Montag, 10. August 2015

Kreuzzüge – St.Bernhards Hunde


Kreuzzüge – St.Bernhards Hunde

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/wCLHGv19CvQ

ST. BERNHARDS HUNDE

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ie Nachricht von Zengis Eroberung Edessas hatte sich wie ein Lauffeuer im Westen verbreitet. Papst Eugenius III. rief sofort nach einem zweiten Kreuzzug, doch ohne sonderliches Echo. In Frankreich versammelte König Ludwig seine Bischöfe und Adligen zur üblichen Weihnachtsfeier und nahm die Gelegenheit wahr, ihnen seinen Plan zur Befreiung des Heiligen Landes zu präsentieren. Doch der Vorschlag kam bei den Mitglie¬dern des Hofes genauso gut an wie ein Bissen übriggebliebenen Weihnachtspuddings.

Auftritt Bernhard, Abt von Clairvaux! Beinahe einhändig warf er die ganze Sache herum. Bernhard war zu jener Zeit einer der mächtigsten Männer Europas. Er hatte dabei gehol¬fen, Papst Innozenz II. 1130 auf den päpstlichen Thron zu hieven, und der jetzige Papst war sein Schüler gewesen. Bernhard war ein charismatischer Redner. Er hatte solche Macht, das Denken der Menschen zu beeinflussen, daß es hieß, wenn Bernhard in der Nähe sei, würden »Mütter ihre Söhne und Frauen ihre Männer verstecken«.

Bernhard war eigentlich kein Intellektueller — tatsächlich war er eher das Gegenteil eines Intellektuellen. In seiner Religion gab es keinen Platz für »Vernunft«. Sein Interesse galt »dem Herzen« — der Leidenschaft des Glaubens. Dies sollte sich für die Menschen, die Bernhard zur Reise nach Osten überredete, als unheilvoll erweisen.

Am 31. März 1146 bestieg Bernhard auf einer Wiese außerhalb der Stadt V6zelay eine Kanzel und hielt seine erste Kreuzzugspredigt. Es war das mittelalterliche Pendant zu einem Popkonzert. Massen von Menschen, zu viele für irgendein Gebäude, waren einen Tag lang im Freien versammelt, und eine Person von Weltruf unterhielt sie. Bernhard war nicht die Art Rock'n'Roller, der sie enttäuscht hätte. Die Menge tobte. Nach der Vorstel¬lung drängten so viele Menschen zur Kanzel, um das Kreuz zu nehmen, daß Bernhard die vorbereiteten Kreuze ausgingen und er sich in einem Moment reiner Schauspielerei die Kleider vom Leib riß und sie für die Menge zu Kreuzen schnitt.

Wo immer Bernhard hinging, war er eine Sensation. Das Kreuzzugfieber verbreitete sich über Europa. Bernhard versprach den angehenden Kreuzfahrern nicht bloß die Erde, sondern auch den Himmel! Gott wird »diejenigen belohnen, die für ihn in den Krieg zie¬hen: die Vergebung ihrer Sünden und immerwährenden Ruhm«. Und er hatte keine Pro¬bleme damit, an die niederen Instinkte seiner Zuhörer, namentlich die Gewinnsucht zu appellieren. »Wenn du ein besonnener Händler bist, wenn du ein Mann bist, der gern welt¬liche Güter sammelt, dann zeige ich dir bestimmte große Märkte; laß dir die Chance nicht entgehen... « Verpaßt diese einmalige Gelegenheit nicht, Leute! Sofortige Errettung garan¬tiert! Nur kurze Zeit erhältlich! Beeilt euch! Beeilt euch!

Für Bernhard war der Fall Edessas kein Verlust, sondern die einmalige Gelegenheit, die exklusiv für dich von Gott geboten wurde, um deine Sünden wiedergutzumachen und seine Gnade zu gewinnen! »Dies ist ein Vorhaben, das nicht von Menschen entworfen wurde, sondern vom Himmel kommt und aus dem Herzen heiliger Liebe. « •

Wie üblich, löste diese Manifestation heiliger Liebe Massaker an Juden in ganz Deutsch-land aus. Bernhard wurde gebeten, zu kommen und die Ordnung wiederherzustellen. Er hatte mit dem Wahlspruch gegen einen Papst jüdischer Herkunft gestimmt: »Es wäre eine Beleidigung für Christus, wenn der Nachkomme eines Juden den Thron des Heiligen Petrus besetzte. « Doch er war nach den Maßstäben seiner Zeit kein fanatischer Antisemit. Bern¬hard befahl dem Mönch, der den Anstoß zu den Massakern gegeben hatte, zurück in sein Kloster zu gehen, und begann selbst, in Deutschland für den Kreuzzug zu predigen.

