er gewollt hätte, daß die christlichen Armeen
die Sarazenen besiegten — auch dafür gesorgt hätte.
Auf der anderen Seite gab es eine Menge europäischer
Christen, die glaubten, daß es ihre natürliche Pflicht sei, alle anderen
Religionen zu vernichten. König Ludwig nahm dasKreuz nicht, weil die Türken die
Heilige Stadt eingenommen hatten. Er nahm es, weil er es als seine feierliche
Pflicht als Christ ansah, den Islam zu zerstören. Er war Mitte dreißig,
entschlossen, gerecht und rechtschaffen. Er war ein sorgfältiger Organisator
und konnte sich einer Aufgabe ganz und gar hingeben. Um es anders auszudrücken:
Er war ein gewalt¬bereiter religiöser Fanatiker, und er besaß die Macht, das
Feuer der alten pelagianischen Kriegspolitik gegen die Ungläubigen neu
anzufachen. Wie üblich waren damit Angriffe auf die Juden verbunden — doch
diese Angriffe gingen jetzt vom König aus. Er reagierte als einziger unter den
christlichen Monarchen mit Begeisterung auf den Aufruf des Papstes, jüdische
Bücher zu zerstören und jedes erhältliche Exemplar des Talmuds — das Buch der
juristischen Kommentare der Rabbiner — zu verbrennen. Der heilige Ludwig
behauptete, daß es eine schlechte Idee sei, Juden zuzuhören, die ihre Religion
verteidigten: Man gebe ihnen nur »einen ordentlichen Stoß in den Bauch, soweit
das Schwert reicht«.
Ludwig brauchte vier Jahre, um seinen Kreuzzug
vorzubereiten, der von der Kirche bezahlt wurde. Friedrich II. riet ihm davon
ab, und als Ludwig nicht auf ihn hörte, warn¬te Friedrich den ägyptischen
Sultan.
Ägypten kontrollierte nun Syrien, und so griff Ludwig
Ägypten an. Wieder einmal wurde Damiette attackiert, und wieder fiel es. Wieder
bot der Sultan den KreuzfahrernJerusalem an, wieder lehnten sie den Frieden ab.
Wieder forderte die Siegerarmee ihr Glück zu sehr heraus und wurde zerschlagen
— diesmal nicht von den Fluten des Nils, son¬dern von den leibeigenen Soldaten
des Sultans, den Mamelucken, die von Tausenden von Freiwilligen unterstützt
wurden. Ludwig selbst wurde gefangengenommen und mußte Damiette zurückgeben,
bevor er freigelassen wurde. Er versuchte dann, den Kreuzzug fort¬zuführen,
indem er nach Akkon zog, doch er hatte keine Armee mehr. Egal. Ludwig hatte
einen Plan. Um den Islam zu zerstören, würde er das zeitgenössische Gegenstück
zur Was¬serstoffbombe einsetzen. Er würde um die Unterstützung der Mongolen
bitten.
Der Zorn Gottes
L
udwig wußte eine Menge über die Mongolen, die in Polen und
Ungarn Verwüstungen angerichtet hatten. Sie hatten sich 1243 aus Europa
zurückgezogen, um die Armee der Seldschuken von Rum in Zentralanatolien zu
zerschlagen und die Region in mongolisches Hoheitsgebiet zu verwandeln. Sie
waren die Zerstörung selbst. Doch das war in Ordnung. Einige von ihnen waren
Christen.
Wie Gur-Khan (Priester Johann) und seine Kara Kitai, die von
Dschingis Khan ver¬nichtend geschlagen worden waren, benutzte das neue
mongolische Reich die nestoriani-schen Christen. Im Jahre 1245, dem Jahr nach
der Zerstörung Jerusalems durch die Chorasanen, schickte der Papst eine
Gesandtschaft in die Mongolei, und 1247 schickte er vor deren Rückkehr eine
weitere los, um sich mit einem mongolischen Feldherrn in Täbris im
nordwestlichen Persien zu treffen.
Es war völlig klar, daß das mongolische Reich nicht
christlich war, doch einige Mon¬golen waren zum Christentum übergetreten, und
sie waren auf jeden Fall keine Moslems. Als Dschingis Khan Bokhara eingenommen
hatte, sprach er zu den Moslems in ihrer großen Moschee: »Ich bin der Zorn
Gottes. Wenn ihr nicht so schlecht gewesen wärt, wäre ich nicht hier.« Die
Mongolen waren eindeutig mordende Heiden, die von nichts anderem als ranzigem
Pferdefleisch und gestockter Stutenmilch lebten und die jeder Fröm¬migkeit
entbehrten, aber sie konnten trotz allem nützlich sein.