Die deutschen Kreuzritter

Obwohl seine Predigten mit Hilfe eines deutschen Übersetzers vorgetragen werden mußten, war Bernhard ein Riesenerfolg. »Ich öffnete den Mund«, schrieb Bernhard mit einiger Selbstzufriedenheit an den Papst, »ich sprach; und sofort hatten sich die Kreuz¬fahrer ins Unzählige vermehrt. Dörfer und Städte sind nun verlassen. Man findet kaum einen Mann auf jede siebte Frau. Überall sieht man Witwen, deren Männer noch leben. « Es war kein Wunder, 'daß Mütter ihre Kinder und Frauen ihre Männer versteckten, sobald Bernhard der Abt in der Nähe war! Der deutsche König selbst brach unter einer von Bern¬hards Tiraden zusammen. Bernhard wandte sich an den großen Mann und brüllte ihm wie mit der Stimme Christi ins Ohr: »Manh, was soll ich für dich tun, das ich nicht schon getan habe?« Konrad soll darauf keine Antwort gewußt haben, sondern in Tränen ausgebrochen sein und stehenden Fußes das Kreuz genommen haben. Der deutsche Kreuzzug setzte sich im Mai 1146 in Marsch, im Juni gefolgt von den Franzosen. Ibn al-Qalanisi bestätigt eine verbreitete Vorahnung innerhalb der arabischen Welt zu dieser Zeit:

»Es kamen immer neue Nachrichten — aus Konstantinopel, aus dem Gebiet der Franken und auch aus Nachbarländern —, daß die Könige der Franken aus ihren Ländern auf dem Weg waren, um das Land des Islams anzugreifen. Sie hatten ihre eigenen Provinzen geleert, sie ohne Verteidiger zurückgelassen, und führten Reichtümer, Schätze und unschätzbares Material mit sich. Sie zählten, so hieß es, eine Million Fußsoldaten und Reiterei, vielleicht sogar mehr. «

Natürlich war es keine Million — aber es waren Zehntausende.

Die Deutschen zogen ohne große Unterbrechung durch Ungarn. Als sie jedoch byzan-tinisches Territorium betraten, verlor Konrad etwas die Kontrolle. In Philippopolis ver, suchte ein ortsansässiger Jongleur, durch die Vorführung seiner Künste ehrliches Geld zu verdienen. Er war so überzeugend, daß einige der Deutschen ihn der Hexerei beschuldig¬ten. Ein Aufruhr entstand und die Ausläufer der Stadt wurden niedergebrannt.

In Konstantinopel hielt Kaiser Manuel, genau wie sein Großvater Alexius, eine Kreuz-ritterarmee zur Zeit für ausreichend und überredete Konrad weiterzuziehen, ohne auf die Franzosen zu warten. Als Konrad Nikaia erreichte, teilte er seine Armee in zwei Teile und schickte die Nicht-Kämpfer über die Küstenstraße, während er mit der Hauptarmee den kürzeren, gefährlicheren Weg durch Anatolien einschlug. William von Tyros berichtet, wie die griechischen Führer sie über verlassene Wege in eine Wildnis führten und sie dort plötz¬lich alleinließen. Ob das nun stimmt oder nicht — seine Sicht der Ursache verdeutlicht die lateinischen Gefühle gegenüber den Griechen.