Die erste Gesandtschaft kam Ende 1247 mit der Nachricht
zurück, daß die Mongolen nur Interesse an Eroberungen hätten, nicht an
Bündnissen. Doch die zweite kam mit Abge¬sandten des mongolischen Feldherrn
zurück, der die Idee, die Moslems durch einen Kreu¬zzug ablenken zu lassen,
während er Bagdad zerstörte, gut fand.
1248, als Ludwig in Zypern auf den richtigen Moment wartete,
Ägypten anzugreifen, suchten ihn zwei nestorianische Christen mit der Nachricht
auf, daß der Große Khan »bereit sei, unserem König bei der Eroberung des
Heiligen Landes zu helfen und Jerusa-lem aus den Händen der Sarazenen zu
befreien«. Ludwig schickte zwei eigene Botschafter mit Geschenken los, unter
anderem einer Zeltkapelle aus wertvollem Stoff voller kleiner Statuen
biblischer Figuren, die als Unterrichtsmittel verwendet werden konnten. Dann,
1251, kamen seine Botschafter zurück. Sie waren ein Jahr durch das Land des
Khans gereist, um die Mongolei zu erreichen, vorbei an unzähligen zerstörten
Städten und Kno¬chenhaufen. Als sie schließlich ihre Geschenke übergaben, nahm
der große Khan sie als Tribut an, und der neue Vasall, der König von
Frankreich, sollte nun jährlich einen ähnli¬chen Tribut entrichten.
Die mongolischen Khans übertrafen selbst den Papst oder den
Kaiser in ihrem Glauben, daß sie die Herrscher des Universums seien. Jeder,
erklärten sie, der ihre Autorität nicht anerkannte, würde überall in der Welt
verfolgt und getötet werden. Und sie meinten es so.
Ludwig konnte jetzt keine Illusionen mehr über das
mongolische Reich haben. Jeder, der sich mit dem Überleben seiner eigenen
Zivilisation beschäftigte, hätte die Mongolen als die wirkliche Bedrohung
ansehen müssen. Doch Ludwig sorgte sich nicht ums Überle¬ben; sein Ziel war die
Zerstörung des Islam. Im Jahre 1253 hörte er, daß Sataq, der Sohn des
Vizekönigs des Khans, zum Christentum gewechselt war. Ludwig schickte sofort
Bot¬schafter los und drängte die Mongolen, in Syrien einzufallen. Das taten
sie. Sie kamen nämlich sowieso schon. Es war ein gut organisierter Feldzug. Im
Jahre 1253 zog eine Vor¬hut, eine ganze Armee, nach Persien, sicherte die
Hauptstädte der Ebene und nahm einige Festungen der Assassinen ein. Die Assassinen
hatten einen von Dschingis Khans Söhnen getötet. Sie sollten vernichtet werden.
Dann wurden die Straßen durch Turkestan und Per¬sien repariert, es wurden
Brücken gebaut, Wagen für die Belagerungsmaschinen und Pul¬ver aus China
besorgt. Ganze Herden wurden geschlachtet, um Weiden für die Pferde
frei¬zumachen. Tausend chinesische Bogenschützen, die sich auf Feuerpfeile
spezialisiert hatten, wurden zur Unterstützung der großen Armee. herbeigeholt —
ein Fünftel der gesam¬ten Macht des mongolischen Reiches.
Im Januar 1256, als alles bereit war, kam die Armee,
angeführt von Hulagu, dem Sohn des Großen Khans. Seine Frau und sein oberster
Feldherr waren Christen. Die Armee bewegte sich langsam, methodisch und
zerstörend. Die Assassinen von Persien wurden ausgelöscht. Dann kam Bagdad an
die Reihe. Im Januar 1258 war seine Armee vernich¬tet. Im Februar fiel die
Stadt selbst. Das Gemetzel dauerte vierzig Tage. Achtzigtausend Menschen wurden
abgeschlachtet. Der Kalif wurde getötet, indem man ihn in einem Tep¬pich erstickte,
doch die Christen und ihre Kirchen ließ man unbehelligt. Man fand den
nestorianischen Patriarchen, der wahrscheinlich ziemlich überrascht war, als
man ihm einen königlichen Palast in der Stadt der Leichen als Kirche übergab.
Ludwigs Traum war verwirklicht worden: Die Christen
jubelten. Falls die Lateiner je ernsthaft die Absicht gehabt hatten, Jerusalem
einzunehmen, war jetzt der Augenblick zuhandeln. Doch die Europäer waren in
einen Bürgerkrieg zwischen Venezianern und Genu-esen verstrickt, der jeden
Streit in der gesamten Gesellschaft ausgrub.
Die Mongolen zogen nach Syrien. Mossul, Aleppo und Damaskus
verkündeten ihre Unterwerfung. Das half ihnen nicht. Anfang 1260 kam die
mongolische Armee in Aleppo an. Aleppo versuchte, Widerstand zu leisten. Das
war ein noch größerer Fehler. Die Mos¬lems wurden getötet, die Christen
verschont. Die Armee zog weiter gen Antiochia.
Antiochia war der einzige lateinische Staat, der von Saladin
unangetastet geblieben war. Es lebten dort zu keiner Zeit viel europäische
Rittern und es fehlte der ständige Fluß von Pilgerkriegern, die die fränkischen
Kolonien im Heiligen Land aufrechterhielten. Daher hatte sich Antiochia
allmählich an die Umgebung angepaßt, die von den Armeniern geprägt wurde. Sein
Prinz war der Schwiegersohn des Königs von Armenien, ein Mann, der Einsicht
genug gehabt hatte, die wahre Natur der mongolischen Macht zu erkennen und der
persönlich in die Mongolei gezogen war, um sich 1254 als Vasall anzudienen.
Damit bewies er gesunden Menschenverstand; er besaß nun ein Dokument von
Hulagus Bruder, in dem stand, daß seine Person und sein Königreich nicht
angegriffen werden dürf¬ten, daß er der christliche Hauptratgeber in
westasiatischen Angelegenheiten sei und daß alle christlichen Kirchen und
Klöster von den Steuern befreit seien.
Nun unterwarf sich der Prinz von Antiochia demütig. Sein
Name war Bohemond. Hulagu, der erkannte, daß die griechisch-orthodoxe
Gemeinschaft die größte in Antiochia war, bestand darauf, daß der lateinische
Patriarch durch einen Griechen ersetzt wurde. Bohemond gehorchte. Die Franken
in Akkon, die offenbar nur wenig begriffen, regten sich über seine
Unterwürfigkeit auf. Bohemond wurde exkommuniziert. Langsam dämmerte den
Franken, daß die Mongolen nicht hier waren, um ihnen zu helfen.
Als nächstes war Damaskus an der Reihe. Der Anführer der
Besatzungsarmee war Feldherr Kitbuqa, der ein nestorianischer Christ war. Mit
ihm kam der König von Arme¬nien und Bohemond von Antiochia. Eine heidnische
Macht, deren Banner von Christen getragen wurde, führte den Kreuzzugstraum von
der Zerstörung des Islam aus. Das mos¬lemische Syrien existierte nicht länger,
und das fränkische Königreich war sicher — doch nur so lange, wie es dem Khan
unterstand. Das war aber nicht das, was die Freiherren des Königreiches im Sinn
hatten.
Die Mamelucken
D
ie Franken wären schon längst von dem Drachen, den sie
gerufen hatten, verschluckt worden, hätten sie nicht Glück gehabt. Der Große
Khan starb 1259, und Hulagu hielt es für angemessen, während der
unausweichlichen Nachfolgerkrise wieder näher zurMongolei zu ziehen. Feldherr
Kitbuqa sollte die Dinge mit einem kleinen Teil der Armee für eine Weile
übernehmen. Bevor er sich abwandte, schickte Hulagu eine Gesandtschaft nach
Ägypten und verlangte, daß der Sultan sein Vasall werde.
Hulagus Botschafter in Kairo geriet in eine völlig
unerwartete Situation. Etwas Neues war in Ägypten geschehen. Der mongolische
Botschafter traf auf eine neue Macht, die sich vor nichts fürchtete. Die
Mamelucken hatten ihre Herren abgeschüttelt und ein neues Land gegründet.