»Es wurde allgemein gesagt und ist wahrscheinlich auch wahr, daß diese gefährli¬chen Führer mit Wissen und auf Befehl des griechischen Kaisers handelten, der den Christen ihren erfolgreichen Vormarsch immer geneidet hatte. Denn es ist wohlbe-kannt, daß die Griechen stets mit Mißtrauen auf jede Verstärkung der Macht west¬licher Nationen geschielt haben (wie sie es noch immer tun), besonders auf die Macht der teutonischen Nationen als Rivalen des Kaiserreiches. Sie nehmen es übel, daß der König der Teutonen sich Kaiser über die Römer nennt. Denn damit scheint er zuviel des Prestiges ihres eigenen Kaisers hinwegzunehmen. «

In der Nähe von Dorylaion wurden sie plötzlich von einer großen türkischen Armee über¬fallen, die vom Sohn Kilij Arslans angeführt wurde, der die Niederlage seines Vaters durch die Kreuzritter an genau demselben Ort fünfzig Jahre zuvor rächen wollte. Die Christen waren müde und durstig und wurden völlig überrascht. Von ihren eigenen Waffen nieder¬gedrückt, waren sie nicht in der Lage, die Türken in einen Nahkampf zu verwickeln. Nach einer kurzen Schlacht »brachen diese großen christlichen Prinzen, deren Waffen und Stär¬ke, Mut und Zahl unvergleichlich geschienen hatte, plötzlich zusammen. « Kaum ein Zehn¬tel der großen Expedition konnte fliehen. Konrad selbst schaffte es gerade bis nach Nikaia.

Der fränkische Feldzug

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ier vereinigten sich die Überbleibsel der deutschen Streitmacht mit den Franken unter König Ludwig VII., und gemeinsam beschlossen sie, den Küstenweg zu wählen, auf den die Nicht-Kämpfer geschickt worden waren. Konrad jedoch nahm ein Schiff zurück nach Byzanz. Er war krank, obwohl William von Tyros einen anderen Beweggrund unter¬stellte: » Vielleicht fand er die Selbstgefälligkeit der Franken unerträglich.«

Sie konnten nicht weg, und doch konnten sie nicht bleiben, wo sie waren. In dies lage bewies der König von Frankreich, aus welchem Holz ein wahrer Aristokrat ges ist. Er belud die zur Verfügung stehenden Schiffe mit seinem persönlichen Hausrat viel Reiterei, wie er nur konnte, und machte sich davon — die Fußsoldaten und die waffneten Pilger überließ er ihrem Schicksal. Er hinterließ beim Statthalter von At hundert Mark für ihre Versorgung, doch der Statthalter weigerte sich, sie in den S.±: Stadtmauern aufzunehmen. Draußen hatten sie kaum eine Chance, den riirkiszhe^ schützen zu entgehen, und so schleppten sich diese armen Leute hungernd, ohne ohne ritterlichen Schutz über den Weg nach Antiochia. Weniger als die Hälfte szhaf Und so zogen sie bei sich verschlechternden winterlichen Bedingungen weiter. Die Ver-sorgungsmittel schrumpften, und die Disziplin ging zum Teufel. Auch als sie den Hafen von Attalia (des heutigen Antalyas) erreichten, fanden sie nur wenig Vorräte vor, das Land rings¬um war von den Türken besetzt und die Menschen von Attalia waren davon abhängig, was über den Seeweg geliefert wurde. Was noch schlimmer war: Die Flotte, die ihnen der Kaiser von Byzanz zugesagt hatte und die sie den Rest des Weges befördern sollte, stellte sich als viel zu klein heraus. Die prekäre Lage wurde noch akuter, als die schlechte Versorgung mit Nahrungsmitteln erste Todesopfer zur Folge hatte. »Tatsächlich«, sagte William von Tyros, »starben die Überlebenden der Armee, und vor allem die Armen, beinahe an Hunger. «

Sie konnten nicht weg, und doch konnten sie nicht bleiben, wo sie waren. In dieser Not¬lage bewies der König von Frankreich, aus welchem Holz ein wahrer Aristokrat geschnitzt ist. Er belud die zur Verfügung stehenden Schiffe mit seinem persönlichen Hausrat und so viel Reiterei, wie er nur konnte, und machte sich davon — die Fußsoldaten und die unbe¬waffneten Pilger überließ er ihrem Schicksal. Er hinterließ beim Statthalter von Attalia fünf¬hundert Mark für ihre Versorgung, doch der Statthalter weigerte sich, sie in den Schutz der Stadtmauern aufzunehmen. Draußen hatten sie kaum eine Chance, den türkischen Bogen¬schützen zu entgehen, und so schleppten sich diese armen Leute hungernd, ohne Führer und ohne ritterlichen Schutz über den Weg nach Antiochia. Weniger als die Hälfte schaffte es.