Die Mamelucken waren das militärische Rückgrat Ägyptens
gewesen — Männer, deren Leben die Armee war. Es waren türkische Sklaven, die
als Kinder in den Steppen gekauft worden waren und nichts als das Nomadenleben
kannten. Als sie in Ägypten ankamen, wurden sie in Baracken von einem
mameluckischen Ausbilder unterrichtet, der ihnen zum Vater wurde. Man ließ sie
sich zum Islam bekennen und gab ihnen Namen. Da sie keine richtigen Väter mehr
hatten, trugen sie alle denselben Nachnamen, Ibn Abdullah, »Sohn von Abdullah«
(Mohammeds Vater). Sie wurden freigelassen, wenn sie das wehrfähige Alter
erreicht hatten, und konnten dann in jeden Rang aufsteigen (auch in leitende).
Oft¬mals sprachen sie kaum arabisch. Sie konnten heiraten, aber ihre Kinder
durften keine Mamelucken sein. Ihre Kinder waren Moslems und auf diese Weise
nicht versklavbar. Wichtiger noch: Sie waren für den Dienst unbrauchbar, weil
sie nicht in den wilden Step¬pen aufgewachsen waren, fort von allem, was sie
kannten. Das System der Mamelucken brauchte ständigen Nachschub neu angekaufter
Kinder.
In den vierziger Jahren des dreizehnten Jahrhunderts, als
die Chorasanen plünderten, hatte der ägyptische Sultan das System verfeinert
und fortentwickelt: Aus Angst vor sei¬nen Verwandten umgab er sich
ausschließlich mit Mameluckenwachen. In der Welt mos¬lemischer Politik war die
persönliche Treue der Mamelucken gegenüber ihrem Herrn ein wertvoller Schatz.
Doch es war eine derart persönliche Loyalität, daß die Mamelucken des Sultans
ausgetauscht werden mußten, als er starb.
Das war während eines Feldzuges gegen Ludwig geschehen. Doch
bevor der neue Sul¬tan der Tradition folgen und sie auswechseln konnte, hatten
die Mamelucken erkannt, daß sie nun zahlreich und mächtig genug waren, um sich
nicht mehr auswechseln lassen zu müssen. Sie töteten den neuen Sultan und
übernahmen selbst die Macht.
Die Mamelucken bildeten eine Kampfmaschine, die ein
Königreich regierte. Und nun hatten sie jemanden, gegen den sie kämpfen
konnten. Der mongolische Botschafter wurde getötet, und die Mameluckenarmee zog
gen Norden. Sie wurde vom mameluckischen Sul¬tan Kutuz ibn Abdullah angeführt,
und hinten marschierte der Mann, der den ersten Schlag gegen den ayubidischen
Sultan geführt hatte: Baibars ibn Abdullah. Zwischen die¬sen beiden
marschierten Tausende — alle hießen sie Ibn Abdullah.
Die Franken beschlossen, die Mameluckenarmee ungehindert
durch ihr Territoriumziehen zu lassen. Sie wollten es genießen, bei einem Kampf
der Riesen die Zuschauer zu sein. Die Mamelucken zogen nach Akkon, und als sie
hörten, daß die Mongolen den Jor¬dan überquert hatten, machten sie sich auf, um
auf sie zu treffen. Die Mamelucken waren zahlreicher, und die meisten von ihnen
zeigten sich nicht, als Baibars angriff. Als er zurückwich, verfolgte ihn die
mongolische Armee und ging geradewegs in die Falle. Die Mongolen wurden
vernichtet.
Diese Schlacht, die bei Ain Jalut, den Goliath-Seen,
stattfand, beendete die mongoli¬sche Bedrohung des Islam. Die Mongolen waren
niemals zuvor in einer entscheidenden Schlacht besiegt worden, und als die
Mamelucken weiterzogen, um Damaskus und Alep-po einzunehmen, wurden sie zu
einer Macht, die die Mongolen niemals erfolgreich angrei¬fen konnten. Und schon
bald wurden sie von einem Mann angeführt, der mindestens genauso rücksichtslos
war wie Dschingis Khan.