König Ludwig in Antiochia

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önig Ludwig kam voller Pomp und »größter Herrlichkeit« in Antiochia an. Prinz Raimund von Antiochia versorgte die Neuankömmlinge, gab ihnen die besten Unter¬künfte, verteilte Geschenke und ließ sie allgemein das angenehme Gefühl genießen, in zivi¬lisierter Gesellschaft zu sein. Es war Frühling. Die Säfte stiegen. Die Luft war erfüllt von Zuversicht, Kameradschaft und fremden Zauber. Dabei sollte es nicht lange bleiben.

Prinz Raimund empfing auch die herannahende geschrumpfte Armee mit Erleichte-rung; er wollte unbedingt die wachsende Macht Nur ed-Dins zerstören. Er »fühlte die lebendige Hoffnung, daß er mit der Hilfe des Königs und seiner Truppen fähig wäre, die Nachbarstädte, nämlich Aleppo, Shaizar und einige andere, zu unterjochen... Denn die Ankunft König Ludwigs hatte unseren Feinden solche Angst eingejagt, daß sie nun nicht nur ihrer eigenen Stärke mißtrauten, sondern gar am Leben verzweifelten.«

Doch Raimund kannte Ludwig nicht. Der König stand noch immer unter dem Bann des Abtes Bernhard. Sein Herz zog es nach Jerusalem. Außerdem fand er, daß seine Armee allein zu klein sei, um Edessa zu befreien, und Konrad war bereits weiter nach Akkon gese¬gelt. Die Beziehung zwischen den Männern verschlechterte sich. Die Lage wurde auch nicht durch die aufblühende Beziehung zwischen dem gutaussehenden Prinzen Raimund und Ludwigs Frau verbessert, der berühmten, strahlenden, klugen, kultivierten, unglaub-lich reichen Eleonore von Aquitanien.

Eleonore hatte sich bereits darüber beschwert, daß sie angenommen habe, in Ludwig einen Mann zu heiraten, jedoch habe sie feststellen müssen, einen Mönch geehelicht zu haben. Sie konnte durch Ludwigs Beschluß, für die Dauer des Kreuzzuges ein religiöses Leben zu führen, nicht eben ermutigt worden sein, da dies mit Wahrscheinlichkeit auch ziemlich wenig sexuelle Entspannung bedeutete. Ob dies nun so war oder nicht — bald kur¬sierten Gerüchte in Antiochia, daß die schöne Eleonore, sechsundzwanzig Jahre jung, einen ihr angenehmen Ersatz in ihrem Onkel Raimund, neunundvierzig Jahre alt, gefunden habe. König Ludwig sah seine Ehre bedroht und in der Gefahr, sich lächerlich zu machen.

Was die Angelegenheit noch schlimmer machte, war die Tatsache, daß Eleonore kein Geheimnis daraus machte, daß sie die Vorgehensweise ihres Onkels unterstützte und Lud-wigs Entschluß ablehnte, nichts zu unternehmen, ehe er nicht die heiligen Schreine von Jerusalem besucht hatte. Schließlich, als Ludwig seinen Entschluß, nach Jerusalem zu zie-hen, öffentlich bekannt gab, gab die lebhafte Eleonore ihren Entschluß bekannt, in Antio-chia zu bleiben und um die Scheidung zu ersuchen. Ludwigs Reaktion war wirkungsvoll, aber schändlich. Er entführte die eigene Frau, ließ sie gewaltsam zum Schiff schleppen und setzte die Segel gen Akkon.

In Jerusalem atmete man jedoch auf, daß Ludwig nicht in Antiochia geblieben war.

DIE KRIEGER DES NUR ED-DIN

Nur ed-Dins Armee stand geschlossen hinter der Idee des Heiligen Krieges. Es war eine außergewöhnliche Armee. Die meisten türkischen Herrscher beschäftigten türkische Soldaten — Turkomanen und Mamelucken aus den Gebieten nördlich von Persien. Die Turkomanen waren überwiegend frisch zum Islam übergetreten; Mamelucken wurden im Kindesalter als Sklaven von nicht-islamischen Steppenbewohnern gekauft und zu Soldaten erzogen. Als Nur ed-Din den irakischen Teil des väterlichen Herrschaftsge-bietes an seinen Bruder verlor, verlor er auch den größeren Teil seiner Soldaten. Als Ersatz rekrutierte er kurdische Krieger.

Die Kurden waren schon seit Jahrhunderten Moslems. Sie lebten in Armenien, Georgien, im Nordirak und in Ostanatolien. Anfang des zwölften Jahrhunderts wur¬den Tausende von ihnen von einem neuen, christlichen Herrscher über Georgien aus diesen Gebieten vertrieben. Die georgischen Christen veranstalteten, nach römisch-katholischem Vorbild, ihre eigenen Kreuzzüge. Armeen, angeführt von Priestern und Bischöfen, die Ritter mit dem Kreuz geschmückt, schufen ein neues christliches Ostreich. Nur ed-Dins kurdische Truppe bestand aus Männern, die vor den Eroberern geflohen waren und am eigenen Leib erfahren hatten, was Heiliger Krieg bedeutet.

Hof von Akkon beriet man nun, wie »es ihnen gelingen könne, das Königreich zu ver¬größern und die Herrlichkeit des christlichen Namens zu mehren«. Niemals in der kurzen Geschichte des Königreichs Jerusalem hatten sich so viele Berühmtheiten des Hofes, der Kirche und des Militärs zu einem solch strahlenden gesellschaftlichen Ereignis zusammen¬gefunden. Nach einer gründlichen Diskussion kamen die Anführer, Ratgeber und weisen Männer der Franken, Deutschen und des Königreichs Jerusalem zu dem einstimmigen Beschluß, daß es das Sinnvollste sei, ihren einzigen moslemischen Verbündeten anzugrei¬fen. Für die Neuankömmlinge muß dies logisch gewirkt haben. Aleppo bedeutete ihnen nichts, doch Damaskus war ein Name, den sie aus der Bibel kannten. Es war moslemisch, es war strategisch wichtig, und es würde Nur ed-Din in die Defensive bringen. Doch jene, die schon länger im Land waren, hätten es besser wissen müssen.

Am 25. Mai 1148 setzte sich die vereinte christliche Streitmacht zum Angriff auf Damaskus in Bewegung. Der Herrscher von Damaskus, Unur, hatte bis dahin reichlich Warnungen vor der nahenden Armee erhalten. Er versiegelte Wasserlöcher, verstärkte seine Befestigungsanlagen und sandte Hilferufe an seine moslemischen Gegner aus, auch an Nur ed-Din.

Der Geist St. Bernhards hing in der Luft. Es war Bernhard gewesen, der die Menschen von Europa mit der Idee des Kreuzzuges begeistert hatte. Es war Bernhard gewesen, der dem Kreuzzug sein hochreligiöses Gepräge verliehen hatte. Er war natürlich nicht dabei¬gewesen, als die Entscheidung für den Angriff auf Damaskus gefallen war, doch sie war in seinem Geiste getroffen worden: Man hatte religiöse Überzeugungen über jede Vernunft und jeden gesunden Menschenverstand gestellt. Wenn man das weiß, kann man die frän¬kischen Feldherren dafür entschuldigen, daß sie um eine wichtige Tatsache nicht wußten: Um die Wirkung, die Nur ed-Dins Propaganda bereits auf die Damaszener ausgeübt hatte.