Sultan Baibars
B
aibars fragte, ob er Statthalter von Aleppo werden könne,
und Sultan Kutuz sagte nein. Daraufhin tötete ihn Baibars. Als die Armee der
Mamelucken nach Kairo zurückkehrte, marschierte sie unter Befehl von Sultan
Rukn ad-Din Baibars Bundukdari ibn Abdullah. Der Mameluckenstaat war praktisch
ein Militärstaat. Nur Mamelucken durften Männer des Schwertes sein. Männer der
Feder (die zivile Verwaltung) und Män¬ner des Turbans (die religiösen und juristischen
Amtsinhaber) waren keine Mamelucken und wurden regelmäßig überprüft. Das
fränkische Königreich war dem Untergang geweiht. Da die Zahl der Männer
schwand, hatten die wenigen ihre Hoffnungen auf dicke Mauern gesetzt. Doch die
Belagerungsgeräte des dreizehnten Jahrhunderts waren nicht die leichten Geräte
des ersten Kreuzzuges. Jetzt war es schwere Artillerie, die Geschosse von einer
Vierteltonne abschossen, und sie waren in großer Zahl zu erwerben.
Im Jahre 1265 begann es. Die erste Stadt war Caesarea.
Baibars nahm sie und schleif¬te sie vollständig. Dann Haifa. Diejenigen, die
nicht geflohen waren, wurden massakriert, und wieder wurden die Stadt und die
Zitadelle auseinandergenommen. Arsuf wurde zer¬stört; die Kommandanten
kapitulierten auf das Versprechen hin, daß die Überlebenden freien Abzug
hätten. Das Versprechen war eine Lüge. Die Franken hielten nun nichts mehr
südlich von Akkon, ausgenommen Jaffa, das von Johann von Ibelin gehalten wurde,
der exzellente Verbindungen zu den Moslems hatte, und einem immens stark
bewehrten Fort an der Küste. Baibars kehrte nach Ägypten zurück.
Im nächsten Jahr kam Safed an die Reihe, die große Burg der
Templer, die das obere Galiläa beherrschte. Die Templer kapitulierten, als man
ihnen sagte, sie könnten sicher nach Akkon zurückkehren. Sie wurden geköpft.
Toron an der Küste fiel ohne Widerstand. Dann zog Baibars nach Süden und tötete
jeden Christen, den er zu Gesicht bekam. Eine zweite Mameluckenarmee zog
unterdessen nach Kilikien. Sie kehrte mit vierzigtausend Gefangenen nach Aleppo
zurück, nachdem sie Kilikien von der politischen Landkarte radiert hatten. 1267
zog Baibars nach Akkon, aber er hatte nicht genug Belagerungsgerä¬te
mitgebracht, um die Mauern zu durchbrechen. Nachdem die Franken eine Waffenruhe
erbeten hatten, erreichten sie die Burg Safed, um die herum die Schädel
christlicher Gefan¬gener verteilt waren. Baibars hatte einen widerlichen Sinn
für Humor.
In Europa versuchte Ludwig IX., einen Rettungskreuzzug
zusammenzustellen, während die guten Menschen von Akkon darauf zurückkamen,
einander in der Hoffnung zu töten, den Handel des Hafens zu kontrollieren. Der
Großteil des Handels fand, wie man sich den¬ken kann, mit Baibars statt. Die
Venezianer verkauften ihm militärische Geräte und impor¬tierten Holz und Eisen
aus Nordeuropa für seine Belagerungsmaschinen, während die Genu-esen sich dem
Sklavenhandel widmeten. All dies geschah mit Erlaubnis des Hofs von Akkon!
Das Ende des Königreiches
I
m Jahre 1268 schlug Baibars wieder zu. Johann von Ibelin war
gestorben, und die Mamelucken zerlegten Jaffa in seine Bestandteile. Die
besseren Stücke der Burg wurden Teil einer neuen Moschee in Kairo. Als nächstes
war die Burg Beaufort dran, wo die Temp-1er versklavt wurden. Es war Zeit, sich
um Antiochia zu kümmern. Er teilte seine Armee in drei Teile; der erste nahm
den Hafen von St. Symeon, der zweite sicherte den Bergpaß nach Kilikien, und
der dritte riß die Mauern ein und marschierte in die Stadt hinein. Dann wurden
die Tore der Stadt verschlossen und jeder darin entweder getötet oder zum
Gefan¬genen gemacht und weggebracht. Antiochia erholte sich nicht mehr.