Debakel in Damaskus

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amaskus war zu jener Zeit von Gärten umsäumt, und die Kreuzritter befanden, daß es ein Klacks sein müsse, auch die Stadt einzunehmen, wenn sie erst jene eroberten. Die Gärten waren jedoch nicht einfach nur hübsche kleine Wiesen mit Obstbäumen. Sie bildeten eine sehr gute Verteidigungsanlage für die Stadt, wie William von Tyros beschreibt:

»... die Gärten erstreckten sich acht Kilometer oder mehr in Richtung Libanon und säumten die Stadt wie ein dichter, dunkler Wald weitherum. Um die Grenzen jedes Gartens kenntlich zu machen und auch um ein Hindurchgehen nach Lust und Laune zu verhindern, sind diese Gärten von Erdwällen umfaßt... Diese Gärten sind für die Stadt von größtem Schutz. Die riesige Zahl der Bäume, die nahe beieinan¬der gesetzt wurden, sowie die engen Wege machten es jedem schwer — tatsächlich fast unmöglich —, sich Damaskus von dieser Seite her zu nähern. Doch von Beginn an waren unsere Führer entschlossen, ihre Armee durch die Gärten zu führen und sich der Stadt auf diesem Weg zu nähern. «

Es muß ziemlich nervenaufreibend gewesen sein, der ersten Angreiferwelle anzugehören. Hohe Türme ragten innerhalb der Gärten empor, aus denen die Verteidiger wieder und wieder Pfeile herabregnen ließen. Wenn die Franken durch die engen, von Wällen begrenz¬ten Wege kamen, konnten sie jeden Augenblick von einer Lanze durchbohrt werden, die durch ein Loch im Wall gestoßen wurde. Viele starben auf diese Weise.

Am ersten Angriffstag fielen die Damaszener zum Kämpfen aus der Stadt aus. Die ara-bischen Chronisten berichten, daß das reguläre Militär der Stadt von »Freiwilligen, die für den Glauben kämpften«, unterstützt wurde. Der Haß auf die Franken saß tief. An der Spitze der türkischen Soldaten und der arabischen Kämpfer stand ein älterer Rechtsge¬lehrter namens Al-Findalawi. Unur eilte zu ihm und sagte, er sei viel zu alt, um gegen dieFranken zu kämpfen, und er solle es anderen überlassen. Doch Al-Findalawi drehte sich um und antwortete, indem er sich auf eine Sure des Korans bezog: »Ich habe mich selbst zum Kauf angeboten, und Er hat mich gekauft. Bei Gott, ich habe weder zugestimmt noch darum gebeten, daß der Vertrag annulliert werden soll!« Der alte Mann zog weiter in die Schlacht und kämpfte, bis er fiel. Al-Findalawis Opfer wurde berühmt. Sein Grab wurde zu einem Pilgerziel; der jihad hatte seinen ersten Märtyrer gefunden.

Trotz aller Begeisterung wurden die Damaszener in die Stadt zurückgedrängt, und die Franken besetzten schließlich die Gärten. Während des Kampfes soll Konrad einen muti¬gen türkischen Ritter auf bemerkenswerte Art und Weise getötet haben. »Mit einem Schwertstreich trennte er Kopf und Hals seines Feindes vom Körper, die linke Schulter mit dem daran hängenden Arm und auch einen Teil der Seite. «

Die Bewohner der Stadt waren verzweifelt, doch dann änderte sich die Lage. Verstär¬kung strömte aus dem Norden nach Damaskus, und die Angreifer wurden mehrere Tage in Schach gehalten. Dann begingen die Kreuzritter einen verhängnisvollen Fehler. Sie beschlossen, ihre hart erkämpfte Stellung in den Gärten aufzugeben und sich auf eine offe¬ne Ebene östlich der Stadt zurückzuziehen. Die Moslems ihrerseits besetzten die Gärten sofort wieder. Nun stellten die Kreuzfahrer fest, daß es an ihrem neuen Standort kein Was¬ser gab und außerdem vor dem wehrhaftesten Teil der Stadtmauer lag. Dieser Ort war vollkommen unhaltbar, und die Chance, Damaskus einzunehmen, löste sich vor ihren Augen in der mitleidslosen Sonne und dem Staub des syrischen Julis in Luft auf.

Im Morgengrauen des nächsten Tages beugten sich die Kreuzritter dem Unausweichli¬chen, packten ihre Sachen und schlichen sich »in bejammernswerter Verwirrung und Unordnung« davon, auf jedem Schritt ihres Weges von den Bogenschützen der Damasze-ner verfolgt. Bald türmten sich die Leichen auf dem Boden, und »die Körper stanken so stark«, sagte der Chronist von Damaskus, »daß die Vögel beinahe vom Himmel fielen!«

St. Bernhards Kreuzzug endete im Fiasko. Die Bewertung und die gegenseitigen Beschuldigungen sollten nicht lange auf sich warten lassen.

 

 

 

Die Bewertung

7iunächst einmal: Warum, um Himmels willen, verließen die Anführer die Gärten und

             nahmen eine nicht zu verteidigende Stellung ein? William von Tyros schrieb, daß er

»oft weise Männer und solche gefragt habe, deren Erinnerung an diese Zeit noch frisch ist«, doch er habe der Angelegenheit nie auf den Grund gehen können. Eines Umstandes war er sich jedoch sicher: Es waren die ortsansässigen Freiherren gewesen, die den schlech¬ten Rat gegeben hatten — doch was war ihr Motiv gewesen?

Eine Meinung besagte, daß die alten Männer des Königreichs Jerusalem sich vom Nachwuchs aus Europa abwandten. Die örtlichen Freiherren waren der Ansicht gewesen, daß Damaskus ihrem eigenen Königreich hinzugefügt werden sollte. Sie hatten erstaunt festgestellt, daß die neu angekommenen Könige von Frankreich und Deutschland die Absicht hatten, die Stadt einem ihrer Kumpane zu schenken — dem ohnehin bereits wohl¬habenden Grafen Thierry von Flandern! »Es war ihnen lieber, daß die Damaszener ihre Stadt behielten, als daß dieselbe dem Grafen gegeben würde. «

Andere schrieben die Tat der lokalen Herren dem schlechten Einfluß Raimunds von Antiochia zu, der immer noch danach trachtete, Ludwig eins auszuwischen. Noch mehr schoben den Verrat auf ein Abkommen zwischen den örtlichen Franken und Unur. Ohne Zweifel hatte an irgendeinem Punkt Geld den Besitzer gewechselt, auch wenn man später entdecken sollte, daß es Falschgeld gewesen war.

In Europa fiel der Großteil dieser Schande auf den Anstifter des ganzen Abenteuers —Abt Bernhard von Clairvaux — zurück, der so viel im Namen Gottes versprochen hatte. Hatte er nicht behauptet, der Kreuzzug sei im Himmel ausgearbeitet worden? Daß er nicht fehlgehen könne? Ein deutscher Mönch aus Würzburg verdammte alles als Werk des Teu¬fels und beschuldigte, mit dem Finger auf Bernhard weisend, die »Pseudo-Propheten, Söhne des Belial und Zeugen des Antichristen, die die Christen durch dumme Worte in die Irre führen und alle Sorten von Männern durch leeres Predigen zum Gehen verleiten. « Bernhard selbst war so verblüfft wie jeder andere und konnte sich nur beim Papst beschweren, daß dies »beinahe ein Ende der Zeiten« anzudeuten schien. Sein einziger Trost war, daß wahrscheinlich alles ein Fehler dieser schändlichen Griechen war.

Doch wenn man auch über die Gründe des Desasters streiten konnte, so gab es nur wenig Zweifel über die Folgen. Das Königreich war grundlegend geschwächt. Von dieser Zeit an blickten die Adligen, die in solch großer Anzahl aus dem Westen gekommen waren, um das Königreich von Jerusalem zu unterstützen, »befremdet auf unseren Füh¬rer«, schrieb William von Tyros.

»Sie erklärten alle Pläne als trügerisch und zeigten völliges Desinteresse an den Belangen des Königreiches... ihr Einfluß bewegte andere, die nicht anwesend gewe¬sen waren, in ihrer Liebe zum Königreich nachzulassen. Demzufolge unternahmen nun weniger Menschen die Pilgerreise und auch solche, die weniger leidenschaftlich im Geiste waren. Außerdem haben diejenigen, die kommen, bis zum heutigen Tage Angst davor, in dieselbe Falle zu laufen... Von jener Zeit an wurde der Zustand der Lateiner im Osten sichtbar schlechter. «

Die Franken hatten Damaskus zu ihrem Feind gemacht und Nur ed-Dins Laufbahn genau den Auftrieb gegeben, den sie gebraucht hatte.






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