Bohemond war in Tri-poli, und so befahl Baibars seinem Biographen Ibn
Abdazzahir, ihm eine Nachricht zu schicken:
» Unsere Absicht ist, Euch Nachricht davon zu geben, was wir
gerade getan haben und Euch von der vollkommenen Katastrophe in Kenntnis zu
setzen, die über Euch gekommen ist... Ihr hättet sehen können, wie Eure Ritter
unter den Pferdehufen zermalmt, Eure Häuser von Plünderern gestürmt und ausgeräumt
wurden... Ihr hättet gesehen, wie die Kreuze in Euren Kirchen zerbrochen, die
Seiten des falschen Testaments zerrissen, die Gräber der Patriarchen zerstört
wurden. Ihr hättet gese¬hen, wie Euer moslemischer Feind über den Ort
trampelte, wo Ihr die Messe abhal¬tet, während die Kehlen von Mönchen,
Priestern und Diakonen auf den Altären durchschnitten wurden... Da kein
Überlebender übrig ist, der Euch erzählen könn¬te, was geschehen ist, haben wir
Euch darüber informiert, und da niemand in der Lage ist, Euch die gute
Nachricht zu überbringen, daß Ihr Euer Leben durch den Verlust von all dem
gerettet habt, übermitteln wir Euch die Kunde. «
Die christlichen Kreuzzüge hatten schließlich dieses
Ungeheuer erschaffen: einen mosle¬mischen Staat, der von ehemaligen Sklaven
regiert wurde, die gelernt hatten, das Spiegel¬bild des Feindes zu werden,
gegen den sie kämpften, und deren Vergnügen an Zerstörung und Mord das genaue
Abbild der Begeisterung war, die die Kreuzritter selbst am Abschlachten der
Moslems empfunden hatten.
Saladin war vielleicht der Inbegriff islamischer
Bescheidenheit gewesen und hätte dem Westen die Bedeutung von Ritterlichkeit
beibringen können. Baibars war der Inbegriff des religiösen Fanatismus, und die
Franken waren sein Lehrer gewesen.
Akkon sollte überleben, bis der mameluckische Sultan
beschloß, es zu zerstören. Bai-bars starb 1277, und der letzte Angriff erfolgte
erst vierzehn Jahre später. Als er kam, brachte der Sultan mehr
Belagerungsmaschinen mit, als jemals zuvor an einem Ort zusam¬mengetragen
worden waren. Die Mauern von Akkon waren verstärkt worden. Frauen, Kinder und
alte Männer hatte man nach Zypern geschafft, sofern sie die Überfahrt hatten
bezahlen können. Ungefähr tausend berittene Männer, vierzehntausend Fußsoldaten
und dreißigtausend Nicht-Kämpfer machten sich bereit, ihrem Schicksal ins Auge
zu sehen.
Es heißt, daß für die Zerstörung jedes einzelnen Turms dei
Stadt eintausend moslemi¬sche Soldaten eingeteilt waren. Der letzte Angriff
erfolgte sechs Wochen nach Beginn der Belagerung. Akkon wurde kurz und klein
gehauen, damit es niemals wieder als fränkische Basis dienen konnte. Mitte
August 1291 gab es kein einziges Gebäude mehr in Palästina, das von Franken
gehalten wurde. Die gesamte Küste war völlig von Gebäuden und von jeglichem
Pflanzenwuchs befreit. Die Franken verschwanden. Und die einheimischen
Chri¬sten, deren Fall von Papst Urban 1095 so laut hinausposaunt worden war und
deren Tragödie seine Zuhörer auf den Kreuzzug geschickt hatte, waren nun die
Opfer von mos¬lemischen religiösen Eiferern, die es vorher nicht gegeben hatte.
Sechs Jahre nach dem Fall von Akkon sprach der Papst König
Ludwig IX., der auf dem Kreuzzug bei dem Versuch gestorben war, den Islam von
der Erde zu fegen, heilig. Zehn Jahre später begann Dante Alighieri, seine
»Göttliche Komödie« zu schreiben; er schrieb, daß Friedrich II., bei dessen
Kreuzzug Jerusalem kampflos eingenommen worden war, in der Hölle schmorte. In
der Mongolei hingegen kehrten die gräßlichen Monster, die Dschingis Khan — der
selbsternannte Zorn Gottes — hervorgebracht hatte, dem Westen den Rücken zu und
wurden buddhistische Pazifisten. Und diese sind es bis heute geblieben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.